Protocol of the Session on October 18, 2001

Daughter’s Day, Antrag der Fraktion der FDP - wird nicht mehr heute, sondern erst am morgigen Tage aufgerufen und heute werden noch die Tagesordnungspunkte 14 - Machbarkeitsstudie zur Ausweisung des Gebietes des Nationalparks Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer als Weltkulturerbe - sowie 25 - Umsetzung des Handlungskonzepts der MASGV zur Sicherung der Pflegequalität in den stationären Pflegeeinrichtungen - behandelt.

Wir fahren mit der Beratung fort. Ich eröffne die Aussprache. Für die Fraktion der CDU hat jetzt der Abgeordnete Dr. Trutz Graf Kerssenbrock das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf mit Ihrer freundlichen Genehmigung mit einem Zitat beginnen:

„Es kann nicht angehen, dass Windenergieparks oder Ölplattformen außerhalb der 12Seemeilen-Zone ohne ausreichende Berücksichtigung ihrer Auswirkungen auf die Natur genehmigt werden.“

Das ist weder ein Zitat von mir noch ein Zitat irgendeines anderen CDU-Politikers, sondern das ist ein Zitat des Bundesumweltministers Trittin. Gesagt hat er dies am 7. Juni 2000 auf dem Deutschen Naturschutztag.

Ich beziehe mich das zweite Mal in zwei Tagen auf den Bundesumweltminister. Er wird zunehmend interessant.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn Sie schon Beifall hei- schen, sollen Sie ihn auch bekommen!)

- Sie haben an dieser Stelle möglicherweise mehr Grund, sich mit ihm auseinander zu setzen, als wir. Aber Recht hat der Mann an dieser Stelle.

An der Nord- und an der Ostsee herrscht Goldgräberstimmung. Das ist noch vorsichtig ausgedrückt. Nicht das Gelbfieber, sondern das Geldfieber ist ausgebrochen. Von Ihnen, Herr Hentschel, wird geradezu Mystik bemüht: Husum, das Mekka der Windenergie. Sie hätten wenigstens von Rom sprechen sollen. Dass Sie ausgerechnet auf Mekka gekommen sind, lässt vielleicht tief blicken.

Da werden Verkaufsprospekte von Aktien- und Investmentfonds mit den unglaublichsten Gewinnperspektiven herausgegeben, die durch den Bau von Offshore-Windparks möglich werden sollen. Wollen wir zunächst ein paar Zahlen hören: Anträge für 45 Windparks innerhalb und außerhalb der 12-Seemeilen-Zone

(Dr. Trutz Graf Kerssenbrock)

mit meist mehr als 150 Anlagen sind gegenwärtig anhängig. Zwischen Sylt und Helgoland sind dies alleine Anträge für 1.000 Anlagen, und zwar auf einer Fläche von 1.371 m2. Mein Kollege Maurus hat mir heute noch eine Skizze zugesteckt, wie das aussieht: alles wunderbar in Kollisionslage mit IBA-Gebieten und anderen naturgeschützten Gebieten.

Angesichts der noch auf viele Jahre absehbaren Subventionierung der Windkraftanlagen durch den Stromverbraucher handelt es sich anscheinend um Lizenzen zum Gelddrucken. Darum geht es letztlich dabei.

(Konrad Nabel [SPD]: Wer hat denn die Kernenergie bezahlt, Herr Kollege?)

Macht es Sie als Regierungskoalition nicht stutzig, dass bei derartigen Verlockungen sogar die einstmals von Ihnen so gehassten Stromkonzerne auf den Gedanken gekommen sind, dass sie nunmehr Windenergie betreiben wollen?

(Lachen bei SPD und SSW)

Glauben Sie, dass das alles überzeugte Windenergieanhänger sind? Sie sind es keineswegs, sondern sie nutzen nur ökonomische Chancen, die ihnen auf Kosten des Stromverbrauchers dargeboten werden.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, bei derart unverhältnismäßigen Subventionsanreizen von über 10 Pfennigen über dem Marktpreis pro erzeugter Kilowattstunde kann man es niemandem verdenken, wenn er die Angebote nutzt. Auch das müssen wir nüchtern sagen. Aber darf es unsere Aufgabe als Politiker sein, solche geradezu unsittlichen Angebote zu machen, wenn doch der Gesamtertrag für die Gesellschaft, für die Volkswirtschaft immer begrenzt bleiben wird?

(Vereinzelter Beifall bei CDU und FDP)

Ich will Folgendes klarstellen, meine Damen und Herren: Wer auf eigene Kosten umweltverträglich investiert und auf diese Weise wettbewerbsfähig wird, der hat selbstverständlich unsere Hochachtung verdient.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Aber darf eine Energieform auf Dauer durch den Verbraucher unverhältnismäßig subventioniert werden?

(Günter Neugebauer [SPD]: Was sagt denn Ihre Fraktion dazu? Ist Ihre Fraktion auch der Auffassung?)

- Herr Kollege Neugebauer, der Klimaschutzbeitrag der Windenergie und - Herr Minister Rohwer ist leider nicht anwesend - der augenblicklich erfreuliche wirtschaftsstrukturelle Beitrag der Windenergie, also der

Zuwachs an Wirtschaftskraft durch die Windenergie insgesamt ist ja die wirtschaftliche Situation in Schleswig-Holstein recht bescheiden geworden; da muss man sich an jedem Strohhalm festklammern -, wird überhaupt nicht in Abrede gestellt und auch durchaus begrüßt. Dieser Zuwachs an Wirtschaftskraft durch Windenergie wird überhaupt nicht in Abrede gestellt. Er wird durchaus begrüßt. Die Messe in Husum war wunderbar. Technologische Fortschritte sind auch wunderbar. Das sei jedem gegönnt, nur nicht immer auf Kosten der Stromverbraucher. Das ist der Punkt. Das Bruttoinlandsprodukt wird auch dadurch vermehrt, dass man eine Straße teert, sie wieder aufreißt und sie wieder teert. Das alles ist eine Vermehrung des Bruttoinlandsprodukts.

(Zurufe der Abgeordneten Günter Neugebau- er [SPD] und Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Der volkswirtschaftliche Sinn derartiger Aktivitäten bleibt natürlich begrenzt. Wenn schon europarechtlich -

(Zuruf des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD])

- Herr Kollege Nabel, europarechtlich ist das Ende der Subventionierung schon sichtbar. In der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 13. März wurde die Subventionierung durch das Stromeinspeisegesetz nur unter den gegenwärtig nicht vorhandenen Wettbewerbsbedingungen in Europa für zulässig erklärt. Das heißt auf Deutsch: Wenn sich die Wettbewerbsbedingungen, das heißt die Liberalisierung in Europa, durchsetzen, wird sich das ändern. Dann ist das Ende des EEG wohl absehbar und sichtbar.

Die Gefahr des Aufbaus auf Dauer nicht überlebensfähiger Wirtschaftsstrukturen besteht eben auch durch den Aufbau eines solchen Wirtschaftszweigs. Eines Tages wird der auf Kosten des Stromverbrauchers aufgeputschte Wirtschaftszweig Kostgänger des Staates werden, weil es irgendwann damit zu Ende sein wird. Herr Nabel, dann kommen Sie möglicherweise an und sagen: Der Staat darf nicht der Reparaturbetrieb des Kapitalismus sein. Das haben wir in den 70er-Jahren alles erlebt.

(Zurufe der Abgeordneten Wolfgang Baasch [SPD] und Konrad Nabel [SPD])

- Kollege Baasch, worum geht es uns? Es geht uns um einen geordneten, überschaubaren, nachprüfbaren und für die betroffenen Bundesländer klagbaren Rechtsrahmen für die Genehmigungsverfahren. Darum geht es uns.

(Beifall bei der CDU)

(Dr. Trutz Graf Kerssenbrock)

Die Seeanlagenverordnung muss dringend überarbeitet werden. Wir müssen auch möglicherweise die gebundene Entscheidung überdenken nach dem Motto: Wenn es keine Ablehnungsgründe gibt, muss genehmigt werden.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege Kerssenbrock, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Hentschel?

Können Sie mir erklären, warum der Strompreis zu Zeiten, als die Atomkraftwerke gebaut wurden, um 10 Pf höher war als heute?

- Herr Kollege Hentschel, wollen Sie mir erklären, dass die Fehler, die Sie als Fehler geißeln, jetzt bei der Windenergie gemacht werden sollen?

(Beifall bei der CDU - Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist keine Antwort!)

Das kann wohl nicht der Sinn Ihrer Frage sein.

(Zuruf des Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD])

Wir sagen: Es gibt ein eindeutiges Rechtsregelungbedürfnis. Frau Ministerin Franzen, Sie haben eben selbst gesagt, dass es möglicherweise Stufengenehmigungen geben soll. Dadurch werden teilweise vollendete Tatsachen geschaffen. Sie werden dann unter Handlungsdruck gesetzt werden. Dann heißt es: Dieser Park rechnet sich nicht, er muss größer werden. Wir werden dann immer noch mehr Genehmigungen erteilen müssen. Genau das kommt dabei heraus. Deshalb geht es nicht.

(Beifall der Abgeordneten Dr. Christel Hap- pach-Kasan [FDP])

Sie wollen offensichtlich auch, dass selbst in Auftrag gegebene Parteigutachten als Grundlage für Genehmigungsverfahren genutzt werden können. Frei nach dem Motto: Wer die Musik bezahlt, der darf sie auch bestellen. So einfach geht das in keinem anderen Verfahren. Hier soll das möglich sein. Der Germanische Lloyd wird nämlich von den Antragstellern beauftragt. Wenn der Germanische Lloyd von den Antragstellern sein Geld bekommt, dann kann man sich möglicherweise ausmalen, was für Ergebnisse dabei herauskommen werden. Das macht Sie sonst so misstrauisch.

Hier soll Sie das nicht misstrauisch machen, nicht wahr?

Wir wollen Sorgfalt bei der Durchführung der Prüfungen. Frau Kollegin Todsen-Reese hat mit ihrem Arbeitskreis Bereisungen durchgeführt, an denen ich zum Teil teilgenommen habe. Dort haben wir Bedenken über offensichtlichen Druck, der inzwischen von Antragstellern auf die Genehmigungsbehörden ausgeübt wird, gehört. Dies geschieht nach dem Motto: Ihr müsst schneller machen, wir müssen wirtschaftlich in die Puschen kommen. Nun prüft mal nicht so genau. Die Genehmigungsvoraussetzungen wollen wir auch nicht so genau austariert haben. - Hier wird es bedenklich.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer sagt denn das?)

- All dies haben wir dort zu hören bekommen. Wir wollen ergebnisoffene und nachprüfbare Überprüfungen der Risiken für Flora, Fauna und Geologie des Meeres. Da weiß man teilweise wirklich noch viel zu wenig. Der Standort nördlich von Helgoland liegt eindeutig im IBA-Gebiet. Das kann man an dieser Karte deutlich machen. Wir wollen ergebnisoffene und nachprüfbare Sicherheit des Schiffsverkehrs. In der Deutschen Bucht finden jährlich 200.000 Schiffsbewegungen statt. In der Ostsee sind es sogar 250.000. Da wollen Sie Riesenwindparks hineinbauen. Wenn das erste Schiff durch einen Propeller getroffen gesunken ist und möglicherweise eine Ölpest verursacht hat, dann wollen Sie es bestimmt nicht gewesen sein. Dann wollen Sie nicht dabei gewesen sein. Darum geht es. Das muss mit größter Sorgfalt geprüft werden.