Protocol of the Session on January 23, 2002

(Beifall beim SSW)

Dafür können wir aber gerade nicht ein ministerielles Verbot gebrauchen.

Die CDU hat ihren Antrag „Neue Wege in der Drogenpolitik“ genannt. Das zeigt, dass ihr der tiefere Sinn des gemeinsamen Antrags etwas verborgen geblieben ist. Bei den neuen Wegen geht es gerade darum, dass bestimmte traditionelle drogenpolitische Instrumente allenfalls eine begrenzte vorbeugende Wirkung entfalten und im Sinne des Gesundheitsschutzes sogar sehr kontraproduktiv wirken können. Zu diesen Mitteln gehören Verbote und Zwang. Eine Drogenpolitik, die maßgeblich auf diese Prinzipien baut, mag zwar Gemüter beruhigen, weil sie den Alltagsvorstellungen entgegenkommt, aber die drogenpolitischen Probleme dieser Zeit hat sie bis heute nicht gelöst.

(Beifall bei SSW und SPD)

(Silke Hinrichsen)

Dies gilt im Übrigen gerade an den Schulen. Auch zu meiner Zeit war es verboten, an der Schule zu rauchen. Es wurde trotzdem geraucht. Wir haben eine schöne große Toilette gehabt. - Gut. Ich sage einfach nur, wo die Probleme wirklich liegen. Wenn die Lehrer hereinkamen, konnten wir die Zigaretten ausmachen. Aber die gesamte Bude war verqualmt. Es nutzte irgendwie nicht viel.

(Martin Kayenburg [CDU]: Wer so handelt, ist ein denkbar schlechter Redner zu dem Thema!)

Eben deshalb müssen wir meiner Ansicht nach neue Wege finden. Ich denke, wenn man bei uns an der Schule offen darüber gesprochen und versucht hätte, mit uns allen, die in diesem Alter waren, eine Verabredung zu treffen, wäre es viel leichter gewesen. Das ist damals aber überhaupt nicht besprochen worden und irgendwie zog sich jeder zurück.

(Martin Kayenburg [CDU]: Wir wollen doch etwas für morgen machen und nicht für ge- stern!)

Wie überall im Leben muss man ein anderes Werkzeug wählen, wenn das, was man in der Hand hat, nicht greift. Das hat es auch schon zu meiner Zeit nicht getan, das Verbot nämlich. In dieser Hinsicht haben wir alle noch viel zu lernen. Deshalb freue ich mich auf unsere Anhörung zur Drogenpolitik, die am Montag beginnt.

(Beifall bei SSW und SPD)

Das Wort hat Frau Ministerin Erdsiek-Rave.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es besteht überhaupt kein Zweifel daran, dass wir es mit einer sehr bedenklichen Entwicklung zu tun haben; Frau Tengler, da gebe ich Ihnen absolut Recht. Ich meine auch, es ist ein sehr ernstes Thema, mit dem wir es zu tun haben, vor allem im Hinblick auf die Verlagerung nach vorne, was das Alter angeht, und im Hinblick auf die offenbar dahinter stehende schichtenspezifische Problematik. Das ist hier angedeutet worden. Da ist auch Prinz Harry kein Gegenbeispiel. Natürlich wird auch an Eliteinternaten geraucht und getrunken. Aber offensichtlich haben wir es hier mit einem solchen Problem zu tun. Das sollten wir nun nicht den Hauptschülern als Gruppe anlasten. Aber wir müssen uns schon Gedanken darüber machen, warum es gerade dort so ist.

Wir streiten jetzt auch nicht - jedenfalls sollten wir es nicht tun; das wäre mein Wunsch dabei - um die Frage: Sollte das Rauchen an der Schule erlaubt sein?

Natürlich soll es untersagt sein. Ich finde, an unseren Schulen sollte nicht geraucht werden. Das ist vollkommen klar.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, SSW und des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

Ich bin manchmal entsetzt, wenn ich an Schulen komme und ausgewiesene Raucherecken sehe. Manche Schüler halten mir ihre Raucherpässe entgegen. Auch das gibt es an Schulen. Diese Pässe müssen übrigens von den Eltern unterschrieben werden. Ich glaube, wir reden und streiten über die Frage, was am effektivsten ist. Ich habe Zweifel daran, ob ein Verbot im Schulgesetz wirklich die geeignetste Maßnahme ist. Lassen Sie uns darüber reden und lassen Sie uns auch meinetwegen im Ausschuss gute Beispiele dafür anhören, wie Rauchen an Schulen wirksam verhindert wird. Lassen Sie uns darüber intensiver reden, als dies in einer Fünf-Minuten-Debatte möglich ist.

Lassen Sie uns klären, was die wirksamste Verbotsebene ist. Ist es nicht vielleicht viel wirksamer, wenn an der Schule gemeinschaftlich - durch eine Schulkonferenz - eine Schulordnung aufgestellt wird, die das Rauchen verbietet? Dies wäre auf die Situation der Schule bezogen und mit schulspezifischen Sanktionen versehen. Ich glaube, dass dies einen Unterschied macht. Ich halte es für das bessere pädagogische Prinzip, wenn auf der Grundlage von Diskussionen, Aufklärung und von gemeinschaftlich erarbeiteten Verfahren von Schulen selbst ein generelles Rauchverbot beschlossen wird, als es von oben verordnet zu bekommen. Dies bedeutet am Ende nämlich nur, dass der Verstoß gegen ein solches Verbot - gerade in der Pubertät, denn über diese Altersgruppe reden wir insbesondere - erst besonders attraktiv gemacht wird.

Ich halte aber nichts davon, nur auf Prävention zu setzen. Lesen Sie das „Flensburger Tageblatt“ von heute. Über 2.000 Schüler haben an der „gläsernen Schule“ in Flensburg teilgenommen. Das ist ein höchst erfolgreiches Projekt. Trotz eines guten Erlasses und trotz der Suchtvorbeugung, die an vielen Stellen hervorragend geleistet wird, müssen wir diese Zahlen zur Kenntnis nehmen und uns damit auseinander setzen. Die Zahlen sind nicht so, dass wir uns zurücklehnen und sagen könnten: Alles ist prima geregelt, wir brauchen nichts zu machen. Ich finde, wir haben Grund, etwas zu tun. Wir sollten uns intensiv mit den Wegen auseinander setzen, die am effektivsten sind. Ein Stück müssen wir uns auch mit uns selber und den Dingen

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

auseinander setzen, die ansonsten noch eine Rolle spielen.

Es ist nicht nur das schulische Verbot, das Kinder vom Rauchen abhält. Dies hat mit Erziehung insgesamt zu tun. Erziehung ist immer ein Zusammenwirken und eine Wechselwirkung von Regeln, Grenzen, gutem Vorbild der Eltern und auch von Verboten. Natürlich müssen Dinge auch verboten sein. Aus dieser Mischung besteht Erziehung in der Schule und in der Gesellschaft insgesamt. Wir können nicht zulassen, dass an jeder Ecke Zigarettenautomaten stehen und dass im Kino die Zigarettenwerbung läuft.

(Frauke Tengler [CDU]: Genau!)

Erwachsene können nicht ständig zu Hause vormachen, dass Alkohol und Zigaretten zum Alltag gehören, und gleichzeitig von den Schulen erwarten, dass sie dieses Problem allein lösen. Ich finde, wir haben eine Verantwortung insgesamt für dieses Thema.

Ich bin sehr dafür, dass wir uns im Ausschuss mit den positiven Modellen zur Verhinderung von Rauchen in der Schule auseinander setzen und dann entscheiden, ob wir eine Veränderung des Erlasses brauchen. Wenn ja, dann müssen wir klären, in welche Richtung. Was ist das wirksamste Instrument? In diesem Sinne möchte ich diese Auseinandersetzung gern begleiten.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Nach § 58 Abs. 2 der Geschäftsordnung hat Frau Abgeordnete Tengler das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst danke ich der Frau Ministerin für ihr Gesprächsangebot. Ich danke Ihnen auch dafür, dass Sie sagen, dass auch wir eine Verantwortung haben. Ich möchte mich sehr herzlich bei den Kollegen Garg und Höppner bedanken. Sie haben den Antrag der CDUFraktion verstanden.

(Beifall bei der CDU - Wortmeldung des Ab- geordneten Konrad Nabel [SPD])

Es handelt sich hier nämlich nicht um einen Verbotsantrag. Das ist kein Verbotsantrag. Die Schule ist ein öffentliches Gebäude und wird zur rauchfreien Zone erklärt. Nichts anderes. Frau Hinrichsen, wir meinen auch, dass Eltern und Lehrer Vorbilder sein sollen. Selbstverständlich! Wir können aber die Verantwortung nicht immer von uns wegschieben. Wir müssen schon alle zusammenarbeiten, und zwar auch da, wo wir das können.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wenn rauchfreie Zonen an Flughäfen und Bahnhöfen ebenso wie in anderen öffentlichen Gebäuden - durchzusetzen sind, dann wird das auch in öffentlichen Schulen so sein können.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP] - Zuruf der Abgeordneten Silke Hin- richsen [SSW])

Frau Kollegin Birk, die Zahlen sind nicht interessant, sie sind erschreckend. Die „gläserne Schule“, die Sie hier als ein Projekt preisen, das es schon regeln wird, wird von mir in hohem Maße geschätzt. Die „gläserne Schule“, die KOSS, unterstützt diesen Antrag, denn sie sagt, dass die Umsetzung dieses Antrags die Arbeit erleichtert. Es gibt in Deutschland Gymnasien, an denen Alkohol und Zigaretten verboten sind. Es funktioniert!

(Beifall des Abgeordneten Thomas Stritzl [CDU])

Frau Birk, mein Problem mit dieser Landesregierung es ist nicht das einzige - ist, dass wir vor lauter Initiativen, Aktionen, Modellen, Projekten und Arbeitskreisen nicht zu Potte kommen. Vor lauter Modellen, Arbeitskreisen und Initiativen sinkt das Alter der Kinder, in welchem sie anfangen zu rauchen. Dagegen sollten wir endlich konkret gemeinsam etwas tun.

(Beifall bei CDU und FDP)

Nach § 58 Abs. 2 der Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Nabel zu einem weiteren Kurzbeitrag das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Tengler, ich habe den Antrag verstanden, halte ihn aber für inhaltlich falsch. Ja, die Zahlen sind erschrekkend. Ja, das Einstiegsalter sinkt. Diese Diskussionen haben wir im Rahmen von Sucht- und Drogenpolitik in Schleswig-Holstein von vorn bis hinten geführt. Es ist ein falsches Instrument, mit einem Verbot zu arbeiten.

(Frauke Tengler [CDU]: Es ist kein Verbot!)

Das Verbot, noch dazu von oben, konterkariert die gesamte Diskussion um die alternative Schule, die Initiative aus der Schule heraus, das Schulprogramm und so weiter.

(Martin Kayenburg [CDU]: Was machen Sie denn im Umweltschutz? Auch nur Verbote!)

(Konrad Nabel)

Alle Diskussionen würden dadurch konterkariert. Die Geschichte der Drogen- und Suchthilfepolitik ist eine Geschichte des Versagens von Repression. Nehmen Sie das Alkoholverbot in den USA, nehmen Sie Schweden oder Skandinavien allgemein mit dem restriktiven Umgang mit dem Vertrieb. Der Alkoholismus ist dort wahrscheinlich höher als bei uns. Es sind andere Gründe, die dazu führen. Das sollte sich in zu erwägenden Maßnahmen niederschlagen.

Es ist total an der Realität vorbei, hier mit Verboten zu agieren. Es geht doch darum, möglichst viel Bewusstsein zu wecken. Es geht darum, dass sich Schülerinnen und Schüler möglichst früh - vielleicht schon im Kindergartenalter - mit der Frage von Sucht und der Gewöhnung an ausweichendes Verhalten auseinander setzen müssen. Es ist doch nicht die Schule, die dafür sorgt, dass Kinder und Jugendliche rauchen! Es sind Umstände, die in der Gesellschaft, der Familie, der Individualisierung und dem Wegfall von Erziehungsgefühl innerhalb der Familie begründet liegen. Ich will nicht sagen, dass der Auftrag wegfällt, aber das Gefühl von Erziehung in der Familie fällt weg.

(Uwe Greve [CDU]: Sagen Sie doch gleich: Rauchen ist Schicksal!)

All das kann man bedauern, aber man kann es mit einem Verbot nicht wegdiskutieren. Wir müssen dafür sorgen, dass möglichst viel darüber geredet wird. Nur dann kann es in das Bewusstsein der Kinder gehoben werden. Das ist ein sehr mühsamer Weg. Den kann man nicht einmal beschreiten, den muss man immer wieder beschreiten, weil es immer neue Generationen gibt, die mit den gleichen Problemen konfrontiert werden. Dies äußert sich dann in Verhaltensweisen wie Rauchen, Alkoholismus, Drogen-, Spiel- oder Esssucht.

Lassen Sie uns lieber versuchen, in der Diskussion Wege aufzuzeigen - gegebenenfalls in Programmen über die Bildungsministerin, über die Sozialministerin, über die Kinder- und Jugendbeauftragte -, damit sich möglichst viele Kinder diesem Problem stellen, darüber diskutieren und darüber nachdenken, wie sie denn dazu gekommen sind, ein solches Verhalten an den Tag zu legen. Alles andere wäre eine Verdrängung. Das ist mit mir nicht zu machen. Wir haben seit rund 12 Jahren in diesem Hause mühsam versucht, den Weg weg von der Repression in der Sucht- und Drogenhilfepolitik zu gehen. Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg und sollten uns mit solchen Anträgen den Weg nicht verbauen.

(Beifall bei SPD und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, den Antrag dem Bildungsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dies ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 6 auf: