Wir haben Hemmnisse aufgebaut, die im Übrigen, Herr Kollege Kubicki, aus unserer Sicht überhaupt nicht dazu dienen, dem Rechtsstaatsprinzip in irgendeiner Form Genüge zu tun. Wir würden gern mit uns über den Richtervorbehalt reden lassen. Aber alles andere, so zum Beispiel die Vorlage eines Berichts hier im Landtag, ist - das wissen Sie doch genauso gut wie ich - reine Bürokratie und dient letztendlich nicht der notwendigen Rasterfahndung, die wir im Sinne einer schnellen Tätererfassung einführen wollen.
Bevor ich jetzt Herrn Klaus-Peter Puls das Wort erteile, will ich zur Orientierung die restlichen - gerundeten - Redezeiten der einzelnen Fraktionen nennen: Die SPD verfügt noch über 16 Minuten Redezeit, die Grünen verfügen über neun Minuten, der SSW über 15 Minuten. Herr Kubicki hatte sich nach § 56 Abs. 4
(Wolfgang Kubicki [FDP]: Ich habe die ver- bundene Debatte tatsächlich geführt! Ich konnte mich auf die neue Lage einstellen, Herr Präsident!)
- Sehr geehrter Herr Kubicki, Ihre Flexibilität ist bekannt. Aber ich bitte Sie doch, das Kommentieren der geschäftsleitenden Bemerkungen zu unterlassen, und darf jetzt dem Kollegen Klaus-Peter Puls das Wort erteilen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dauerhafte Freiheit, grenzenlose Gerechtigkeit, uneingeschränkte Solidarität sind angesagt, werden propagiert. Geschieht das, um zu dokumentieren, dass Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität ohne verstärkende Attribute nicht mehr aussagefähig sind?
Der SPD als Rechtsstaatspartei wird in der öffentlichen Diskussion gelegentlich vorgehalten, nicht mehr streng und sauber rechtsstaatlich zu sein, wegen der terroristischen Attentate von Washington und New York möglicherweise bereit zu sein, die Grundwerte unserer Verfassung im Namen der Sicherheit preiszugeben. Dem ist nicht so.
Alles, was die Landesregierung hier heute vorgeschlagen hat, was von der Landtagsfraktion der SPD an Maßnahmen unterstützt und gleichermaßen gefordert wird, ist rechtsstaatlich, ist über jeden Anwurf erhaben, es verstoße gegen das Grundgesetz, gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung, gegen ganz bestimmte Grundrechte, die es zu schützen gilt.
§ 247 des schleswig-holsteinischen Landesverwaltungsgesetzes lautet sinngemäß: Für Maßnahmen, die nach den Bestimmungen des Landesverwaltungsgesetzes, also unseres Polizeigesetzes, getroffen werden können, wird das Recht der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz) eingeschränkt. Die Möglichkeit gibt es; sie ist verfassungsrechtlich vorgesehen.
Allen Kritikern - auch in der Landespresse -, die da meinen, Grundrechtseinschränkungen seien als solche rechtsstaatswidrig, ist zu sagen, dass sie von falschen Voraussetzungen ausgehen. Entscheidend für jede Maßnahme, die die Politik in einer bestimmten Situation ergreift oder in Erwägung zieht, ist erstens, ob die Maßnahme geeignet, zwecktauglich ist, zweitens, ob die Maßnahme erforderlich ist - will sagen, ob es Maßnahmen gibt, die möglicherweise Bürgerrechte weniger berühren oder beeinträchtigen -, und drittens, ob die Maßnahme verhältnismäßig ist, ob also akzep
tiert werden kann, dass ein bestimmtes Grundrecht zum Beispiel die persönliche Freiheit - eingeschränkt wird, wenn dadurch essenziell und substanziell mehr für die objektive Sicherheit und das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung getan werden kann.
Gemessen an diesen Maßstäben sind die von der Landesregierung vorgeschlagenen und von uns mitgetragenen unterstützenden Maßnahmen verfassungsgemäß, rechtsstaatlich sauber und aus der Sicht der Bürgerinnen und Bürger nicht nur zumutbar, sondern geboten.
Zu unseren Forderungen im Einzelnen, die sich ja ausdrücklich nicht auf die Bekämpfung des aktuell bedrohlichen internationalen Terrorismus, sondern generell auf die Stärkung und Erhöhung der inneren Sicherheit in unserem Land beziehen!
- Es ist richtig, Herr Kollege Wadephul - Sie haben darauf hingewiesen -, dass sich ein Teil unserer Forderungen mit Ihren decken. Das sind insbesondere die Forderungen nach erhöhten Bundeszuschüssen für die Bereitschaftspolizeien der Länder, die Forderung nach Anpassung des Verfassungsschutzes an die aktuelle Sicherheitslage, die Forderung nach Anpassung des Katastrophenschutzes an die aktuelle Sicherheitslage, die Forderung nach einer Verbesserung der Identitätsfeststellung bei der Vergabe von Visa. In diesen Bereichen sind wir selbstverständlich bereit, mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Wir sind es auch in zwei weiteren Punkten, die in unserem Antrag enthalten sind, nämlich in dem Punkt, der an allererster Stelle steht und zu dem die Regierung ausführlich vorgetragen hat - wir möchten ihr hierfür auch herzlich danken -: Verbesserung der Personal- und Sachausstattung von Polizei und Justiz ist angesagt. Dies ist die originäre Landesverantwortlichkeit und dieser Aufgabe wollen wir uns mit ganz konkreten haushaltspolitischen Ansätzen stellen. Das scheint uns die wichtigste Botschaft aus der heutigen Landtagssitzung zu sein.
(Vereinzelter Beifall bei der SPD sowie Bei- fall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Anke Spoorendonk [SSW] - Zuruf des Abgeordne- ten Dr. Johann Wadephul [CDU])
Der zweite Punkt, mit dem Sie sich ja auch einverstanden erklären können, ist, auf Bundesebene dafür zu sorgen, dass in Sachen Bankgeheimnis etwas geschieht; das ist ein Punkt, der in Ihrem Katalog nicht enthalten ist, aber ich vermute einmal, dass Sie möglicherweise auch in diesem Bereich mit uns gemeinsame Lösungen anstreben könnten.
Nicht mit der CDU-Fraktion einig sind wir in zwei Punkten: Das ist einmal der Punkt Kronzeugenregelung. Dazu hat Herr Kubicki ausreichend vorgetragen. Wir werden gleichwohl das, was auf Bundesebene hierzu konkret für die Gesetzgebung vorbereitet wird, kritisch überprüfen. Es soll jedenfalls nach unserer Meinung nicht mehr zu einem Wiederaufleben der 1999 abgeschafften Kronzeugenregelung kommen. Hier müssen differenzierte Lösungen her, die wir dann im Einzelnen auch mit Ihnen beraten werden.
Aber die Ablehnung ganz konsequent bezieht sich auf diesen Punkt - jedenfalls so, wie er bei Ihnen formuliert ist, Herr Kollege Wadephul -: Die Landesregierung möge dafür Sorge tragen, dass Ausländer, die sich extremistisch und verfassungsfeindlich betätigen, ausgewiesen werden. Wir verbinden mit diesem allgemeinen Satz die Gefahr der Pauschalverdächtigung von Moslems, Arabern, Ausländern in diesem Sicherheitszusammenhang. Dem sollten wir in jeder Beziehung vorbeugen, Herr Kollege Wadephul. - Ganz abgesehen davon, dass für extremistische und terroristische Täter aus dem Ausland schon die Ausweisungsmöglichkeit in unserem Ausländerrecht ausreichend geregelt ist. Ich verweise hierzu nur auf die §§ 45 und 46 des Ausländergesetzes, wonach ein Ausländer ausgewiesen werden kann, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt. Nach § 46 kann dann insbesondere ausgewiesen werden, wer die freiheitlich demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet oder sich bei der Verfolgung politischer Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt, zu Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht. Die Ausweisung, Abschiebung in solchen Fällen ist unabhängig von strafrechtlicher Relevanz möglich und sie ist auch möglich, ohne ein langwieriges Rechtsschutzverfahren zu durchlaufen. Die Rechtsprechung ist sich einig, dass für betroffene Ausländer etwa, die terroristische Vereinigungen unterstützen und die eine Sicherheitsgefahr für die Bundesrepublik Deutschland darstellen, der Rechtsschutz einstweilig zurückzustellen ist, sodass Abschiebung ermöglicht werden kann. Das ist geltendes Recht.
Herr Kollege Puls, Sie haben die einschlägigen Vorschriften des Ausländerrechts zitiert. Sind Sie mit mir einer Meinung, dass wir zwar die rechtliche Möglichkeit zur Ausweisung haben, dass sie aber derzeit nicht in dem Maße praktiziert wird, wie der Antrag das will und wie das offenbar auch Ihre Auffassung ist?
- Ich gehe davon aus, dass die Behörden, die die Gesetze umzusetzen haben, dies auch tun, und ich bin insoweit auch mit Ihnen einig, dass das geschehen sollte.
Zur so genannten Rasterfahndung lassen Sie mich den Datenschutzbeauftragten Helmut Bäumler zitieren, der heute in der „Schleswig-Holsteinischen Landeszeitung“ Folgendes schreibt:
„Wenn es stimmen würde, dass sicherheitsbehördliche Effizienz und rechtsstaatliche Vorgehensweise nicht zusammenpassen, dann stünde es schlecht um den demokratischen Rechtsstaat; denn das sind genau die beiden Herausforderungen, vor die er nun gestellt ist.
Er muss seine Bürger wirksam schützen und darf dabei die Werte nicht selbst preisgeben, denen der Anschlag vom 11. September galt.“
„Wer jetzt so tut, als seien Sicherheitsbehörden durch rechtsstaatliche Bedenkenträger die Hände gebunden, der verhindert auch eine kritische Analyse der Vollzugsdefizite und der spielt ungewollt jenen in die Hände, die mit noch einfacheren Parolen versprechen, die Sicherheit noch wirkungsvoller zu schützen. Schleswig-Holstein sollte bei seiner nüchternen, abgewogenen Haltung in Fragen der inneren Sicherheit bleiben und sich darauf konzentrieren, seine polizeilichen Mittel möglichst effizient einzusetzen.“
(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Genau das tun wir, wenn wir den Gesetzentwurf der Landesregierung zum automatisierten Datenabgleich auf den Weg bringen. Wir würden es nicht tun, wenn wir mit Ihnen wieder in Ihre konservative Grabbelkiste hineingreifen würden
und die Schleierfahndung erneut auf den Tisch des Hauses brächten. - Dazu wird der Kollege Rother aber gleich noch vortragen.
Zur Rasterfahndung hat der Datenschutzbeauftragte in seiner Stellungnahme konkret zum Gesetzentwurf ausdrücklich gesagt, es sei nunmehr Aufgabe der Politik und des Gesetzgebers, angesichts der neuen Qualität terroristischer Bedrohung eine erneute Gewichtung der betroffenen Belange vorzunehmen. Der Datenschutzbeauftragte begrüßt ausdrücklich die vorgesehene Befristung der Regelung bis zum Jahr 2005. Der Datenschutzbeauftragte hebt ausdrücklich positiv hervor, dass sich der Gesetzentwurf um eine konsequent rechtsschutzfreundliche verfahrensrechtliche Ausgestaltung der präventivpolizeilichen Rasterfahndung bemüht. Dies betreffe vor allem die alleinige richterliche Anordnungsbefugnis, die Benachrichtigung von Betroffenen weiterer Maßnahmen im Anschluss an die Rasterfahndung sowie die Unterrichtung des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz sowohl über den Beginn als auch über den Abschluss einer Rasterfahndung.
Das ist die datenschutzrechtliche Beurteilung und der Datenschutzbeauftragte hat angeregt - die Stellungnahme stammt vom 5. Oktober -, in den Gesetzentwurf ergänzend eine Berichtspflicht der Landesregierung gegenüber dem Landtag aufzunehmen. Herr Schlie ist auf diesen Punkt eben etwas abfällig eingegangen; wir als SPD-Fraktion halten ihn für sehr wichtig.
In der überwiegenden Mehrheit unserer Fraktion halten wir ihn für wichtiger als die Befristung. Die Befristung - Herr Kubicki hat es vorhin auch gesagt - ist eher nachrangig. Auf der Grundlage der alljährlich vorzulegenden Berichte der Landesregierung, des Innenministers sind wir als souveränes Landesparlament nämlich in die Lage versetzt, eine Erfolgskontrolle und eine Auswertung konkreter Maßnahmen zu betreiben und dann zu sagen, ob wir das Gesetz weiter gelten lassen oder ob wir es wieder aufheben wollen. Das können wir alljährlich aufgrund einer konkreten Prüfung und Erfolgskontrolle machen,
sodass es eigentlich nicht darauf ankommt, dass das automatische Außer-Kraft-Treten des Gesetzes auf fünf oder wie viele Jahre begrenzt wird.
Wir wissen heute noch gar nicht, wie lange die terroristische Bedrohung noch anhalten wird, sodass jede
Begrenzung und Befristung im Grunde eine willkürliche sein wird. Sie ist allerdings ein Symbol dafür, dass wir uns zu ständiger Überprüfung und ständiger Erfolgskontrolle verpflichten.