Protocol of the Session on May 11, 2000

Ein Blick in die Zukunft macht deutlich, dass uns der kommunale Finanzausgleich auch weiterhin beschäftigen wird: Die Steuerreform, das Unterhaltsvorschussgesetz, aber auch das Wohngeldgesetz wirken sich wiederum auf die Kommunen aus. Die Kommunen rechnen allein durch die Steuerreform mit einem Minus von 300 Millionen DM in 2001 - kein Wunder also, dass sie nicht freiwillig noch mehr Lasten tragen wollen.

Die Aufgabe der Enquetekommission ist es, eine sachgerechte und längerfristig stabile Finanzierung der Kommunen vorzuschlagen. Dabei sind wir uns alle einig, dass Selbstverwaltung auch freie Finanzspielräume haben muss, um das Engagement vor Ort aufrechtzuerhalten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist Ziel der Grünen, den Spielraum für Gestaltungsmöglichkeiten vor Ort zu erhalten, Logik und Transparenz des Gesetzes wiederherzustellen, den Finanzausgleich möglichst gerecht zu gestalten und Anreize zur Erhöhung der eigenen kommunalen Einnahmen zu verbessern.

(Beifall der Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Um über diese Ziele miteinander zu diskutieren und Lösungen dafür zu finden, unterstützt meine Fraktion die Einsetzung der Enquetekommission. Sie ist das richtige Instrument für die anstehende Grundsatzdiskussion. Wenn die Opposition allerdings nur vor hat, politisch umstrittene Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung zu kritisieren, dann brauchen wir keine teure und zeitaufwendige Enquetekommission. Ich gehe deshalb davon aus, dass sich die CDU in der Begründung für die Einsetzung einer Enquetekommission, die sie in ihrer Pressemitteilung nach dem Motto darlegte, nun hat das Land wieder zugegriffen und nun brauchen wir eine Enquetekommission, einfach vergriffen hat, meine Damen und Herren von der

(Monika Heinold)

Opposition. Das war wohl wieder einmal der falsche Textbaustein.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD - Klaus Schlie [CDU]: Wir haben Ihren Koalitionsvertrag gelesen!)

Sie haben in Ihrer Begründung geschrieben, das Land habe 100 Millionen DM genommen und jetzt brauchen wir eine Enquetekommission. Das ist doch keine Begründung für die Einsetzung einer Enquetekommission, meine Güte noch mal!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Klaus Schlie [CDU]: Was wollen Sie mit dem Sonderausschuss machen?)

- Ich spreche über die Enquetekommission. Es gibt zwei Gremien. Auf den Sonderausschuss komme ich noch zu sprechen. Die Enquetekommission soll ja nach dem Vorschlag der CDU-Fraktion noch mehr Aufgaben haben.

(Klaus Schlie [CDU]: Was wollt Ihr denn? Ihr wollt doch abzocken!)

Dabei begrüße ich außerordentlich, dass sich das Parlament wie auch die CDU nun einmal selbst mit dem Versuch der Aufgabenreduzierung und der Funktionalreform beschäftigen werden. Mal sehen, ob wir noch erfolgreicher sind, als es die Regierung war. In jedem Fall müssen wir dann selbst einmal mit der sehr unterschiedlichen Interessenlage der kommunalen Landesverbände umgehen und können uns nicht mehr einfach auf Kritik an der Landesregierung zurückziehen.

Der Sonderausschuss wird etwas zügiger arbeiten müssen, denn er soll bis Juli erste Arbeitsergebnisse vorlegen. Angesichts der Tatsache, dass 27 % der Landesausgaben an die Kommunen gehen - Herr Kayenburg, das sind fast alles konsumtive Ausgaben, die Sie immer kürzen wollen -, müssen wir in unsere Überlegungen, wie wir 750 Millionen DM in 2001 einsparen wollen, auch die Mittel, die an die Kommunen gehen, in die Diskussion um den Haushalt 2000 einbeziehen. Für mich ist das selbstverständlich. Sie werden diese 27 % natürlich wieder außen vor lassen wie so oft. Zum Schluss, wenn nichts mehr da ist, wo man sparen kann, werden Sie sagen: Jetzt wollen wir aber sparen.

Die CDU mag das anders sehen. Sie wird uns heute in der Diskussion über den Nachtragshaushalt ihre eigenen Sparvorschläge mit Sicherheit konkret erörtern. Ich freue mich schon darauf.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Der Sonderausschuss soll sich auch mit der Weiterentwicklung der kommunalen Verfassung beschäftigen, denn mit der jetzigen Kommunalverfassung gibt es immer noch erhebliche Probleme und vor allem eine große Unzufriedenheit bei den ehrenamtlichen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern.

(Martin Kayenburg [CDU]: Dafür wollen Sie einen Sonderausschuss einrichten? Das kann doch nicht wahr sein!)

Die Änderungsvorschläge des Sonderausschusses für das Finanzausgleichsgesetz werden nicht so umfangreich sein können, wie ich es von der Enquetekommission erwarte. Aber vielleicht gelingt es uns ja bereits im Sonderausschuss interfraktionell, uns auf eine schnellere Abschmelzung der Festbeträge innerhalb des FAG zu verständigen, so wie es der Landesrechnungshof schon 1995 vorgeschlagen hatte.

(Klaus Schlie [CDU]: Sie eiern ganz schön herum!)

Niemand von uns hat diesen Vorschlag aufgegriffen, außer vor Ort in Stormarn und Pinneberg. Da sind wir uns immer alle einig. Aber wenn wir hier diskutieren und Nordfriesland eine Rolle spielt, wird es schwieriger.

Sollten wir im Sonderausschluss beschließen, von den Kommunen einen weiteren Solidarbeitrag zur Finanzierung des Landeshaushaltes einzufordern, kann ich verstehen, dass die Opposition nicht mitstimmen wird. Wie sagte der SPD-Abgeordnete Liebrecht damals, 1983, so schön zu Innenminister Claussen:

„Sie stehen heute schon da als der Minister, der den Kommunen den letzten Rest von Selbstverwaltungsmöglichkeiten genommen hat.“

(Holger Astrup [SPD]: Wie wahr! - Klaus Schlie [CDU]: Jetzt wollen Sie es machen!)

Ich denke, das ist nicht mehr zu toppen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es kann eigentlich nicht überraschen, wenn die gleichzeitige Einsetzung eines Sonderausschusses und einer Enquetekommission, die fast dasselbe

(Anke Spoorendonk)

Thema zum Gegenstand haben, nämlich die Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen sowie die Weiterentwicklung derselben Beziehung in der Öffentlichkeit etwas verwirrend aufgefasst worden ist.

Der SSW hatte sich deshalb im Vorfeld dieser Landtagstagung gegen zu viele Ausschüsse und Kommissionen ausgesprochen, die die Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen untersuchen sollen. Aus unserer Sicht darf in der Öffentlichkeit nicht der Eindruck entstehen, wir betrieben hier eine Art Beschäftigungspolitik für Politikerinnen und Politiker. Diese Warnung wurde sowohl von der Regierungskoalition als auch von der großen Oppositionspartei CDU in den Wind geschrieben und jetzt bekommen wir sowohl einen Sonderausschuss wie auch eine Enquetekommission. Wenn es denn der Wunsch dieser Parteien ist, wird sich der SSW dem nicht verschließen. Ich verspreche Ihnen, dass wir in beiden Ausschüssen konstruktiv mitarbeiten werden.

Wir möchten aber an alle Beteiligten appellieren, dass man im Hinblick auf die Themenüberschneidung, die beispielsweise sowohl die Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen als auch die Fortführung der Funktionalreformen betrifft, eine Koordinierung vornimmt. Es kann nicht angehen, dass hier eine doppelte Arbeit stattfindet. Das ist die eigentliche Schwierigkeit bei der Einsetzung dieser beiden Gremien.

Hintergrund für die Einsetzung der Enquetekommission sind natürlich die Finanzen. Die aktuelle Finanzsituation des Landes ist - wieder einmal - als dramatisch umschrieben worden. Durch die geplante Unternehmenssteuerreform werden dem Land im Haushalt 2001 in der mittelfristigen Finanzplanung voraussichtlich fast 750 Millionen DM fehlen. Es kann daher nicht verwundern, dass der Finanzminister angesichts dieser Kassenlage seine begehrlichen Blicke auf die Zuschüsse für die Kommunen des Landes gelenkt hat. Bereits 1998 hatten wir eine ähnliche Situation, die dazu führte, dass den Kommunen von 1999 bis 2001 jeweils 50 Millionen DM aus dem kommunalen Finanzausgleich gestrichen wurden.

Der SSW war damals gegen diese Kürzung und wir sehen auch heute keinen Anlass dafür, dass sich die Landesregierung wieder an den kommunalen Kassen vergreift. Zum einen ist die Finanzsituation der Kommunen Schleswig-Holsteins nicht sehr rosig. Wir hatten gerade im Januar über einen Bericht der Landesregierung zur Situation der kommunalen Finanzen diskutiert. In diesem Bericht wurde aufgezeigt, dass insbesondere die Landkreise große finanzielle Probleme haben und kaum über Reserven verfügen. Das war ja

auch der Grund dafür, dass wir uns im Rahmen der Haushaltsberatungen noch einmal damit befasst haben.

Zum anderen darf nicht vergessen werden, dass auch die Kommunen, wenn es nach den Plänen der Bundesregierung geht, ihren Teil an der Finanzierung der Unternehmenssteuerreform beitragen sollen. Laut Angaben der kommunalen Landesverbände drohen den Kommunen des Landes Steuermindereinnahmen bis zu 325 Millionen DM. Bei allem Verständnis für die angespannte Haushaltslage des Landes ist es aus Sicht des SSW nicht unmittelbar ersichtlich, wie unsere kreisfreien Städte, Kreise und Gemeinde diese weiteren Kürzungen hinnehmen können. Die finanziellen Handlungsspielräume des überwiegenden Teils der Kommunen verschlechtern sich doch seit Jahren.

Gerade deshalb wurde die Aufnahme des Konnexitätsprinzips in die Landesverfassung als ein wichtiger Fortschritt für die Beziehungen zwischen Land und Kommunen gefeiert. Dadurch wurde sichergestellt, dass Aufgabenverlagerungen vom Land an die Kommunen nur unter der Voraussetzung eines Kostenausgleichs erfolgen dürfen. Wir bleiben deshalb dabei: Angesichts der zu erwartenden Steuermehreinnahmen des Bundes ist es nicht akzeptabel, dass die Länder und Kommunen weiterhin den Löwenanteil der Finanzierung der Unternehmenssteuerreform leisten sollen, schon gar nicht, wenn die Zeitungsberichte stimmen, die besagen, dass die Bundesregierung Steuermehreinnahmen von fast 80 Milliarden DM in dem Zeitraum erwarten kann, während durch die Unternehmenssteuerreform ein Steuerausfall von zirka 96 Milliarden DM entsteht. Dazu kommen zusätzliche Einnahmen aus der Versteigerung der neuen Mobilfunklizenzen mindestens in Höhe einer zweistelligen Milliardensumme.

Von diesen Gaben will der Bundesfinanzminister aber nichts an die Länder und Kommunen weitergeben, sondern er will bei den ursprünglichen Plänen zur Finanzierung der Unternehmenssteuerreform bleiben.

Der SSW bleibt daher bei seiner Forderung, dass sich die Landesregierung über den Bundesrat vehement für eine Änderung der Finanzierung der Unternehmenssteuerreform einsetzen muss, bevor man den Rotstift bei den Kommunen des Landes ansetzt.

(Beifall beim SSW)

Während der SSW also der Abwälzung der Finanzlasten auf die Kommunen ablehnend gegenüber steht, sind wir bereit, offen über generelle Fragen der Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen zu

(Anke Spoorendonk)

diskutieren. So muss beispielsweise die Fortführung der Funktionalreform vorangebracht werden. Durch die Enquetekommission „Verwaltungsmodernisierung“ liegen hier bereits viele vernünftige Vorschläge vor.

Ich muss sagen: Für mich ist gerade dies ein entscheidender Punkt für die Einsetzung eines Sonderausschusses. Denn ich halte überhaupt nichts davon, dass wir uns in der Enquetekommission jetzt noch einmal in der Art und Weise eines Wiederkäuers mit Verwaltungsreform befassen. Dazu haben wir Ergebnisse vorliegen. Sie müssen jetzt umgesetzt werden.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Fragen, die auch der SSW gern diskutieren will, sind die Neudefinierung von Pflichtaufgaben, die Neuordnung des zentralörtlichen Systems oder auch die Änderung des Kommunalverfassungsrechts.

Auch wenn es aus der Sicht der Regierungsfraktionen verständlich ist, dass schnelle Entscheidungen angestrebt werden, was ja auch der Grund für die Einsetzung eines Sonderausschusses ist - das sage ich noch einmal aus der Sicht der Regierungsfraktionen -, so ist der SSW gegen Schnellschüsse zulasten der Kommunen. Wir plädieren dafür, dass möglichst eine einvernehmliche Regelung mit den kommunalen Spitzenverbänden angestrebt wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das war von vornherein der Knackpunkt bei der Umsetzung der Funktionalreform. Wir sind nämlich von einem Konsensprinzip ausgegangen. Ich habe bisher noch keine Stimmen gehört, die dem widersprechen. Es wäre auch ein ganz anderer Umgang mit den Kommunen, wenn man dazu übergehen würde. Wir plädieren also weiter für einvernehmliche Lösungen.

Einer Enquetekommission, die detailliert und intensiv die vielen schwierigen Sachfragen bei den Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen sowie den Kommunen untereinander durchleuchtet, kann der SSW einiges abgewinnen. Wir können dem auch etwas abgewinnen, dass gerade die Schwierigkeiten mit dem zentralörtlichen System noch einmal in einer Enquetekommission besprochen werden. Auch hier liegt sehr viel vor, weil es dazu schon Vorarbeiten gibt.

Obwohl wir uns also eher ein gemeinsames Gremium zur Behandlung dieser Fragen gewünscht hätten - das sagte ich bereits -, wird der SSW in beiden Ausschüssen konstruktiv mitarbeiten.