Protocol of the Session on September 27, 2001

Der Berichtsantrag zielt vor allem auf die westliche Ostsee und damit im Wesentlichen auf die Kadetrinne. Auch dort sind die Dinge in Bewegung gekommen. Aus meiner Sicht ist der vom Bundesverkehrsminister angekündigte Aufbau eines landgestützten Automatic Identification System, AIS, der entscheidende Schritt zu mehr Sicherheit in diesem schwierigen Fahrwasser.

Mit diesem System können alle Schiffe, die die Kadetrinne passieren, von Land aus richtig identifiziert und angesprochen werden.

Ein weiterer Meilenstein war die Sonderverkehrsministerkonferenz der Ostseestaaten am 10. September in Kopenhagen. Dort ist ein 16-Punkte-Katalog verabschiedet worden, der den Rahmen für ein abgestimmtes Vorgehen aller Ostseestaaten in der IMO, in der Europäischen Union und bei der nationalen Gesetzgebung absteckt. Leider - das muss ich sagen - ist die von uns geforderte Lotsenannahmepflicht in der Kadetrinne in Kopenhagen noch nicht zu einem Ergebnis gekommen. Wir müssen weiter gemeinsam an allen Stellen, wo das möglich ist, dafür kämpfen.

Eine weitere Ebene, in der Entscheidungen anstehen, ist die EU. Hier sind bekanntlich die beiden Pakete „Erika I“ und „Erika II“ zur Entscheidungsreife gelangt. Bestandteile dieser Pakete sind die beschleunigte Einführung der Doppelhülle für Tanker, die Verbesserung der Hafenstaatenkontrolle und die Verschärfung der Aufsicht über die Klassifikationsgesellschaften. Ich glaube, dass wir alle aufgefordert sind, die Verabschiedung dieser beiden Pakete mit allem Druck, den wir machen können, zu unterstützen.

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

An dieser Stelle noch ein Wort zur Schaffung einer Europäischen Agentur für Schiffssicherheit - kurz EMSA -: Ich unterstütze die Bemühungen sehr, diese Agentur in Lübeck anzusiedeln, nicht nur weil wir eine Ansiedlung in Lübeck gebrauchen können, sondern vor allen Dingen deshalb, weil wir damit auch in Schleswig-Holstein ein Zeichen setzen, wie wichtig uns dieses Thema ist. Ich bitte Sie, auch diese Initiative mit den Möglichkeiten, die Sie haben, zu unterstützen.

Ich fasse zusammen: Schleswig-Holstein ist ein vom Tourismus und von den Küsten abhängiges Land. Wir sind gut beraten, wenn wir bei diesem Thema zusammen mit Mecklenburg-Vorpommern weiter die Vorreiter bleiben. Ich glaube, wir haben erste wichtige Schritte erreicht, und es sind, glaube ich, gemeinsame Dinge, über die wir hier reden. Ich bitte Sie, uns an dieser Stelle weiterhin zu unterstützen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Jetzt erteile ich dem Herrn Abgeordneten Behm das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte meine Ausführungen mit einem Dank an alle Beteiligten für den ausführlichen Bericht beginnen. Besonders gefreut hat es mich, dass die Landesregierung als die Überbringerin der frohen Botschaft fungieren durfte, dass sich der Bund und die Küstenländer bereits am 21. Mai auf eine einheitliche Einsatzleitung für schwerwiegende Seeunfälle einigen konnten. Eine zentrale Forderung der FDP-Fraktion aus der „Pallas“-Havarie wurde damit in die Wirklichkeit umgesetzt.

Noch erfreuter bin ich darüber, dass der Bericht - das würde ich unter anderen Umständen immer heftig kritisieren - unvollständig ist, genauer gesagt, dass

(Joachim Behm)

sich seit der Vorlage des Berichts schon wieder sehr viel getan hat. Ich nehme damit Bezug auf die jüngsten Ereignisse der Parlamentarischen Konferenz über die Zusammenarbeit im Ostseeraum Anfang dieses Monats in Greifswald. Mit der einstimmig verabschiedeten Resolution zur Schiffssicherheit ist ein gutes Fundament geschaffen worden, dass der Schiffsverkehr in der Ostsee sicherer und der Schutz des Meeres größer wird.

Insgesamt gibt der Bericht einen guten Überblick über die derzeitige sowie die zu erwartende Verkehrssituation auf der Ostsee und die damit einhergehenden Gefährdungen.

Das gilt auch für die Maßnahmen und Aktivitäten zur Schiffssicherheit, die bislang geleistet worden sind beziehungsweise noch zu leisten sein werden. Hier werden zwangsläufig nicht nur Neuigkeiten präsentiert, aber für die weitere Arbeit auf diesem Gebiet ist die Zusammenstellung sicherlich hilfreich. Dafür - wie gesagt - den Dank der FDP-Fraktion.

Bei allen Bemühungen um eine runde Darstellung weist der Bericht allerdings auch noch einige Ecken und Kanten auf, die ich hier nur andeuten kann und über die wir in den Ausschüssen weiter beraten müssen.

Das betrifft zunächst die Kadetrinne. Wir alle sind uns der Bedeutung einer Lotsenpflicht in der Kadetrinne bewusst. Auch auf der Ostseeparlamentarierkonferenz waren ihre Notwendigkeit, aber auch die damit verbundenen Kosten sowie mögliche Wettbewerbsnachteile ein wesentliches Thema. Ich habe aber auch schon darauf hingewiesen, dass wir den Ruf nach einer Lotsenpflicht, also nach einer Verpflichtung, einen Lotsen an Bord nehmen zu müssen, nicht überbewerten dürfen. Nach sachverständiger Auskunft aus dem Bundesverkehrsministerium folgen bereits heute 95 % aller großen Schiffe im Bereich der Kadetrinne der von der IMO ausgesprochenen Empfehlung zur freiwilligen Annahme eines Lotsen. Der Effekt, den eine gesetzliche Verpflichtung haben könnte, könnte daher im Ergebnis eher gering ausfallen.

Immer wieder bemerkenswert ist auch die Auflistung der Maßnahmen, mit denen die Landesregierung für die Schiffssicherheit mehr tun will - bemerkenswert deshalb, weil nach meiner Ansicht Selbstverständlichkeiten erst jetzt geregelt, gleichwohl aber als Errungenschaften gefeiert werden, seien es die Einberufung des interministeriellen Leitungsstabes, die Öffentlichkeitsarbeit oder die Erstellung von Gefahrenabwehrplänen. Andererseits steckt die Landesregierung in Sachen Küstenwache immer noch in den Kinderschuhen. Aber wir hörten ja aus den Ausführungen von Herrn Minister Rohwer, dass hier wohl demnächst

Fortschritte eintreten werden. Hier sollten Sie Ihre Bemühungen um eine einheitliche Kommandostruktur weiterhin unbedingt beibehalten.

Auf Bundesebene sieht es nicht besser aus. Im Gegenteil, entgegen allen vollmundigen Ankündigungen, endlich einen Hochseeschlepper dauerhaft zu stationieren, hat Rot-Grün erneut den Vertrag mit der „Oceanic“ mit Wirkung vom 15. Oktober befristet. Allerdings möchte ich ergänzen, dass Minister Rohwer in Aussicht gestellt hat, dass sich auch das demnächst ändern wird.

Schließlich noch ein Wort zu den Doppelhüllentankern. Ohne Frage ist ihre schrittweise Einführung bis zum Jahre 2015 ein ebenso geeigneter wie wichtiger Schritt, um das Umweltrisiko eines Unglücksfalls zu verringern. Wir sollten aber im Auge behalten, dass die deutsche Ostseeküste mit etwa 6 % der Unfälle relativ wenig betroffen ist. Schäden und Gefahren gehen in weit größerem Maße von den vielen illegalen Öl- und Schadstoffeinleitungen aus, die das Meer und die Küsten bedrohen. Hier muss unbedingt angesetzt werden, beispielsweise auch durch die Übernahme von Entsorgungskosten in den Häfen.

(Beifall bei der FDP)

Auch hierüber werden wir weiterhin beraten müssen.

Insgesamt bin ich optimistisch, weil zum Beispiel Innenminister Buß keine Gelegenheit ausgelassen hat, diese Probleme zu thematisieren. Das trifft für den Wirtschaftsminister sicherlich auch zu.

Eine gemeinsame Küstenschutzalarmübung hat kürzlich auch schon stattgefunden - auch ein bedeutender Fortschritt, um Gefahren abzuwehren. Also, gut so! Lassen Sie weitere Taten folgen!

(Beifall bei der FDP)

Das Wort erteile ich jetzt dem Geburtstagskind, dem Herrn Abgeordneten Malerius.

(Beifall des Herrn Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD])

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Herr Behm, die „Oceanic“ ist nicht in der westlichen Ostsee, sondern in der Nordsee stationiert. Ich sage das nur, damit Sie es wissen.

(Heiterkeit und vereinzelter Beifall bei SPD, CDU und SSW)

(Wilhelm-Karl Malerius)

Die Seeschifffahrt beruht auf dem Grundsatz der Freiheit der Meere. Dadurch konnte sich ein Weltmarkt für Transportdienstleistungen entwickeln, auf dem ein freier Wettbewerb herrscht, der nur durch wenige Rechtsvorschriften geregelt ist. Diese Freiheit hat die Entwicklung des Welthandels und der europäischen Wirtschaft gefördert. Dennoch darf die Freiheit der Meere nicht als Vorwand dafür dienen, dass Staaten, vor deren Küste Schiffe mit besonders umweltschädlichen Gütern kreuzen, das Recht verweigert wird, diese Schiffe zu identifizieren und intensiver zu überwachen sowie auch an Bord einzugreifen, wenn ihren Küsten ernsthaft Gefahr droht.

(Beifall der Abgeordneten Lothar Hay [SPD] und Lars Harms [SSW])

Der vorliegende umfassende, sehr gute Bericht der Landesregierung, für den ich mich im Namen der SPD-Fraktion ausdrücklich bedanke, enthält zum einen eine Bestandsaufnahme, zum anderen beschreibt er die Maßnahmen und Aktivitäten in der Zusammenarbeit zwischen den Küstenländern und dem Bund zur Verbesserung der Schiffssicherheit und des Seeverkehrs, die bis jetzt geleistet worden sind.

Meine Damen und Herren, die zur Verfügung stehenden Daten belegen, dass im deutschen Küstenvorfeld als einem der am meisten befahrenen Gebiete grundsätzlich ein hohes Maß an Sicherheit besteht. Diese Ausgangsposition gilt es zu sichern und weiter zu optimieren.

Bei der Unfallrisikobetrachtung in der westlichen Ostsee steht die Kadetrinne eindeutig im Mittelpunkt der Diskussion. Im Seegebiet der Mecklenburger Bucht ist die internationale Schifffahrt auf die Durchfahrt in der Kadetrinne angewiesen. Tief gehenden Schiffen wird empfohlen, sich genau an den Tiefwasserweg, die 17-Meter-Linie, sowie im anschließenden Verkehrstrennungsgebiet South of Gedser dicht an der Trennzone zu halten und so lange auf Südwestkurs zu bleiben, bis das Gedser-Riff in sicherem Abstand passiert ist. Sowohl der Tiefwasserweg als auch das Verkehrstrennungsgebiet sind von der IMO angenommen. Der Tiefwasserweg, die Trennzone und die Einbahnwege des Verkehrstrennungsgebietes sind durch Leuchttonnen bezeichnet.

Trotzdem gab es in den Jahren 1991 bis 2000 mindestens 16 Grundberührungen. Ursächlich für das Fortkommen waren eine fehlerhafte Navigation und die Nichteinhaltung der in den amtlichen Seekarten ausgewiesenen Tiefwasserrinnen.

Aufgrund dieser Vorfälle hat die dänische Schifffahrtsverwaltung die Fahrwassertonnen in der Kadetrinne aus ihrer ursprünglichen Position herausgenom

men, neu bezeichnet sowie zusätzliche Tonnen verlegt. Ob dies aber ausreicht, ist fraglich. Eine Leuchtradartonne im kritischen Bereich des „Gedser Rev“ reicht nicht aus.

(Lars Harms [SSW]: So ist es!)

Hier ist sowohl die dänische als auch die deutsche Regierung gefordert, ein sicheres Navigationskonzept vorzulegen und durchzuführen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Die Torbefeuerung und die Einfädelung durch die Verlängerung des Tiefwasserweges in der Kadetrinne sind ein erster Schritt in die richtige Richtung. Dieses zu erarbeitende Konzept sollte schnellstens dem Unterausschuss der IMO „Sicherung der Seefahrt“ zur Anerkennung vorgelegt werden.

Für die Kadetrinne besteht keine Lotsenannahmepflicht. Die IMO empfiehlt lediglich, für Schiffe mit mehr als 13 m Tiefgang einen Lotsen an Bord zu nehmen. Eine Lotsenannahmepflicht setzt eine von der IMO beschlossene Meldepflicht voraus. Eine allgemeine Meldepflicht für Seeschiffe besteht nicht. Fremde Schiffe im Transit zu den Häfen der mittleren und östlichen Ostsee werden in der Regel überhaupt nicht registriert, da es sich um internationale Schifffahrt im Rahmen der Meeresfreiheit handelt. Zur Umsetzung einer Lotsenannahmepflicht auf hoher See müssen die Regierungen der Ostseestaaten mit einer Stimme sprechen, bei der IMO eine Lotsenannahmepflicht beantragen und diesen Antrag in den Gremien durchsetzen.

(Beifall des Abgeordneten Joachim Behm [FDP])

Die Verkehrsministerkonferenz der Ostseestaaten am 10. September in Kopenhagen hat dieses Meinungsbild nicht herbeigeführt. Zum Beispiel stimmte Dänemark, Frau Spoorendonk, einer Lotsenannahmepflicht nicht zu.

(Zuruf von der CDU: Hört, hört!)

Hier ist die Landesregierung und speziell die Bundesregierung aufgefordert, viel stärker tätig zu werden.

(Beifall bei der SPD - Unruhe)

Bund und Länder wollen das Notfallmanagement in den deutschen Küstengewässern verbessern. Dafür soll ein seit langem von den Küstenländern gefordertes Havariekommando im Jahr 2002 eingerichtet und erstmals sollen Schlepper in der Ostsee stationiert werden. Die „Scharhörn“ wird zu einem Mehrzweckschiff umgebaut, ein schneller Schlepper soll in Warnemünde stationiert und zwei seegängige Hafenschlepper sollen in Kiel und Usedom langfristig ge