Protocol of the Session on September 28, 2001

Ganz schnell noch einen Satz zur besseren Verzahnung von Theorie und Praxis. Es ist bekannt, dass es Schwierigkeiten in der Verzahnung gibt. Da muss in einer Reform der Lehrerbildung auch vieles anders gestaltet werden. Wer aber meint, dass das möglich sein wird, ohne dass sich das Referendariat verändert, hat nicht begriffen, was der Wort Reform inhaltlich bedeutet.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Er kann es dann vielleicht buchstabieren, hat sich inhaltlich damit aber noch nicht auseinander gesetzt. Das heißt, eine bessere Verzahnung von Theorie und Praxis hat auch Einfluss auf die zukünftige Gestaltung des Referendariats.

Wichtig wird in Zukunft natürlich sein, wie die Fortund Weiterbildung strukturiert werden kann. Wir müssen uns also auch mit der Weiterentwicklung des IPTS befassen. Das soll nicht heißen, dass wir die gute Weiterbildungsarbeit, die über Jahre hinweg vom IPTS geleistet worden ist, nicht anerkennen. Ich finde es aber schon richtig zu fragen, ob wir mehr Vielfalt in die Weiterbildungslandschaft hineinbringen und wie wir das am besten hinbekommen können

In dieser Runde brauche ich nicht daran erinnern, dass Eltern und Schüler von uns natürlich gute Bildung und gute Konzepte erwarten. Vorhin habe ich andeutungsweise gesagt, dass das Konzept Schulartenbezug aus meiner Sicht nicht zu den guten Konzepten gehört, aber Lehrerinnen und Lehrer müssen sich dem gesellschaftlichen Wandel anpassen. Das erwarten wir von ihnen. Damit rückt die Lehrerbildung, die Aus- und Fortbildung, in die Mitte unserer bildungspolitischen Diskussion. Diese werden wir im Bildungsausschuss und hier im Plenum auch weiter führen.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die Landesregierung erteile ich Frau Kultusministerin Erdsiek-Rave.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will und muss mich wohl auf wenige Stichworte und damit wohl eher auf die Beantwortung einiger Fragen, die hier vorgetragen worden sind, beschränken.

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

Ich möchte mit dem Thema Verzahnung und Praxisbezug anfangen. Wir haben mit der neuen Prüfungsordnung einen ersten guten Schritt gemacht. Herr Dr. Klug, zumindest das müssen wir zur Kenntnis nehmen, wenn Sie über die Qualität der Lehrerausbildung heute reden. Eine erhebliche Ausweitung der schulpraktischen Studien für alle Lehramtsstudiengänge - Frau Eisenberg, das kann man ruhig eingestehen, vor allem für die Gymnasialausbildung - war richtig und überfällig. Was die Verzahnung von erster und zweiter Phase angeht, sind wir uns wohl einig. Eine Trägerschaft durch die Hochschulen halten wir allerdings nicht für sinnvoll. In dem Punkt gibt es eher eine Übereinstimmung mit dem, was Herr Dr. Klug hier ausgeführt hat. Ich glaube nicht, dass man durch eine Verzahnung in dieser Weise den Hochschulen und auch der Lehrerausbildung einen guten Dienst erweisen würde.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Rolf Fischer [SPD])

Ein Wort noch zu den negativen Anmerkungen. Frau Birk, die Lehrerfortbildung in Schleswig-Holstein ist nicht das Privileg „weniger“. Damit täte man wirklich dem IPTS und auch der Lehrerschaft im Lande Unrecht. Wenn Sie einmal in das Fortbildungsnetz, das elektronische FoWeb im Landesbildungsserver, hineingucken, werden Sie feststellen, es gibt eine Vielzahl von Angeboten, nicht nur dss IPTS selbst, sondern auch vieler anderer Träger. Die werden genutzt, reichlich genutzt.

Es gibt keinen grundlegenden Dissens in Bezug auf die Frage Schulartenbezug. Zu dem hier konstruierten Gegensatz zwischen Fachwissenschaft und Pädagogik: Dieser Gegensatz war schon immer falsch, abgesehen davon, dass gar nicht infrage gestellt wird, dass der Schulartenbezug beibehalten wird. Das wird jedenfalls nicht mit dem Kommissionsvorschlag oder mit dem, was wir an Rückschlüssen daraus ziehen, infrage gestellt.

(Beifall bei der FDP)

Aber ich muss sagen, als entscheidender Maßstab reicht das nicht aus. Ich möchte in aller Deutlichkeit sagen - auch wenn der Vorschlag von einigen hier Beifall bekommen hat -: Die Universität Flensburg kann vieles vorschlagen und beschließen, sie hat aber nicht die Regelungskompetenz dafür.

(Martin Kayenburg [CDU]: Ach nee!)

Die Universität Flensburg will natürlich, dass auch die Gymnasiallehrerausbildung nach Flensburg verlagert wird. Das steckt dahinter. Das ist ein legitimes Interesse, das akzeptiere ich auch, aber - um es ganz deutlich zu sagen - wir werden diesem Vorschlag nicht folgen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Ich möchte noch mit einem Satz darauf hinweisen, dass ich auch die Reformanstrengungen in NRW eher mit großer Skepsis beobachte. Aber natürlich verfolgen wir, verfolgt die ganze Bundesrepublik, mit großem Interesse, wie die Reform aufgenommen wird und welche Erfahrungen man dort macht.

Der Begründungszusammenhang ist angesprochen worden. Er ist weiter als die Frage Schulartenbezug und Fachwissenschaft, er reicht von den Ergebnissen der TIMMS-Studie über das Erfordernis der Qualifizierung für Führungsaufgaben bis zur Erhöhung der Ausbildungszahlen, die wir in den nächsten Jahren brauchen. Es muss auch offen gesagt werden, er reicht natürlich auch bis zum Zwang zur Sparsamkeit, zu Einsparungen und zur Erwirtschaftung von Potenzialen. Das sage ich nicht deshalb, weil der Herr Finanzminister hier sitzt, sondern weil es wirklich notwendig ist, die Ressourcen, die wir dort einsetzen, sinnvoll zu nutzen.

Meine Damen und Herren, es geht um das Gesamtfeld. Es geht um das Gesamtfeld von Schule und Unterrichtsfachberatung. Es geht auch darum, alle Teile von Lehrerbildung in den Blick zu nehmen, Schule, Schulaufsicht, auch das Ministerium. Hier werden zumindest bislang - auch noch Teile von Schulentwicklung und Lehrplanentwicklung direkt wahrgenommen.

Auf den Stand des Weiterentwicklungsprozesses und seine Darstellung, wie wir jetzt rein vom Zeitplan damit umgehen, absehen. Dazu reicht die Zeit nicht. Nur so viel: Zurzeit werden auf der Grundlage der Empfehlungen der Fachkommission, der vielen Beiträge in der fachöffentlichen Diskussion die Eckdaten für Strukturentscheidungen vorbereitet. Die Anregungen der Diskussion hier heute und dann im Bildungsausschuss werden wir gern aufnehmen. Vieles ist bestätigend zu unseren Vorschlägen. Zu gegebener Zeit nach meiner Auffassung relativ bald - müsste diese Diskussion im Bildungsausschuss fortgesetzt werden.

(Beifall bei der SPD)

Denn wir sind derzeit wirklich dabei, die Eckpunkte festzulegen. Ich würde mich sehr freuen, wenn dieses ganze Vorhaben mit so weitgehendem Konsens, wie dies irgend möglich ist, zu einem Ende gebracht werden könnte.

(Beifall bei SPD und FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich darf mich seitens des Präsidiums dafür bedanken, dass das Experiment einer verkürzten Beratung geklappt hat.

(Holger Astrup [SPD]: Halbwegs!)

- Herr Kollege Astrup, 60 Minuten waren veranschlagt, 35 sind in Anspruch genommen worden. Das ist ein sehr guter Beleg dafür.

(Beifall)

Wir treten jetzt in die Abstimmung ein. Beantragt ist Ausschussüberweisung. Wer den Antrag der Fraktion der CDU, Drucksache 15/1196, dem Bildungsausschuss überantworten will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? Damit ist der Antrag der Fraktion der CDU, Drucksache 15/1196, einstimmig dem zuständigen Bildungsausschuss überwiesen worden.

Wir treten in die Mittagspause ein. Guten Appetit! Wir sehen uns um 15 Uhr wieder.

(Unterbrechung 13:12 bis 15:00 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist 15 Uhr. Bevor wir wieder in die Tagesordnung eintreten, möchte ich Ihnen Folgendes mitteilen: Die Tagesordnungspunkte ohne Aussprache werden - wie in der Tagesordnung vorgesehen - nach Tagesordnungspunkt 36 aufgerufen. - Vielen Dank für Ihre Zustimmung. Wir treten in die weiteren Beratungen ein.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 24 auf:

Arbeitsentgeltgrenze bei geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 15/1188 (neu)

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Für die Antrag stellende Fraktion hat Frau Kollegin Aschmoneit-Lücke das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der deutsche Arbeitsmarkt muss seine Aufgaben unter den gegebenen rechtlichen Rahmenbedingungen erfüllen. Das Ergebnis lautet: Fast 4 Millionen Arbeitslose, fast 2 Millionen Menschen in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, eine Vielzahl von Menschen, die gar nicht mehr nach Arbeit suchen und deshalb beschönigend zur stillen Reserve gerechnet werden, ein noch nie da gewesenes Ausmaß an Schwarzarbeit - mit den ent

sprechenden negativen Folgen -, Fachkräftemangel, besonders da, wo es neue Märkte zu erschließen gibt, und last but not least zu wenig Menschen, die geringfügige Beschäftigungen aufnehmen wollen. Also besteht auch hier ein Mangel.

Die letztgenannte Fehlentwicklung möchten wir mit dem vorliegenden Antrag lindern. Es wäre falsch, die miserable Lage auf dem Arbeitsmarkt auf den Marktmechanismus zu schieben. Das wäre genauso unsinnig, als würde man die Tachonadel dafür bestrafen, dass man zu schnell fährt.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

So, wie das Gesetz der Schwerkraft immer gilt, arbeitet auch der Marktmechanismus immer. Die Ergebnisse hängen allerdings davon ab, unter welchen Rahmenbedingungen er dies tun muss.

(Beifall bei der FDP)

Hier liegt unser Problem. Alle internationalen Arbeitsmarktexperten bestätigen das: Der deutsche Arbeitsmarkt ist überreguliert und zubetoniert. Unsere Arbeitslosigkeit ist ein strukturelles Problem, das sich seit Anfang der 70er-Jahre mit jeder Rezession verschlimmert. Im Zweifel sind wir in Schleswig-Holstein schon wieder in einer Rezession, ohne es genau zu wissen. Die aktuellen Daten des Statistischen Landesamtes müssen uns mit nur 0,2 % Wachstum im zweiten Quartal aufrütteln. Spätestens seit den Anschlägen in den USA stehen die Zeichen der Weltwirtschaft auf Rezession und es sieht leider so aus, als ob wir nicht verschont blieben. Wenn dem so wäre, können wir uns darauf einrichten, dass die strukturelle Arbeitslosigkeit bei uns auf ein noch höheres Niveau springt. Der Wirtschaftsminister dieses Landes, Herr Dr. Rohwer, hat sich dankenswerterweise kürzlich öffentlich dafür ausgesprochen, den Arbeitsmarkt zu flexibilisieren. Damit sind wir als FDP - das wird Sie nicht wundern natürlich sehr einverstanden. Wir wollen - wie er - die Beschäftigung steigern und die strukturelle Arbeitslosigkeit verringern.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Darum geht es in unserem Antrag. Es geht gerade um die Schwächsten auf dem Arbeitsmarkt, nämlich Menschen mit geringerer Qualifikation. Für sie ist eine geringfügige Beschäftigung häufig die einzige Chance, zumindest einen Teil des Lebensunterhalts für sich und ihre Familien aus eigener Kraft zu bestreiten. Außerdem sind geringfügige Beschäftigungen häufig Sprungbretter in „normale“ Beschäftigungsverhältnisse, wenn die oder der Betroffene sich durch Leistung bewährt. Das ist nicht nur gut für die Wirtschaft, das

(Christel Aschmoneit-Lücke)

ist vor allen Dingen auch gut für das Selbstwertgefühl dieser Menschen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Es gibt ein entscheidendes Problem: Wenn die Entgeltgrenze für geringfügige Beschäftigungen nicht regelmäßig angehoben wird, dann sinkt die Kaufkraft des Lohnes. Diese Kaufkraft des Lohnes ist die wesentliche Größe, die bestimmt, wie viele Menschen überhaupt bereit sind, eine Arbeit aufzunehmen. Die Kaufkraft des Lohnes nimmt aber ab, wenn der ausgezahlte Geldbetrag stagniert und die Preise steigen. Das kann doch wirklich nicht das rot-grüne Ziel sein, obwohl ich weiß, dass Sie bei der Neuregelung 1999 gerade diese Festschreibung aufgenommen haben.

Deshalb wollen wir die Entgeltgrenze für geringfügige Beschäftigungen anheben. Damit bekommt zwar noch kein Mensch automatisch mehr Geld, aber die Unternehmen haben dann zumindest die Möglichkeit, geringfügig Beschäftigten höhere Löhne zu zahlen. Damit steigen die realen Verdienstchancen für Menschen - gerade - mit geringerer Qualifikation.