Eile ist geboten. Um den Haushalt 2001 noch zu retten, müssen bis zum Sommer Entscheidungen getroffen werden. Denn wie wird der Fraktionsvorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN am 11. April in den „Kieler Nachrichten“ zitiert? - Ich zitiere:
„Wir haben das Problem jetzt. Für den Haushalt brauchen wir bis zum Sommer Ergebnisse. Daher haben wir uns“
So eine Beratung unter Zeitdruck kann nur oberflächlich sein und hat nicht eine sinnvolle Neuordnung der Finanzbeziehungen zum Ziel, sondern nur die schnelle Mark für den Landeshaushalt auf Kosten der Kommunen.
Es ist schon zynisch, wenn die Ministerpräsidentin und der SPD-Fraktionsvorsitzende gestern hier gefordert haben, das Ehrenamt zu stärken, gleichzeitig aber den ehrenamtlich tätigen Politikerinnen und Politikern die finanzielle Basis entzogen wird.
Dieser Ausschuss ist nur das Feigenblatt für das Vorhaben der Regierungsfraktionen, einseitig bei den Kommunen abzukassieren. Aus diesem Grund lehnen wir die Einrichtung dieses Ausschusses ab.
Nun zur Einrichtung der Enquetekommission, wie sie die CDU beantragt hat! Bei der handstreichartigen Erhöhung der Nivellierungssätze im Dezember letzten Jahres wurde interfraktionell vereinbart, die Finanzbeziehungen innerhalb der kommunalen Familie zu überprüfen und gegebenenfalls zu verändern. Dieser Vereinbarung fühlen wir uns nach wie vor verpflichtet und stimmen deshalb der Einrichtung einer Enquetekommission zu.
Veränderungen sind nur dann konsensfähig, wenn sich das Land dabei nicht zulasten der Kommunen besser stellt. Wie ich bereits ausführte: Der prozentuale Anteil der Kommunen - die sagenumwobenen 19 % an der gesamten Finanzmasse des Landes darf nicht reduziert werden. Sonst können erstens die Kommunen ihre Aufgaben nicht mehr wahrnehmen, zweitens bekämen Gemeindevertretungen den Status eines „Operettenparlaments", weil sie nichts mehr zu verteilen und zu entscheiden hätten, und drittens könnten wir keine engagierten Mitbürgerinnen und Mitbürger gewinnen, die bereit wären, unter diesen Umständen kommunalpolitisch tätig zu sein.
Für uns ist aber die Kommunalpolitik die Keimzelle der Demokratie. Zumindest in kleineren Gemeinden kennt man sich noch, gibt es klare und persönliche Verantwortungen. Politikerinnen und Politiker müs
sen sich noch für ihre Entscheidungen rechtfertigen. Dagegen ist Politik in großen Städten, in Kreisen, im Land oder im Bund häufig doch eher anonym.
Selbstverständlich müssen Gemeinden, Städte und Kreise auch sparen und verantwortungsbewusst mit den ihnen zur Verfügung gestellten Mitteln umgehen.
Sie dürfen dafür aber nicht durch das Land zusätzlich über Gebühr belastet werden oder - wie man auch sagen kann - entlastet werden; Geld kann häufig auch eine Last sein. Diese Last hat unser Finanzminister ja nicht.
Die Struktur der Finanzbeziehungen zwischen den Kommunen muss analysiert und ohne Emotionen erörtert werden. Wir wünschen der Enquetekommission viel Erfolg bei ihrer schwierigen Arbeit - im Interesse der Kommunen und des Landes.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Je nachdem, wo sich Politikerinnen und Politiker engagieren oder Verantwortung tragen, machen sie parteiübergreifend die gleiche Erfahrung: Stadt- und Kreisparlamente verabschieden einstimmig Resolutionen, Land und Bund mögen sie nicht weiter schröpfen, und dennoch verabschiedet die Landes- oder die Bundesregierung Haushalte oder Gesetze, durch die die Kommunen weiter belastet werden. Die jeweilige Opposition im Landtag ist dann stets gegen diese zusätzliche Belastung und verurteilt sie als „Griff in die kommunale Tasche".
Die Rollen sind austauschbar. So wie die einen argumentieren - in diesem Fall wir -, dass dieses oder jenes für die Kommunen durchaus zumutbar sei, sind die anderen vehement gegen die neuen Belastungen - bis sie selbst die Regierung stellen.
Das Sein prägt das Bewusstsein. Einem Landeshaushalt sind Grenzen in der Höhe der Verschuldung gesetzt. Die Opposition hat so die gute Möglichkeit, sich zum Anwalt der Kommunen zu machen. Dieses Ritual, so alt wie der Kieler Landtag, werden wir auch durch einen Sonderausschuss und eine Enquetekommission nicht durchbrechen. Da bin ich mir schon jetzt sicher.
Ein kurzer Rückblick macht dies deutlich. Dazu kurze Zitate aus der Landtagsdebatte 1983 zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes! Innenminister Claussen (CDU) :
„Ich sage auch heute und hier: Dieser Eingriff ist gerechtfertigt und vertretbar, denn... die Finanzen der Kommunen sind generell gesehen nach wie vor etwas günstiger als die des Landes."
„Ich will Ihnen einmal sagen, was die kommunalen Landesverbände gesagt haben: Die FAG-Novelle ist sachlich unberechtigt, rechtlich anfechtbar und politisch verfehlt."
„Wir wissen, dass die Kommunen durch diese Novelle zum Finanzausgleich einen erheblichen Beitrag zur Gesundung der Landesfinanzen leisten, einen Beitrag, der für sie schmerzhaft ist. Die Landesregierung und wie ich zuverlässig hoffe - auch die Mehrheitsfraktion sind jedoch überzeugt, dass diese Entscheidung aus der Gesamtverantwortung für das Land Schleswig-Holstein heraus richtig ist...“
„Auch die Kommunen brauchen ein möglichst finanzstarkes und leistungsfähiges Land, weil sie sonst selbst auch nicht mehr existieren könnten."
(Martin Kayenburg [CDU]: Sagen Sie die Pro-Kopf-Verschuldung in dem Jahr! - Tho- mas Stritzl [CDU]: Wie viele Schulden hatte das Land?)
Deshalb, meine Damen und Herren von der Opposition: Bedenken Sie, dass der Schaum vorm Mund bei diesem Thema im Plenarsaal von links nach rechts und vielleicht auch mal wieder zurück wandert.
Unabhängig von der politischen Schaumschlägerei halten wir aber sowohl den Sonderausschuss als auch die Enquetekommission für sinnvoll, denn die Transparenz des Finanzausgleichsgesetzes ist schon lange verloren gegangen und die Unzufriedenheit mit der Aufteilung der Mittel - auch innerhalb der Kommunen - wächst. Der Kreis Stormarn hat bereits angedroht zu klagen. Sie alle werden das Schreiben bekommen haben.
Wenn wir uns die Geschichte des Finanzausgleichsgesetzes in den letzten Jahrzehnten anschauen, wird schnell deutlich, warum wir eigentlich eine grundlegende Erneuerung des Gesetzes brauchen - soll es doch transparent und zeitgemäß sein: Das Finanzausgleichsgesetz ist in seinem Grundaufbau von 1970, als es damals in eine völlig neue Fassung gebracht wurde. Seitdem gab es 24 Änderungsgesetze, wobei diese Änderungen zum Teil von grundlegender Bedeutung waren.
Dabei spielte die finanzielle Situation des Landes immer eine entscheidende Rolle bei der Ausgestaltung des Gesetzes. So heißt es bei Krastel/Krüger - Zitat aus „Praxis der Gemeindeverwaltung“ -:
„Wegen seiner äußerst angespannten Finanzlage hat das Land es erneut für erforderlich gehalten, bei seinen Leistungen innerhalb und außerhalb des kommunalen Finanzausgleiches Kürzungen vorzunehmen."
Aber auch in den Jahren 1991 bis 1994 wurde die Finanzausgleichsmasse zur Entlastung des Landeshaushalts um jeweils 100 Millionen DM gekürzt. Der Verbundsatz wurde mehrfach geändert. Über ihn werden wir ausführlich diskutieren. Er war schon unter den jetzigen 19 %. Er war aber auch schon bei fast 24 %. Festbeträge und Vorwegabzüge wurden in ihrer Höhe und in ihrer Zweckbestimmung geändert, die Schülerbeförderung, die Lasten der deutschen Einheit und viele andere Gesetzesänderungen wirkten sich auf das Finanzausgleichsgesetz aus.
Aber es änderten sich auch die Aufgaben für die Kommunen. Deshalb ist eine Beurteilung der Finanzsituation im Vergleich zu früheren Jahren so schwierig. Interessant wäre es, unser Gesetz mit den Gesetzen anderer Flächenländer zu vergleichen. Aber keines der Gesetze gleicht dem eines anderen Landes. Die Verbundgrundlagen und die Verbundsätze sind genauso unterschiedlich wie die Aufgabenverteilung zwischen Ländern und Kommunen und wie die Leistungen
der Länder an seine Kommunen außerhalb des Finanzausgleichsgesetzes. Der bislang aussagekräftigste Vergleich, den Nordrhein-Westfalen einmal gemacht hat, ist auch schon wieder fast 20 Jahre alt.
Die Enquetekommission hat also viel zu tun, wenn sie sachliche Argumente und Vergleiche in ihre Beratungen einbeziehen will.
Ein Blick in die Zukunft macht deutlich, dass uns der kommunale Finanzausgleich auch weiterhin beschäftigen wird: Die Steuerreform, das Unterhaltsvorschussgesetz, aber auch das Wohngeldgesetz wirken sich wiederum auf die Kommunen aus. Die Kommunen rechnen allein durch die Steuerreform mit einem Minus von 300 Millionen DM in 2001 - kein Wunder also, dass sie nicht freiwillig noch mehr Lasten tragen wollen.