Protocol of the Session on May 11, 2001

Vor diesem Hintergrund unterstützen ich und die FDPFraktion den heutigen Antrag von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW zur Sicherheit des Schiffsverkehrs in der westlichen Ostsee.

(Beifall bei FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ohne Frage wird die Bedrohung der Ostseeküste durch Schiffskatastrophen und Meeresverschmutzungen im Rahmen des steigenden Schiffsaufkommens in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Das gilt für die Nordsee und das gilt angesichts der Öffnung des Ostseeraums insbesondere für die Ostsee. Ich habe das im Februar-Plenum bereits thematisiert.

Mit großem Interesse habe ich daher an der Anhörung des Landtages Mecklenburg-Vorpommern zum Thema „Vorbeugung und Bekämpfung von Schiffsunfällen, Verbesserung der Schiffssicherheit, Sicherheit von Seestraßen, Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit“ Ende April dieses Jahres in Schwerin teilgenommen.

(Beifall des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

Bemerkenswerterweise war der Einladung des Präsidenten des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern an die Vertreter des Schleswig-Holsteinischen Landtages ansonsten nur noch der Kollege Wilhelm Malerius gefolgt. Von den Grünen war bedauerlicherweise kei

(Joachim Behm)

ner zu erblicken. Wahrscheinlich liegt das am Thema. Wenn es um die Schiffssicherheit geht, ist von den Grünen selten einer da.

(Beifall bei der FDP - Zuruf der Abgeordne- ten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das war schon bei der „Pallas“ so, habe ich mir sagen lassen. Als es jetzt um die Vermittlung von Sachverstand speziell für den Ostseeraum ging: wieder Fehlanzeige!

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Herr Schlie hat das ganz anders er- zählt!)

Auf der internationalen Tagung in Schwerin stellten Sachverständige, Wissenschaftler und Politiker eindrucksvoll dar, welche Schwachstellen es nach wie vor bei den Fragen der Schiffssicherheit gibt, aber auch, in welcher Weise bereits heute Handlungsmöglichkeiten bestehen.

Ich möchte das bei allen Forderungen nach mehr Sicherheit im Schiffsverkehr deutlich hervorheben: Es gibt auch heute schon eine Vielzahl nationaler wie internationaler rechtlicher Regelungen und Vereinbarungen, um ein hohes Maß an Schiffssicherheit zu gewährleisten. Professor Lagoni hat dies auf der Tagung in Schwerin sehr deutlich gemacht.

Nach seinen Ausführungen gibt es aktuell kein Defizit im Sinne fehlender oder unzureichender internationaler Regelungen hinsichtlich der Schiffssicherheit. Es kommt nur entscheidend auf eine effiziente Anwendung der bestehenden Regelungen durch die zuständigen nationalen Behörden an. Hier besteht noch großer Handlungsbedarf.

Der Fall der „Pallas“ ist hierfür nach wie vor ein treffliches Beispiel. Hier waren vor allem die Hilf- und Tatenlosigkeit der Akteure das Problem. Angesichts der Tatenlosigkeit, die seinerzeit Zentraler Meldekopf und Einsatzleitgruppe und nicht zuletzt der damalige grüne Umweltminister an den Tag gelegt haben, hätte wahrscheinlich ein Mehr an Regelungen auch nicht geholfen, um der Havarie Herr zu werden, ganz abgesehen davon, dass es dieses Mehr an Regelungen, Vorgaben oder Einsatzmöglichkeiten bis heute so gut wie nicht gibt.

Bislang beschränken sich die Konsequenzen aus dem damaligen Unglücksfall ganz überwiegend auf Vorschlags-, Empfehlungs-, Prüfungs- und Unterstützungsformen, wie dem Bericht der Landesregierung zu entnehmen ist. Das reicht nicht aus. Damit ist weder dem Meer noch den Küstenbewohnern geholfen.

(Vereinzelter Beifall bei der FDP)

Gleichwohl warne ich davor, bei allem Handlungsbedarf und angesichts der Notwendigkeit, die unterschiedlichen Anforderungen nach nationalem, europäischem und internationalem Recht aufeinander abzustimmen, die Forderungslatte zu hoch zu legen. Wir sollten insbesondere nicht der Wunschvorstellung erliegen, von Deutschland oder gar von SchleswigHolstein aus wesentliche Verbesserungen hinsichtlich der Schiffssicherheit herbeiführen zu können. Auch Sonderregelungen für den Ostseeraum helfen kaum.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nicht zu fassen! Sie ken- nen den Diskussionsstand überhaupt nicht!)

Denn jegliche Alleingänge einer Region sind angesichts der internationalen Vorgaben durch die IMO oder einer weltweiten diplomatischen Konferenz gegenüber Drittlandschiffen rechtlich nicht möglich. Gegenüber Schiffen der eigenen Flagge sind sie ebenfalls nicht zielführend, denn über die Anforderung der IMO hinausgehende Vorschriften führen unweigerlich zu zusätzlichen Kosten und damit zu Wettbewerbsverzerrungen im Verhältnis zu den Drittlandschiffen. Das wiederum hat erfahrungsgemäß das Ausflaggen dieser Schiffe zur Folge. Genau das wollen wir nicht.

(Beifall der Abgeordneten Dr. Christel Hap- pach-Kasan [FDP])

Vor diesem Hintergrund erklären sich auch die Schwierigkeiten, die angesichts einer ohne Zweifel wünschenswerten Lotsenpflicht für die Kadetrinne bestehen. In dieser engen und stark befahrenen Schifffahrtsstraße zwischen Deutschland und Dänemark ereigneten sich in den vergangen zehn Jahren 21 Unfälle - zuletzt der Unfall der „Baltic Carrier“, zwar etwas außerhalb der Kadetrinne, aber immerhin doch in der Nähe -.

(Martin Kayenburg [CDU]: Hätte das ein Lotse verhindern können? Das war doch ein Maschinenschaden!)

- Zumindest hätten Maßnahmen rechtzeitig ergriffen werden können.

Gleichwohl kann für diesen Bereich Lotsenpflicht für fremde Schiffe weder von der Bundesrepublik Deutschland oder Dänemark noch von beiden gemeinsam angeordnet werden. Denn die Kadetrinne verläuft in den Außenwirtschaftszonen der beiden Staaten Dänemark und Deutschland - Herr Malerius hat drauf hingewiesen - und die geltende Schifffahrtsfreiheit schließt eine Lotsenpflicht aus. Hier ist also die internationale Staatengemeinschaft gefragt. Doch dies ist langwierig. Was uns für eine zügige Verbesserung bleibt, ist daher nur ein Appell zur freiwilligen Annahme von Lotsen.

(Joachim Behm)

Nach dem Vortrag des Sachverständigen aus dem Bundesverkehrsministerium in Schwerin folgen bereits 95 % aller großen Schiffe im Bereich der Kadetrinne dieser Empfehlung. Einer Änderung der IMOEmpfehlung in eine „dringende Empfehlung“ dürfte daher kaum wesentliche Bedeutung zukommen,

(Beifall bei der FDP)

ganz unabhängig davon, dass sich daraus auch nur die mittelbare Wirkung ergibt, dass Schiffsversicherungen die Schiffe vertraglich zur Lotsenannahme bewegen können. Vielversprechender erscheint mir daher eine Verkehrsüberwachung - ähnlich wie wir sie beim Flugverkehr kennen.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh!)

Das automatische Schiffsidentifizierungssystem AIS ist bereits im Entstehen.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das braucht aber auch eine in- ternationale Regelung, genau wie das Ande- re!)

- Das ist so, Herr Hentschel. Eine zügige Bereitstellung, um die nahezu vollständige Erfassung und Kontrolle des Verkehrsgeschehens vor der deutschen Küste zu ermöglichen, ist unbedingt erforderlich. Es könnte helfen, vom Land auf die Schifffahrt im internationalen Bereich durch das Bereitstellen von Warnungen und Hinweisen sicherheitsfördernd einzuwirken. Diese Forderung ist so alt wie aktuell. Wir brauchen endlich eine einheitlich gestärkte Küstenwache, ein Havariekommando, um einen effektiven Küstenschutz zu gewährleisten.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was denn nun?)

Hier sind insbesondere der Bund, MecklenburgVorpommern, Schleswig-Holstein im Zusammenwirken mit Dänemark gefordert. Ziel muss eine einheitliche Informations- und Kommandostruktur sein.

Ohne Frage kosten so ein Sicherheitssystem und ein Havariekommando viel Geld. Es ist jedoch keine Frage, dass Gelder für die Schiffssicherheit wesentlich besser eingesetzt sind als beispielsweise für die Finanzierung der Gesamtkosten von über 30 Millionen DM, die für Bund und Küstenländer im Zusammenhang mit der „Pallas“-Havarie entstanden sind.

(Beifall bei der FDP)

Wir sollten aber endlich die schon lange geforderten Kommandostrukturen und Sicherheitssysteme tatsächlich ins Leben rufen. Der nächste Unfall könnte sonst die ganz große Katastrophe sein.

(Beifall bei der FDP und der Abgeordneten Rolf Fischer [SPD], Heinz Maurus [CDU] und Lars Harms [SSW])

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hentschel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich finde es ja gut, dass Sie nach Schwerin gefahren sind, um sich ein bisschen zu informieren. Deswegen hätten Sie aber in der Diskussion nicht gleich alles durcheinander bringen müssen. Aber Sie waren ja bei den Diskussionen der letzten Jahre auch nicht dabei. Daher verzeihe ich Ihnen das.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Sie ja auch nicht, Herr Hentschel! - Heiterkeit bei der CDU)

Am 29. März 2001 kollidierte um 20 Minuten nach Mitternacht der Tanker „Baltic Carrier“ mit dem Zukkerfrachter „Tern“ 15 sm nördlich der Halbinsel Darß.

Die „Baltic Carrier“ ist kein veralteter Seelenverkäufer, sondern ein nagelneues Doppelhüllenschiff, das einer Hamburger Reederei gehört und unter der Flagge der Marschall-Inseln fährt. Es sind 2.700 l Schweröl ausgelaufen und haben vorwiegend die Strände der Insel Falster verölt. Tausende Seevögel kamen ums Leben. Dass das bedeutende Naturreservat und Vogelschutzgebiet Fischland in Mecklenburg-Vorpommern verschont blieb, ist nur den günstigen Umständen und Winden zu verdanken.

Es ist zweieinhalb Jahre her, dass der Holzfrachter „Pallas“ vor Amrum gestrandet ist. Fünf Jahre ist es her, dass wir im Landtag eine Debatte zu den Ölanlandungen vor Amrum geführt haben.

Auch damals haben wir weitreichende Konsequenzen gefordert. Wenn es so weitergeht, können wir uns in Zukunft alle zweieinhalb Jahre wieder treffen, um entscheidende Maßnahmen zu fordern. Was wir dabei leicht vergessen, ist die Tatsache, dass die Einleitung von Öl durch Schiffsunfälle kein singuläres Ereignis ist, das alle zweieinhalb Jahre auftritt. Nach Schätzungen der staatlichen Luftüberwachung gelangen jährlich mehrere Tausend Tonnen Öl aus Schiffseinleitungen allein in die deutschen Nordseegewässer. Wie viele von diesen Einleitungen legal sind, lässt sich schwer schätzen. Es gibt legale und illegale Einleitungen und die Luftüberwachung kann nicht alle messen.

Im Unterschied dazu sind alle Einleitungen in die Ostsee generell illegal, denn die Ostsee ist als MARPOL-Sondergebiet ausgewiesen. Das ist schon ein

(Karl-Martin Hentschel)

erheblicher Fortschritt gegenüber der Nordsee. Das erleichtert auch die Luftüberwachung. Trotzdem müssen wir - gerade für den Bereich der Nordsee - wissen: Die Öleinleitungen von Schiffen machen nur 13 % der geschätzten jährlichen Einleitungen von 150.000 t Öl in die Nordsee aus. Die Hälfte der Öleinleitungen stammt immer noch von den Ölförderplattformen. Auch die Einträge über die Luft und die Flüsse sind immer noch dreimal so hoch wie die über Schiffseinleitungen. Das heißt, dass das gesamte Problem im Auge behalten werden muss, wenn wir darüber politisch diskutieren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD])

Die Debatten folgen einer vertrauten Logik: Immer, wenn ein größerer Unfall passiert, wachen Parlamente auf und fordern dringend Handlungen. Dann werden Arbeitsgruppen eingesetzt, die für einige Jahre beschäftigt sind. Wenn ich mir die Arbeitsgruppen auf Bundesebene angucke, habe ich den Eindruck, dass die Radikalität der Maßnahmen abnimmt, je mehr Zeit verstreicht.