- Hören Sie einen Moment zu! - Die Bundesanstalt für Arbeit gibt jährlich mehr als 40 Milliarden DM oder 20 Milliarden € für aktive Arbeitsmarktpolitik aus. Wenn man nur die Hälfte dieses Betrages für die Förderung im Niedriglohnbereich verwenden würde,
könnte man - 100 € Förderung pro Person unterstellt 800.000 echte neue - ich betone: echte neue! - Arbeitsplätze schaffen, ohne auch nur einen einzigen € mehr auszugeben als bisher.
Mit ständiger Gegenfinanzierung kann man die viel zu hohe Staatsquote nie reduzieren, die im Übrigen auch eine wesentliche Ursache für die zu schwache Binnennachfrage ist. Wir müssen aus diesem Teufelskreis heraus.
Aus der Sicht der CDU muss die Förderung des Niedriglohnsektors nicht nur in eine umfassende Reform auf dem Arbeitsmarkt eingebettet sein, sondern darüber hinaus muss auch die Aktivierung der privaten Haushalte als Arbeitgeber mit steuerlicher Flankierung wieder eingeführt werden.
Mit der Streichung der steuerlichen Absetzbarkeit von Haushaltshilfen zum 1. Januar dieses Jahres geht die Bundesregierung genau den gegenteiligen Weg. Es bedarf keiner prophetischen Gaben, um hier einen weiteren Schub bei der Schwarzarbeit vorherzusagen.
Das entscheidende Kriterium für die Förderwürdigkeit muss der geringe Stundenlohn und nicht der Monatsverdienst sein. Das Segment des Arbeitsmarktes zwischen 325 und 800 € wiederzubeleben, muss das Ziel sein.
In diesem Zusammenhang ist es ein unglaublicher Vorgang, wenn die Bundesregierung bei über 4 Millionen Arbeitslosen nunmehr auch noch Zuwanderungsvoraussetzungen schaffen will, die die Anwerbung von Pflegepersonal aus Polen zu Niedriglöhnen möglich machen soll.
Hätte die Bundesregierung statt Murks wie mit dem Job-Aqtiv-Gesetz und den Kombi-Lohnmodellen zu machen, eine grundlegende Arbeitsmarktreform auf den Weg gebracht, könnten auch diese Arbeitsplätze problemlos mit einheimischen Arbeitnehmern besetzt werden.
Sie merken an meiner Rede, dass wir den vorliegenden Anträgen nicht zustimmen werden. Allerdings sind
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die aktuellen Hiobsbotschaften vom Arbeitsmarkt haben jetzt erneut die wieder notwendige Debatte um eine moderne Arbeitsmarktpolitik in den Landtag gebracht - aber auch der Bundestagswahlkampf, so habe ich den Eindruck. Im Dezember waren wieder fast 4 Millionen Menschen in der Bundesrepublik arbeitslos. Das ist im Wahljahr natürlich ein Desaster für einen Kanzler, der versprochen hat, an der Senkung der Arbeitslosigkeit gemessen zu werden. Aber es ist ein noch viel größeres Desaster - oder sollten wir lieber sagen: persönliches Schicksal? - für die vielen Bürgerinnen und Bürger, die jeden Tag die Folgen der Arbeitslosigkeit an sich und ihren Familien spüren können.
Erklärungen für die Misere gibt es viele. Sie sind sicherlich auch nicht alle falsch. Neben den negativen Folgen für den deutschen Export durch den wirtschaftlichen Einbruch in den USA war es die Krise auf dem „Neuen Markt“ - von Mobilfunkunternehmen bis zu Internetfirmen -, die zu vielen Entlassungen geführt hat. Allerdings haben viele unserer Nachbarländer in der Europäischen Union mit denselben Problemen zu kämpfen. Dennoch weisen sie bessere Arbeitsmarktdaten auf, zum Beispiel Dänemark, wo die Arbeitslosenquote immer noch bei 5 % liegt. Holland, Finnland, Belgien sind andere Beispiele, wo sich die Arbeitslosigkeit trotz der allgemeinen Wirtschaftsflaute auf relativ niedrigem Niveau befindet.
Wir kommen deshalb nicht darum herum, die Ursachen der überdurchschnittlichen Arbeitslosigkeit in den Strukturen auf unserem Arbeitsmarkt zu suchen. Wenn man bei 4 Millionen Arbeitslosen fast 1,2 Millionen offene Stellen hat, muss immer noch etwas ganz Entscheidendes in der Arbeitsmarktpolitik falsch sein. Angebot und Nachfrage passen nicht zusammen.
Wenn sich aber im Wahljahr alle Parteien mit neuen kurzfristigen Lösungsvorschlägen überbieten, ist Vorsicht geboten. Es ist der negative Effekt unserer Gesellschaft, dass Politiker - gleich welcher Couleur - bei einem entstandenen Problem sofort der Öffentlichkeit Lösungen anbieten. Dabei übersehen sie aber die bereits vorhandene Bandbreite der Arbeitsmarktmodelle, die insbesondere im Bereich der so genannten geringer Verdienenden den Arbeitslosen in Arbeit helfen sollen. Da preist der Bundeskanzler das so genannte „Mainzer-Modell“ als großen Wurf an. Aber es stellt sich heraus, dass die Experten bei einer bundesweiten Ausdehnung des Modells nur mit 20.00 bis 30.000 neuen Arbeitsplätzen rechnen.
Dann versucht die CDU-Bundestagsfraktion dies zu überbieten, indem sie 10 Milliarden DM für ein ähnliches Modell ausgeben will. Das CDU-Modell hat aber auch die Schwäche, dass eigentlich nur der Arbeitnehmer durch finanzielle Vorteile motiviert wird. Dem Arbeitgeber bietet dieses Modell fast keine finanziellen Anreize, um Arbeitslose in größerer Zahl einzustellen. Schlimm ist dabei, dass die CDU ihr Modell durch den Wegfall von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen finanzieren will.
Dazu kommt dann noch die FDP, der im Grunde erneut nichts Besseres einfällt, als die Wiedereinführung der alten 630-DM-Jobs mit einer erhöhten Bemessungsgrundlage zu fordern, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Auch im Landtag müssen wir uns heute mit einem entsprechenden Antrag beschäftigen.
Alle diese Initiativen kranken aus unserer Sicht daran, dass sie nur an einem System herumdoktern, das von Grund auf geändert werden muss;
denn es ist zwar richtig, dass der Anreiz für die Wirtschaft, im Niedriglohnsektor mehr Beschäftigte einzustellen, durch die hohen Lohnnebenkosten äußerst gering ist. Doch sehen wir seit Jahrzehnten, dass man dieses Problem durch Sonderregelungen - sei es nun das „Mainzer-Modell“ oder sei es die alte 630-DMRegelung - nicht wirklich löst, sondern häufig nur neue zusätzliche Probleme schafft.
Da ist der vorliegende Antrag der Grünen von der Intention her schon richtiger. Durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer wollen die Grünen die Lohnnebenkosten für den Niedriglohnsektor senken. Leider picken sich die Grünen nur einen sehr kleinen Teil des so genannten dänischen Modells heraus, ähnlich wie Frau Strauss es vorhin auch getan hat.
Denn das dänische Sozialversicherungssystem wird nicht durch die Mehrwertsteuer finanziert, sondern gerade auch durch die Lohnsteuer, die viel höher ist als in Deutschland, und durch andere Verbrauchssteuern. Ich verweise auf die Luxussteuer, die es in Dänemark gibt. Ich würde gerne einmal hören, was die Kolleginnen und Kollegen hierzu sagen.
Auch den Vorteil des Sozialversicherungssystems haben alle. Im Gegensatz zu Deutschland haben in Dänemark alle den Vorteil.
Deswegen ist auch dieser Vorschlag im Endeffekt nur ein Herumdoktern am System in Deutschland, der dazu führen kann, dass die gute Absicht durch entstehende Schlupflöcher wieder unterlaufen wird. Wir halten es für wichtiger, am Arbeitsmarkt nicht nur einen Teil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu unterstützen.
Wirklich helfen würde nur ein grundlegender Systemwechsel, also wenn man, wie in Dänemark, ein vollständig steuerfinanziertes Sozialversicherungssystem einführte. Dadurch würden die Lohnnebenkosten erheblich fallen, was der Beschäftigung in allen Sektoren helfen würde. Ein dänischer Arbeitnehmer, der netto das Gleiche in der Tasche hat wie sein deutscher Kollege, ist für seinen Arbeitgeber um circa 30 % günstiger.
Aber aus Sicht des SSW ist die Senkung der Lohnnebenkosten für geringer Verdienende nur ein Beitrag zur Lösung des Problems der hohen Arbeitslosigkeit in Deutschland. Das sehr erfolgreiche „Elmshorner Modell“ der Landesregierung, in dem durch aktive Beratung, Qualifizierung und Vermittlung von Langzeitarbeitslosen viele neue Stellen auch im Niedriglohnsektor geschaffen werden, zeigt, dass die Probleme vielschichtiger gelagert sind.
SPD-Bundestagsfraktionschef Struck hat es in einem Interview auf den Punkt gebracht: Wir haben bei den Arbeitslosen zu wenig auf Qualifizierung gedrängt. Genau das ist der Punkt. Wenn man 1,2 Millionen freie Stellen nicht besetzen kann, dann liegt es vor allem daran, dass viele Arbeitslose nicht über die richtige Ausbildung und Erfahrung verfügen. Im Bereich der Aus- und Weiterbildung der Arbeitslosen und natürlich in der Qualität des gesamten Bildungssystems in Deutschland liegt ein Versäumnis.
Das ab dem 1. Januar 2002 geltende Job-AqtivGesetz ist ein Schritt in die richtige Richtung. Mit diesem Gesetz versucht man, die Arbeitslosen mit aktiver Hilfe auf den ersten Arbeitsmarkt zu bringen, statt sie durch finanzielle Zuwendungen zu pazifizieren. Das Gesetz kommt aber viel zu spät und es ist
noch ungeklärt, ob den Arbeitsämtern genügend Ressourcen für diese Art aktiver Arbeitsmarktpolitik zur Verfügung gestellt werden.
Eines aber sollte uns allen klar sein: Auch wenn im Laufe dieses Jahres durch den wirtschaftlichen Aufschwung die Arbeitslosenzahlen wieder fallen werden, brauchen wir, um die hohe Sockelarbeitslosigkeit entscheidend abzubauen, einen langen Atem und viele gebündelte Maßnahmen à la „Elmshorner Modell“. Wir brauchen keine Panikreaktionen.
Bevor ich der Landesregierung das Wort erteile, will ich einen Gast begrüßen. In der Loge hat der ehemalige Abgeordnete und Vizepräsident dieses hohen Hauses, Kurt Schulz, Platz genommen. Herzlich willkommen!