Ich erteile dem Herrn Berichterstatter des Bildungsausschusses, Herrn Abgeordneten Dr. von Hielmcrone, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Landtag hat den Gesetzentwurf am 28. September 2001 federführend an den Bildungsausschuss sowie zur Beratung an den Finanzausschuss und den Innenund Rechtsausschuss überwiesen. Die Ausschüsse haben sich in mehreren Sitzungen mit dem Gesetzentwurf befasst. Zuletzt hat dies der Bildungsausschuss in der Sitzung am 6. Dezember 2001 getan. Er hat schriftliche Stellungnahmen eingeholt. Im Einvernehmen mit den an der Beratung beteiligten Ausschüssen empfiehlt der Bildungsausschuss dem Landtag mit den Stimmen von SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimme der FDP, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Gibt es Wortmeldungen zum Bericht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Einzelberatung und erteile Herrn Abgeordneten Neugebauer das Wort.
- Kollege Kubicki, wer weiß, wo wir uns wieder treffen! Ich glaube nicht, dass wir da oben oder hier unten eine gemeinsame Zukunft haben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der ehemalige CDU-Finanzminister Rudolf Titzck hat schon vor der ersten Lesung zum Kirchensteueränderungsgesetz in einem Interview mit den „Lübecker Nachrichten“ verbreitet, hier würde Heimlichtuerei betrieben und das Verhalten der Landespolitik sei skandalös. Ich nehme die zweite Lesung gern zum Anlass, um - sicherlich im Namen des ganzen hohen Hauses - solche Unterstellungen mit aller Entschiedenheit zurückzuweisen. Hier wird in öffentlicher Sitzung beraten. Wir haben keinen Anlass, irgendetwas zu verheimlichen.
- Kollege Kubicki, Sie haben Recht! Wir stellen uns der Aufgabe und wir schaffen eine Lösung. Verursacher ist, wie Sie sicherlich alle wissen, die Steuerreform der rot-grünen Bundesregierung in Berlin, die
den Bürgern und Unternehmen in Deutschland in diesem Jahr eine Entlastung von 45 Milliarden DM hat zukommen lassen. Im Rahmen dieser Reform wurden auch Maßnahmen zur Entlastung der Unternehmen beziehungsweise der Gewerbetreibenden getroffen, die ihre Gewerbesteuern künftig von der Einkommensteuer absetzen können. Weiter haben unter anderem die Inhaber von Wertpapieren profitiert. Ziel dieser Steuersenkung war die Entlastung dieser Personenkreise. Ziel der Reform war nicht die Reduzierung des Steueraufkommens der Kirchen. Deswegen war es folgerichtig, dass der Deutsche Bundestag mit Zustimmung des Deutschen Bundesrates über den § 51 a des Einkommensteuergesetzes die Möglichkeit geschaffen und mehr oder weniger auch angedeutet hat, dass über die Ländergesetzgebung eine Korrektur der Bemessungsgrundlage für die Kirchensteuer vorgenommen wird.
Kollege Kubicki, dies sage ich an Ihre Adresse: Das war das übereinstimmende Votum aller Bundestagsfraktionen. Diesem Votum sollten wir uns nicht verschließen, wie es übrigens die übrigen Bundesländer in Deutschland auch nicht tun. Meine Fraktion hat sich sehr intensiv mit diesem Gesetzentwurf beschäftigt. Wir haben die Auswirkungen für Kirchensteuerzahler genauso gewichtet wie die Auswirkungen für die Kassen des Landes und der Kommunen. Wir sind zu der Auffassung gekommen, dass das Konnexitätsprinzip, wie uns die kommunalen Landesverbände mitgeteilt haben, nicht gilt, weil es zwar keinen formaljuristischen Anspruch auf Übernahme des Bundesgesetzes, aber sehr wohl einen sachlich-politischen Zusammenhang über die von Bundestag und Bundesrat geschaffene Möglichkeit des § 51 a des Einkommensteuergesetzes gibt.
Dem wollen wir uns nicht verschließen, wie es auch alle anderen Bundesländer konsequenterweise nicht getan haben. Die Novellierung des Kirchensteuergesetzes, das wollen wir hier fairerweise sagen, belastet die Kirchensteuerzahler. Das betrifft einen eng begrenzten Kreis, nämlich nur jene, die als Gewerbetreibende ihre Gewerbesteuern von der Einkommensteuer abziehen können. Es belastet aber auch jene, die nach dem Halbeinkünfteverfahren nur die Hälfte ihrer Dividendeneinkünfte besteuern müssen.
- Kollege Kubicki, dies darf nicht vergessen werden: Sie werden einkommensteuermäßig erheblich entlastet. Sie werden über eine höhere Kirchensteuer gering
belastet und durch die Möglichkeit des Abzugs der höheren Kirchensteuer von der Sonderausgabe einkommensteuerlich wieder etwas entlastet. So schließt sich der Kreis.
Deswegen sind wir gut beraten, diesem Entwurf zur Änderung des Kirchensteuerrechts der Landesregierung unsere Zustimmung zu geben. Von einer höheren Kirchensteuer sind - wie wir ja alle wissen - im Übrigen auch nur jene betroffen, die sich - entgegen der Praxis bei den Industrie- und Handelskammern mit deren Zwangsmitgliedschaft - freiwillig für eine Mitgliedschaft in der Kirche entschieden haben. Das ist auch gut so.
Wir stimmen also dem Gesetzentwurf der Landesregierung zu; dies auch deshalb, weil wir mit einem höheren Kirchensteueraufkommen die verdienstvolle und karitative und soziale Arbeit der Kirchen unterstützen wollen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ein paar nicht ganz unbedeutende Unterschiede gibt es natürlich schon zwischen Ihnen und uns, Herr Kollege Neugebauer.
Wir beraten hier ein Gesetz zur Änderung eines Änderungsgesetzes. Das ist ja der eigentliche Grund für dieses Gesetz. Die rot-grüne Bundestagsmehrheit hat im Übrigen mit Unterstützung der Landesregierung im Bundesrat das Steuerrechtsänderungsgesetz Ende 2000 auf den Weg gebracht und damit eine unterschiedliche Besteuerung zwischen Kapitalgesellschaften einerseits und Personengesellschaften andererseits herbeigeführt. Sie hat diesen Fehler dieser Änderung dann wieder dadurch korrigieren wollen - ich greife einmal nur dieses eine Beispiel heraus -, dass sie den Gewerbesteuerabzug bei der persönlichen Einkommensteuer von Privatunternehmern wieder zugelassen hat, um diese Ungerechtigkeit ein bisschen auszugleichen.
Das führt natürlich dazu, weil die Kirchensteuer von der Einkommensteuer abhängig ist, dass dieser Personenkreis bei der Berechnung der persönlichen Kirchensteuer wieder gegenüber anderen Kirchensteuerzahlern bevorzugt ist, was man wiederum nicht erreichen wollte. Insofern musste man mit diesem Ände
Daran merkt man den Unfug und deshalb musste man hier ja gestern auch Anträge stellen, mehr Finanzbeamte zu beschäftigen, damit sie diese Vielfalt von unsinnigen Gesetzen bewältigen können. Das ist ja dann schließlich der Umkehrschluss.
Wenn man die Grundlage gleich richtig gelegt hätte, hätte man dies alles nicht gebraucht und dann brauchten wir nicht in 16 Bundesländern eine solche Änderung mit dem Aufwand zu beschließen, den wir hier betreiben.
Wir stimmen diesem Gesetzentwurf unter Zurückstellung ganz erheblicher Bedenken wegen dieser steuersystematischen Fehler zu, weil wir der Meinung sind, dass die Kirchen darunter wegen der Arbeit, die sie für die Gesellschaft leisten, nicht leiden dürfen, und weil wir auch meinen, dass dann am Ende für die privat betroffenen Menschen, bei denen es sich ja nur um solche handelt, die Mitglied in Kirchen sind, die Steuergerechtigkeit wieder ein bisschen besser als vorher hergestellt ist.
Bedenken haben wir aber vor allen Dingen beim Vorgehen der Landesregierung und der betreffenden Ministerien in dieser Frage. Ich denke, es ist schon ein ziemliches Stück, wenn man sich diesen Gesetzentwurf der zuständigen Ministerin für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur ansieht, der in weiten Teilen, was das Vorblatt anbetrifft, schlichtweg falsch ist.
Falsch ist vor allen Dingen auch, dass die Ministerin ein Gesetz, das die Nordelbische Kirche bereits am 3. Februar beschlossen hat, am 30. März genehmigt, ohne sich vorher die gesetzliche Grundlage dafür von diesem hohen Hause einzuholen. Und dann braucht sie noch einmal sechs Monate, um dies nachzuholen. Es ist nicht in Ordnung, Frau Ministerin, das Parlament von Ihnen nur noch als Restgröße zu handeln, indem gesagt wird: Die müssen ja auch noch zustimmen, da haben wir etwas vergessen.
Die Fehler, Frau Erdsiek-Rave, die von Ihnen zu verantworten sind, haben inzwischen ein Maß erreicht, das es vielleicht doch angeraten sein lässt, einmal über eine Entschuldigung in diesem hohen Hause nachzudenken.
Der Finanzminister, der in mehrfacher Funktion ja auch an diesem Gesetz nicht ganz unbeteiligt ist, hat dann die Fehler in der Begründung, Darstellung und den Grundlagen dieses Gesetzes durch eine sehr umfangreiche Vorlage am 2. November dieses Jahres, also immerhin acht Wochen vor Jahresschluss, geheilt. Dafür danke ich Ihnen, Herr Minister.
Aber ich will dem Finanzminister trotzdem mit auf den Weg geben, dass sein Verhalten nach unserer Auffassung ebenfalls nicht in Ordnung ist. Die Steuerpflicht von Steuerpflichtigen besteht auf der Grundlage geltenden Rechts und das geltende Recht ist heute noch ein anderes als das, was durch dieses Gesetz hergestellt werden soll. Deshalb kann der Finanzminister unseres Erachtens nicht die Finanzämter anweisen, bereits nach einem Recht zu handeln, das noch nicht beschlossen worden und in Kraft getreten ist.
Deshalb kann der Finanzminister eben sozusagen nicht ein von ihm prognostiziertes Recht - so sagt es das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes - zur Anwendung bringen. Ich halte das Vorgehen des Finanzministers schlicht für unrechtmäßig
und ich denke, dass es notwendig ist, dass der Finanzminister hier vor diesem hohen Hause Gelegenheit nimmt, dazu sehr klar Stellung zu nehmen, und zwar insbesondere im Zusammenhang mit der Diskussion über die Förderung des Föderalismus, die wir hier in den letzten Monaten gehabt haben
- ich komme zum letzten Satz, Herr Präsident! -, und dass er der Rolle des Parlaments eine andere Priorität gibt, als das bei dieser Landesregierung bisher der Fall zu sein scheint.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen der SPDFraktion an den Lautsprechern! Die Steuerreform hat ein großes Loch in die Kirchenkassen gerissen. Jetzt soll der Klingelbeutel wieder gefüllt werden. Der Bundestag hat den Weg dazu geebnet - Kollege Neugebauer, das haben Sie richtigerweise angesprochen -, mehr nicht; denn er hat keine Gesetzgebungskompetenz bei der Kirchensteuer. Das steht so ausdrücklich im Grundgesetz.
Dieser Hinweis fehlt im Gesetzentwurf und wurde auch in den Ausschussberatungen immer verdrängt. Es wird eine automatische Anpassung des Kirchensteuergesetzes an Bundesrecht suggeriert. Ich zitiere aus dem Vorblatt des Ministeriums:
„Mit der Neufassung des § 51a EStG... wird sichergestellt, dass bestimmte... Entlastungen... keine Auswirkung auf die Bemessungsgrundlage der Kirchensteuer haben.“
Das ist die Suggestion, die geweckt wird. Aber diese Darstellung ist schlicht falsch. § 51a EStG stellt dies nicht automatisch sicher, sondern eröffnet nur eine Möglichkeit. Die Entscheidung liegt allein beim Landtag.
Herr Kollege Neugebauer, wir müssen uns davor hüten, dass wir mit der Erklärung, der Bundestag habe einmütig irgendetwas beschlossen, dazu übergehen zu erklären, die Länder haben dies bei der föderativen Kompetenzverteilung automatisch nachzuholen, dass es sozusagen politisch gewollt sei. Tun wir dies, hebeln wir den Föderalismus vollständig aus. Das kann es nicht sein.
Die Kirche hat keinen rechtlichen Anspruch auf den Ausgleich. Auch der Hinweis auf andere Bundesländer gibt der Kirche keinen solchen Anspruch. Die deutsche Verfassung legt unmissverständlich fest, dass die Kirchensteuer in den Ländern unterschiedlich geregelt werden kann, und wir wissen auch, dass sie unterschiedlich geregelt wird, jedenfalls was die Kirchensteuersätze angeht.