Worin wir möglicherweise einen Dissens haben, ist die Frage, wie die Gesellschaft darauf antwortet und wie wir als verantwortliche Politiker darauf antworten. Graf Kerssenbrock, die Frage, ob man tatsächlich die Bundeswehr zur Sicherung einsetzt und ob man darüber heute schon nachdenkt, möchte ich hier ehrlich gesagt nicht im Einzelnen erörtern. Ich stelle mir das nicht als besonders einfach vor. Wenn ich meine Gespräche mit der Bundeswehr in den letzten Monaten und in den letzten Tagen betrachte, kann ich nur sagen: Auch die Verantwortlichen der Bundeswehr sind nicht davon überzeugt, dass eine Verstärkung der Flugsicherung die richtige Antwort auf diese Probleme wäre.
Es ist häufiger schon gesagt worden, dankenswerterweise auch von dem Kollegen Schlie, dass dies mit Sicherheit nicht die Situation ist, in der man anfangen sollte, alte politische Süppchen, die längst erkaltet waren, wieder aufzuwärmen.
Der Herr Minister hat hier fast zu ausführlich die Gedanken und Beschlüsse der Reaktorsicherheitskommission vorgetragen. Herr Minister, ich habe den Eindruck, dass die Reaktorsicherheitskommission uns mit ihren Beschlüssen und mit dem, was wir alle im Internet nachlesen können, wirklich einen ganz großen Dienst getan hat, indem sie deutlich gemacht hat, dass es nicht auf Panikmache ankommt. Vielmehr lautet das Fazit: Ruhe bewahren! Denn genaue Aussagen zu den Folgen vorsätzlicher Flugzeugabstürze auf Kernkraftwerke sind derzeit nicht möglich, weil solche Szenarien noch nicht systematisch untersucht wurden. Diese Ergebnisse werden in einigen Monaten vorliegen. Dann gibt es eine Grundlage für weitere sachdienliche und hoffentlich sachliche Diskussionen. Vorher nicht.
Akuter Handlungsbedarf liegt nicht vor, denn die Bundesregierung stellt seit dem 11. September täglich fest, dass nach der Beurteilung der Sicherheitslage keine direkte Gefahr terroristischer Anschläge in Deutschland besteht. Die Landesregierung schließt sich dem regelmäßig an.
Dies gilt wohl auch und insbesondere für unsere Kernkraftwerke hier in Schleswig-Holstein, denn sonst müssten sie schon lange abgeschaltet sein.
Das schreibt das Atomgesetz eindeutig vor. Herr Kollege Hentschel, wenn Sie vorhin davon gesprochen haben, dass einige Menschen sich besonders aufregen, wenn sie ein schlechtes Gewissen haben, dann hatte ich den Eindruck, dass dieses schlechte Gewissen zumindest bei Ihnen vorhanden ist, denn erstens waren Sie ziemlich aufgeregt und zweitens wissen Sie natürlich, dass nach § 17 des Atomgesetzes die Kernkraftwerke bei einer Gefährdungslage, wie Sie sie immer schon behauptet haben, längst hätten abgeschaltet werden müssen. Jetzt hätten sie natürlich sofort abgeschaltet werden müssen.
Ein weiteres Indiz dafür, dass keine Anschläge mit Flugzeugen auf Kernkraftwerke unmittelbar bevorzustehen scheinen, ist selbstverständlich die relative
Ruhe des Bundesministers für Reaktorsicherheit. Herr Trittin ist doch die Fleisch gewordene Risikoaversion bezüglich der Kernkraft.
Solange er als zuständiger Minister keine einschneidenden Maßnahmen einleitet, sondern zunächst länger andauernde wissenschaftliche Untersuchungen anordnet, scheint mir der Handlungsdruck für den Schleswig-Holsteinischen Landtag eher gering zu sein. Ich bin mir im Übrigen auch sicher, dass der grüne Kernkraftminister Jürgen Trittin eine hervorragende Versicherung dagegen ist, dass das Thema Sicherheit in Kernkraftwerken aus dem Blick der Öffentlichkeit verschwindet.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die neue Art des Terrors führt inzwischen zu Überlegungen, die wir noch vor zwei Monaten für undenkbar hielten. Selbst zu Zeiten des Kalten Krieges war man sich mehr oder weniger sicher, dass der Hass auf der Welt die Menschen nicht so verblendet, dass man direkte Angriffe auf Atomkraftwerke befürchten müsste.
Seit den Terroranschlägen auf das World Trade Center in New York haben wir diese Gewissheit jedoch nicht mehr. Die ganze Welt ist stark verunsichert, nicht unbedingt wegen des religiösen Fundamentalismus - diesen gab es früher auch schon -, sondern wegen der abscheulichen Präzision und weil wir wieder einmal vor Augen geführt bekommen haben, zu welchen Taten Menschen konkret fähig sein können. Wir können sicher sein, viele Menschen, gleich welcher Religionsgemeinschaft sie angehören, könnten zu solchen Taten fähig sein.
Daher ist es nur folgerichtig, die angreifbarsten Einrichtungen unserer Gesellschaft eingehender unter neuen Sicherheitsaspekten zu untersuchen. Zu diesen angreifbarsten Einrichtungen mit den schrecklichsten möglichen Folgen gehören unsere Atomkraftwerke. Was bisher allenfalls theoretisch betrachtet wurde, müssen wir heute als reale Bedrohung ansehen.
Somit ist es zu begrüßen, dass sich die Reaktorsicherheitskommission mit möglichen Terrorangriffen beschäftigt hat und Bundesumweltminister Trittin eingehende Untersuchungen angekündigt hat. Eines konnte die Reaktorsicherheitskommission inzwischen
jedoch feststellen: Atomkraftwerke sind natürlich angreifbar. Allerdings weiß auch die Reaktorsicherheitskommission nicht, was in Zukunft zu tun ist. Das wäre in so kurzer Zeit sicherlich auch nicht zu ermitteln gewesen.
Wenn sich Flugzeuge auf Atomkraftwerke stürzen oder anderweitige Anschläge auf kerntechnische Einrichtungen durchgeführt würden, wäre man sich nie sicher, dass es nicht zum Super-GAU wegen eines Terrorangriffes kommen könnte. Die Folgen wären allerdings fatal. Ein Anschlag auf ein Atomkraftwerk würde sich ungleich schrecklicher auswirken als ein Angriff auf ein anderes Kraftwerk. Die Folgen wären auf Jahre, wenn nicht sogar auf Jahrhunderte oder Jahrtausende für die Menschen in den betroffenen Regionen unabsehbar. Wir müssen diese Problematik bei der Bewertung der Gefahren der Atomenergie also nachhaltig mit einbeziehen.
Die Menschen jedenfalls tun dies. Sie haben Angst und sind in Sorge, ob die Atomkraftwerke wirklich so sicher sind, wie man bisher immer dachte. Dies gilt selbstverständlich auch für Atommülltransporte. Auch diese Transporte machen den Menschen zunehmend Angst. Natürlich müssen solche Transporte im Rahmen des Ausstiegs aus der Atomenergie stattfinden. Aber sie müssen auf ein Minimum beschränkt bleiben. Es ist jedoch unverständlich, dass solche Transporte unmittelbar nach dem 11. September einfach weiter genehmigt werden, als sei nichts geschehen. Wenn es richtig ist, dass wir aufgrund der derzeitigen Weltlage ein Sicherheitsproblem haben, dann müssen auch erst einmal die Castortransporte unterbleiben. Auf jeden Fall haben die Menschen gewisse Empfindungen, die es ihnen schwer machen, solche Transporte zu akzeptieren. Sie haben eine Art „gefühlte Sicherheit“, um die es derzeit schlecht bestellt ist. Schon aus psychologischen Gründen müssen die Castortransporte erst einmal unterbleiben.
All die Probleme, die ich gerade beschrieben habe, können nicht zufrieden stellend gelöst werden, wenn man an der Atomenergie festhält. Deshalb war der Weg, die regenerativen Energieformen zu erforschen und zu unterstützen, weitsichtig und fortschrittlich. Man hat die Gefahren der Atomenergie erkannt und entsprechend umgesteuert. An dieser Umsteuerung muss nach den nun mit dem Terror gemachten Erfahrungen festgehalten werden. Ein Atomkraftwerk kann man bombardieren und man kann sich mit einem Flugzeug auf ein Atomkraftwerk stürzen - mit verheerenden Folgen. Ein Windpark, auch in der Nordsee, ist zum Beispiel kein geeignetes Ziel für einen solchen Terror.
Egal, zu welchem Schluss man bei all den Untersuchungen, die in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren durchgeführt werden, im Einzelfall kommt, für den Schutz vor Terrorangriffen auf Atomkraftwerke gibt es nur ein einziges probates Abwehrmittel: Die Atomkraftwerke müssen so schnell wie möglich abgeschaltet werden
- Absatz 6 bedeutet: Wenn die Landesregierung die angemeldete Redezeit überschreitet, dann steht den Fraktionen die gleiche Redezeit zu. Allerdings muss sie nicht ausgeschöpft werden.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, weil ich einen Teil der Verantwortung für diesen Antrag trage. Mir war es wichtig, eine Debatte über die Sicherheitsvoraussetzungen in unserem Land unter Berücksichtigung all dessen zu führen, was Menschen in diesem Land angesichts eines Schreckens, den wir uns bisher zum Glück nicht vorstellen mussten, beschäftigt. Es hat in dieser Welt ja schon andere Schrecken gegeben. Die mussten sich andere Menschen vorstellen. Selbstmordattentäter gibt es nicht erst seit dem 11. September. Auch das sollten wir vielleicht einmal in den Blick nehmen. Aber wir sollten uns klar machen - insoweit stimme ich mit Frau AschmoneitLücke überein -, dass wir gefährdete Gesellschaften sind und dass wir, ehe wir uns weiteren Gefährdungen aussetzen, vielleicht zumindest Klarheit über die Gefährdungslage verschaffen sollten.
Wir hatten gehofft, dass die Reaktorsicherheitskommission in ihren Überlegungen schon weiter wäre. Wir haben gehört, was uns der Minister dazu berichten konnte. Ich denke, wir sollten an dieser Stelle am Ball bleiben und schauen, ob es nicht doch bessere rechtliche Voraussetzungen dafür gibt, dass wir zumindest die Atomkraftwerke, die nicht gegen Flugzeugabsturz gesichert sind, abschalten, um das Risiko zu minimieren. Ich halte das für ein sehr ernsthaftes Anliegen. Das hat mit Antizivilisatorischem überhaupt nichts zu tun. Ich halte dies auch für platte Polemik, die ich gerade von dem Kollegen eigentlich nicht erwartet hätte. Aber sei es drum; es ist egal.
Ich möchte noch Folgendes sagen - das ist mir wichtig -: Wir machen solche Aktionen auch deswegen, weil das an uns herangetragen wird, an Sie - so nehme ich einmal an - wahrscheinlich auch. Ich finde Briefe und E-Mails vor, in denen Menschen uns auffordern, dass wir uns darum kümmern. Selbstverständlich war ich froh darüber, dass Frau Scheicht die Kleine Anfrage zum Katastrophenschutz in Schleswig-Holstein gestellt hat. Auch das hat nichts damit zu tun, Menschen verunsichern zu wollen; vielmehr geht es darum, dass wir als Politikerinnen und Politiker uns eine vernünftige Übersicht über die tatsächliche Gefährdungslage verschaffen.
Es gibt in Schleswig-Holstein drei große Industrieanlagen, die nach meinem Dafürhalten mit Abstand die gefährlichsten sind. Ich weiß nicht genau, wie es in Brunsbüttel aussieht. Auch über Aluminiumwerke und Ähnliches könnte man sich natürlich einmal Klarheit verschaffen. Wir haben für diese Anlagen leider vorher keine Technikfolgenabschätzung gemacht. Das ist genau das, was wir für weitere gefährliche Produktionsweisen, die wir meinen uns in unserer Gesellschaft leisten zu müssen, bisher noch nicht durchgesetzt haben. So lange wir eine solche Technikfolgenabschätzung bei neuen Industrien nicht haben - bei Offshore-Anlagen machen wir das gerade -, tappen wir bei solchen Sachen absolut im Dunkeln. Das ist nicht gut.
Das ist für die Menschen in unserem Land sehr gefährlich. Sie sollten das ernster nehmen, meine Damen und Herren, und nicht immer nur nach repressiven polizeilichen Maßnahmen rufen.
- Es macht Ihre hehren rechtsstaatlichen Reden nicht besser, Herr Kubicki, wenn am Ende nur so ein Geflapse dabei herauskommt, wie ich es hier erlebt habe.
Das tut mir sehr Leid. Es wäre mir lieber gewesen, wir hätten fraktionsübergreifend etwas mehr Einigkeit darstellen können. Das wäre für die Menschen in diesem Land wahrscheinlich besser gewesen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Damit kein falscher Zungenschlag aufkommt: Wir können und müssen uns über die Frage der Abschaltung von Kernkraftwerken unterhalten, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen, die das auf den Weg bringen, gegeben sind, und zwar umgehend. Deshalb kann und will ich nicht akzeptieren - das habe ich Ihnen auch früher schon gesagt -, dass jemand kommt und mir erklärt, das sei notwendig, weil die Risikolage es ergebe, das sei für die Menschen unabdingbar, gleichzeitig aber sagt, dass es den Menschen nicht zugemutet werden kann, dass Milliardenbeträge dafür aufgewendet werden müssen; denn im Zweifel müssten Entschädigungszahlungen geleistet werden. Das ist eine Politik, Herr Kollege Hentschel, die Ihnen die Menschen um die Ohren hauen, weil sie Ihnen nicht mehr glauben. Entweder das mit der Risikolage stimmt - dann ist es völlig egal, was es kostet; oder es stimmt nicht - dann muss man sich nicht über die Abschaltung unterhalten.