Protocol of the Session on May 12, 2000

(Beifall im ganzen Haus)

Besonders erwähnenswert ist aus meiner Sicht, dass von den 412 im Kontingent in Schleswig-Holstein aufgenommenen Flüchtlingen bis zum 16. April schon 325 - ich wiederhole: 325 - freiwillig auf dem Luftwege zurückgekehrt sind. Darüber hinaus sind weitere 300 Kosovo-Albaner zurückgereist. Das sind illegal eingereiste, geduldete Flüchtlinge, abgelehnte Asylbewerber und sogar Asylberechtigte.

Bei der Rückkehr der Flüchtlinge nach BosnienHerzegowina oder in das Kosovo hat das Prinzip der freiwilligen Rückkehr und die wirklich praktische Einzelfallbetrachtung bei der Bemessung von Ausreisefristen absoluten Vorrang.

Lassen Sie mich etwas zur Praxis sagen, wie ich sie in diesem Haus als ganz neuer Minister erlebt habe, auch wenn dies etwas ungewöhnlich ist. Ich habe eine Mitarbeiterschaft angetroffen, die sich gerade dieses Politikfeldes mit einem ungeheuren Engagement immer, wenn es irgend geht, zugunsten der Flüchtlinge annimmt. Ich bitte, auch das einmal zu berücksichtigen.

(Beifall im ganzen Haus)

Aber Bürgerkriegsflüchtlinge sind Flüchtlinge auf Zeit und müssen früher oder später in ihr Herkunftsland zurück.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: So ist es!)

Massenabschiebungen - irgendjemand hat dieses Wort in der Debatte gebraucht - kommen überhaupt nicht infrage. Aber Abschiebungen als ultima ratio im Einzelfall können auch nicht ausgeschlossen werden.

(Klaus Schlie [CDU]: So ist es!)

Wir sind nun einmal an Recht und Gesetz gebunden. Ein Bleiberecht kann es nur für ganz spezielle Perso

(Minister Klaus Buß)

nenkreise, die ich erwähnt habe, wie zum Beispiel kriegsbedingt schwer traumatisierte Flüchtlinge geben. Dafür - das will ich hier ganz ausdrücklich erklären werde ich mich auch in Zukunft intensiv einsetzen. Mir wäre es am liebsten, wenn ich das noch hinzufügen darf, wir würden im Ausländergesetz eine Härtefallklausel haben.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, F.D.P. und SSW)

Wir könnten dann nämlich mithilfe von Verwaltungskunst viel besser Einzelfallregelungen vornehmen. Sie wissen - ich unterstelle das einmal -, dass SchleswigHolstein einen entsprechenden Antrag im Bundesrat gestellt hat, aber wir hatten dort bisher keine Chance, eine Mehrheit zu bekommen. Ich werde weiterhin daran arbeiten. Das verspreche ich Ihnen. Aber im Augenblick geht es noch nicht.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, SSW und des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [F.D.P.])

Deswegen danke ich immer wieder für die Arbeit der Härtefallkommission. Ich hörte einmal von dieser Seite - ich weiß nicht von wem - den Zuruf: „abschaffen“.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Herr Wadephul war das!)

Das würde ich ganz außerordentlich bedauern. Die Härtefallkommission leistet dennoch, auch wenn sie letztlich keine eigene Kompetenzen hat, hervorragende Arbeit, weil Menschen aus verschiedenen gesellschaftlichen Gruppierungen zusammenkommen und über die Fälle reden. Wir haben schon manche Lösung, auch mithilfe gerade dieser Menschen, die sich dort engagieren, finden können.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Zum Schluss noch eine Bemerkung zu den 100 Bundestagsabgeordneten. Natürlich kenne ich das Papier an die Ministerpräsidenten. Ich habe inzwischen mit einigen Bundestagsabgeordneten gesprochen und gesagt,

Herr Minister, ich darf Sie an die Redezeit erinnern.

- wenn ihr der Meinung seid, warum erarbeitet ihr nicht entsprechende Gesetzesinitiativen im Bundestag, denn der ist dafür zuständig. Ich freue mich auf die Diskussion zu diesem Punkt.

(Beifall im ganzen Haus)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die Beratung. Wir kommen zur Abstimmung. Es ist Ausschussüberweisung der Anträge beantragt worden. Es geht um die Drucksachen 15/65 und 15/96. Wer beide Anträge dem Innen- und Rechtsausschuss überweisen will, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenprobe! - Stimmenthaltung? - Damit sind die aufgerufenen Anträge einstimmig dem Innen- und Rechtsausschuss überwiesen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 21 auf:

Reform der Juristenausbildung

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/69

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache.

Das Wort hat Herr Abgeordneter Thorsten Geißler.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bereits seit längerer Zeit wird in unserem Land über die Notwendigkeit einer Reform der Juristenausbildung diskutiert. Eingehend befasste sich beispielsweise der 62. Deutsche Juristentag in Bremen im Jahr 1998 mit dieser Thematik. Dabei wurden Anträge, die Kritik an der derzeitigen Juristenausbildung formulieren, mit überwältigender Mehrheit angenommen. Beklagt wurde eine unzureichende Qualität der Ausbildung beziehungsweise deren Justizlastigkeit. Rechtsberatung und Rechtsgestaltung kämen in der Ausbildung zu kurz. Die Juristenausbildung trage der Internationalisierung der Rechtsbeziehungen und der Entwicklung der europäischen Integration noch zu wenig Rechnung. Die Juristenausbildung vernachlässige für die Praxis wichtige Rechtsgebiete und Anwendungstechniken und bereite damit unzureichend auf den Anwaltsberuf und auf eine Tätigkeit in der Wirtschaft vor. Ausbildung und Prüfungen konzentrierten sich zu wenig auf das Grundsätzliche. Die Aufzählung ließe sich fortsetzen.

Nahezu Einvernehmen herrschte jedoch auch über die Feststellung, dass die Juristenausbildung in erster Linie unter dem großen Andrang auf die Juristenausbildung, der angespannten Lage der öffentlichen Haushalte und den Bemühungen um eine Rückführung der Staatsquote leide. In der Tat: Auch die rechtswissenschaftlichen Fakultäten leiden unter der Überlast. Die Wartezeiten für geprüfte Rechtskandidaten bis zur Übernahme in den Vorbereitungsdienst

(Thorsten Geißler)

werden immer länger. Das ist selbstverständlich unbefriedigend.

Die Berufsperspektiven verschlechtern sich ständig, da der Bedarf in Verwaltung und Justiz innerhalb der Anwaltschaft und innerhalb sonstiger Betätigungsfelder weitgehend gedeckt ist.

Bei allem Einvernehmen in der Analyse konnte sich der Deutsche Juristentag nicht auf ein Reformmodell verständigen und auch in der Literatur, in den Berufsverbänden, Interessengemeinschaften und an den Universitäten herrscht ein buntes Diskussionsbild.

Die Justizministerkonferenz hat sich mehrfach mit der Thematik befasst und Beschlüsse gefasst, zuletzt am 10. November 1999. Darin spricht sie sich für die Einführung einer praxisintegrierten universitären Juristenausbildung aus. Seitdem gibt es einen regen Schriftverkehr und sicherlich auch einen informellen Meinungsaustausch zwischen den Justizministerien der Länder und dem Bundesministerium der Justiz. Die entsprechenden Unterlagen wurden dem Innen- und Rechtsausschuss fortlaufend zur Verfügung gestellt. Dafür danken wir selbstverständlich. Dennoch ist es für uns als Parlament in keiner Weise klar, es wird vielmehr zunehmend unklarer, wohin denn nun die Reise gehen soll.

(Jürgen Weber [SPD]: Das ist richtig!)

- Vielen Dank für die Zustimmung, Herr Kollege Weber!

Deshalb bitten wir mit unserem Antrag die Landesregierung um einen Bericht über den gegenwärtigen Stand der Beratungen der Justizministerkonferenz, aber natürlich auch der Kultus- beziehungsweise Finanzministerkonferenz, die sich ebenfalls mit dieser Thematik befasst haben.

Wir erbitten einen Bericht, der erkennen lässt, welche Inhalte sich hinter dem doch sehr überschriftartig gehaltenen Beschluss der Justizministerkonferenz verbergen. Wir geben damit auch Ihnen Gelegenheit, Frau Ministerin, Ihre Positionen zu dieser Thematik gegenüber dem Parlament darzulegen.

Ich will, ohne der Debatte über den Bericht vorzugreifen, einige Eckpunkte nennen, die für uns als CDU-Fraktion bei der Reform der Juristenausbildung maßgeblich sein werden.

Erstens: Bei allen Reformüberlegungen muss dem Gesichtspunkt der Qualität der Ausbildung Vorrang vor allen anderen Kriterien zukommen. Es darf keine Reform allein unter fiskalischen Gesichtspunkten geben.

Zweitens: Wir wollen am Berufsbild des Einheitsjuristen festhalten, das heißt, an seiner universellen Befähigung zum Einstieg in die unterschiedlichsten Berufsfelder. Denn das Verständnis und die Anwendung des Rechts lebt von der Durchdringung unterschiedlicher Rechtsgebiete, namentlich der klassischen Bereiche von Zivil-, Straf- und öffentlichem Recht.

Drittens: Die Gliederung der Ausbildung in ein wissenschaftliches Universitätsstudium und einen anschließenden praktischen Vorbereitungsdienst hat sich bewährt. Über die Ausgestaltung und Struktur der praktischen Vorbereitungsphase gibt es in der Tat Diskussionsbedarf. Wir werden uns einer solchen Diskussion gern stellen. Ich darf aber daran erinnern, dass einphasige Ausbildungsmodelle, die wissenschaftliche Ausbildung und Praxis miteinander verflochten hatten, in den siebziger Jahren schon einmal erprobt wurden. Sie wurden aufgegeben und das nicht ohne Grund.

Viertens: Es ist darauf zu achten, dass eine Reform nicht dazu führt, dass das Studium zu einem bloßen Kurssystem verkümmert, zu einer Rechtskunde, die nur auf Wissensvermittlung ausgerichtet ist.

Fünftens: Insbesondere werden wir aber darauf zu achten haben, dass die Leistungsfähigkeit von Juristen aus Deutschland auch mit Blick auf den weiteren europäischen Integrationsprozess gewährleistet bleibt.

Letztlich: Jedes Reformmodell ist natürlich auf seine finanziellen Folgen hin zu untersuchen, bevor es beschlossen wird. Das gilt insbesondere, wenn man einen solchen Systemwechsel vornehmen wird.

Meine Damen und Herren, eine ausführliche Erörterung der Problematik können wir in diesem Hause selbstverständlich erst führen, wenn der Bericht der Landesregierung vorliegt. Wir werden uns anschließend sicherlich noch einige Zeit im Innen- und Rechtsausschuss damit befassen. Denn von einer Änderung der Juristenausbildung sind nicht nur die gegenwärtig Studierenden und an unserer CAU lehrenden Professoren betroffen, sondern diese Reform wird ganze Generationen beeinflussen und setzt natürlich auch Maßstäbe für die Qualität der in Deutschland, in SchleswigHolstein, ausgebildeten Juristen.

Es handelt sich also um ein wichtiges Thema. Wir bitten Sie herzlich um Zustimmung zu unserem Berichtsantrag und werden uns dann konstruktiv an der Diskussion beteiligen.

(Beifall bei der CDU)