Die Debatten folgen einer vertrauten Logik: Immer, wenn ein größerer Unfall passiert, wachen Parlamente auf und fordern dringend Handlungen. Dann werden Arbeitsgruppen eingesetzt, die für einige Jahre beschäftigt sind. Wenn ich mir die Arbeitsgruppen auf Bundesebene angucke, habe ich den Eindruck, dass die Radikalität der Maßnahmen abnimmt, je mehr Zeit verstreicht.
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten Konrad Nabel [SPD] und Jürgen Feddersen [CDU])
Alles folgt der Logik: Die Minister kommen, die Minister gehen, die Bürokratie bleibt bestehen. Täuschen wir uns nicht, auch hier im Parlament und in der Regierung sind wir uns nicht in allen Fragen einig, auch wenn wir lautstark sagen, wir wollen eine einheitliche Küstenwache und ein Notfallkommando. Es gibt eine ganze Reihe anderer Themen, über die zu reden ist: Zum Beispiel das Thema PSSA, also die Erklärung von Seegebieten - wie das Wattenmeer - zur besonders sensiblen Meeresregion. Das dänische Verkehrsministerium hat mittlerweile vorgeschlagen, die gesamte Ostsee als PSSA auszuweisen. Warum? Weil genau diese internationalen Regelungen, von denen Sie geredet haben, Herr Behm, am besten über einen solchen Weg zu erreichen sind, wenn nämlich die IMO ein solches Gebiet ausweist und entsprechende Regelungen festlegt.
Sie haben völlig Recht: Das kann Deutschland nicht allein. Das trifft auch für die Nordsee zu. Natürlich können wir für den Bereich unserer Hoheitsgewässer Regelungen treffen. Was aber außerhalb unserer Hoheitsgewässer geschieht, kann nur über eine internationale Regelung festgelegt werden. Daher ist die Diskussion über die PSSA dringend notwendig und ein
ganz wichtiges Element dieser Debatte. Ich war gestern enttäuscht über den Antrag der CDU, die sagte, man dürfe auf gar keinen Fall eine Vorfestlegung treffen. Stellen Sie sich einmal vor, der Umweltminister würde auf der Trilateralen Wattenmeerkonferenz im Herbst so in die Debatte gehen!
Auch in anderen Fragen herrscht keine Einigkeit. Nehmen wir einmal die Lotsenpflicht. Wir haben in den letzten Jahren sehr viel darüber diskutiert, ob die Lotsenpflicht in der Elbe und im Nord-Ostsee-Kanal eingeschränkt werden soll. Dort ist die Lotsenpflicht gegen die Warnungen von Umweltschützern - reduziert worden. Warum ist sie reduziert worden? Weil die Reedereien Geld sparen wollen. Das ist das Problem, vor dem wir stehen. Jetzt plötzlich haben wir eine Diskussion um die Ausweitung der Lotsenpflicht. Wir sagen einmal „hü“ und einmal „hott“. Wenn der nächste Unfall passiert, sind alle für die Lotsenpflicht. Hinterher wollen alle sie wieder abschaffen. Konsistenz in der politischen Argumentation ist gefragt.
Gleiches gilt für die Regelungen bezüglich der Schiffsbesatzungen. In den letzten Jahren wurden die Regelungen, die die Anzahl der Offiziere und der Besatzungsmitglieder festlegen, abgebaut. Das wissen wir. Alles geschah - auch in Deutschland - auf Forderungen der Reedereien hin. Daher ist es wichtig, dass in der IMO jetzt von verschiedenen Ländern die Forderungen gestellt wurden, die internationalen Regelungen für die Schiffsbesatzungen zu verbessern. Dahinter stehen wir, aber auch da sind die Wirtschaftspolitiker der Parteien gefragt, um zu sagen, was sie wollen. Wollen wir das eine oder das andere?
Die Verlagerung der Schifffahrtslinien weg von der Küste ist ebenfalls ein strittiges Thema. Ich freue mich, dass die CDU im letzten Jahr mit ihrem Antrag darauf abzielte. Gerade deshalb hätte ich erwartet, dass Sie die PSSA-Geschichte mitmachen, denn hier liegt einer der wesentlichen Gründe dafür, warum wir eine PSSA brauchen. Wir brauchen sie, um eine Verlagerung der Schiffslinien hinzubekommen.
Nach dem „Pallas“-Unglück sagte ein Vertreter des BUND sarkastisch: „Das Unglück ist ein Glück, weil es dazu führt, dass endlich etwas passiert“. Diese Formulierung ist nicht unberechtigt. Auch das Unglück in der Kadetrinne hat einen solchen Effekt ausgelöst: Das dänische Ministerium für Handel und Verkehr, das bislang nicht gerade als Vorreiter in Sachen Schiffssicherheit bekannt war, hat für den 10. September 2001 zu einer Sonderministerkonferenz des HELCOM-Abkommens eingeladen. Bis dahin soll die Konferenz auf drei Arbeitstreffen vorbereitet werden. Was jedoch noch besser ist: Die Liste der Themen, die der dänische Wirtschaftsminister vorgeschlagen hat, liest sich wie ein Wunschkatalog von Umweltschützern. Ich nenne einige dieser Punkte: Ausweisung der gesamten Ostsee als PSSA-Gebiet, Lotsenpflicht in der westlichen Ostsee, automatisches Identifizierungssystem für alle Schiffe, Erstellung und verbindliche Nutzung von elektronischen Navigationskarten für die Ostsee, gesonderte Kontrolle von Risikoschiffen und Verbot von Tankern ohne Doppelhülle. Bezüglich der Notfallkapazitäten schlägt Dänemark vor, gemeinsame Konzepte für Brandbekämpfung, Notschleppkapazitäten, Sicherheitshäfen, Notfallbergung und Ölbekämpfung zu entwickeln. Das ist all das, worüber wir in den letzten Jahren diskutiert haben.
Diese große Chance für ein gemeinsames Vorgehen in der Ostsee muss auf jeden Fall genutzt werden. Allerdings müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass es nicht ausreicht, das Thema wieder an Arbeitsgruppen der zuständigen Ministerin zu delegieren und dort totzudiskutieren.
Insbesondere in Bezug auf eine einheitliche Küstenwache ist auf diesem Weg kein wirklicher Fortschritt zu erreichen. Bei einem Projekt, von dem 6 Bundesministerien und 25 Landesministerien durch Umstrukturierung betroffen sind, wird ohne klare Ziel- und Zeitvorgaben nichts passieren.
Deshalb halten wir es für dringend erforderlich, dass die Ministerpräsidenten der norddeutschen Länder jetzt die Initiative ergreifen. Deshalb haben wir unseren Antrag gestellt.
Gemeinsam mit dem Bundeskanzler müssen zeitliche und sachliche Vorgaben festgelegt werden, die ein rasches und verbindliches Handeln sicherstellen. Zugleich muss die Initiative der dänischen Regierung in Gänze unterstützt und zum Erfolg gebracht werden.
Der französische Mathematiker Blaise Pascal sagte vor fast 400 Jahren: Es gibt bereits alle guten Vorsätze. Wir brauchen sie nur noch anzuwenden. Ich schließe mich diesem Wort meines Berufskollegen uneingeschränkt an.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Realität hat uns mit dem Tankerunglück in der Ostsee schneller eingeholt, als wir dachten. Das, was an Dänemarks Ostseeküste passiert ist, hätte auch bei uns passieren können. Es ist nur eine Frage der Windrichtung. Da stellt sich die Frage, ob wir gut vorbereitet gewesen wären oder nicht. Die Problematik stellt sich in vielen Einzelfragen und in einem Gesamtzusammenhang. Die Einzelfragen sind in unserem Antrag exemplarisch dargestellt. Wie wir alle wissen, gehört die Kadetrinne zu den meistbefahrenen Wasserstraßen der Ostsee und ihre Beschaffenheit ist für Schiffe mit größerem Tiefgang recht kritisch. Auch der allgemein ansteigende Schiffsverkehr führt zu steigenden Gefahren in der Ostsee. Daher sollte schnellstmöglich das getan werden, was kurzfristig machbar ist. Hierzu gehört nach Auffassung des SSW die Einführung einer Lotsenpflicht für die Kadetrinne.
Auch wenn das letzte Unglück auf andere Gründe zurückzuführen ist, zeigt es doch, dass Havariefälle in dieser Seeregion fatal enden und dass daher mit einer Lotsenpflicht möglichen weiteren Havariefällen vorgebeugt werden muss. Die Errichtung eines Havariekommandos ist der wichtigste Schritt hin zu einer effizienten Einsatzstruktur. Wir haben dieses Thema in den Ausschüssen und hier im Landtag bereits im Zusammenhang mit der Havarie der „Pallas“ diskutiert. Kollege Schlie hat das gerade sehr gut dargestellt.
schnell umsetzen lässt, wie wir das wünschen, ist jedoch mehr als fraglich. Aber die politische Forderung bleibt. Ziel muss es sein, eine einheitliche und länderübergreifende Küstenwache einzurichten, die über genaue Zuständigkeiten und Kompetenzen verfügt.
(Beifall der Abgeordneten Silke Hinrichsen [SSW], Klaus Schlie [CDU] und Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Zumindest wird die Landesregierung durch die von uns aufgestellten Beschlüsse aufgefordert, sich über die Ministerpräsidentenkonferenz bei der Bundesregierung dafür einzusetzen, sich der Sache anzunehmen und deutlich zu machen, dass es sich bei der Sicherheit des Schiffsverkehrs um eine nationale Aufgabe handelt.
Die weiteren Sicherheitsmaßnahmen, die unter Punkt 3 angesprochen werden, sind in ihrer Zielsetzung als Selbstverständlichkeiten aufzufassen. Gleichwohl steht nicht so sehr die Frage des Was im Raum, sondern eher die Frage des Wie. Hier eine Hilfestellung durch die Landesregierung zu bekommen, um dann politisch entsprechend handeln zu können, ist der richtige Weg.
All die einzelnen Maßnahmen sind wichtig, aber die Frage, die sich in der Gesamtbetrachtung stellt - das hat auch Herr Hentschel eben angesprochen -, ist, wie es mit der Zusammenarbeit steht und ob alle Akteure einheitlich handeln oder - anders ausgedrückt - alle an einem Strang ziehen.
Die gleichen Fragen stellt man sich auch im Nordseeraum. Durch die Einrichtung eines PSSA wird möglicherweise die Zusammenarbeit mit den NordseeAnrainerstaaten, was Schiffssicherheit angeht, auf eine sicherere Grundlage gestellt. Deutschland, Dänemark und die Niederlande werden in einem möglichen PSSA „Wattenmeer“ eng zusammenarbeiten und ihre Maßnahmen zur Schiffssicherheit aufeinander abstimmen. Möglicherweise werden für den Fall der Fälle sogar einheitliche Einsatzstrukturen festgeschrieben. Dort bewegt sich also etwas und das begrüßen wir genauso wie Sie, Herr Kollege Hentschel.
Wir sollten nun darüber nachdenken, ob so etwas auch für den Bereich der westlichen Ostsee attraktiv ist wir haben gerade gehört, dass man das in Dänemark schon tut -, zumal zwei der Nordseepartner, nämlich Dänemark und Deutschland, auch hier zusammenarbeiten können. Man hätte also die Möglichkeit, auf bestehende Erfahrungen zurückzugreifen, um ein vergleichbares Projekt schneller voranzubringen. Eine Zusammenarbeit zwischen Dänemark, Deutschland und Polen nach Vorbild der PSSA-Zusammenarbeit im Nordseeraum könnte durchaus zu mehr Schiffssicherheit beitragen.
Eine Havarie macht vor Grenzen nicht Halt. Das haben wir immer wieder schmerzlich erfahren müssen. Schon aus diesem Grund müssen wir nicht nur über die konkreten Einzelmaßnahmen nachdenken, sondern ganzheitliche, staatenübergreifende Strukturen ins Auge fassen.
Mir liegt noch eine Wortmeldung des Herrn Abgeordneten Rother vor. - Die wird nicht aufrechterhalten. Dann hat jetzt Herr Minister Dr. Rohwer das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mehr Schiffssicherheit ist gerade für Schleswig-Holstein, das Land zwischen den Meeren, existenziell, sie ist existenziell für unsere Küsten, für unsere Natur, für den Tourismus. Das ist in diesem hohen Hause völlig unstrittig. Jetzt geht es darum, was wir tun können, damit die richtigen Maßnahmen schneller umgesetzt werden.
Auch ich finde es ärgerlich, dass es so lange dauert, die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen auf den verschiedenen nationalen und internationalen Ebenen umzusetzen. Sie wissen, dass die Länder hier praktisch keine eigenen Kompetenzen haben. Beim Bund sind die Kompetenzen verteilt und international sind sie äußerst komplex, wenn wir allein die Beispiele EU und IMO nehmen.
Dennoch ist der Antrag sinnvoll. Es passiert einiges. Wir müssen den Druck verstärken. Ich möchte auf einige Punkte des Berichts bereits jetzt hinweisen und drei, vier Beispiele nennen.
Zur Havariebekämpfung! In Zusammenarbeit mit den anderen deutschen Küstenländern haben wir - insofern brauchten wir die Aufforderung eigentlich nicht mehr am 5. April immerhin - das ist ein wichtiger Schritt einen Beschluss der Ministerpräsidenten herbeigeführt, der die Bundesregierung zur Einrichtung eines Havariekommandos und einer Seewache nachdrücklich auffordert. Aus Gesprächen mit dem Bundesverkehrsminister weiß ich, dass das Problem dort massiv gesehen wird und Druck gemacht werden soll. Weil allerdings unterschiedliche Ressorts beteiligt sind, kann es noch etwas dauern. Ich hoffe, es geht schnell. Ich weise an dieser Stelle nur darauf hin, dass in den letzten Jahren - auch unter der alten Bundesregierung - vieles nicht so schnell passiert ist, wie es hätte passieren sollen. Insofern ein Dank an die Antragsteller, weil sie
Zur passiven Tankersicherheit und zur vorbeugenden Kontrolle! Die Bundesregierung unterstützt mit Nachdruck die EU-Richtlinienvorschläge sowohl für die beschleunigte Einführung von Doppelhüllentankern als auch für die Kontrolle der Klassifikationsgesellschaften und die Intensivierung der Hafenstaatenkontrolle.