Protocol of the Session on May 11, 2000

Wir bleiben dabei - ich sage es noch einmal -: Angesichts der finanziellen Perspektiven SchleswigHolsteins muss es die vordringlichste Aufgabe der Landesregierung sein, sich über den Bundesrat für eine andere Finanzierung der geplanten Einkommen- und Unternehmenssteuerreform einzusetzen.

(Beifall des Abgeordneten Günter Neugebau- er [SPD])

Der Bund darf die geplanten Reformen nicht auf dem Rücken der Länder und Kommunen durchsetzen.

Noch ein Wort zur Diskussion über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Liegenschaftsmodell. Ich kann es nicht sein lassen. Aus dem Urteil geht zwar hervor, dass das Liegenschaftsmodell an sich nicht gegen die Verfassung verstößt. Das ist ja schon einmal ganz wichtig. Dennoch darf die Landesregierung die Einnahmen aus dem Verkauf der Liegenschaften nicht einfach verbuchen, sondern sie muss sie als Kreditaufnahme behandeln.

(Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

- Ich bin ja noch nicht fertig! - Bei so einem Urteil würde man im Sport von einem Unentschieden sprechen.

(Martin Kayenburg [CDU]: Ach?)

F.D.P und CDU haben zwar während des Spiels ganz offensiv gegen das Tor der Regierung gespielt, aber am Ende hat die Landesregierung doch ein Unentschieden über die Zeit gerettet. Ich komme mit diesem Beispiel, weil sich vorhin schon andeutete: Es geht auch darum, sich um eine redliche Sprache zu bemühen. Ich denke, das schulden wir auch den Menschen. Denn je mehr wir darüber -

(Martin Kayenburg [CDU]: Von wem stammt denn die Presse? Von Herrn Möller, nicht von uns!)

- Das war eine allgemeine Aufforderung, sich um eine redliche Sprache zu bemühen!

(Zurufe von der CDU)

- Ja, das will ich gern sagen!

(Vereinzelter Beifall bei der SPD - Martin Kayenburg [CDU]: So nicht!)

Ein letzter Satz, Herr Präsident, denn das wird in Zukunft ganz wichtig sein. Je mehr wir von Überschüssen erfahren, je mehr wir von Steuermehreinnahmen auf Bundesebene erfahren, desto schwieriger wird es für die Menschen zu begreifen, dass wir jetzt wieder drastisch einsparen und kürzen müssen und daher nicht weiterkommen. Wir geraten in eine neue Krise der Glaubwürdigkeit, wenn wir diesen Spagat nicht hinbekommen.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Minister Möller das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie, Herr Sager, und der Präsident des Landesrechnungshofs haben ja festgestellt, dass das Ergebnis des Haushaltsabschlusses 1999 erfreulich ist. Aber damit sind nicht die Finanzprobleme des Landes gelöst.

Lassen Sie mich kurz auf Folgendes hinweisen: Wir haben aufgrund des Haushaltsabschlusses 100 Millionen DM weniger Kredite aufgenommen. Wir haben die Restkreditermächtigung deutlich erhöht. Wir haben die Verfassungsgrenze eingehalten und von 120 Millionen DM an Steuermehreinnahmen 110 Millionen DM als Vorsorge für das Jahr 2001 eingeplant.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Ulf von Hielmcrone [SPD])

Das ist heute Morgen von einem anderen Redner hier zwar kritisiert worden, aber ich denke, dass es richtig ist, denn alle wollen die Unternehmenssteuerreform. Und dies ist uns, Herr Sager, ohne einen Nachtragshaushalt, nur aufgrund eines scharfen und harten Haushaltsvollzugs gelungen.

(Beifall der Abgeordneten Lothar Hay [SPD] und Günter Neugebauer [SPD])

Wir sind jetzt beim Haushalt 2000. Sie haben noch während der Haushaltsberatungen gesagt: „Luftbuchungen“, „unsolide finanziert“. Jetzt sehen Sie plötzlich die Möglichkeit für Einsparungen. Ich erwidere Ihnen: Unser Konzept für den Haushaltsvollzug 2000 ist wie im Vorjahr. Erstens: Wir werden eine strikte Bewirtschaftung der Reste vornehmen, die Freigabe der Verpflichtungsermächtigung strikt handhaben und darauf achten, dass die globalen Minderausgaben erreicht werden. Wir werden versuchen, die Mehreinnahmen, die wir uns aus der Steuerschätzung erhoffen - ich komme noch darauf zu sprechen;

(Minister Claus Möller)

so einfach, wie Sie sich es machen, ist es nicht -, wieder als Vorsorge für den Haushalt 2001 zu erwirtschaften.

Was den Haushaltsvollzug angeht, so ist festzustellen, dass die Steuerergebnisse des ersten Quartals sehr zufrieden stellend sind. Ich glaube auch daran, dass wir aufgrund der konjunkturellen Entwicklung Steuermehreinnahmen haben werden, aber nicht die, die Sie prognostizieren. Da ist eine Zahl von 17,3 Milliarden DM in der Welt. Darin sind allein 5,3 Milliarden DM Ökosteuer enthalten, von der wir überhaupt nichts haben. Wir wissen überhaupt nicht, wie viel Gemeindesteuern das sind.

(Reinhard Sager [CDU]: Die Bürger auch nicht!)

- Nein, die werden natürlich zu 100 % abgeführt. Warten wir einmal ab.

Die Steuerschätzung wird ja am 19. Mai 2000 kommen. Ich erhoffe mir, dass wir ungefähr 100 Millionen DM netto mehr bekommen. Aber vergessen Sie nicht, dass in diesem Jahr noch das Zwangsarbeitergesetz verabschiedet wird. Die Wirtschaft, die 5 Milliarden DM tragen soll, darf diese 5 Milliarden DM steuerlich verrechnen. Alle Firmen Schleswig-Holsteins haben mir gesagt, sie machen das im Jahr 2000, weil die Steuerersparnis natürlich in diesem Jahr höher als im nächsten Jahr ist, wenn die Körperschaftsteuer gesenkt wird. Ich sage Ihnen, von diesen zweieinhalb Milliarden DM, wenn sie in diesem Jahr realisiert werden, haben wir ein Steuerrisiko von fast 70 Millionen bis 80 Millionen DM. Erwarten Sie keine Wunder von der Steuerschätzung. Es gibt auch gegenläufige Entwicklungen.

Ich bleibe dabei: Wir wollen versuchen, die Steuermehreinnahmen, die letztlich da sind, als Reserve, als Vorsorge für den Haushalt 2001 zu erwirtschaften. Da sind wir dann bei der Stunde der Wahrheit des Haushalts 2001.

Herr Kubicki, ich sage noch einmal: Die 750 Millionen DM ergeben sich, wenn wir die mittelfristige Planung mit einer Nettoneuverschuldung von 995 Millionen DM einhalten wollen. Dann haben wir diese Deckungslücke.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [F.D.P.])

Nach dem derzeitigen Stand entfallen davon auf das Land rund 485 Millionen DM nur aufgrund der Steuerreform. Ich betone: Ohne diese Steuerreform hätte ich vermutlich überhaupt keine Probleme, die Nettoneuverschuldung zu senken. Aber wir wollen sie. Hier stellt sich jetzt die Frage, wie sie aussehen wird. Ge

stern hat der Bundestag unter anderem noch eine Position draufgesattelt, die auch Sie fordern, und die Frau Simonis hier erwähnt hat, nämlich die Erhöhung der Freibeträge bei Veräußerungsgewinnen bei Personengesellschaften. Das kostet schon ab 2001 mehr Geld.

So erfolgreich wir im Vermittlungsausschuss waren, Lastenverschiebungen abzuwehren, so nüchtern müssen wir die Situation jetzt einschätzen. Die Vertreter der Koalition haben ja gesagt, wo sie Ansätze zur Verbesserung der Gegenfinanzierung sehen, als da sind: Optionsmodell und eine Teilbesteuerung von Veräußerungsgewinnen. Nach wie vor bin ich der Meinung,

(Glocke des Präsidenten)

das Verfassungsgericht zwingt uns, hinsichtlich der Erbschaftsteuer etwas zu tun.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Glocke des Präsidenten)

Herr Minister, kommen Sie bitte zum Schluss.

Aber erwarten Sie keine Wunder vom Mitglied Schleswig-Holstein im Vermittlungsausschuss. Die Positionen sind ja nicht so, dass die Länderfront einheitlich ist. Es gibt eine Reihe von Ländern, die draufsatteln wollen. Machen Sie sich deshalb bitte keine Illusionen darüber, dass die Unternehmenssteuerreform wesentlich billiger wird. Das heißt, wir müssen uns auf diese 750 Millionen DM in 2001 einstellen das ist die Stunde der Wahrheit - und die werden mit 500 Millionen DM mittelfristig durchschlagen. Deshalb haben wir vereinbart, jetzt strukturelle Einschnitte durchzuführen. Und das Zero-BasedBudgeting haben wir uns nicht etwa für den gesamten Haushalt vorgenommen,

(Glocke des Präsidenten)

sondern nur für die Förderprogramme. Dann wollen wir einmal sehen, ob die Appelle zur Gemeinsamkeit von Ihnen, wie sie erfreulicherweise aufgenommen wurden, noch halten, oder ob Sie dann populistisch bei jeder Demonstration gegen die Regierung dabei sind. Wir jedenfalls haben den Mut und werden den Bürgern sagen: Wer die Unternehmenssteuerreform will, muss in Kauf nehmen, dass wir jetzt zu strukturellen Einschnitten kommen müssen.

(Lothar Hay [SPD]: Sehr gut! - Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abgeordneten Stritzl das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister, Sie haben dankenswerterweise bestätigt, dass Sie 750 Millionen DM als Lücke für das Jahr 2001 erwarten. Darf ich Sie einmal fragen, welches andere Mittel als das, das Herr Kollege Sager für die CDU-Fraktion vorgeschlagen hat, nämlich einen Nachtragshaushalt, Sie bevorzugen?

Kollege Kubicki schlägt vor: Haushaltssperre!

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Das schlage ich nicht vor!)

Das Wort Haushaltssperre hat er gebraucht als Alternative zum Nachtragshaushalt. Es ist ein immens demokratischer Vorgang, dass die Verwaltung die Ausgaben sperrt, die das Parlament beschlossen hat.

Was Herr Kollege Sager vorgeschlagen hat, dass nämlich das Parlament entscheidet, wo es Änderungen vornehmen will, um Vorsorge in dem Umfang zu treffen, den Sie hier als Damoklesschwert beschrieben haben, ist - so glaube ich - genau der Punkt, um den es geht, wenn wir über die Frage der Seriosität eines Haushalts reden.

(Beifall bei der CDU)

Herr Minister, ich bin ja mit Ihnen einig, wenn Sie sagen, dass Sie 1999 einen Haushaltsabschluss gehabt haben, der zum ersten Mal dicht an der Verfassungsgrenze lag. Ich finde das prima. Sie haben leider vergessen zu erwähnen, dass Sie dreimal davor in Reihenfolge über der Verfassungsgrenze gelegen haben. Das heißt, Sie haben drei Haushaltsabschlüsse in Serie verfassungswidrig gestellt. Da sagen Sie natürlich immer, es komme nur auf den Zeitpunkt der Aufstellung an. Aber Sie wissen, dass Ihre eigene Bundestagsfraktion Verfassungsklage mit dem Ziel erhebt, ihn auch im Haushaltsverlauf verfassungsgemäß zu halten.

Deswegen sagen wir Ihnen: Wer Vorsorge will, wer dem Parlamentsgesetz Vorrang vor dem Verordnungsweg einräumen will, muss den Nachtragshaushalt hier entsprechend in Angriff nehmen.