Protocol of the Session on December 14, 2001

Viertens. Es muss uns zu denken geben, dass die Bildungsergebnisse in früherer Zeit besser waren. Denken Sie einmal an die Jahre 1945 bis 1955: Da haben die Menschen die Bücher aus dem Schutt der Universitäten geklaubt. Aber die Bildungsergebnisse waren zum Teil besser als heute.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)

Die Ursache für die Bildungskrise sehe ich deshalb in großem Maßstab nicht als institutionelle oder organisatorische Krise, sondern ich sehe die Bildungskrise als eine ideelle Wertekrise.

Eine Kernfrage lautet - ich sage das in einer DreiMinuten-Rede bewusst extrem -: Wollen wir den Weg zur Spaß- und Unterhaltungsgesellschaft weitergehen oder wollen wir eine Verantwortungs- und Leistungsgesellschaft werden? Das ist für mich die Kernfrage, die hier aufgeworfen wird.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluss.

Bildlich und kontrastreich gesprochen heißt dies: Ist es ein lebenswertes Ziel, möglichst viele Urlaube bei Ballermann und mit viel Halli-Galli zu machen, oder ist es Lebensziel, verantwortlich und mitgestaltend Mitglied der Gesellschaft zu sein?

Ein letzter Satz! Die Frage nach unserer Werteordnung ist auch im Bildungsbereich an dieser Stelle aufgeworfen. Wir sollten den Mut haben, nicht nur zu diskutieren, sondern wieder gemeinsam einen Wertekanon zu entwickeln, der nicht von oben verordnet, sondern aus Einsicht von einer großen Zahl von Menschen in unserem Lande gelebt wird. Das ist für mich die Wurzel dieses Themas.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Steenblock.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich nicht auf den Beitrag des Kollegen Greve hin gemeldet. Lieber Kollege Greve, auch in Ihrem Beitrag ist eher die Debatte von gestern wieder aufgemacht worden.

(Holger Astrup [SPD]: Vorgestern!)

Natürlich geht es um gesellschaftliche Werte. Es geht nicht darum, gerade die Entwicklung zur Spaß- und Freizeitgesellschaft zu diskriminieren,

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

sondern wir müssen dahin kommen, dass es in dieser Gesellschaft Spaß macht zu lernen,

(Beifall)

dass wir eine Gesellschaft haben, in der Lust und Freude, auch Individualität gefördert werden. Deshalb habe ich mich zu Wort gemeldet. Wir brauchen eine Kulturdebatte. Kollege Klug hat dazu auch schon etwas gesagt. Es kann nicht hingenommen werden, dass es mittlerweile immer stärker werdende Subkulturen in dieser Gesellschaft gibt, in denen es cool ist, blöd zu sein.

(Beifall im ganzen Haus - Klaus Schlie [CDU]: Ein vernünftiger wertekonservativer Ansatz!)

Ich spiele doch mit dem Kollegen Greve auch gern Fußball, ich auf dem rechten Flügel, er links. Das ist

nicht das Problem. Man muss das nach vorn zusammenfassen und diese Debatte nicht rückwärts gewandt betrachten.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir brauchen eine Debatte um eine Gesellschaft, in der Bildung einen Wert darstellt, in der Intellektualität einen Wert darstellt, in der sich Schulkinder - was ich gerade bei meiner Tochter erlebt habe - nicht dafür schämen müssen, dass sie intelligent sind und bei Arbeiten eine Eins schreiben. Das ist in vielen Schulsystemen ein Makel. Da brauchen wir eine andere Kultur.

(Beifall der Abgeordneten Jürgen Weber [SPD] und Klaus Schlie [CDU])

Die Protagonisten dieser Kultur sind die Lehrerinnen und Lehrer, die in dieser Gesellschaft in den letzten zehn Jahren ziemlich verhunzt worden sind.

(Beifall der Abgeordneten Jürgen Feddersen [CDU] und Frauke Tengler [CDU])

Es wäre aus meiner Sicht ein exzellenter Schritt in dieser Diskussion, das wieder zu öffnen und den Vertrauensvorschuss zu gewähren, den Lehrer brauchen, um in diese Debatte nach all dem, was in den letzten 20 Jahren gelaufen ist, wieder offen und motiviert reinzugehen und sich einige Politikerinnen und Politiker bis hin zum Bundeskanzler für die dämlichen Sprüche, die sie über Lehrerinnen und Lehrer gemacht haben, entschuldigen und sagen würden: Wir brauchen euch in dieser Debatte und wir wollen diese Diskussion gemeinsam um die Zukunft unseres Landes der Kinder willen führen.

(Lebhafter Beifall bei CDU und FDP)

Dazu gehört aus meiner Sicht allerdings auch, dass die Lehrerinnen und Lehrer selber bestimmte Ursachen von leichtfertiger, populistischer Diskriminierung sehen und die Frage von Arbeitszeiten in den Ferien oder die Fragen, die sich jetzt beim Aufbau von Ganztagsschulen stellen, aus ihrer Identität heraus offensiv besetzen und sich dabei nicht immer in die Defensive begeben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Ein letzter Punkt, den ich in diese Debatte zusätzlich einfügen möchte. Frau Ministerin Erdsiek-Rave, wir müssen uns auch über die Frage unterhalten, ob die Steuerung unseres Bildungssystems über die KMK tatsächlich noch zeitgemäß ist.

(Beifall)

(Rainder Steenblock)

Wir brauchen aus meiner Sicht die Debatte darüber genauso. Der Bildungsföderalismus kann auch ein Hemmschuh sein. Wenn ich die Rede des Kollegen de Jager heute gehört habe und mir vorstelle, wie die Diskussion über die Auswertung der Länderebene läuft, wird diese PISA-Debatte und die Folgedebatte ein Hemmschuh sein und keine nach vorn gewandte Debatte.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW - Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluss.

Deshalb bitte ich Sie, darüber nachzudenken, ob wir in Zukunft nicht ein Bildungssystem brauchen, das europäische Rahmenbedingungen hat, die offen sind, das den Wettbewerb, den auch ich will, nicht den Bundesländern, sondern den einzelnen Schulen überlässt, die viel besser in der Lage sind, sich ein Profil zu schaffen, mit den Freiheiten, die sie haben. Dann hätten wir eine Bildungslandschaft, in der Wettbewerb möglich ist, aber auch Freiheit für die einzelnen Schulen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, SSW und des Abgeordneten Claus Hopp [CDU])

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, den Bericht dem Bildungsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 32 auf:

Bericht der Landesregierung an den Landtag gemäß § 126 Abs. 7 HSG - Universitätsklinika Jahr 2000

Bericht der Landesregierung Drucksache 15/1388

Das Wort hat die Ministerin für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur, Frau Erdsiek-Rave.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Entschuldigen Sie, dass ich unzulässigerweise die Gelegenheit nutze, mich für die eben geführte Debatte zu bedanken. Ich finde, das war ein gutes Zeichen. Anders als in anderen Landtagen, von denen ich gelesen

habe, wie schrecklich dort debattiert worden ist, ist dies eine Mut machende Debatte gewesen, die eigentlich fortgesetzt werden müsste im Sinne einer ständigen Tagesordnung, auf die wir dieses Thema setzen.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, am vergangenen Freitag hat Professor Dieter Harms, der Direktor des Instituts für Pathologie am Klinikum der CAU, den Preis der Deutschen Krebshilfe erhalten. Sein weltweit einzigartiges Kinderkrebsregister umfasst inzwischen 27.000 Präparate. Ich möchte ihm auch von dieser Stelle aus ganz herzlich zu diesem Preis Glückwünsche sagen.

(Beifall im ganzen Haus)

Dies ist nicht ein beliebiges Beispiel, aber ich erwähne es deswegen, weil wir in Kiel und Lübeck medizinische Experten haben, die weit über unser Land hinaus Anerkennung finden. Dies ist gewiss nicht der einzige, aber doch ein sehr wichtiger Indikator für den hohen Leistungsstand, auf dem sich unsere Klinika befinden.

Der Bericht gibt dafür eindrucksvolle Beispiele: Im Bereich der Gentherapie, im Bereich der Immuntherapie, im Bereich der Stammzellentransplantation - der Höhepunkt dieser Entwicklung ist die Errichtung des Mildred-Scheel-Hauses -, im Bereich der Neurowissenschaften und in vielen anderen Bereichen mehr; ich habe hier nur die Wichtigsten und Herausragendsten genannt.

Diesen hohen Leistungsstand zu halten, darum geht es in Zukunft, nicht nur zu halten, sondern nach Möglichkeit durch mehr Arbeitsteilung und Profilierung auch noch auszubauen und zu stärken. Beide Klinika stehen seit der Verselbstständigung am 1. Januar 1999 auf einem soliden Wirtschaftskurs und haben schon zum zweiten Mal eine ausgeglichene Bilanz vorgelegt. Die erwirtschafteten Jahresüberschüsse im Jahr 2000 liegen bei jeweils 3 Millionen DM. Die betriebswirtschaftlichen Freiräume, die die Klinika durch die rechtliche und organisatorische Verselbstständigung haben, haben sie erfolgreich genutzt.

Am Beginn des Jahres 2001, vor also ziemlich genau 12 Monaten, stand die Erkenntnis, dass der Weg der Verselbstständigung noch nicht ausreicht. Die Hochschulmedizin in Schleswig-Holstein ist nach wie vor zu teuer. Fast 40 % der Hochschulausgaben im Landeshaushalt entfallen auf die beiden Klinika. Wir haben das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Denn steigenden Ausgaben für Personal- und Sachkosten stehen stagnierende beziehungsweise rückläufige Einnahmen gegenüber - dies nicht nur aus dem Landeshaushalt, sondern vor allem deswegen, weil die Budgets der Krankenkassen auf niedrigem Niveau