Protocol of the Session on May 30, 2001

Das unterscheidet uns vielleicht, Herr Kollege Kubikki!

Wir fordern in unserem Antrag die Landesregierung auf, zu den Bereichen Sprachkompetenz, Schule und

(Klaus Schlie)

Bildung, islamischer Religionsunterricht in deutscher Sprache, Ausbildung und Arbeit, Landes- und Kommunalverwaltung, Sicherheit und Polizei, Vereine, Kultur und Religion ein Konzept für eine erfolgreiche Integration der dauerhaft und rechtmäßig in Schleswig-Holstein lebenden Ausländerinnen und Ausländer vorzulegen, das die Eckpunkte unseres Antrages berücksichtigen soll.

Da, wie bereits ausgeführt, dem Erlernen der deutschen Sprache eine Schlüsselfunktion bei einer erfolgreichen Integrationspolitik zukommt, halten wir an unserer Forderung fest, dass das Erlernen der Sprache nicht der Beliebigkeit überlassen bleiben darf, sondern wirklich mit einem System von Anreizen und Sanktionen versehen werden muss.

Für die Kinder müssen bereits in der Vorschulzeit Deutschförderkurse angeboten werden und um die Sprachkompetenz in den Familien zu stärken, müssen gerade auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichberechtigung und Chancengleichheit von Männern und Frauen - spezielle Sprachlernprogramme für Frauen angeboten werden.

Die Lehrkräfte an unseren Schulen müssen besser noch besser als bisher - auf die Förderung und Integration der Kinder ausländischer Eltern vorbereitet werden. Das ist eine große pädagogische Herausforderung. Die Schulen mit hohem Ausländeranteil stehen hier vor einer besonderen Herausforderung - wie wir alle wissen. Die Schüler ausländischer Herkunft müssen Deutsch lernen und in deutscher Sprache lernen, und sie müssen in größerer Zahl als bisher einen qualifizierten Abschluss erreichen. Insbesondere die Hauptschule, die eine wichtige Integrationsfunktion übernimmt, ist in ihrem Bildungsauftrag zu stärken. Darüber werden wir auch in dieser Landtagssitzung noch miteinander diskutieren.

Die Muslime bilden die größte nichtchristliche Religion in Deutschland. Die Kinder und Jugendlichen muslimischen Glaubens haben ein Recht auf Religionsunterricht; denn die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses ist ein Grundrecht. Zur Ausübung der Religionsfreiheit gehört, dass die Voraussetzungen für einen der staatlichen Schulaufsicht unterliegenden islamischen Religionsunterricht in deutscher Sprache an den öffentlichen Schulen geschaffen werden. Wir glauben, dass dies einen entscheidenden und wichtigen Schritt für die Integration vor allen Dingen der Muslime, die in Deutschland leben oder noch zu uns kommen, bilden kann.

(Beifall bei der CDU)

Dieser so von uns konzipierte und angedachte islamische Religionsunterricht in deutscher Sprache kann die

Kinder aus islamischen Elternhäusern in ihrer religiöser Identität stärken, ohne sie in die Arme fundamentalistischer Strömungen zu treiben oder sie ihrer tatsächlichen Lebensumwelt zu entfremden.

Dadurch, dass der Unterricht der staatlichen Aufsicht unterstellt ist, wird aus unserer Sicht gewährleistet, dass keine fundamentalistischen Ideologien vermittelt werden. Der Islam als Religion darf nicht mit der politischen Bewegung des Islamismus gleichgesetzt werden. Muslime und Angehörige anderer Religionen haben das Recht, ihren Glauben in Deutschland bekennen, bewahren und praktizieren zu können.

Dazu gehören auch die Gründung eigener Gemeinden, der Bau von Gebetshäusern und - ich will das auch nennen - die Einrichtung von Begräbnismöglichkeiten entsprechend ihren Glaubensvorschriften.

(Beifall bei der CDU sowie des Abgeordne- ten Wolfgang Kubicki [FDP])

Lassen Sie mich das an dieser Stelle mit der nötigen Pietät feststellen, aber ich glaube, es ist wichtig, darauf hinzuweisen: Wenn jemand, der als Ausländer bei uns lebt, seine Angehörigen hier begräbt, ist er wirklich integriert. In diesem Falle muss es möglich sein, dass Landesverordnungen, die wir im Lande haben, überprüft, geändert, beseitigt werden, damit dies möglich ist.

Ein besonderes Problem besteht in der Konzentration und in der Gettobildung von Ausländern, insbesondere von Türkinnen und Türken. Eine Folge dieser Konzentration und Gettobildung ist zum einen, dass sich Parallelgesellschaften bilden und dass sich nicht selten Deutsche zunehmend als Fremde in ihrem eigenen Land fühlen - ob zu Recht oder zu Unrecht, das lasse ich dahingestellt.

Eine wichtige Funktion kommt insoweit den Kommunen in ihrer Funktion als Planungsbehörde und Träger der Stadtentwicklung zu. Die Landesregierung muss deshalb, natürlich gemeinschaftlich mit den kommunalen Spitzenverbänden, Hinweise zur Stadtentwicklungsplanung erarbeiten, die die Integrationswirkung erhöhen und einer Gettobildung entgegenwirken.

Der demokratische Staat schützt alle Menschen in seinem Herrschaftsbereich vor Kriminalität. Kriminalität gegen Ausländer und Ausländerkriminalität sind nicht hinnehmbar. Ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger müssen vor Bedrohungen und Straftaten mit fremdenfeindlichem Hintergrund noch besser geschützt werden.

(Beifall bei CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

(Klaus Schlie)

Dies ist natürlich eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und nicht nur eine Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden.

(Glocke des Präsidenten)

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident! - Im Interesse der Ausländer, die sich integrieren wollen, ist es notwendig, dass diejenigen Ausländer, die illegal einreisen, schwerwiegende kriminelle Handlungen begehen oder rechtskräftig als Asylbewerber abgelehnt sind, so schnell wie möglich abgeschoben werden.

Gestatten Sie mir einen letzten Satz. Ziel der Integrationspolitik der CDU ist die gleichberechtigte Möglichkeit der Teilhabe am gesellschaftlichen, sozialen, ökonomischen, politischen und kulturellen Leben in Deutschland. Sie setzt Gesetzestreue, Sprachkompetenz und das Respektieren der Grundlagen des Zusammenlebens in Deutschland voraus. Sie beinhaltet aber auch die Möglichkeit der Bewahrung der eigenen kulturellen und religiösen Prägung im Rahmen der geltenden Rechts- und Verfassungsordnung. Ohne ein verbindliches, im gesellschaftlichen Konsens entwikkeltes Konzept zur Integration werden wir die Fragen einer neuen Zuwanderungspolitik in Deutschland nicht regeln können.

Ich bitte Sie: Stimmen Sie unserem Antrag zu.

(Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Ich erteile Herrn Abgeordneten Puls das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wiederhole, was ich bereits der Presse gegenüber für meine Fraktion erklärt habe: Wir gratulieren der CDULandtagsfraktion zu ihrer überfälligen Wende in der Ausländer- und Zuwanderungspolitik.

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Endlich teilt die CDU unsere seit Jahren geäußerte Überzeugung, dass ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger eine Bereicherung für unsere Gesellschaft sind,

(Zuruf von der CDU: Das haben wir schon immer gesagt!)

dass Zuwanderung eine Chance und Integration eine Notwendigkeit ist. Auch die Auffassung, dass Integration ohne Aufgabe der eigenen kulturellen Identität erfolgen muss, wird übernommen. In der Tat, wer als

Fremder unser Haus betreten möchte, sollte nicht gezwungen werden, seine Identität an der Garderobe abzugeben.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Wir werden in unsere eigene Beratung die von der CDU formulierten Eckpunkte sorgfältig einbeziehen und schlagen vor, den CDU-Antrag an die zuständigen Fachausschüsse zu überweisen, und zwar federführend an den Innen- und Rechtsausschuss, mitberatend an den Bildungs- und an den Sozialausschuss.

In der Sache sollten wir deshalb heute noch nicht entscheiden, weil auf Bundesebene zurzeit eine Zuwanderungskommission Rahmenbedingungen für ein Einwanderungsgesetz erarbeitet. Da Ausländerrecht in erster Linie Bundesrecht ist, sollten die Ergebnisse abgewartet werden. Sie sind bereits für den 4. Juli angekündigt worden. Im Übrigen bedarf es, meine ich, auch keiner Landtagsaufforderung an die Landesregierung, weil dort ein Integrationskonzept für SchleswigHolstein ebenfalls in Arbeit und für Ende des Jahres angekündigt ist.

In der SPD-Fraktion gehen wir von dem aus, Herr Schlie, was in den Arbeitsergebnissen sowohl auf Bundesebene wie auf Landesebene zum Ausdruck kommt, was der Landtag vor Jahresfrist, am 18. Mai 2000, auf Antrag der Fraktionen von SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten des SSW als Grundposition bereits beschlossen hat. Wir haben uns mit den damals antragstellenden Fraktionen für ein Einwanderungsgesetz ausgesprochen, das das Zuwanderungsverfahren reguliert und vereinfacht, das die Trennung von Asylverfahren und allgemeiner Zuwanderung zum Ziel hat, das den Zugang der Einwanderer zu integrierenden Maßnahmen erleichtert, das die demographische Entwicklung in Betracht zieht, das die aktuelle Situation und die kurz- und längerfristige Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland berücksichtigt, das eindeutige Regelungen für den Familiennachzug umfasst und das humanitäre Gesichtspunkte einbezieht.

Noch vor einem Jahr haben nur die genannten vier Gruppierungen dieses Hauses diese Forderungen unterschrieben. Heute könnte vermutlich auch die CDU ihren „Klaus Schlie“ darunter setzen. Das finden wir schön. Das Boot ist voll - ich meine das parlamentarische - und wir scheinen endlich in eine Richtung steuern und rudern zu können.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

(Klaus-Peter Puls)

Die Ansätze des CDU-Papiers können wir in weiten Teilen unterstützen. Lassen Sie mich drei Punkte aufgreifen.

Erstens. Eine Selbstverständlichkeit ist der Hinweis auf das Grundgesetz und auf gesetzestreues Verhalten. Das erwarten wir nicht nur von Ausländern, sondern auch von ehemaligen CDU-Bundeskanzlern.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Zweitens. Der Weg zu einer erfolgreichen Integration kann natürlich nur über die deutsche Sprache führen. Die ausreichende Kenntnis der deutschen Sprache ist wesentliche Voraussetzung für einen erfolgreichen Abschluss von Schul- und Berufsbildung und für die erfolgreiche Bewerbung um einen Arbeitsplatz. Das ist Ihre Formulierung, die wir voll inhaltlich teilen, Herr Schlie! Über das, was die Regierung dazu insbesondere im Schulbereich bereits tut, wird uns die Ministerin - davon gehe ich aus - nachher noch einiges berichten. Auch wir halten Deutschförderkurse für Kinder bereits in der Vorschulzeit für angemessen und erforderlich. Die besondere Sprachkompetenz in Familien und spezielle Sprachlernprogramme für Frauen befürworten wir auch.

Drittens. Bemerkenswert - deswegen möchte ich das besonders anführen - finden wir Ihre Ausführungen zur Gewährleistung der Religionsfreiheit insbesondere für Muslime. Unterstützung von unserer Seite auch dazu.

Eher zurückhaltend bis gar nicht äußert sich der CDUAntrag allerdings zu der Notwendigkeit, auch weiterhin Flüchtlinge bei uns aufzunehmen und zu integrieren. Hier ist die SPD-Position glasklar: Wir sind und bleiben der Auffassung, dass das Grundrecht auf Asyl ein Grundrecht bleiben muss. Asylsuchende und Bürgerkriegsflüchtlinge können nicht unter ein Einwanderungsgesetz fallen, das den Zuzug nach ökonomischen Kriterien quotiert. Geordneter Zuzug ist etwas anderes als eröffnete Zuflucht. Deutschland muss sich auch weiterhin seiner humanitären Verantwortung stellen und seinen internationalen Verpflichtungen nachkommen, Flüchtlinge aus Kriegs- oder Krisengebieten aufzunehmen. Der verfassungsrechtlich begründete Familiennachzug darf durch ein Zuwanderungsgesetz nicht eingeschränkt werden.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Die bayerische Unterscheidung zwischen nützlichen und nichtnützlichen Ausländern grenzt nicht nur aus, sondern negiert auch die aus unserer eigenen Geschichte resultierende Verantwortung.

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Was ist denn die Greencard?)

Nationalegoistische Abschottung auch und gerade gegenüber Not- und Elendsflüchtlingen ist nicht nur verantwortungslos, sondern schürt Ausländerfeindlichkeit und Fremdenhass und leistet dem rechtsradikalen Zulauf Vorschub.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)