Protocol of the Session on May 10, 2001

(Klaus-Dieter Müller)

Es muss weiter gelten: Wer nur wenig Geld hat und wem es ganz überwiegend um kleine und mittlere Unternehmensstrukturen geht - und wir haben hier im Lande nichts anderes, wir haben keine großen Unternehmen -, der muss nahe Märkte mit wenigen Barrieren im Auge haben. Alles andere geht an den Bedürfnissen und der Wirklichkeit der kleinen und mittleren Unternehmen schlichtweg vorbei.

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Außenwirtschaftspolitik hat nichts mit Wolkenkuckucksheimen zu tun, sondern mit erreichbaren Zielen und schnellen, realistischen Erträgen. Ich rede von Prioritäten. Ich schließe selbstverständlich nicht aus, dass wir uns auch um außereuropäische Chancen kümmern müssen. Aber auch hier gilt: Kosten und Nutzen im Auge haben, Konzentration auf das Wesentliche und schnell Erreichbare. Ich habe die Erfolge in China mit Genugtuung zur Kenntnis genommen, aber machen wir uns nichts vor: China ist kein Markt für schnelle Erträge. Ich gebe dem Minister völlig Recht: Die greifbaren Potenziale außerhalb Europas liegen auf dem US-Markt.

Bei den Branchen zeigt sich, dass Anstrengungen im Bereich Elektronik/Informationstechnologien Wirkung zeigen, Maschinenbau und Chemie halten Position. Wenn es richtig ist - der Bericht bleibt konkrete Beispiele schuldig -, dass eine Reihe mittelständischer Konzerne, die auf ihren Spezialgebieten Weltmarktführer sind, maßgeblich zum positiven Ergebnis beigetragen haben, sollte man sie auch nennen.

Wenn es um die Instrumentarien der Außenwirtschaftsförderung geht, werden Sie überall - auch in diesem Bericht - lesen, wie wichtig Delegationsreisen und die Nutzung persönlicher Kontakte sind. Das ist richtig und wird auch bei uns entsprechend praktiziert. Mein Kollege Eichelberg hat da eine etwas gespaltene Haltung: Hier und heute spricht er von „zielloser Reiserei“. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, haben Sie seinen nachgerade euphorischen Bericht aus Anlass seiner Teilnahme an der ziellosen Reise in die USA gelesen?

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Ich möchte in diesem Zusammenhang sehr konsequent trennen zwischen Delegationsreisen als Mittel zur allgemeinen Kontaktpflege und Verbesserung der Atmosphäre einerseits - dies geschieht nach gleichen Regeln wie überall auch bei uns - und gezielten Recherchen und daraus resultierendem Ansprechen von Unternehmen und Regionen, deren Unzufriedenheit mit anderen Standorten bekannt ist, deren Expansions

absichten deutlich werden und so weiter. Ich bin davon überzeugt, dass Außenwirtschaftsförderung in beide Richtungen noch sehr viel spezieller und gezielter betrieben werden sollte. Das ist etwas anderes als Delegationsreisen. Das ist Aufgabe einer Taskforce, die nah am Minister sein muss.

In diesem Zusammenhang komme ich zum Thema Haushalt und Außenwirtschaftsförderung. Kollege Eichelberg, auch wir, die Wirtschaftspolitiker der SPD-Landtagsfraktion, haben bedauert, dass die Haushaltsansätze an dieser Stelle in diesem Maße gekürzt wurden, aber auch der Einzelplan 06 bleibt von schmerzlichen Einschnitten nicht verschont. Das müssen wir leider zur Kenntnis nehmen.

Ich weiß, dass der Minister die richtigen Konsequenzen ziehen will. Vor dem Hintergrund der Haushaltsprobleme stellt sich die Frage nach strukturellen Veränderungen und Schwerpunktsetzungen innerhalb des Ressorts. Da schlage ich die Brücke zu meinen Ausführungen in Bezug auf eine noch speziellere Politik der Außenwirtschaftsförderung, die sich an konkreten Entwicklungen und Bedarfen orientiert. Ich kann Ihnen da sehr erfolgreiche Beispiele nennen, sowohl in Bayern als auch in Hamburg. Hier helfen die Methoden des Benchmarking durchaus weiter. Bernd Rohwer wird hier zusätzliche neue Akzente setzen. Da sind wir sicher.

Ich möchte an dieser Stelle kritisch an die weiteren Partner der Außenwirtschaftspolitik appellieren.

Ein Blick auf die Instrumentarien einer Außenwirtschaftsförderung der wichtigen Konkurrenzländer Deutschlands - Frankreich, Großbritannien, Japan, USA - zeigt, dass dort der Aufbau von Exportkapazitäten bei Klein- und Mittelbetrieben besonders unterstützt wird, da hier zwar gute Möglichkeiten für den Export bestehen, aber kleine und mittlere Unternehmen - KMU - allzu häufig die finanziellen Risiken scheuen.

Insbesondere in Frankreich und Japan werden die Außenwirtschaftsaktivitäten der KMU von staatlichen, halbstaatlichen, aber auch privaten Kreditinstituten deutlich stärker begleitet als bei uns. Dort zählt zu den Standardinstrumenten ein differenziertes Angebot an Exportfinanzierung und -versicherung - das kennen wir mit Hermes auch in Deutschland. Aber JointVenture-Beteiligungen finanziell zu begleiten, würde ich Sie bitten, einmal einem deutschen Kreditinstitut vorzuschlagen; da werden Sie erleben, dass die Türen schnell geschlossen werden. Es gilt also auch, das Bankensystem bei uns kritischer als bisher zu begleiten. Ich möchte einmal selbstkritisch in Richtung des Parlaments sagen: Es reicht nicht, bei den Banken Häppchen zu essen und guten Wein zu trinken, son

(Klaus-Dieter Müller)

dern wir müssen uns mit ihnen auch kritisch auseinander setzen.

(Beifall der Abgeordneten Roswitha Strauß [CDU])

Bei unseren Konkurrenten steht an herausragender Stelle die Marktforschung. Das ist nicht zuletzt Aufgabe der Auslandshandelskammern. Ein Besuch des Arbeitskreises Wirtschaft der SPD-Landtagsfraktion bei der AHK Oslo vor wenigen Monaten konnte uns diesbezüglich nicht beruhigen. Wir würden es begrüßen, wenn die Landesregierung und die Kammerorganisation den Auslandshandelskammern die in den für unsere schleswig-holsteinische Wirtschaft bedeutenden Märkten ermittelten Grunddaten transparenter machen würden, damit Aktivitäten unserer KMU in Gang gesetzt werden. Als Funktionär des DIHT und der Kammer Kiel liegt mir viel daran, die Kooperation zwischen Regierung und Kammer zu optimieren.

Lassen Sie mich abschließend kurz auf ein sehr wesentliches Instrument der Außenwirtschaftsförderung eingehen, das mir am Herzen liegt. Ich meine die Bindung zukünftiger ausländischer Entscheidungsträger an unser Land. Mentale Bindungen sind der beste Garant für dauerhaft gute Auslandsbeziehungen. Darum müssen wir nicht nur in der Verwaltung, sondern in allen gesellschaftlichen Bereichen Austauschprogramme nachhaltig fördern.

Der Potsdamer Platz hätte kein Sony-Gebäude, wenn nicht der inzwischen verstorbene Sony-Chef in Berlin studiert hätte. Rechnen wird sich die Investition für Sony ganz bestimmt nicht.

Insofern begrüße ich auch die Initiative des Landtagsvizepräsidenten. Wer morgen Außenwirtschaft erfolgreich betreiben will, muss heute für persönliche Bindungen von Ausländern an unser Land sorgen, umso mehr, als wir in der Welt leider nicht gerade das Image besonderer Gastfreundschaft genießen.

(Thorsten Geißler [CDU]: Sehr richtig!)

Nach Schätzungen des DIHT wird sich der Anteil des Auslandsgeschäfts am Gesamtumsatz mittelständischer Unternehmen bis 2005 nahezu verdoppeln. Wir sprechen hier über einen Kernbereich unserer Wirtschafts- und Strukturpolitik. Lassen Sie uns Bewährtes fortführen, Neues hinzufügen, andere Schwerpunktsetzungen und Methoden verwenden und lassen Sie uns erkennen, dass der, der nicht viel hat, nicht nur besonders kreativ sein muss, sondern sich vor allem auf das Wesentliche konzentrieren muss! Das Wesentliche ist nicht immer das mental Gewollte, sondern eher das rechnerisch Sinnvolle.

(Lebhafter Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich erteile Frau Abgeordneter Aschmoneit-Lücke das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Steigerung der Import- und Exportquoten des verarbeitenden Gewerbes zeigten es deutlich: Die Einbindung der schleswig-holsteinischen Wirtschaft in die internationale Arbeitsteilung hat sich in den vergangenen Jahrzehnten verstärkt. Dies ist ein Erfolg für SchleswigHolstein. Die Offenheit eines Wirtschaftsraumes gegenüber Handelspartnern in aller Welt ist vorteilhaft für alle Beteiligten. Alle diesbezüglichen international vergleichenden Studien der letzten Jahrzehnte beweisen deutlich: Die Offenheit der Märkte für Güter und Dienstleistungen stärkt die Wirtschaftskraft und erhöht damit den Lebensstandard der Menschen.

Die Entwicklung des Außenhandels in SchleswigHolstein ist eine Folge der zunehmenden Internationalisierung wirtschaftlicher Beziehungen sowohl auf europäischer als auch auf globaler Ebene. Dieser Prozess der Globalisierung wird vor allen Dingen aus einer Quelle gespeist: aus den sinkenden Kosten des Handels.

Die Transport- und Kommunikationskosten sind in den vergangenen Jahrezehnten rapide gesunken; ferner wurden weltweit tarifäre und nichttarifäre Handelshemmnisse abgebaut. Ursächlich hierfür sind einerseits der technische Fortschritt und andererseits die Erfolge internationaler Verhandlungen im Rahmen des GATT und später der Welthandelsorganisation. Die sinkenden Kosten des internationalen Handels erlauben es den Unternehmen, ihre Produktion auf weniger Standorte zu konzentrieren. Es kommt zu einer stärkeren regionalen Differenzierung der Produktion. Auch kleinere Unternehmen können ihre Produkte zu wettbewerbsfähigen Preisen international anbieten.

Ein wesentlicher Motor des Handels in Europa ist das Zusammenwachsen der EU und die immer stärkere Annäherung der mittel- und osteuropäischen Staaten an die EU. Der Binnenmarkt und der Euro sind die Triebkräfte, die den innereuropäischen Handel vorantragen.

An alldem ist die Regierung des Landes SchleswigHolstein nur als Zuschauer beteiligt, nicht als maßgebliche Kraft, was ausdrücklich, Herr Minister, nicht als Vorwurf gemeint ist. Ich begrüße es tatsächlich, Herr Minister Rohwer, dass Sie das ebenso sehen und

(Christel Aschmoneit-Lücke)

das Wachstum des schleswig-holsteinischen Außenhandels in Ihrem Bericht nicht als Regierungserfolg verkaufen. Das ist zwar erstaunlich, aber trotzdem richtig.

(Zuruf der Abgeordneten Roswitha Strauß [CDU])

Das Wachstum des Außenhandels ist eine Leistung der Menschen in den schleswig-holsteinischen Unternehmen,

(Beifall bei der FDP)

die sich immer besser im internationalen Wettbewerb bewähren. Herr Minister, ich muss Ihnen ausdrücklich zustimmen - und tue dies gerne -, wenn Sie sagen: Der Landtag gratuliert der Wirtschaft. - So haben Sie es eben ausgedrückt. Besser konnte man es sicher nicht sagen. Ich schließe mich dem an.

Zum Bericht selbst: Die Exportquote unseres Landes hat sich der Exportquote der Bundesrepublik angenähert. 1980 erreichte die Exportquote SchleswigHolsteins 66 % der Exportquote des Bundes. Heute sind es immerhin 90 %. Das zeigt, dass sich die schleswig-holsteinische Wirtschaft in ihrer Struktur auch darauf hat Minister Rohwer hingewiesen - dem Bundesdurchschnitt angenähert hat. Im Bericht heißt es dazu: „Schleswig-Holsteins Wirtschaft holt im Ausland auf.“ Richtigerweise hätte es allerdings heißen müssen: Schleswig-Holsteins Wirtschaft hat bis Mitte der 90er-Jahre im Vergleich zum Bund aufgeholt. - Denn die Exportquote unseres Landes liegt schon seit 1995 bei 90 % der Exportquote des Bundes. Seitdem hat sich leider nicht mehr viel getan.

Was zeigt uns das? Bis Mitte der 90er-Jahre ist der Außenhandel Schleswig-Holsteins schneller gewachsen als in Gesamtdeutschland. Seitdem wächst er genauso schnell. Wenn wir die Entwicklung des Exportgeschäfts als Indikator für die internationale Wettbewerbsfähigkeit eines Standortes heranziehen, dann müssen wir hier feststellen: Seit Mitte der 90er-Jahre hat sich die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Schleswig-Holstein im Vergleich zur Bundesrepublik nicht mehr verbessert. Dieses Ergebnis wird durch die Entwicklung der Direktinvestitionen bestätigt: Betrug das Verhältnis der Direktinvestitionen ausländischer Unternehmen in Schleswig-Holstein zu den Direktinvestitionen schleswig-holsteinischer Unternehmen im Ausland 1990 noch 2,2, so ging es danach bis auf 1,3 im Jahre 1996 zurück und erreichte 1998 1,96. Anders ausgedrückt: Die Direktinvestitionen ausländischer Unternehmen in Schleswig-Holstein sind von 1990 bis 1998 um 153 % gestiegen - das ist natürlich erfreulich -, die Direktinvestitionen schles

wig-holsteinischer Unternehmen im Ausland allerdings um 184 %.

(Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, ich darf um etwas mehr Aufmerksamkeit bitten - wenn ich Ihnen auch für diesen Lärmpegel ausgesprochen dankbar bin, kann ich doch so nicht mehr durch den Baustellenlärm gestört werden.

(Heiterkeit)

Das heißt, schleswig-holsteinische Unternehmen verlagern ihre Produktion in einem stärkeren Maße ins Ausland, als Schleswig-Holstein ausländische Unternehmen anzieht. Es ist eindeutig: Die relative Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Schleswig-Holstein sinkt. Das ist die traurige Botschaft dieses Berichtes. Darüber können alle Beschreibungen des Wachstums der absoluten Export- und Importwerte nicht hinwegtäuschen. Dieses Problem werden wir auch allein mit verstärkten Messebeteiligungen und Auslandsreisen nicht lösen.

Ich sagte es schon im November: Messebeteiligungen und Auslandsreisen sind in vielen Regionen der Welt sehr hilfreich, um Türen zu öffnen und Kontakte anzubahnen. Es ist wichtig, unseren Unternehmen dabei zu helfen, im Ausland Fuß zu fassen. Die Anstrengungen aller im Bericht genannten und nicht genannten Akteure, die sich hier engagieren, begrüße ich und unterstütze sie aus vollem Herzen.

(Beifall bei der FDP)

Aber alle Anstrengungen auf diesem Gebiet können eine verfehlte Standortpolitik in Schleswig-Holstein nicht ausgleichen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: So ist es!)

Denn die wesentlichen Voraussetzungen für die Qualität eines Standortes im internationalen Vergleich werden nicht durch Ausstellungen und Auslandsbesuche bestimmt, sondern durch die heimische Wirtschaftspolitik. Herr Minister, Sie haben vorhin vom Außenwirtschaftsmarketing gesprochen. Ich will Ihnen darin ausdrücklich Recht geben. Aber ich denke, eine richtige, eine vernünftige heimische Wirtschaftspolitik hier ist das beste Wirtschaftsmarketing, das uns dann auch die entsprechenden Investitionen bringt.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich bin im Übrigen völlig davon überzeugt, dass sich der Wirtschaftsminister unseres Landes dieser Tatsa

(Christel Aschmoneit-Lücke)