Protocol of the Session on July 13, 2001

Eine Koalitionsarbeitsgruppe unter Beteiligung des Bundesarbeitsministers und der SPD-geführten Bundesländer hat ein Eckpunktepapier für ein Job-AqtivGesetz erarbeitet. Dabei steht „Aqtiv" für aktivieren, qualifizieren, trainieren, investieren, vermitteln. Dieser Ansatz zielt auf eine durchgreifende Modernisierung der Arbeitsförderungsinstrumente im Dritten Buch des Sozialgesetzbuches.

Der aktiven Arbeitsmarktpolitik sind jedoch naturgemäß Grenzen gesetzt. Sie kann konjunkturell und einzelwirtschaftlich ausgelöste Arbeitsmarktprobleme nicht allein bewältigen. Neben einer Reform der Arbeitsförderung ist es auch künftig erforderlich, dass in allen Politikbereichen die Rahmenbedingungen möglichst beschäftigungsfördernd ausgestaltet werden und die beschäftigungspolitischen Akteure - das heißt: Unternehmen, Tarifpartner und Staat - offensiv handeln. Nur in diesem Zusammenhang ist es möglich, über die Anstrengungen für eine aktive Arbeitsmarktpolitik die größtmöglichen Effekte zu erreichen.

Die anstehende Reform des SGB III zielt auf eine durchgreifende Modernisierung der Arbeitsförderung. Im Brennpunkt von Job-Aqtiv stehen die arbeitsmarktpolitischen Instrumente. Reformfelder sind dabei: die Steigerung der Effektivität der Vermittlungen, die Neuausrichtung und Verstärkung der beruflichen Qualifizierung, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und eine stärkere Verantwortung des Prinzips Fördern und Fordern.

Das breite Instrumentarium der aktiven Arbeitsmarktpolitik muss dafür konsequent benutzt werden. Absoluten Vorrang soll in Zukunft die schnelle Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt haben. Das ist ein Weg, den wir in Schleswig-Holstein mit ASH 2000 schon eingeschlagen haben und der nunmehr seine entsprechende Ergänzung findet.

Es geht darum, Beschäftigungsmöglichkeiten konsequent zu nutzen und Langzeitarbeitslosigkeit nach Möglichkeit im Ansatz zu vermeiden. Zu den Mög

(Wolfgang Baasch)

lichkeiten, Arbeitslosigkeit zu vermeiden, Menschen zu qualifizieren und möglichst rasch wieder in den ersten Arbeitsmarkt zurückzuführen, gehört auch das System der Vergabe-ABM. Dieses Instrument wird aber noch sehr unzureichend genutzt. In den alten Bundesländern gibt es praktisch keine funktionierende Vergabe-ABM. Um die Möglichkeit der VergabeABM effektiver zu nutzen, wird im Rahmen der Reform des SGB III auch überlegt, Zusätzlichkeitskriterien zu verändern beziehungsweise auf die Feststellung der Zusätzlichkeit der Arbeiten zu verzichten.

(Zuruf der Abgeordneten Roswitha Strauß [CDU])

Dies ist aber nur ein Weg in der Diskussion, um Vergabe-ABM effektiver gestalten zu können. Es wird auch über andere Formen der Abrechnung im Zusammenhang mit Vergabe-ABM diskutiert, das heißt, der Träger muss nicht jedes Detail abrechnen, sondern bekommt für Vergabe-ABM einen Festbetrag. Noch weiter gehender wäre im Ansatz die Schaffung eines neuen beschäftigungsfördernden Instruments, nämlich die Möglichkeit der beschäftigungsschaffenden Auftragsvergabe. Hier würde dann nicht mehr der Einzelne gefördert, sondern die Arbeit, die der Einzelne im Rahmen der Vergabe-ABM erledigt, bezuschusst.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen, das Eckpunktepapier Job-Aqtiv steht für eine grundlegende Reform des SGB III und es gibt viele Möglichkeiten, aber auch viele Diskussionsansätze, um aktive Arbeitsmarktpolitik effektiver zu gestalten. Job-Aqtiv wird nicht zur Verdrängung regulärer Arbeitsplätze beitragen, sondern Job-Aqtiv wird künftig die Verbesserung der öffentlichen Infrastruktur durch projektorientierte Zuschüsse ermöglichen. Es werden öffentliche Auftraggeber unterstützt, allerdings nur dann, wenn diese Arbeiten von Wirtschaftsunternehmen ausgeführt werden. Ihre Befürchtungen sind also unbegründet und Job-Aqtiv wird sicherlich eine erfolgreiche Reform des SGB III darstellen.

Frau Strauß, weil Sie Abstimmung in der Sache beantragt haben, werden wir Ihren Antrag ablehnen. Ansonsten hätten wir ihn gern im Sozialausschuss im Rahmen der weiteren Diskussion über SGB III mit beraten. Aber wenn Sie das nicht wollen, machen wir es so.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die Fraktion der FDP hat jetzt Herr Abgeordneter Dr. Heiner Garg.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Der Ende Mai von den Bundestagsfraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgestellte Eckpunkteplan zur Reform des Dritten Sozialgesetzbuches steht unter dem Motto: aktivieren, qualifizieren, trainieren, investieren und vermitteln.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass die rot-grüne Koalition mit einer Reform der Arbeitsmarktförderung dem Arbeitsmarkt neue Impulse geben will, ist sicherlich gut gemeint; doch insgesamt geht die Reform völlig in die falsche Richtung, selbst wenn einige der geplanten Maßnahmen sinnvoll erscheinen mögen.

(Beifall bei der FDP)

Es entsteht für mich bei dem geplanten Job-AqtivGesetz der Eindruck, dass die Bundesregierung vor allem verzweifelt nach Wegen sucht, die Arbeitslosenzahl irgendwie unter 3,5 Millionen zu drücken, um das Kanzlerversprechen noch irgendwie einhalten zu können.

Am Anfang der Legislaturperiode war die versprochene Senkung der Arbeitslosenzahl auf diesen Wert kein besonders anspruchsvolles Ziel, weil allein aufgrund der demographischen Entwicklung mit einem jährlichen Rückgang um rund 250.000 Personen zu rechnen war. Darüber hinaus war die gute Konjunktur natürlich ebenfalls ein Signal beziehungsweise hätte die Möglichkeit gegeben, dass die Arbeitslosenzahlen weiter sinken würden.

Die Chance zu einem Umschwung hat die Bundesregierung dann aber schlicht verschlafen, mit dem Ergebnis, dass die Zahl der Erwerbstätigen heute stagniert. Da hat die Kollegin Strauß völlig Recht. Real gibt es nämlich heute nicht mehr Beschäftigung, saisonbereinigt steigt die Arbeitslosigkeit seit einigen Monaten wieder an.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: So ist es!)

Dabei sind die Probleme auf dem deutschen Arbeitsmarkt hausgemacht. Strukturelle Verkrustungen, Überregulierung, staatliche Fehlanreize und ineffiziente marktpolitische Maßnahmen führen zu der paradoxen Situation, dass bei 3,7 Millionen Arbeitslosen 1,5 Millionen offene Stellen nicht besetzt werden können.

(Beifall bei der FDP)

Rot-Grün ist es eben nicht gelungen, die gute und

(Dr. Heiner Garg)

positive konjunkturelle Entwicklung der letzten beiden Jahre zu nutzen und sie in Arbeitsplätze umzuwandeln.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warten Sie mal ab, mein Lieber, wenn die Konjunktur anspringt! Ihr lacht doch nur, weil es jetzt eine Delle gibt! Das ist doch langweilig!)

- Jawohl, Herr Hentschel, ich lache immer, vor allem über Ihre Zwischenrufe, die einfach lächerlich sind. Insofern freue ich mich darüber immer ganz besonders.

(Beifall bei der FDP - Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir spre- chen uns nächstes Jahr wieder!)

Das geplante Job-Aqtiv-Gesetz soll für eine effektivere Vermittlung von Arbeitslosen zunächst 3.000 Vermittlerstellen schaffen, die aus den Mitteln der Bundesanstalt für Arbeit zu bezahlen sind. Angesichts dieser Tatsache kann ich nur feststellen, dass von 83.000 Mitarbeitern der Arbeitsverwaltung gerade 10.000 mit Vermittlungstätigkeit beschäftigt sind. Daraus ziehe ich die Konsequenz, dass eine strukturelle Reform innerhalb dieser Behörde genauso notwendig ist wie eine strukturelle Reform des Arbeitsmarktes.

(Beifall bei FDP und CDU)

Herr Kollege Hentschel, Arbeitslose gehören eben nicht in erster Linie verwaltet, sondern sie gehören vermittelt und davon ist das geplante Job-Aqtiv-Gesetz meilenweit entfernt.

(Beifall bei der FDP)

Denn erst einmal wird das eigene Ziel komplett verwässert. So sind die Pläne der Bundesregierung, aus der Kasse der Arbeitslosenversicherung - aus der Arbeitslosenversicherung! - Arbeitslosengeld auch für die ersten drei Jahre der Kindererziehung zu gewähren und Infrastrukturverbesserungen zu bezuschussen, bei denen Arbeitslose beschäftigt werden, der völlig falsche Weg, Arbeitslose tatsächlich zu beschäftigen. Natürlich ist es auch für mich aus familienpolitischer Sicht richtig, dass die Arbeitsleistung Kindererziehung endlich finanziell anerkannt wird. Es ist auch schön, dass sich die Bundesregierung um die maroden Straßen und Schienen in dieser Republik sorgt. Die Frage ist aber, ob die Arbeitslosenversicherung für diese Aufgaben der richtige Finanzier ist.

(Beifall bei FDP und CDU)

Die Antwort lautet natürlich: Nein! Als Pflichtversicherung muss sie vor allem eines sein: eine Solidargemeinschaft, in die die Versicherten einzahlen und im

Gegenzug Ansprüche für den Schadensfall, also den Eintritt der Arbeitslosigkeit, erwerben.

(Beifall bei der FDP)

Versicherungsfremde Leistungen für die Finanzierung von infrastrukturpolitischen oder familienpolitischen Maßnahmen haben hier nichts, aber auch absolut nichts zu suchen, zumal wir die Beiträge und damit die Lohnnebenkosten zusätzlich in die Höhe treiben. Wenn der Staat etwas für Familien und für die Infrastruktur tun will, soll er es aus dem Topf tun, der dafür vorgesehen ist, nämlich aus dem Topf der Steuereinnahmen.

(Beifall bei der FDP)

Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen sind deshalb auf Umfang, Wirksamkeit und Effizienz zu prüfen und dabei ist die öffentlich subventionierte und unfaire Konkurrenz für mittelständische Unternehmen und Existenzgründer durch solche Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen kontraproduktiv, weil sie zum Verlust regulärer Arbeitsplätze führt.

Um es noch einmal unmissverständlich zu sagen: Wir unterstützen das Prinzip des Förderns und Forderns. Doch müssen die Maßnahmen auch regional und strukturpolitisch sinnvoll sein.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr habt überhaupt nichts hinge- kriegt in der Regierung! Die ganze Zeit nicht! Null!)

Das geplante Job-Aqtiv-Gesetz soll dafür sorgen, dass die Arbeitslosen rascher wieder eine Stelle bekommen. Vieles spricht allerdings dafür, dass nach diesem Entwurf schlicht Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen erfolgen sollen, bis die Zahl von 3,5 Millionen Arbeitslosen erreicht wird.

(Beifall bei der FDP und der Abgeordneten Brita Schmitz-Hübsch [CDU])

Gestatten Sie mir eine Bemerkung zum Schluss! Frau Ministerin Moser, ich würde an Ihrer Stelle kräftig dagegen protestieren, das Programm ASH 2000 mit diesem komischen Flickwerk vergleichen zu lassen, auch wenn es ein SPD-Vertreter getan hat.

(Beifall bei der FDP)

Wir stimmen dem CDU-Antrag natürlich vollen Herzens zu. Ich bedanke mich bei der Kollegin Strauß ausdrücklich dafür, dass sie ihn gestellt hat.

(Beifall bei FDP und CDU)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat jetzt Frau Abgeordnete Monika Heinold.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Garg, Sie machen einem das Leben leicht. Wenn ich Sie hier so reden höre,