Protocol of the Session on October 17, 2001

Frau Erdsiek-Rave, wenn Sie sich jetzt noch hier hinstellen und sagen - das darf ich als Eckernförder Abgeordneter sagen -, wir sollten dankbar sein, denn immerhin werde der Standort nicht ganz zugemacht, kann ich nur sagen: Diese Pläne stammen von Ihrer

(Jost de Jager)

Vorgängerin, Frau Böhrk, die auch Mitglied der SPD ist. Stellen Sie sich also nicht hierhin und verkaufen das als Wohltat.

Was Sie hier vorhaben, dieser Ringtausch der Studiengänge, passt in das Bild Ihrer Hochschulpolitik. Sie rühren den Topf ständig um und trotzdem schmeckt die Suppe am Ende nicht besser als vorher.

Sie setzen damit Ihre seit Jahren betriebene Politik fort, dass die einen Hochschulen als Steinbruch für die anderen Hochschulen herhalten müssen - und das auch noch mit Schwund. Auf dem Weg von dem einen Steinbruch zum Nächsten nämlich gehen einige gehörige Brocken verloren. Es gibt Transportverluste. Im Zuge dieses eben beschriebenen Ringtausches bauen Sie die de facto Studienplätze in Schleswig-Holstein ab.

Die Zahl der Bauingenieurstudienplätze wird sich nach Ihren eigenen Angaben aus der Antwort auf die Große Anfrage von 649 auf dann 360 verringern. Das ist ein Minus von 290 Studienplätzen und beinahe eine Halbierung. Die Zahl der Architekturstudienplätze soll sich in Schleswig-Holstein laut der Antwort auf die Große Anfrage von 1.021 auf 760 verringern, ein Minus von etwa einem Viertel. Das ist Studienplatzvernichtung. Das ist zumal Studienplatzvernichtung bei den Fachhochschulen, ausgerechnet dort, wo Sie ursprünglich, laut Koalitionsvertrag die Zahl der Studienplätze eigentlich ausweiten wollten.

Weil diese Landesregierung offensichtlich weder über die Kraft noch über die hochschulpolitische Fantasie verfügt, zukunftsgerichtete Vorschläge für die Weiterentwicklung der Hochschulen in Schleswig-Holstein vorzulegen, erneuern wir unsere Forderung nach einem Landeswissenschaftsrat.

(Beifall bei der CDU - Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Schon einer auf Bundesebene ist einer zu viel!)

- Man soll Kollegen auch einmal klatschen lassen.

Dieser Landeswissenschaftsrat soll das leisten, was die Landesregierung nicht vermag, nämlich die Hochschulentwicklung an den einzelnen Standorten landesweit und nicht vom einzelnen Standort aus zu betrachten. Er soll nach unseren Vorstellungen die Aufgabe haben, Empfehlungen für die Profilbildung an einzelnen Hochschulen abzugeben er soll eine Evaluation der Hochschulentwicklung vornehmen und er soll Vorschläge zur Kooperation von Hochschulen erarbeiten, und zwar unter der Prämisse nicht nur räumlicher Nähe, sondern vor allem inhaltlicher Anknüpfungspunkte.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Natürlich sind uns die Gegenargumente geläufig. Zu viel Bürokratie, heißt es, zu teuer, ein Sich-Verstecken hinter Gutachten. Die Frage ist aber: Wie sieht die Wirklichkeit im Moment aus? - Für jeden einzelnen Schritt, den diese Landesregierung hochschulpolitisch machen will, gibt sie teure Gutachten in Auftrag, die von den Hochschulen auch noch selbst bezahlt werden müssen.

Wenn Sie ohnehin schon für jede Einzelentscheidung Gutachter bemühen und viel Geld dafür ausgeben, dann können wir dieses Gutachtergremium auch fest in Schleswig-Holstein institutionalisieren und zu einer echten Kompetenzadresse für Hochschulentwicklung in diesem Lande weiterentwickeln.

(Beifall des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

Wir werden künftig immer stärker einen Wettbewerb um die Köpfe in der Wissenschaft bekommen. Es wird einen Wettbewerb um die besten Lehrenden und um die besten Lernenden geben. Das werden wir in den folgenden Tagesordnungspunkten noch besprechen. Wir werden diesen Wettbewerb in der Wissenschaft als Standort Schleswig-Holstein nur dann bestehen können, wenn es uns gelingt, Zentren echter wissenschaftlicher Exzellenz zu bilden. Dazu bedarf es eines Einsatzes, der über die bisherigen Anstrengungen des Landes hinausgeht. Dazu bedarf es einer Konzentration von Mittelzuweisungen und Planstellen sowie Komplementärmittel für die Drittmittel in größerem Umfang, als wir es jetzt haben. Um das zu erreichen, brauchen wir ein weiteres neues Instrument, nämlich eine Mittelvergabe nach Leistungs- und Wettbewerbsgesichtspunkten.

Die CDU-Fraktion hat bereits im vergangenen Jahr vorgeschlagen, einen Teil der Zuschüsse für die Hochschulen für einen so genannten High-Potential-Pool zu reservieren. Dieses Geld würde dann nach Leistungsund Wettbewerbsgesichtspunkten für Maßnahmen und Projekte einer besonderen Profilbildung ausgegeben werden. Dieser „High-Potential-Pool“ wäre ein Instrument, um die Dosierung der Landeszuschüsse für besonders leistungsfähige Institute und wissenschaftliche Einrichtungen über die derzeitige Förderung hinaus zu erhöhen. Wir freuen uns, dass sich auch die Landesregierung peu à peu dieser Erkenntnis nähert. Das können wir der Antwort auf unsere Große Anfrage entnehmen.

Ohne ein solches Instrument befürchten wir, dass wir in Schleswig-Holstein zu einer Nivellierung und einem Mittelmaß kommen, das uns teuer zu stehen kommen wird. Derzeit nimmt sich die Diskussion um die Hochschulfinanzierung hier im Lande ausgesprochen trist aus. Sie dreht sich immer noch um die Frage, ob das

(Jost de Jager)

Land die vollen Kosten der Tarifsteigerungen im Bereich der Hochschulen übernehmen soll, was sich von selbst versteht, oder nur die Hälfte. Wir reden dabei über einen Betrag von 3,5 Millionen DM und beklagenswerterweise reduziert sich die gesamte Diskussion über die Finanzierung der Hochschulen darauf, ob das Land diese 3,5 Millionen DM übernimmt oder nicht. Dabei wissen wir ganz genau, dass die eigentliche Unterfinanzierung der Hochschulen in Schleswig-Holstein weit darüber hinaus geht. Aus diesem Grund hat die CDU-Landtagsfraktion im vergangenen Jahr bereits 20 Millionen DM mehr für die Hochschulen des Landes insgesamt gefordert.

Ich glaube, dass man die Fragen der Finanzierung der Hochschulen, der Zielvereinbarungen und der 3,5 Millionen DM, die wir mehr übernehmen müssen oder auch nicht, besonders vor dem Hintergrund bedenken muss, dass andere Bundesländer in ganz anderen Größenordnungen denken und operieren. Wenn man sich zum Beispiel vor Augen führt, dass der bayerische Wissenschaftsminister Zehetmair mittlerweile öffentlich vor Rektoren darüber spekuliert, welche Wissenschaftler er aus Schleswig-Holstein herauskaufen möchte, weil sie gut sind und er ihnen in Bayern bessere Arbeitsbedingungen schaffen kann, dann erkennen wir, vor welchen Herausforderungen wir nicht nur international, sondern auch schon national stehen.

(Beifall bei der CDU)

Wir erkennen hingegen leider nicht, was die Landesregierung wirklich dagegen unternehmen will. Frau Erdsiek-Rave, wir müssen vielmehr nach Lektüre der Antwort auf diese Große Anfrage feststellen, dass Sie hochschulpolitisch nur in den kleinen Dingen groß sind.

(Beifall bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Jürgen Weber das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege de Jager, seit Jahren versuchen Sie uns davon zu überzeugen, welche Vorrangigkeit ein Landeshochschulplan hat. Jetzt versuchen Sie, uns davon zu überzeugen, welche Bedeutung ein Landeswissenschaftsrat hat. Wir sind der Auffassung, dass die Dynamik des Hochschulsystems mit einem Rätesystem mit hoher Planhaftigkeit nur begrenzt bedient werden kann.

(Beifall bei SPD und FDP)

Zur Antwort auf die Große Anfrage lassen Sie mich drei kurze Vorbemerkungen machen. Erstens. Hochschulentwicklung in unserem Flächenland wird auch in Zukunft nicht losgelöst von struktur- und regionalpolitischen Gewichtungen behandelt werden können. Ich füge aber hinzu: Wissenschaft hat vor allem mit Qualität zu tun. Deswegen muss gelten: So viel regionale Kriterien wie unbedingt nötig, so viel wissenschaftliche Kriterien wie überhaupt möglich.

Zweitens. Neue Instrumente wie Zielvereinbarungen, die wir im Hochschulgesetz verankert haben, müssen ganz offensichtlich gelernt werden. Das gilt für beide Seiten. Die Praxis bestätigt das meines Erachtens.

Drittens. Hochschulentwicklung muss sich um einen äußert effektiven Einsatz der knappen öffentlichen Mittel bemühen. Das fordert mehr Qualitätsmanagement. Gleichzeitig dürfen wir aber nicht aus dem Auge verlieren, dass wir auch quantitativ das Niveau der Hochschulausbildung steigern müssen.

(Beifall bei der FDP)

Meines Erachtens ist klar und unstrittig, dass wir in Zukunft mehr und nicht weniger wissenschaftlich qualifizierte Menschen benötigen.

(Beifall bei FDP und SSW)

Ich komme auf eine aktuelle Entwicklung zu sprechen. Ich finde es mehr als irritierend, wenn ich lese, dass die Landesfinanzministerkonferenz erst jüngst unisono beschlossen haben soll, ab 2005 deutliche Einsparungen in allen Bildungshaushalten der Länder vorzunehmen. Hinzu kommt, dass die Finanzminister in ihrem Beschluss der OECD-Aussage widersprechen, dass die Industrienation Deutschland im internationalen Vergleich zu wenig Studenten habe. Ich frage mich, auf welcher Grundlage solche Papiere verabschiedet werden und woher die Finanzminister diese Erkenntnisse haben.

(Beifall im ganzen Haus)

Eine solche Auffassung spiegelt jedenfalls nicht die Auffassung der SPD-Fraktion wider und ich kann mich auch nicht entsinnen, dass eine entsprechende Auffassung hier im Landtag bisher vertreten worden ist.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Wo ist Möller überhaupt?)

Deshalb möchte ich ausdrücklich die Bundesbildungsministerin zitieren, die in diesem Zusammenhang gesagt hat:

„Wir haben heute schon Fachkräftemangel in einigen Bereichen und auch im internationalen Vergleich können wir uns weniger Mittel

(Jürgen Weber)

für die Hochschulen - und damit weniger Bildungsbeteiligung - nicht leisten.“

Mehr Effektivität, mehr Qualität und mehr Kooperation im Hochschulbereich ist nicht allein, vielleicht nicht einmal in erster Linie, eine Geldfrage. Viele notwendige Strukturveränderungen in den letzten Jahren waren wahrscheinlich erst durch knappe öffentliche Kassen möglich. Als Beispiel kann man die Anpassung, Abstimmung und manche Innovation im Bereich der Ingenieurausbildung an den Fachhochschulen heranziehen. Seit zwei Jahren haben wir ein System, in dem wir als Haushaltsgeber den Gesamtrahmen im Landeshaushalt bestimmen, die Landesregierung aber mit den Hochschulen einzelne Zielvereinbarungen aushandelt. Es ist nicht abzustreiten, dass die derzeit laufenden Gespräche über neue Zielvereinbarungen unter schwierigen Rahmenbedingungen stattfinden. Bei aller Kritik, die in den Hochschulen formuliert wird, darf nicht übersehen werden, dass die Bereitschaft des Landes, Zielvereinbarungen auf volle vier Jahre - für den Zeitraum 2002 bis 2005 - abzuschließen, diesen wichtigen Einrichtungen des Landes eine Planungssicherheit gibt, wie sie in keinem anderen Bereich, in dem das Land Verantwortung trägt, existiert. Das ist eine positive Entwicklung, die auch deutlich unterstrichen werden soll.

Letztlich werden wir im Dezember über den Haushalt im Detail reden. Daher will ich noch zu drei Aspekten Stellung nehmen, die in der Großen Anfrage der CDU besonders herausgehoben waren, nämlich Zusammenarbeit der Hochschulen in Flensburg, Neuordnung der Hochschulklinika und Stellentausch zwischen den Fachhochschulen Kiel und Lübeck sowie der Muthesius-Hochschule.

Da die Fragesteller dem kleinsten dieser Bereiche in ihren Fragen den größten Umfang gewidmet haben, möchte ich mit diesem Bereich, nämlich der Frage des Bauwesens und allem, was damit zusammenhängt, beginnen. Für uns waren vier Vorgaben maßgebend. Erstens. Alle Studienorte müssen erhalten bleiben. Zweitens. Es muss eine nachfragegerechte Anpassung der Studienplätze erfolgen, denn wir haben bundesweit dramatische Einbrüche im Bereich der Nachfrage nach einem Studium des Bauingenieurswesens. Drittens. Die Muthesius-Hochschule muss gesichert und zu einer kleinen, aber feinen Kunsthochschule entwickelt werden. Viertens. Das ganze Modell muss kostenneutral bleiben.

Deshalb begrüße ich es, dass wir es uns leisten wollen und können, eine kleine, leistungsfähige Kunsthochschule zu etablieren. Ich begrüße es auch, dass der Studienort Eckernförde der Fachhochschule Kiel bezüglich Lehrpersonal und Studierenden gesichert wird.

Ich begrüße es weiter, dass der Fachhochschule Lübeck der Einstieg in ein grundständiges Angebot der Betriebswirtschaftslehre ermöglicht wird.

Ich verstehe, dass in der Fachhochschule Lübeck die Auflösung der zumindest dort funktionierenden Verzahnung von Architektur und Bauingenieurwesen beklagt wird. Ich kann auch nachvollziehen, dass die Fachhochschule Kiel nicht damit einverstanden ist, einen Teil ihrer BWL-Kapazitäten zu verlagern.

Eine allerbeste Lösung, die alle zufrieden stellt, wird es unter den von mir genannten Bedingungen nicht geben können. Aber es gibt, was die Einzelfragen dieses so genannten Ringtausches angeht, noch einen detaillierten Beratungsbedarf im Ausschuss. Diese Diskussion wollen auch wir dort mit der Landesregierung noch einmal führen.

Die Diskussion über das Bauwesen an unseren Hochschulen in den letzten Jahren ist ein Lehrstück dafür, dass die Autonomie der Hochschulen allein noch keine Gewähr dafür ist, dass es eine vernünftige Kooperation unter den Hochschulen gibt. Eine Selbststeuerung allein scheint nicht zu funktionieren. Aber auch die Politik - das füge ich hinzu - muss sich um mehr Mut und auch um mehr Verbindlichkeit bei ihren Entscheidungen bemühen.

Zum Thema Flensburg möchte ich an dieser Stelle nur so viel, und das zum wiederholten Mal, sagen: Es sind, was den Studienstandort Flensburg angeht, sprichwörtlich wirklich genügend Säue durchs Dorf getrieben worden. Man erinnere sich nur an die Überlegungen, dort eine Technische Universität zu errichten, was Herr Rühe damals vorgeschlagen hat, oder an die Versuche, die Teilkonzentration der Lehrerausbildung rückgängig zu machen.

Damit Hochschule in Flensburg künftig gelingt, müssen beide Partner in der Fördestadt wissenschaftlich verträglich - das betone ich - zusammenfinden. Das darf gerne etwas schneller gehen, als es bisher der Fall gewesen ist.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])