Protocol of the Session on October 18, 2001

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und des Abgeordneten Werner Kalinka [CDU])

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, da wir uns an dieser Stelle sehr einig sind, finde ich, sollten wir an dieser ökonomisch zentralen Stelle mit ganzer Kraft versuchen, die Interessen unseres Landes gemeinsam mit dem Wirtschaftsminister und gemeinsam mit den Initiativen der Bundesregierung nach vorne zu tragen. Es geht hier wirklich um sehr, sehr viel.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP und vereinzelt bei der CDU)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Spoorendonk das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal danke ich dem Minister für den Be

richt und der FDP für den Antrag. Ich hatte eingangs ein bisschen den Eindruck, dass es ein Antrag der CDU war. Damit meine ich im Grunde genommen nur, dass das Thema unserer Meinung nach nicht zu parteipolitischem Geplänkel einlädt.

Unter dem Stichwort Basel II werden Vorschläge des internationalen Baseler Ausschusses für die Bankenaufsicht diskutiert, unter anderem zur Änderung der Mindestanforderungen für das Eigenkapital. Diese Vorschläge hatten bereits im Frühjahr wegen der vermeintlichen negativen Folgen für die mittelständische Wirtschaft für öffentliches Aufsehen gesorgt.

Da gerade Schleswig-Holstein - das haben wir schon gehört - sehr von einer Wirtschaftsstruktur geprägt ist, in der kleine und mittlere Unternehmen dominieren, war es richtig - das habe ich eingangs bereits gesagt -, einen Bericht von der Landesregierung zu verlangen, um die möglichen Auswirkungen von Basel II auf die schleswig-holsteinische Wirtschaft unter die Lupe zu nehmen. Und ganz sicher ist es auch richtig zu sagen, dass dieser Bericht eigentlich schon längst hätte gegeben werden müssen, dass wir als Parlament das Ganze vielleicht auch ein wenig verschlafen haben.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Einen Moment bitte, Frau Abgeordnete. - Vielleicht können wir noch ein bisschen mehr Aufmerksamkeit aufbringen.

Der Bericht liegt jetzt vor und unsere Befürchtungen sind danach auch nicht kleiner geworden.

Natürlich weist die Landesregierung in ihrem Bericht darauf hin, dass die Verhandlungen verlängert worden sind und dass das In-Kraft-Treten der Vorschläge von Basel II von 2004 auf 2005 verschoben worden ist. Das heißt: Noch ist nichts endgültig entschieden. Aber welche Richtung die Baseler Bankenaufsicht einschlagen will, zeigt sich dennoch.

Ich werde jetzt nicht im Detail all das erläutern, was von meinen Vorrednern und Vorrednerinnen und vom Minister bereits gesagt worden ist. Aber klar ist - das wird ja auch im Bericht noch einmal deutlich gesagt -: Wenn in Zukunft die Eigenkapitalanforderungen im Kreditgeschäft wesentlich stärker als bisher von der Bonität der Kreditnehmer abhängig gemacht werden, dann wird das wahrscheinlich erhebliche Auswirkungen auf die Struktur der schleswig-holsteinischen Kreditwirtschaft und auf die Kreditvergabe der schleswigholsteinischen Unternehmen haben. Dies gilt insbe

(Anke Spoorendonk)

sondere, wie gesagt, für kleine und mittelständische Unternehmen.

Es mag ja aus betriebswirtschaftlicher Sicht Sinn machen, in das Rating für die Kreditvergabe sowohl qualitative als auch quantitative Faktoren einzubauen, sodass künftig statt der bisherigen bilanzorientierten Bonitätsprüfung verstärkt qualitative Aspekte wie die Stärke des Managements, die Existenz von Steuerungsinstrumenten und so weiter einfließen sollen. Es liegt aber auf der Hand, dass größere Unternehmen oder Konzerne die zukünftig geforderte Dokumentation der strategischen Unternehmensführung leichter erbringen können als kleinere mittelständische Unternehmen, die nicht über die entsprechenden Ressourcen verfügen. Damit werden es Mittelständler zunehmend schwer haben, Kredite in angemessener Größenordnung zu akzeptablen Konditionen zu erhalten. Die Folge wird eine Verteuerung der Kredite für diese Betriebe sein, die insgesamt zu Wettbewerbsnachteilen sowohl für das schleswig-holsteinische Kreditwesen als auch für unsere Unternehmen führen wird.

Gerade auch für die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute wird eine solche Neuregelung große Nachteile haben, da gerade diese Kreditinstitute bereits jetzt viele kleine und bonitätsmäßig schwächere Firmen als Geschäftskunden haben. Diese Tendenz, die durch die restriktive Kreditpolitik der Privatbanken verursacht worden ist, wird sich also bei Umsetzung von Basel II noch verstärken. - Gerade dieses Problem haben wir, Frau Schmitz-Hübsch, auch im Wirtschaftsausschuss mehrfach diskutiert. - Dies wäre natürlich fatal, da die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute schon angesichts der Forderungen der EU-Kommission vor einschneidenden Strukturänderungen stehen. Wenn jetzt auch Basel II die Kreditvergabe an mittelständische Unternehmen verteuert, so wird das Folgen für die zukünftige Geschäftsentwicklung beispielsweise der Sparkassen und Genossenschaftsbanken haben.

Eine solche Entwicklung, die ja auch dazu beitragen kann, dass Existenzgründerinnen und Existenzgründer oder innovative Unternehmen in ihrer Entwicklung behindert werden, darf die Politik nicht stillschweigend hinnehmen. Darin sind wir uns ja auch einig. Und ich muss in Klammern bemerken: Das wird ja auch Konsequenzen für den gesamten Bereich der Unternehmensberatung haben. Aus Gesprächen weiß ich, dass Unternehmen heute noch eher meinen, dass sie mit dem Wirtschaftsprüfer zurechtkommen. Aber ich denke, die Unternehmensberatung wird künftig einen ganz anderen Stellenwert bekommen.

Letzte Bemerkung. Wir begrüßen, dass die Landesregierung entsprechende Initiativen des Bundestages und des Bundesrates unterstützt. Es ist wichtig, dass alle

Kräfte zusammenarbeiten, damit wir diese Benachteiligung der mittelständischen Unternehmen verhindern und Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Kreditinstituten vermieden werden können.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 hat der Herr Abgeordnete Greve.

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen! Meine Herren! Dies ist nicht meine Jungfernrede im Parlament, sondern meine erste Rede.

(Beifall im ganzen Haus)

Ich will eine ganz kurze Bemerkung zu diesem ungeheuer wichtigen Thema machen, das wahrscheinlich noch in den nächsten 20 Jahren zentral für unsere gesamte Politik sein wird.

Herr Minister Rohwer, Sie hatten deutlich gemacht, dass nach 13 Jahren durch Veränderungen im Bankenwesen sozusagen wieder einmal eine neue Lösung fällig war. Entscheidend ist aber eigentlich für Basel II das, was Herr Kubicki formuliert hat. Entscheidend für Basel II war die asiatische Bankenkrise, insbesondere der Zusammenbruch japanischer Banken nach ungeheuer leichtsinniger Kreditvergabe. Das sollten wir im Auge haben, weil sich daraus Folgen für Basel II ergeben haben. Basel wurde in allen seinen Verhandlungen ganz entscheidend durch die Kapitalgesellschaften und nicht durch die Personengesellschaften beeinflusst. Mittelständler sind aber nun einmal Personengesellschaften. An den Beratungen des internationalen Baseler Ausschusses haben fast keine Interessenvertreter der Personengesellschaften teilgenommen. Das ist schon ein Riesennachteil, der eigentlich die gesamten negativen Folgen, die jetzt deutlich geworden und hier auch gut formuliert worden sind, erklärt.

Ich möchte hier verdeutlichen, dass dieser Unterschied zwischen Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften bei der Vergabe der Kredite ganz entscheidend ist. Die Kapitalgesellschaft kann und soll in großem Maßstab Sachsicherheiten bringen. Das ist eine Logik. Aber die Personengesellschaft kann Sachsicherheit in großem Maßstab kaum bringen. Die Personengesellschaft hat ganz andere Wurzeln. Sie kann eine Humansicherung bringen. Diese ist eine persönliche und immer dann gefährdet, wenn es beispielsweise zu einem Autounfall oder zu einer Ehekrise kommt, aber sonst nie. Denn das Kapital ist hier der persönli

(Uwe Greve)

che Einsatz des Unternehmers, das Know-how, seine Flexibilität, die sich mit ihm verbindet, seine Schnelligkeit, seine Einsatzbereitschaft, all das, was ein Unternehmer ausstrahlungskräftig in seiner Umwelt von sich geben kann.

Wenn Sie jetzt die Ergebnisse von Basel II anschauen, dann stellen Sie fest: Dieser Teil ist überhaupt nicht bewertet. Das heißt also: Basel II ist nur auf die Kapitalgesellschaften zugeschnitten und nicht auf die Personengesellschaften.

Es ist Ihre zentrale Aufgabe, Herr Rohwer, als Minister so zu wirken, dass dem Ergebnis von Basel II eine Mittelstandsklausel hinzugefügt wird, damit nicht solche ungeheuren Belastungen des Mittelstandes zum Tragen kommen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das ist für mich die zentrale Botschaft, die es hier zu nennen gilt.

Ich möchte eine Schlussbemerkung machen, wenn ich noch eine Viertelminute Zeit habe. - Die Bundesregierung hat ja im Einvernehmen mit der Opposition dazu beigetragen, dass Basel II erst im Jahre 2005 zur Wirkung kommt. Sonst hätten wir nämlich diese Krise schon in Kürze.

(Zuruf des Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD]: 2002!)

Richtig ist auch, dass der Hauptfehler von Basel II, nämlich das Zuschneiden der Regeln auf die Kapitalgesellschaften, jetzt noch beseitigt werden kann. Aber ich sehe im Moment auch von unserer Seite und auch von Ihnen, Herr Minister Rohwer, noch keine klaren Initiativen und Vorstellungen, wie eine solche Klausel aussehen soll. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie in Kürze in diesem Parlament einmal darlegen würden, wie Sie diese Klausel formulieren und wie Sie sie über den Bundesrat einbringen wollen.

Ein Letztes. Zur Entwicklung des Mittelstandes gehört es, dass wir eine Aufgabe wieder im Auge haben, die alle Kenner von Ludwig Erhard bis Karl Schiller, dem großen sozialdemokratischen Wirtschaftsminister, immer im Auge hatten, und zwar sich zu überlegen, ob wir eines nicht schaffen: die Idee Ludwig Erhards wieder einzuführen, dass grundsätzlich Gewinne, die im Unternehmen verbleiben, nicht besteuert werden. Dies ist eine der zentralen Möglichkeiten der Förderung des Mittelstandes.

(Lebhafter Beifall bei CDU und FDP)

Herr Greve, ich beglückwünsche Sie zu Ihrer Jungfernrede. Das Farbenspiel hier vorn will ich, weil es Ihre Jungfernrede war, heute noch nicht interpretieren. Das machen wir beim nächsten Mal.

(Heiterkeit)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit schließe ich die Beratung. Wenn ich die Antragslage richtig deute, dann ist beantragt worden, den Bericht dem Wirtschaftsausschuss zur federführenden Beratung und dem Finanzausschuss zur Mitberatung zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Wir haben noch einen Tagesordnungspunkt ohne Aussprache zu behandeln, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit Dänemark -

(Wortmeldung des Abgeordneten Heinz Mau- rus [CDU])

Herr Präsident! Es ist abgesprochen worden, den Tagesordnungspunkt 17 nach dem Tagesordnungspunkt 23 zu behandeln und den Tagesordnungspunkt 35 auf die November-Tagung zu verschieben.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das bedeutet, dass jetzt kein Aufruf erfolgt. Gut, man hat mir etwas anderes erzählt. Ich nehme das zur Kenntnis. Das ist in Ordnung. Wir gewinnen so mehr Zeit für die Mittagspause. Ich unterbreche die Sitzung bis 15 Uhr.

(Unterbrechung: 13:02 bis 15:01 Uhr)

Die Sitzung ist wieder eröffnet. Bevor wir wieder in die Tagesordnung eintreten, möchte ich unsere Gäste begrüßen. Auf der Tribüne haben sich versammelt Senioren der Leitstelle „Älter werden“ der Stadt Kiel. Herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 23 auf: