Die Perspektive ist wieder verlockend; aber es drängen sich abermals Fragen der Ethik auf, die für viele schwerer wiegen als der Gewinn durch die PID. Auch bei der Präimplantationsdiagnostik geht es um eine Abwägung. Schwarzweißmalerei zählt nicht. Die Argumente beider Seiten sind plausibel, aber nicht miteinander vereinbar.
Zum Ersten geht es bei den Einwänden um die Auswahl einer von mehreren möglichen befruchteten Eizellen aufgrund einer genetischen Analyse und die Verwerfung des Rests. Bisher gibt es nur so viele Embryonen, wie auch für die künstliche Befruchtung verwendet werden.
(Wolfgang Kubicki [FDP]: Nein! Das stimmt nicht! - Präsident Heinz-Werner Arens über- nimmt den Vorsitz)
Bei der PID liegt es aber in der Logik des Verfahrens, dass mehr befruchtete Eizellen produziert werden, als sie die Mutter benötigt. Das ist heute noch nicht zulässig.
Zum Zweiten muss eine Auswahl unter den Embryonen getroffen werden. Es stellt sich die Frage nach den Auswahlkriterien. Welche Erbkrankheiten sind eine ausreichende Begründung für die Tötung? Gerade diese Frage stößt in unserer Gesellschaft an moralische Tabus. Wenn es in Deutschland darum geht, eine
Wahl zwischen Individuen oder verschiedenen Gruppen treffen zu müssen, dann wird das Wort „Selektion“ verwendet. Das belastet solche Entscheidungen ungemein und es wird neidvoll zu anderen Ländern geschielt, die viel unbefangener, aber nicht unqualifizierter solche ethischen Entscheidungen treffen. Aber auch wenn die deutsche Geschichte ausgeblendet wird, gibt es keine gottgegebenen Kriterien dafür, was lebenswert ist und welche Krankheiten dem Kind oder den Eltern nicht zugemutet werden können. Wer soll hier die Wahl treffen? Dieses Dilemma scheint so manchem unüberwindlich.
Ebenso wie bei den Stammzellen gibt es auch Gründe, die außerhalb des Lebensschutzes für den Embryo liegen. Unter anderem wird mit guten Gründen befürchtet, dass die Abwahl behinderter Kinder dazu führen kann, dass sich die gesellschaftlichen Vorstellungen eines normalen Menschen einengen und dass Behinderungen als vermeidbare und deshalb nicht akzeptable Mängel und Belastungen gelten werden.
Naiv, wer glaubt, dass durch die PID nicht auch ein Konformitätsdruck entsteht, der vielen Eltern das Leben schwermachen könnte und die Entscheidung gegen das Kind erzwingt. Zudem ermöglicht PID nicht nur eine negative Auslese, sondern auch die positive Wahl bestimmter Merkmale. Naiv ist ebenfalls, wer nicht glaubt, dass die Einführung der PID auch solchen Überlegungen den Weg in die Praxis ebnet. Außerdem wird gegen die PID angeführt, dass die Sicherheit des Verfahrens so niedrig ist, dass trotzdem eine Fruchtwasseruntersuchung empfohlen wird.
Letztlich stellt sich die zentrale Frage, ob Eltern einen moralischen und rechtlichen Anspruch auf ein eigenes gesundes Kind haben können. Dies gilt umso mehr, als es auch für erblich schwer belastete Paare die Alternative der Adoption gibt.
Die Frage, ob diese Folgen, Nebenwirkungen und Alternativen der PID schwerer wiegen oder letztlich der Wunsch der Eltern nach einem eigenen unversehrten Kind schwerer wiegt, kann wieder nur die Politik beantworten. Letztlich gilt für die Präimplantationsdiagnostik das Gleiche, was ich bereits zur Stammzellenforschung gesagt habe. Der SSW meint, dass der Respekt vor der demokratischen Meinungsbildung erfordert, dass wir die Ergebnisse der Enquetekommission als auch des Ethikrates in unsere Entscheidungen einbeziehen sollten und dass der Bundesgesetzgeber das letzte Wort haben muss.
Mir liegen Meldungen zu zwei Kurzbeiträgen vor. Ich rufe zunächst Frau Abgeordnete Dr. Happach-Kasan auf.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Als FDP erwarten wir natürlich nicht, dass Sie unsere Parteitage verfolgen. Deshalb will ich in aller Freundschaft ausführen, Herr Beran, dass die FDP in Schleswig-Holstein vor einem Jahr einen ganztägigen Parteitag zum Thema Gentechnik abgehalten hat und auf diesem Parteitag auf der Grundlage eines Vorschlags von mir zur PID wie auch zu anderen Themen Stellung bezogen hat. Das heißt, wir diskutieren über dieses Thema nicht aus dem hohlen Bauch heraus.
Ich darf auch anfügen, dass ich meine Position zur PID bereits in den Bericht der Enquetekommission als Eigenvotum eingeführt habe.
Der CDU möchte ich empfehlen, wenn sie jetzt nach weiteren Anhörungen fragt, doch erst einmal nachzulesen, was in dieser Enquetekommission erarbeitet worden ist und welche Materialien vorhanden sind, bevor sie derart vorprescht. Im Übrigen kann sie - wie auch die FDP das getan hat - selbst Wissenschaftler befragen. Dies muss nicht der Landtag für sie organisieren. Ich glaube, dass die Enquetekommission unter Leitung von Jürgen Weber eine sehr gute Arbeit geleistet hat.
- Ich danke für den Zuspruch, Herr Weber. Ich meine, wir können auf dieser Arbeit aufbauen, weil sie vielen Aspekten Rechnung trägt.
Herr Beran, eines möchte ich ganz klar sagen: Abtreibung ist, für mich persönlich wie für die FDP, keine Verhütungsmethode, auch wenn sie manchmal dazu missbraucht wird.
134.600 Abtreibungen - das ist keine Verhütungsmethode! Abtreibung ist Tötung menschlichen Lebens. Darüber sollten wir uns immer im Klaren sein.
In der Diskussion werden - wie ich meine - ab und zu zwei Begriffe durcheinander gewirbelt. Das eine ist der Begriff „menschliches Leben“. Das ist eine biologische Kategorie. Was Leben ist, sagt die Biologie, die Wissenschaft des Lebens. Die „Würde des Menschen“ dagegen ist eine soziale Wertung, die Aufnahme in unser Grundgesetz gefunden hat.
„In Artikel 1 des Grundgesetzes geht es um die Würde des Menschen und nicht um die Würde des menschlichen Lebens. Das körperliche Element von Leben und Gesundheit wird dagegen in Artikel 2 Grundgesetz unter völlig anderen Bedingungen geschützt. Menschenwürde ist gegen nichts abwägbar, auch mit noch so vielen guten Gründen nicht. Menschenwürde ist, wie die Verfassung sagt, unantastbar. Der Schutz des Menschenlebens aber lässt sehr wohl Einschränkungen zugunsten anderer Rechtsgüter zu. So steht es ausdrücklich im Grundgesetz. Nur unter dieser Bedingung konnte überhaupt ein § 218 in der jetzt vorliegenden Form in Kraft gesetzt werden.“
Ich bedanke mich bei Frau Fröhlich, dass sie als Einzige überhaupt den Zwiespalt zwischen Präimplantations- und Pränataldiagnostik mit berücksichtigt hat. Ich meine, wir müssen dies tun. Insofern bin ich auch der Vorsitzenden der Bioethik-Kommission des Bundestages dankbar, dass auch sie das klar so sieht und dazu aufgefordert hat, in gesetzlichen Regelungen beide Aspekte miteinander zu verweben.
Ich vermisse in der Diskussion allerdings sehr, dass zu wenig Vertrauen in Mütter gesetzt wird. Ich weiß nicht, warum man kein Vertrauen hat, dass diese entscheiden, in welcher Weise sie vorgehen wollen - ob über eine Pränataldiagnostik oder über eine Präimplantationsdiagnostik. Ich werbe für Vertrauen in Mütter. Sie haben es verdient.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema Präimplantationsdiagnostik wird seit langem intensiv in unserem Land, aber auch weltweit diskutiert. Viele andere fortgeschrittene Staaten sind in dieser Sachfrage zu der Position gekommen, die die FDP für richtig hält, nämlich die Präimplantationsdiagnostik unter strengen Voraussetzungen freizugeben. Da diese Position von Kolleginnen und Kollegen anderer Fraktionen mit ethischen Vorbehalten - die verbunden sind mit Begriffen wie „Selektion
Auslese“ - versehen wird, möchte ich zu dieser, in unserem Land kritisch geführten Debatte der letzten Monate folgenden Fall schildern - aus diesem werde ich dann eine Schlussfolgerung ziehen -:
In einer Diskussion ist über den Fall einer Mutter berichtet worden, die drei Kinder zur Welt gebracht hat, die an einer schweren Erbkrankheit litten. Alle drei Kinder sind im Laufe der ersten sechs Lebensjahre verstorben. - Ich frage Sie, ob es ethisch wirklich vertretbar ist, Menschen zu einem solchen Schicksal zu verurteilen, oder ob wir es - wie gesagt, unter klarer Abgrenzung - im Falle schwerwiegender Erbkrankheiten nicht zulassen müssen, über die PID ein solches Schicksal, wie es diese Familie erleiden musste, in Zukunft zu verhindern. Dies ist für mich eine ganz zentrale, auch ethische Frage. Ich komme dabei zu einem anderen Ergebnis als diejenigen, die sagen, eine Präimplantationsdiagnostik sei per se nicht zulässig beziehungsweise über eine solche Entscheidung wolle man nicht befinden. Ich halte es auch aus ethischen Gründen für geboten, die Präimplantationsdiagnostik unter klaren, abgegrenzten Rahmenbedingungen zuzulassen. Diese Position halte ich sehr wohl auch für ethisch begründbar.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unsere Gesellschaft hat sich dafür entschieden nicht angstfrei und auch nicht zweifelsfrei; aber sie hat sich dafür entschieden -, dass die Methoden der Invitro-Fertilisation und der Pränataldiagnostik angewendet werden. Sie hat sich dafür entschieden, dass wegen schwerwiegender genetischer Defekte auch nach Ablauf der zwölften Schwangerschaftswoche Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden können.
Wir können diese Debatte nicht immer neu wiederholen, aus Angst, diese bereits getroffenen Entscheidungen seien vielleicht falsch gewesen;
denn solche Entscheidungen bergen - für manche verbergen sie das vielleicht auch - dringend die Notwendigkeit, sich mit den Folgeentwicklungen auseinander
Wir können und müssen Aufschub gewinnen, wenn es darum geht, wichtige medizinische, ethische und soziale Fragen zu bearbeiten und nach derzeitigem - ich betone: derzeitigem! - Wissensstand zu beantworten. Auf dem Weg dahin ergeben sich allerdings schwere Zielkonflikte: zwischen erwiesenem medizinischem und gesundheitlichem Nutzen und ethischen Grenzziehungen im Umgang mit der Erzeugung von Leben.
Was, meine Damen und Herren, ist hier natürlich und was ist künstlich? Gehen wir nicht eigentlich seit Jahrhunderten davon aus, dass alles das künstlich und damit gefährlich ist, was wir als Menschen selber nicht steuern können, und haben wir in diesem Sinne nicht immer weniger Natürliches, weil wir immer mehr steuern können? Diese Fragen müssen wir uns - so glaube ich - einmal stellen. Jedenfalls können wir den Weg, zwischen solchen Zielkonflikten entscheiden zu müssen, nicht wieder verlassen. Das ist meine feste Überzeugung. Wir haben uns unwiderruflich auf diesen Weg begeben. In dieser Einzelfrage der Präimplantationsdiagnostik war das in dem Moment der Fall, wo wir uns für In-vitro-Fertilisation und Pränataldiagnostik entschieden haben.
Genau so verstehe ich den Grundtenor des vorliegenden FDP-Antrages. Auch dem inhaltlichen Anliegen und dem Hinweis auf den Widerspruch zwischen der Zulassung der Pränataldiagnostik und dem Verbot der Präimplantationsdiagnostik kann ich mich nicht verschließen.
Allerdings muss uns bewusst sein - ich glaube, das ist uns allen auch bewusst -, dass die Methode der PID wissenschaftlich noch nicht ausgereift ist, dass sie eine relativ hohe Fehlerquote aufweist. Dies ist übrigens besonders dann der Fall, wenn sie an der Eizelle vorgenommen wird, bei der so genannten Polkörperdiagnostik. Dies belastet uns ethisch aber offenbar weniger, als wenn diese Präimplantationsdiagnostik am Embryo vorgenommen wird.
Das alles sind Fragen, die wir uns bewusstmachen müssen: Was läuft in unserem Kopf? Was läuft in unserer Seele, was ist mit unseren Gefühlen? Ich finde, sich darüber Rechenschaft abzulegen, ist unbedingt notwendig, um in dieser Diskussion weiterzukommen.