Wir dürfen aber nicht die Landwirtschaft nur nach ihrer Wirtschaftlichkeit beurteilen. Für die Verbraucher und deren Vertrauen sind Qualität und Herstellungsprozesse entscheidend. Immer wichtiger werden die sozialen und Umweltleistungen der Landwirtschaft. Das vom Bauernverband mittlerweile wieder geforderte „Weiter so“ mit Produktionsformen der Vergangenheit ist daher falsch. Wir brauchen nach wie vor eine Neuorientierung der Landwirtschaft und wir unterstützen voll und ganz den Kurs der Bundesregierung.
Ich darf zunächst einmal neue Gäste begrüßen, und zwar Damen und Herren von Ortsverbänden der CDU aus dem Wahlkreis Pinneberg-Nord. - Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!
Für die Fraktion der FDP erteile ich jetzt der Frau Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan das Wort.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Ministerin, zunächst einmal wünsche ich Ihnen gute Besserung. Mit der Gesundheit der agrarpolitischen Sprecherinnen scheint es im Augenblick nicht zum Besten zu stehen; ich hoffe, das wird sich in Zukunft ändern.
Kollege Wodarz, mit Interesse habe ich Ihr Wort zur Kenntnis genommen: Sie unterstützen voll und ganz die Agrarpolitik der Bundesregierung. Von der Ministerin höre ich es möglicherweise mit etwas mehr Sachverstand immer anders. Sie sagt: Die Agrarwende soll nicht stattfinden. Spagat innerhalb der SPDFraktion.
Frau Ministerin, Sie haben am Anfang zu Recht darauf hingewiesen, dass vor etwa einem Jahr der erste BSE
Fall in Deutschland entdeckt wurde, und zwar in Schleswig-Holstein. Die Propheten haben sich damals überschlagen. Kassandra hatte Hochkonjunktur. Im Fazit müssen wir aber feststellen, dass die von der FDP-Fraktion in der Januar-Tagung empfohlene Orientierung an dem Schweizer Vorgehen genau richtig war.
Sie, Frau Ministerin, sind den Vorschlägen der FDPFraktion etwa im März, April gefolgt. Das ist relativ schnell. Ich beglückwünsche Sie dazu.
Herr Kollege Wodarz hat zu Recht festgestellt, dass in dem von der CSU-regierten Land Bayern - innig mit der CDU verbunden - in puncto BSE am meisten geschlampt worden ist. Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache. Ein Viertel der Rindviecher stehen in Bayern.
- Irgendwann wacht ihr auf. Das ist doch schön! Die Hälfte der BSE-Fälle wurde ebenfalls in Bayern verzeichnet. Das bedeutet, dass offensichtlich in der Landwirtschaftspolitik etwas falsch gelaufen ist.
(Beifall der Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Lars Harms [SSW] - Zuruf von der CDU)
- Trotz der getesteten Tiere ist immer noch festzustellen, dass in Bayern geschlampt worden ist. Das muss einmal gesagt werden.
- Stoiber hin, Stoiber her, genau! Aber, Herr Kollege Jensen-Nissen, in einem Punkt möchte ich Ihnen ausdrücklich zustimmen, nämlich in Ihrem engagierten Appell gegen mehr Bürokratie in der Landwirtschaft. Das kann von den Betrieben nicht geleistet werden und das bringt für die Verbraucher unter dem Strich auch nicht mehr Sicherheit. Darüber sollten wir uns im Klaren sein.
„Die Land- und Ernährungswirtschaft ist ein vitales Kernelement unserer ländlichen Räume in Schleswig-Holstein. Sie hat vielfältige wirtschaftliche, ökologische und soziale Aufgaben. Sie sichert die Versorgung mit Nahrungsmitteln und gestaltet zugleich Umwelt
und Landschaft. Ihre Wirtschaftskraft ist unverzichtbar für die Erhaltung lebensfähiger ländlicher Räume.“
Nach einem zu Recht großen Lob an die schleswigholsteinische Landwirtschaft, die ihre Spitzenstellung in den vergangenen Jahren auch im Wirtschaftsjahr 1999/2000 wiederum unter Beweis stellen konnte, heißt es: „Die schleswig-holsteinische Landwirtschaft soll optimistisch in die Zukunft schauen können.“ Ich finde auch, sie sollte optimistisch in die Zukunft schauen können. Aber kann sie das? Wir als FDPFraktion arbeiten jedenfalls daran.
Was tut jedoch die Landwirtschaftsministerin dafür? Was tut sie im Allgemeinen und für die durch BSE betroffenen Betriebe im Besonderen? Sie äußert Verständnis für die Situation der Bauern und zuckt die Schultern. Im „Fehmarnschen Tageblatt“ vom 8. November diesen Jahres wird sie mit den Worten zitiert: „Man drehe ihr letztlich den Geldhahn zu.“ So einfach sei die Agrarpolitik des Landes. Frau Ministerin, stellen Sie sich zum Kuckuck noch mal auf die Hinterbeine!
- Nein, offensichtlich nicht. Eine Minderung der Ausgaben im Agrarhaushalt um 17 % zeigt, dass Sie sich nicht auf die Hinterbeine gestellt haben und dass Sie nicht für die Betriebe eingetreten sind.
Wir alle wissen, dass die gesellschaftliche Akzeptanz dessen, was mit Landwirtschaft und Ernährung im Zusammenhang steht, unübersehbar geringer geworden ist. Gerade deshalb brauchen wir eine Landwirtschaftspolitik, die die Interessen des von ihr vertretenen Berufsstandes ernst nimmt und öffentlich für den Berufsstand eintritt.
Ich möchte an andere Bundesländer erinnern, wie zum Beispiel an Hessen, wo bereits am 20. Februar 2001 ein Soforthilfeprogramm für die Landwirtschaft und die von der BSE-Krise betroffenen Betriebe aufgestellt worden ist und die Landesregierung 3 Millionen DM extra bereitgestellt hat. In Schleswig-Holstein hingegen ist nichts dergleichen geschehen.
Man muss eigentlich schon froh darüber sein, dass die CDU in ihrer Großen Anfrage zur Wettbewerbsfähigkeit der schleswig-holsteinischen Landwirtschaft nicht auch noch diese Komponenten abgefragt hat. Das Bild, das die Landesregierung hätte zeichnen müssen, wäre düsterer ausgefallen. Dabei ist es angesichts der umfangreichen Tabellen und Auflistungen, die die
Landesregierung als Antwort gegeben hat, doch schon dunkel genug. Ich will nur einige Beispiele nennen:
Die Mehrheit der Bundesländer gewährt den Schlachtbetrieben nach einem positiven BSE-Befund finanzielle Entlastungen, Schleswig-Holstein nicht. An den Entsorgungskosten für Tiermehl beteiligt sich Schleswig-Holstein nicht. Auch gibt es keine Landesmittel zur Verbesserung der Schlachttechniken. Die Mittel für die IBR- und BHV-Sanierung werden vom Tierseuchenfonds und den Tierhaltern, also zu 100 % von der Landwirtschaft getragen. Tierkörperbeseitigungskosten werden von den Landwirten ebenfalls allein bezahlt. In anderen Bundesländern - zum Beispiel in Bayern oder Sachsen - werden sie zumindest gedrittelt. Vergleichbar ist - wie bereits erwähnt - die Lage bei der Finanzierung der MKS-Impfstoffbank.
Ich erkenne aber auch an, dass dieser Negativliste einige positive Beispiele gegenübergestellt werden können: Mittel im Bereich der BSE-Forschung - die übrigens die FDP gefordert hat -, finanzielle Entlastung der Tierkörperbeseitigungsanlagen oder die anteilige Übernahme von Entsorgungskosten von tiermehlhaltigen Futtermittelbeständen. Aber sie sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Es ist festzuhalten, dass diese Mittel nicht direkt bei den Landwirten gelandet sind.
Es ist zwar sehr schön zu fordern, dass sich die höheren Produktionskosten irgendwann in den Verbraucherpreisen niederschlagen sollen, das kann man leicht fordern, aber offensichtlich gibt es der Markt nicht her und dem Landwirt wird keine einzige Mark mehr in die Kasse gespült.
Im Bundesvergleich sind die Kosten je BSE-Test in Schleswig-Holstein deutlich niedriger als in anderen Ländern. Das muss man anerkennen. Es ist gut, dass wir diese Minderung der Kosten haben. Was nützt es jedoch der hiesigen Landwirtschaft, ab Dezember niedrigere Testkosten aufbringen zu müssen, wenn beispielsweise Hessen oder Rheinland-Pfalz ihren Landwirten sogar höhere Testkosten gänzlich vom Leib halten. Im Wettbewerb zählt, was der schleswigholsteinische Landwirt im Vergleich zu den Kollegen anderer Bundesländer zu zahlen hat. Alles andere ist Augenwischerei.
Bemerkenswert sind ebenfalls die Ausführungen zur landwirtschaftlichen Investitionsförderung. Letztlich haben wir doch einen faktischen Stopp beim Planungsund Genehmigungsverfahren im Bau von Schweineställen, den Herr Umweltminister Müller im Mai diesen Jahres verhängt hat. „Fehlende Rechtsgrundlage“
lautete damals die offizielle Begründung, um in Gutsherrenart eine neue zu schaffen, die die Schweinehaltung so aufwendig macht, dass Schweinefleisch künftig sicherlich nicht in Schleswig-Holstein produziert wird und die Konkurrenzfähigkeit der schleswigholsteinischen Landwirtschaft weiter abnimmt. Sind das die Beiträge der Landesregierung zur Zukunftsfähigkeit der Landwirtschaft in Schleswig-Holstein? Wohl kaum.
Ebenso wenig stellt es einen Beitrag zur Stärkung der Landwirtschaft dar, wenn Schleswig-Holstein von den vorhandenen Fördermöglichkeiten auf Bundes- und EU-Ebene immer weniger Gebrauch macht, weil es die erforderlichen Kofinanzierungsmittel nicht mehr aufbringen kann. Ein ganz dramatisches Beispiel sind die Agrar-Umweltprogramme. In allen Bundesländern steigt der Anteil der Landesmittel oder er bleibt zumindest konstant. In Schleswig-Holstein hat er sich jedoch von 4,2 Millionen DM 1996 auf nur 2,8 Millionen DM im Jahre 2000 reduziert. Damit bringt von allen Flächenländern kein Land so wenig Mittel wie Schleswig-Holstein auf. Das ist ein Armutszeugnis.
Traurig ist auch das Erscheinungsbild des ökologischen Landbaus in Schleswig-Holstein. Obwohl er das erklärte Lieblingskind rot-grüner Agrarpolitik ist, schafft es die Landesregierung nicht, die Voraussetzungen zu schaffen, um den ökologischen Landbau auf bundesdurchschnittliches Niveau zu heben.
Einen Punkt will ich noch hinzufügen. Ich halte die Orientierung des Biosiegels der Verbraucherministerin an den EU-Standard für richtig. Wer gleiche Wettbewerbsbedingungen in der Landwirtschaft fordert, sollte konsequent sein und gleiche Wettbewerbsbedingungen auch beim Ökolandbau fordern.
Auf die Landwirtschaftskammer will ich nicht näher eingehen. Wir werden dieses Thema im Dezember diskutieren. Fest steht aber, dass kein Bundesland seine Kammer so wenig wie Schleswig-Holstein unterstützt. Finanzierung in Schleswig-Holstein zu 25,4 %! Das Saarland beteiligt sich mit 70 %. Herr Kollege Neugebauer, als Kammerjäger sollten Sie auch bei diesem Punkt einmal aufmerksam zuhören.
Ich führe noch ein Zitat der Landesregierung an: „Informationsvermittlung durch eine effiziente Beratung ist zentraler Wettbewerbsfaktor für eine fortschrittliche Landwirtschaft. Die ökonomischen, ökolo