Protocol of the Session on September 28, 2001

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, widmen wir uns der Einleitung des vorliegenden Berichts. Dort heißt es:

„Will Jugendhilfe ihrem anspruchsvollen und umfassenden Auftrag nachkommen, dann reichen gute Absichten und Konzeptionen allein nicht aus.“

Wunderbar, kann ich da nur sagen, Frau Ministerin! Ich unterstelle Ihnen wirklich die guten Absichten. Das war es dann allerdings auch. Denn eine konkrete Antwort über eine inhaltliche Fortschreibung habe ich diesem Bericht jedenfalls nicht entnehmen können. Dort wird berichtet, dass die Empfehlungen zur Jugendhilfeplanung von 1994 zu überprüfen sind. Wenn Sie aber die Jugendhilfeplanung als das zentrale Steuerungsinstrument bezeichnen - es gibt gar keine unterschiedlichen Auffassungen, dass es das ist -, dann frage ich mich, warum hier nicht bereits in der letzten Legislaturperiode gehandelt worden ist.

Frau Ministerin, nun haben Sie neulich den Preis für nicht verwirklichte Kinderfreundlichkeit überreicht bekommen. Man kann davon halten, was man will. Es ist schade, dass die Frau Sozialministerin nicht mehr hier ist. Denn das betrifft sie natürlich auch.

Ich glaube aber schon, dass Sie die beschlossene Ausgabendeckelung für Infrastruktureinrichtungen, wie zum Beispiel den Kindertageseinrichtungen, der Bevölkerung erklären müssen. Denn soll das Ihre Antwort darauf sein, dass das derzeit immer noch nicht ausreichende Betreuungsangebot, insbesondere übrigens im Vorkindergartenalter, in Zukunft noch weiter schrumpft?

Der Kollege Geerdts hat ja auf die Zuwanderungsproblematik aufmerksam gemacht. Sie müssen erklären, warum etwa die Ausbildung von Tagesmüttern ausgerechnet dann, wenn der Bedarf an Betreuung besonders hoch ist, wegen fehlender Zuschüsse gestrichen werden soll. Soll das etwa der Beitrag zu einem kinderfreundlichen Schleswig-Holstein sein?

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Sie wollten doch das Kindergartenge- setz ganz abschaffen!)

Frau Ministerin, Sie müssen erklären, was die Jugendhilfeplanung im Sinne eines kinderfreundlichen Schleswig-Holstein leistet, wenn bereits jetzt Eltern für einen Kindergartenplatz zwischen 200 DM und 300 DM im Monat aufwenden müssen. Sie müssen erklären, was die Jugendhilfeplanung im Sinne eines

kinderfreundlichen Schleswig-Holstein leistet, wenn Ihre Ziele Prävention, Integration, Partizipation und Emanzipation lauten und sich gleichzeitig immer mehr Eltern aus finanziellen Gründen nicht in der Lage sehen, ihre Kinder in den Kindergarten zu schicken.

Was ich in diesem lange erwarteten Bericht vermisse, ist die konkrete Antwort darauf, was eigentlich erreicht wurde. Wie sieht die Jugendhilfeplanung angesichts der demographischen Entwicklung aus, um tatsächlich ein kinderfreundliches Schleswig-Holstein zu verwirklichen? Wie sollen die gewonnenen Erkenntnisse landesweit umgesetzt werden? Wie kann tatsächlich eine Integration im Rahmen der Jugendhilfeplanung erfolgen, wenn ein kinderfreundliches Schleswig-Holstein keine Utopie sein soll?

Frau Ministerin, wenn Sie die Jugendhilfeplanung als eine kontinuierlich zu bewältigende Aufgabe bezeichnen, dann ist der Inhalt der vorgelegten Drucksache jedenfalls für mich eher ein Beleg dafür, dass Sie diese im Sinne eines kinderfreundlichen Schleswig-Holstein - sagen wir einmal - bisher nicht mit besonderem Nachdruck verfolgt haben. Ihr kinderfreundliches Schleswig-Holstein erschöpft sich bislang vor allem in guten und nett gemeinten Absichtserklärungen.

Ich hätte mir wirklich gewünscht, dass die vielen guten Ideen, die unter den Begriffen „zukünftig“ und „im nächsten Planungszeitraum“ firmieren - vor allem wenn der Planungszeitraum so lange ist wie der letzte -, bereits im vergangenen Zeitraum nicht nur angedacht, sondern tatsächlich auch umgesetzt worden wären.

(Beifall bei FDP und CDU)

Das Wort hat jetzt Frau Abgeordnete Fröhlich.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Durch das Kinder- und Jugendhilfegesetz der 90er-Jahre ist die Jugendhilfeplanung zu einer gesetzlichen Pflichtaufgabe geworden. Dies ist als ein deutlicher Fortschritt im Sinne einer Beteiligung und aktiven Integration von Kindern und Jugendlichen in gesellschaftliche Prozesse zu werten. Planung muss hier aber immer als kommunikativer Prozess verstanden werden, der den Charakter eines öffentlichen, unter größtmöglicher Beteiligung laufenden Prozesses der Willensbildung und der Aushandlung von Interessen umsetzt.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

(Irene Fröhlich)

Insofern befinden wir uns vielleicht in einer anderen Art von Planung als der, die aus der Opposition heraus angesprochen worden ist. Vielleicht besteht die Notwendigkeit, einen Begriff neu zu bestimmen.

Ich zitiere dazu noch einmal das Jugendförderungsgesetz des Landes Schleswig-Holstein, das in § 46 - die Ministerin hat dies auch schon zitiert - Folgendes festlegt:

„Die Landesregierung stellt einen Landesjugendhilfeplan auf, der in jeder Wahlperiode fortzuschreiben ist. Er ist dem Landtag in der Regel zur Mitte einer Legislaturperiode vorzulegen. Die Jugendhilfepläne der Kreise und der kreisfreien Städte sind zu berücksichtigen.“

Das Letzte scheint mir das eigentlich Wichtige und Bedeutende daran zu sein. Denn es ist relativ egal, ob das Land - natürlich als ein wesentlicher Finanzier der Jugendhilfe - seine Planung aufstellt. Viel wichtiger ist, dass das, was in den Kreisen, die die eigentlichen Träger der Jugendhilfe sind, passiert, vernetzt und aufeinander bezogen wird. Das ist natürlich ein höchst komplexer Prozess, den man nicht einfach aus dem Boden stampfen kann. Wir bemühen uns. Das hat auch die Rede der Ministerin gezeigt. Auch ihre Vorgängerin hat das schon getan und hat in diesem Prozess genau dieses auf den Weg gebracht.

Der Hergang ist nämlich folgendermaßen gewesen Herr Garg, das können Sie ja auch nicht wissen -: Im Herbst 1995 ist dem Landtag erstmals der Bericht „Landesjugendhilfeplanung“ zugeleitet worden.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das weiß ich wohl!)

- Okay. Aber wir nehmen es ja nur aus den Akten zur Kenntnis. Deswegen ist es vielleicht sinnvoll, dies hier noch einmal darzustellen. - Schon dieser Bericht selbst kommt zu dem Schluss, dass die Jugendhilfeplanung zukünftig als Rahmenkonzept für Teilfachplanungen, basierend auf den Planungsfortschritten auf der örtlichen Ebene, aufgebaut werden sollte. Diese Einschätzung wurde in der damaligen Debatte von allen Parteien inhaltlich und auch formal unterstützt. Sie ist vor allem in der Fachöffentlichkeit unumstrittene Praxis. Damit, denke ich, bin ich Ihrer Kritik - jedenfalls in Ansätzen - bereits gerecht geworden.

Diesem Landtagsbeschluss folgte dann also auch die politische Praxis. Das spiegelt sich auch in der nunmehr vorgelegten zweiten Gesamtschau der Landesjugendhilfeplanung wider, und dies nicht nur in den Anhängen. In den vergangenen Jahren ist vom Jugendministerium eine ganze Anzahl von Untersuchungen und Teilfachplanungen durchgeführt worden. Diese gehen über eine Bestandsaufnahme weit hinaus.

Spezifische Problemlagen werden praxisrelevant analysiert und Handlungsbedarfe werden differenziert benannt. Anknüpfend an die gesetzlich vorgegebenen Aufgaben der Jugendhilfe, erscheint es nicht nur sinnvoll, sondern auch sachgerecht, sozusagen im Baukastenprinzip die einzelnen Jugendhilfebereiche nebeneinander und nacheinander einem Planungsprozess zu unterziehen. Die Planungen können praxisorientiert auf sehr enge Handlungsfelder oder aber auch auf die Vernetzung und Kooperation bislang getrennter Handlungsfelder ausgerichtet werden.

Hier wird es nun wirklich interessant. Das ist natürlich auch so komplex, dass es schwierig ist. Ich finde, es ist in Ordnung, wenn wir hierauf ein bisschen warten müssen, zumal wir vor allen Dingen auch deswegen darauf warten müssen, weil die kommunalen Landesverbände an erster Stelle mit eingebunden werden sollen. Eine solche neue Überschreitung eigentlich künstlicher Grenzen wird uns ja in nächster Zukunft mit dem Konzept „Kooperation von Schule und Jugendhilfe“ vorgelegt werden.

Die Schule ist nicht nur Lern-, sondern auch Lebensort für Kinder und Jugendliche. Neu gestiegenen Anforderungen an Betreuung, Erziehung, Wertevermittlung und soziale Kompetenz kann nur gemeinsam durch eine freiwillige Vernetzung und Kooperation von Eltern, Kindern, Lehrern, Sozialpädagogen und allen anderen, die mit Kindern und Jugendlichen umgehen und arbeiten, begegnet werden.

(Beifall des Abgeordneten Peter Eichstädt [SPD])

Der Vorteil von Teilfachplanungen liegt nicht nur in der überschaubaren bedarfsgerechten Maßnahmenplanung, sondern gerade in einer konzentrierten, fachlich und zeitlich eingegrenzten Einbindung der zu beteiligenden Träger und Institutionen.

Ich kürze jetzt ab und komme zum Schluss. Jugendhilfeplanung sollte aus bündnisgrüner Sicht auch zukünftig über Teilfachplanungen erfolgen. Diese müssen den Grundprinzipien Prozesshaftigkeit, Beteiligung und Umsatzorientierung verbindlich Rechnung tragen. Als ein nächstes Projekt würde sich hier eine vertiefende Analyse der Schnittstelle zwischen Schule und Jugendhilfe für eine Fachplanung anbieten.

Wir alle sind uns einig, dass dies ein Thema ist, das wir in Zukunft verstärkt, kooperativ und über die Fachgrenzen hinweg bearbeiten wollen. Ich weiß mich hier mit allen einig.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Das Wort hat jetzt der Herr Abgeordnete Harms.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Manchmal gibt es Debatten hier im Haus, da würde man sich wünschen, dass man einfach die Tafel abwischen, Tabula rasa machen und ganz von vorn anfangen könnte. Der Bericht „Landesjugendhilfeplan“ ist ein solches Thema, bei dem es immer irgendwie danebenläuft.

Die Landesregierung soll einmal in der Legislaturperiode eine Jugendhilfeplanung vorlegen. Das steht so zumindest im Jugendförderungsgesetz. Das hatte die rot-grüne Landesregierung aber seit 1995 nicht mehr gemacht. Deshalb ist es natürlich richtig gewesen, dass die CDU im letzten Jahr einen Antrag gestellt hat, um sie daran zu erinnern.

(Beifall bei SSW und FDP)

Es ist schön, dass uns heute der Bericht der Landesregierung vorliegt. Weniger erfreulich ist aber, dass die Landesregierung anscheinend nicht bereit ist, aus den Fehlern früherer Zeiten zu lernen. Der Bericht deutet jedenfalls nicht darauf hin, dass man aus der leidvollen Geschichte dieses Landesjugendhilfeplans gelernt hat. Die Fehler von vor sechs Jahren werden wiederholt.

Damals hatte in einer kontroversen Debatte gerade der SSW kritisiert, dass die freien Träger gemäß § 56 Abs. 2 Jugendförderungsgesetz nicht ausreichend Berücksichtigung fanden, dass die Jugendhilfeplanung der Kommunen und der Kreise nicht berücksichtigt wurde und dass die Lebenssituation der Jugendlichen im Flächenland Schleswig-Holstein nicht hinlänglich erfasst wird.

Auch die damalige Landesregierung hat in ihrem Bericht diese Punkte als wesentlich benannt und Besserungen im Folgebericht versprochen. Aber auch diesmal sind unter anderem die Träger der freien Jugendhilfe an der Erstellung des Berichts wieder nicht ausreichend beteiligt worden. Das werden wir wohl wieder im Rahmen der Ausschussarbeit nachholen müssen.

Als Beleg für die Fortentwicklung der Aktivitäten der Regierung in diesem wichtigen Bereich wird zuerst auf die Berichte der Landesregierung, unter anderem zum Abbau der Diskriminierung von Lesben und Schwulen, verwiesen. Wir können uns schnell einig werden, dass die Politik für Kinder und Jugendliche eine Querschnittsaufgabe ist, die in vielen Politikbereichen berücksichtigt werden muss. Aber man fühlt sich schon leicht veräppelt, wenn die Landesregierung alle

anderen Berichte als Ausbau des Kinder- und Jugendhilfebereichs verkaufen will.

(Beifall bei SSW, CDU, FDP und der Abge- ordneten Jutta Schümann [SPD])

Im Detail sind viele gute Ansätze im vorliegenden Bericht zu finden, aber die detaillierte Erörterung muss natürlich in den Ausschussberatungen durchgeführt werden.

Der Gesamteindruck bleibt aber, dass sich die Regierung nicht entscheiden kann, auf welchem Bein sie in der Jugendhilfeplanung eigentlich stehen will. Im Ausschuss werden wir deshalb auch erörtern müssen, ob es an der Landesregierung gelegen hat oder ob man einfach an einer zu ambitionierten Zielsetzung gescheitert ist. Die Arbeit der letzten Jahre mit der sozialräumlichen Planung von Jugendhilfemaßnahmen auf den verschiedenen Ebenen deutet zumindest darauf hin, dass erhebliche Probleme bei der Umsetzung bestehen. Es gibt - mit anderen Worten - auch Anlass, das Instrument Jugendhilfeplanung mit Beteilung als solches kritisch zu hinterfragen.

(Anke Spoorendonk [SSW]: Stimmt!)

Wir meinen, dass der Sozialausschuss und das Ministerium noch einmal alle an der Jugendhilfe Beteiligten in eine Diskussion darüber einbeziehen sollten, was die Jugendhilfeplanung mit Beteiligung leisten kann und soll. Wenn am Ende dieses Prozesses die Erkenntnis steht, dass das ambitionierte Projekt Landesjugendhilfeplanung, wie es in § 56 des Jugendförderungsgesetzes vorgegeben ist, gescheitert ist, dann müssen wir die Konsequenz daraus ziehen und vielleicht anders handeln.

(Beifall bei SSW, CDU und FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Bericht der Landesregierung zur abschließenden Beratung an den Sozialausschuss zu überweisen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Als letzten Tagesordnungspunkt für heute rufe ich