Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Auftrag des Landtages, einen über einen Fachplanungsansatz hinausgehenden Gesamtbericht zur Jugendhilfeplanung vorzulegen, beruht meines Erachtens auf der ursprünglichen Regelung des § 58 des Jugendförderungsgesetzes, das noch von einer etwas weiteren Berichtspflicht der Kommunen ausgegangen ist. Nach der Überleitung der Fördermittel in den kommunalen Finanzausgleich haben wir eine etwas andere Berichtssituation.
Der Ihnen heute vorgelegte Bericht macht hoffentlich deutlich, dass Jugendhilfeplanung vor allem ein Steuerungselement, eine Steuerungsmethode zur Weiterentwicklung der Jugendhilfe ist mit dem Schwergewicht auf einer qualitativen Teilfachplanung. Nach meinem Studium der Protokolle und der vorvergangenen Berichte habe ich den Eindruck, dass der Landtag diese Position zur Landesjugendhilfe teilt. Dennoch einige grundsätzliche Bemerkungen zu Aufgabe und Bedeutung von Landesjugendhilfeplanung!
Landesjugendhilfeplanung ist ein kommunikativer Prozess, der der Willensbildung und der Aushandlung von Interessen und von interessengerechten Regelungen dient. Eine wesentliche Aufgabe der Planungsträger und auch des Landesplanungsträgers, das heißt auch des Ministeriums, besteht in dem kontinuierlich fortzusetzenden Dialog unter anderem mit politischen Entscheidungsträgern, mit öffentlichen und freien Trägern der Jugendhilfe, mit Initiativgruppen, mit den kommunalen Landesverbänden und mit dem Landesjugendhilfeausschuss. Die Angemessenheit bereits realisierter Maßnahmen muss dabei geprüft werden. Ziele, Bedarf, Definition und weitere Maßnahmen sollen ausgewertet und auf den Prüfstand gestellt werden. Neue Erkenntnisse über die Lebenssituation und die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen sollen fortlaufend einbezogen werden.
Der Bericht zeigt, dass ausgewählte Arbeitsschwerpunkte in verschiedenen Leistungsbereichen der Jugendhilfe fortlaufend ausgebaut werden müssen und mit den Kreisen abgestimmt werden. Als Beispiel sei auf den auch in diesem Rahmen hier ausführlich diskutierten Bericht über die Situation und das Umgehen mit Schreikindern verwiesen.
Der Bericht möchte Ihnen einen Überblick über die vielfältigen Planungsaktivitäten und die Leistungsbreite, die sich in den letzten Jahren in der Jugendhilfe entwickelt hat, geben. Er will Eindrücke vermitteln zur aktuellen Situation der Kinder und Jugendlichen und Auskunft geben über den Umgang beispielsweise mit der Thematik der Fremdenfeindlichkeit und über die notwendigen Schritte zur kulturellen Jugendbildung. Er gibt weiter Hinweise auf die aktuellen Planungen, wie zum Beispiel auf das Thema Jugendhilfe und Schule, worüber wir dem hohen Haus demnächst einen umfangreichen Bericht vorlegen werden. Er zeigt, dass Ausbildungs- und Unterstützungsfragen ebenso Raum und Unterstützung haben müssen wie die Fragen der Bewältigung der aktuellen gesellschaftlichen Anforderungen.
Ich hoffe, Sie schließen sich meinem Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kinder- und Jugendhilfe an, die mit ihrem Einsatz und ihren Ideen gerade die große Kooperationsbereitschaft zeigen, deren die Jugendhilfe bedarf.
Der Alltag von Kindern und Jugendlichen verändert sich gravierend. Es gehört daher zu den Aufgaben der Jugendhilfe, den Teufelskreis zwischen schlechten Erfahrungen und Gewalterlebnissen in der Kindheit und eigenen, möglicherweise nicht vorhandenen Fä
higkeiten, demokratische Gesellschaft gewaltfrei mit zu organisieren, zu durchbrechen. Jugendhilfeplanung als kommunikativer Prozess muss heute mehr denn je dabei helfen, die demokratische Zivilgesellschaft zu erhalten. Ich hoffe, dieser Bericht zeigt Ihnen, dass wir dies tun.
Ich danke der Frau Ministerin für die Berichterstattung. Ich eröffne jetzt die Aussprache und erteile Herrn Abgeordneten Geerdts das Wort.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die CDU-Landtagsfraktion hat zu Beginn dieser Wahlperiode darauf gedrängt, die bisherige Landesjugendhilfeplanung aus dem Jahr 1996 fortzuschreiben und darüber hier im Haus auch zu debattieren. Ausführlich können wir dies nur im Ausschuss tun.
Eigentlich soll eine solche Fortschreibung durch das Jugendministerium in jeder Legislaturperiode erfolgen. Die rot-grüne Landesregierung hat aber genau diese Vorlage in der letzten Wahlperiode versäumt.
Wir wissen allerdings, dass es bis zum Jahr 2010 erhebliche Zuwächse in der Bevölkerung geben wird. Diese Zuwächse werden auch Auswirkungen auf die Gestaltung einer modernen Jugendpolitik in diesem Lande haben. Die Zuwächse sehen wie folgt aus: 300.000 Einwohner sind es insgesamt. Dabei handelt es sich um 125.000 Ausländer, 70.000 Aussiedler, 80.000 Mitbürgerinnen und Mitbürger aus dem Hamburger Umland und 20.000 Bürgerinnen und Bürger aus den neuen Bundesländern. - Das sind die Zahlen, die auch zur Verschiebung in den Anforderungen an die Jugendpolitik führen werden.
Eines der großen Probleme in diesem Bereich bleiben die steigenden Kosten bei der Hilfe zur Erziehung. Das Land beteiligt sich an diesen Kosten im laufenden Haushaltsjahr mit über 83 Millionen DM. Schon im Jahr 1995 kritisierte der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband in seiner Stellungnahme zu dieser Planung, dass die Landesregierung nicht darstellt, welches Konzept das Land hat beziehungsweise in Kooperation mit Kommunen und freien Trägern entwickeln will, um die steigenden Kosten der Hilfen zur Erziehung zu bewältigen.
Das ist also ein Punkt, der nicht erfüllt ist. Ich glaube, wir müssen uns dieses Thema noch einmal im Lands
jugendhilfeausschuss, aber auch im Sozialausschuss vornehmen, weil diese Kosten vor Ort und auch im Landeshaushalt explodieren. Sie sind in den vergangenen Jahren von 77 Millionen DM auf 83 Millionen DM angestiegen. Ich glaube, hier brauchen wir ein Konzept aller Beteiligten.
Der zweite Punkt: Wir stellen in dem Bericht weiter fest, dass sich die Zahl der Heime und Teileinrichtungen deutlich erhöht hat. Gleichzeitig können wir es als eine positive Entwicklung werten, dass sich in den letzten Jahren verstärkt kleine Einrichtungen in privater Trägerschaft mit bis zu 15 Personen gebildet haben. Der Trend zur familienfreundlichen Erziehungsform setzt sich also fort.
Wenn man sich die Platzzahl und die Verteilung der Plätze anschaut, stellt man fest, dass in SchleswigHolstein 4.660 Plätze in betreuten Wohnformen vorhanden sind. Davon werden immer noch 2.300 von Kindern aus anderen Bundesländern genutzt. Wir sind im Jahr 1995/96 davon ausgegangen, dass sich die große Zuweisung aus Berlin reduzieren würde, weil es verstärkte Angebote auch im Berliner Umland gegeben hat. Dies ist in dem Maße nicht erfolgt. Ich befürchte, dass wir weiterhin die Probleme in der Aufsicht dieser Heime haben. Damit sollten wir uns auch im Sozialausschuss und im Landesjugendhilfeausschuss auseinander setzen.
Es gibt noch weitere Kritikpunkte aus der letzten Landesjugendhilfeplanung, nämlich des Landesjugendrings und der Landjugend. Sie haben gesagt, wir müssten uns verstärkt um die Jugendarbeit im ländlichen Raum kümmern. Dazu gibt es weniger Ansätze in dem Bericht. Aber auch der Bereich „Was geschieht im Hamburger Umland?“ ist aus meiner Sicht in der Landesjugendhilfeplanung nicht ausreichend beleuchtet worden. Das müssen wir fortschreiben und ergänzen.
Außerdem sollten wir kritisch nachfragen. Da wir es alle eilig haben und wir unsere Beratung im Ausschuss fortsetzen, höre ich jetzt auf.
Ich beantrage die Überweisung an den Sozialausschuss. Wir sollten wie in der Vergangenheit den Landesjugendhilfeausschuss beteiligen, weil dort die wirklichen Fachleute sitzen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin Lütkes hat zum Bericht des Ministeriums zur Landesjugendhilfeplanung vorgetragen. Es ist aber schon angeklungen, dass es sich bei diesem Bericht natürlich nicht um den Jugendhilfeplan beziehungsweise dessen Fortschreibung handelt, wie dieser im Jugendförderungsgesetz vorgesehen ist. Ich weise noch einmal ausdrücklich darauf hin, weil diese feinen Unterschiede vielleicht für diejenigen, die in dem Thema nicht so drin stecken, nicht auf den ersten Blick deutlich werden. Herr Kollege Geerdts, das hätten Sie eigentlich dem Bericht und auch der Formulierung unseres Antrages entnehmen können.
Der vorliegende Bericht folgt einem Auftrag des Landtages aus dem vergangenen Jahr und kann nur in Ansätzen das wiedergeben, was in den vergangenen Jahren in Form von Teilfachplänen vorgelegt wurde. Den gesetzlich vorgegebenen Prozessschritten - Bestandsfeststellung, Bedarfserhebung folgend, liegt in diesen Teilfachplänen umfangreiches Datenmaterial vor, das letztlich zur Maßnahmenplanung als letztem Planungsschritt geführt hat. Berichte zu den einzelnen Themenkomplexen - das wurde schon angedeutet - haben uns schon in den vergangenen Landtagssitzungen beschäftigt. Die Fachausschüsse und das Ministerium haben die Fachplanungen als Ausgangspunkt für politische Schwerpunkte genutzt.
Der Bericht zur Landesjugendhilfeplanung gibt eine Zusammenfassung der bisherigen Arbeit und bietet Ausblick auf die Planungen des Ministeriums. Wir sollten uns im Ausschuss allerdings Gedanken machen, in welcher Form wir uns zukünftig mit der Jugendhilfeplanung beschäftigen. Ich halte es für sinnvoll - das hat mir dieser Bericht gezeigt; die Ministerin hat es angedeutet -, dass wir uns, statt uns nur oberflächlich mit der gesamten Planung zu beschäftigen, zukünftig intensiver mit den Fachplanungen und dem Datenmaterial auseinander setzen, das diesen Planungen zugrunde liegt. Ich denke, das Ministerium wird dem Ausschuss gern auch in kürzeren Abständen über Einzelergebnisse informieren. Dort können wir sicherlich die Kritikpunkte, die hier angeklungen sind, weiterhin diskutieren. In diesem Sinne verzichte ich jetzt auf die inhaltliche Bewertung. Dazu werden wir im Ausschuss noch Zeit haben.
Ich möchte an dieser Stelle aber einen Appell an die Kreise und Kommunen richten. Die Jugendhilfeplanung des Landes fußt auf den Planungen der kommunalen Ebene. Diese Ergebnisse gehen aber leider nur zögerlich ein. Ich fordere dazu auf, die gesetzliche Verpflichtung zur Planung nicht als Order zu verstehen, die zusätzlichen Aufwand bedeutet. Sie ist Chance; eine Chance für eine gemeinsam abgestimmte zielgerichtete Jugendpolitik.
Wohlgemerkt: Jugendhilfeplanung heißt nicht, ein statisches Konzept zu entwickeln. Jugendhilfeplanung gewährleistet gerade in Zeiten knapper Mittel, durch fundierte Planung und permanente Fortschreibung flexible Lösungen zu entwickeln.
Nur mit ausreichenden Informationen können vorhandene Gelder dort eingesetzt werden, wo sie im Sinne und selbstverständlich unter Beteiligung von Kindern und Jugendlichen die größte Wirkung zeigen. Möglicherweise müssen wir uns am Ende einer Jugendhilfeplanung, am Ende dieses ganzen Prozesses, auch damit abfinden, dass die Gelder für Hilfen zur Erziehung steigen. Wir müssen die Gelder dann auch in diesem Sinne einsetzen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Birgit Herdejürgen, auch wenn Sie ganz am Anfang die Feinheiten der Jugendhilfeplanung erklärt haben und dabei sehr charmant verdeckt haben, dass die letzte Jugendministerin es schlicht und ergreifend versäumt hat, die Fortschreibung vorzunehmen - Sie haben das sehr charmant getan
- genau, das sind Sie immer -, will ich angesichts der fortgeschrittenen Zeit nur kurz die Möglichkeit ergreifen, über das zu sprechen, was uns vorgelegt wurde.
Ich bin schon der Auffassung: Dass es bis zur Vorlage gleich zweier Anträge bedurfte, ergibt ein schwaches Bild der Landesregierung, insbesondere dann, wenn
ein kinderfreundliches Schleswig-Holstein als wichtiger Standortfaktor und als Leitbild propagiert wird.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, widmen wir uns der Einleitung des vorliegenden Berichts. Dort heißt es: