Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Damit kein falscher Zungenschlag aufkommt: Wir können und müssen uns über die Frage der Abschaltung von Kernkraftwerken unterhalten, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen, die das auf den Weg bringen, gegeben sind, und zwar umgehend. Deshalb kann und will ich nicht akzeptieren - das habe ich Ihnen auch früher schon gesagt -, dass jemand kommt und mir erklärt, das sei notwendig, weil die Risikolage es ergebe, das sei für die Menschen unabdingbar, gleichzeitig aber sagt, dass es den Menschen nicht zugemutet werden kann, dass Milliardenbeträge dafür aufgewendet werden müssen; denn im Zweifel müssten Entschädigungszahlungen geleistet werden. Das ist eine Politik, Herr Kollege Hentschel, die Ihnen die Menschen um die Ohren hauen, weil sie Ihnen nicht mehr glauben. Entweder das mit der Risikolage stimmt - dann ist es völlig egal, was es kostet; oder es stimmt nicht - dann muss man sich nicht über die Abschaltung unterhalten.
Nun komme ich zum eigentlichen Kern dessen, Frau Fröhlich, was Ihre Debatte wirklich verlogen macht das ist im wahrsten Sinne des Wortes verlogen - und weshalb die Menschen in diesem Lande Ihnen immer weniger zuhören wollen. Wir diskutieren momentan über die Ziele terroristischer Angriffe. Ich habe heute Morgen zu erklären versucht, dass in Deutschland seit mehr als 30 Jahren keine Flugzeugentführung stattgefunden hat. Wir diskutieren über die Ziele von Angriffen. Wir diskutieren aber nicht über die Waffe. Die Waffe ist das Flugzeug. Sie können mir doch nicht sagen, dass es ehrenwert ist, das eine Ziel, das Kernkraftwerk wegzunehmen, aber andere Ziele, beispielsweise das Volksparkstadion, zu belassen. Wir müssen über die Frage diskutieren, wie wir den Menschen, die damit nicht in dem Sinne umgehen wollen, wie wir es wollen, Terroristen, die Waffe aus der Hand nehmen, mit denen sie solche Anschläge provozieren können.
Das heißt, wir müssen alles tun, damit Flugzeugentführungen dieser Art unmöglich gemacht werden. Wenn das der Fall ist, brauchen wir uns über die Frage, ob Terroristen ein Flugzeug missbrauchen können, gar nicht mehr zu unterhalten, weil sie es einfach nicht mehr können.
erklären Sie den Menschen in Hamburg, dass es zweifelsfrei besser wäre, das Volksparkstadion mit 60.000 Menschen mit einem Flugzeugattentat zu belegen, das Bayer-Werk in Leverkusen, das Chemikalien herstellt, mit einem Flugzeugattentat zu belegen. Das ist im Zweifel nicht wesentlich besser, als wenn Sie die Diskussion über Kernkraftwerke führen. Sie müssen die Frage klären: Wie vermeide ich die Benutzung dieser Waffe durch Terroristen? Dann habe ich das Problem in diesem Bereich nicht mehr.
(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nicht vergleichbar mit Atomkraftwerden! - Angelika Birk [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben keine Ahnung!)
- Im Gegensatz zu Ihnen habe ich keine Ahnung, Frau Birk. Das begreife ich. Sie sind die Einzige hier, die Ahnung hat. Deshalb strömen die Menschen Ihnen mit Ihrer Ahnung zu.
Dass die Grünen ahnen, wohin es geht, kann man einer heutigen dpa-Meldung entnehmen, die ich niemandem vorenthalten will. Die Grünen sind jetzt für den Einsatz von Bodentruppen in Afghanistan.
- „Na und?“ sagen Sie da. Sie haben sich gerade hingestellt und gesagt: Wir müssen mit Bombardierungen aufhören, damit humanitäre Maßnahmen Platz greifen können. Heute erklärt Herr Pistol, die Grünen ächzen bei den Bombenangriffen - das kann ich verstehen -, dennoch seien sich alle einig, dass die Terroristen gefasst und ihr Netzwerk zerstört werden muss.
Terroristen fassen können Sie in Afghanistan nur, wenn Sie Truppen hinschicken, um sie herauszuholen. Wenn Sie das wollen, Herr Hentschel, dann stellen Sie sich hier her und hören Sie auf zu faseln, dass die Bundeswehr ihren entsprechenden Beitrag nicht leisten darf. Dann werden Sie glaubwürdig.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Die Debatte hat mich einigermaßen erschreckt, weil die Grünen wieder alte Feindbilder hervorgekehrt haben. Herr Hentschel, so wie Sie sich hier hingestellt haben, ist eigentlich nur Ihre alte Kernenergiefeindlichkeit deutlich geworden. Sie haben sich mitnichten mit den Ursachen auseinander gesetzt, sondern Sie haben nur vom Ergebnis her diskutiert. Wenn es uns nicht gelingt, die Ursachen zu beseitigen - der Kollege Kubicki hat darauf hingewiesen -, dann werden wir das Gefährdungspotenzial eben nicht beenden, sondern dann werden wir nach wie vor Gefährdungen haben. Es sind nicht nur die Stadien mit über 50.000 Menschen, es sind auch Innenstädte am verkaufsoffenen Wochenende vor Weihnachten. Wollen Sie die schließen?
- Frau Birk, es geht um die Gefährdung von Menschen. Das habe ich auch an anderen Stellen in großem Umfang, wenn ich die Ursachen nicht beseitige. Das ist doch Ihr Problem.
Warum ich mich vor allem gemeldet habe: Frau Fröhlich, wenn Sie auf die Weise, wie Sie das getan haben, Technikfolgenabschätzung einbringen, wenn Sie zwar in einem Nebensatz, aber immerhin die Frage stellen, ob nicht andere Industrieanlagen abgeschaltet werden müssten, dann spürt man Ihre Technikfeindlichkeit. Dann sind Sie auf dem besten Wege, die wirtschaftliche Arbeit in Schleswig-Holstein und in Deutschland insgesamt infrage zu stellen. Wollen Sie irgendwann die Chemiewerke abschalten? Wollen Sie, von Ihnen erwähnt, Aluminiumwerke abschalten? Dann müssen Sie den Menschen sagen, dass Sie mit dem Ergebnis, das Sie vorhaben, nicht nur den Landeshaushalt ruinieren, sondern auch konkret Arbeitsplätze vernichten. Das ist das Verlogene an Ihrer Diskussion.
Wir nehmen die Sorgen der Menschen ernst, Frau Fröhlich. Wir sagen den Menschen ehrlich, wo die Gefährdung ist. Aber wir nehmen die Sorgen vor allem deswegen ernst, weil wir uns damit beschäftigen, wie wir verhindern können, dass Terroristen, in welcher Form auch immer, Angriffe auf welche Anlagen auch immer fahren. Es macht im Übrigen überhaupt keinen Sinn, Kernkraftwerke flugzeugabsturzsicher zu ma
chen, Herr Minister, abgesehen davon, dass Sie die Statik sowieso nicht verändern können. Wie wollen Sie verhindern, dass Terroristen irgendwann mit Raketen derartige Kraftwerke angreifen? Das ist das Gefährdungspotenzial, das wir beseitigen müssen. Wir müssen verhindern, dass in dieser Welt Menschen zu Waffen kommen, die sich so verhalten, wie sich die Terroristen verhalten haben. Das ist der einzige Weg, wie wir aus dem Dilemma herauskommen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mich wundert schon, dass bei dieser Debatte alles anders läuft als bei der Debatte um die innere Sicherheit. Ich kann das nicht ganz verstehen. Sie fordern neue Gesetze, schärfere Gesetze, mehr Repressivität im Bereich der inneren Sicherheit. Aber wenn es um Kernkraft geht, ist alles in Ordnung.
Das kann ich echt nicht verstehen. Wo bleiben Ihre konstruktiven Beiträge, wie wir weiter vorankommen?
Herr Kubicki, Sie sagen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, könne man abschalten. Nehmen Sie in Kauf, dass der Steuerzahler in Regress genommen wird? Vielleicht sind Sie mit an unserer Seite, dafür zu sorgen, einen Konsens für den Ausstieg hinzukriegen, der nicht das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler kostet und gleichzeitig eine erhöhte Sicherheit im Atomkraftwerksbereich ermöglicht.
Herr Kayenburg, Sie sagen, Sie wollen die Ursachen bekämpfen. Prima. Genau das hat Frau Simonis heute Morgen auch gesagt. Sie hat ganz deutlich gemacht: Es geht darum, den Hunger zu bekämpfen. Es geht darum, die Ausbeutung, die Unsicherheit und die Unfreiheit der Menschen zu bekämpfen, die der Nährboden für den Terror sind.
Da möchte ich gern Ihre Aktivitäten sehen. - Ich weiß, dass Herr bin Laden ein Mittelständler ist, der bei Ihnen in der Partei wahrscheinlich richtig aufgehoben
(Martin Kayenburg [CDU]: Unerhört! Das ist unglaublich! - Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist wirklich heftig! - Martin Kayenburg [CDU]: Das zeigt Ihre ganze Denke!)
Er ist aber genau wie andere nur deshalb in seiner Lage, weil er auf dem Nährboden von Armut und Hunger Unterstützung findet. Dafür sind auch wir Europäer mit zuständig.
Im Übrigen, Herr Kubicki, sollten Sie aufhören, über andere Parteien herzuziehen, so lange in Hamburg Herr Lange mit Herrn Schill in ein gemeinsames Bett steigt.
Das sind Dinge, die Sie nicht mehr in die Lage versetzen, hier über andere zu richten. Das finde ich ganz wichtig. Das muss gesagt werden.
(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Wolfgang Kubicki [FDP]: Wir stehen zu unserem Wort im Ge- gensatz zu Sozialdemokraten und Grünen!)
Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Das Erste: Eine Bitte an das Präsidium. Wenn in der Sicherheitsdebatte das Wort „verlogen“ gerügt wird, wenn es von Frau Fröhlich benutzt wird, muss dieses Wort auch gerügt werden, wenn es von Herrn Kubicki oder anderen benutzt wird. Das ist fair.
Das Zweite: Herr Kubicki, wir kennen Ihre Auftritte hier, wenn es um militärische Entscheidungen der Bundesregierung geht. Wir haben das auch in der Kosovo-Debatte erlebt. Ich möchte gern auf das eingehen, was Sie gesagt haben. Ihr Problem ist, dass Sie ein gestörtes Verhältnis zu der FDP-Außen- und Verteidigungspolitik in Berlin haben und das nur dadurch abarbeiten - weil Sie das im Innern gar nicht richtig mögen -, dass Sie die Grünen insgesamt für alles, was in diesem Bereich stattfindet, verantwortlich machen. Nur so, aufgrund Ihrer schwierigen Situation mit sich selbst, lässt es sich erklären,