Protocol of the Session on May 11, 2000

(Holger Astrup [SPD]: So ist es!)

Eine gerechte Finanzverteilung wird mit dem Hinweis angemahnt, das Land behandle seine Kommunen doch gut. Frau Simonis suggerierte in ihrer Regierungserklärung, dass das Einnahmeplus von 175 Millionen DM aus dem kommunalen Finanzausgleich - jedenfalls unter moralischen Gesichtspunkten doch nicht nur für die Kommunen da wäre, schließlich sei man doch eine große Familie. Regierungserklärung und Koalitionsvereinbarung sollen so doch nur den Griff in die Taschen der Kommunen vorbereiten. Ein Sonderausschuss soll die Sache perfekt

(Martin Kayenburg)

machen. Eine Veränderung - zum Beispiel! - des Verbundsatzes ist ja so einfach. Herr Astrup, ich kann nur sagen: Mit uns nicht!

(Beifall bei der CDU)

Aus grundsätzlichen Erwägungen sind wir aber bereit, über die Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen zu beraten, damit auch diese rot-grüne Landesregierung Entscheidungen auf einer soliden Finanz- und Faktenbasis treffen kann. Ein einfacher Sonderausschuss des Landtags kann diese komplexe Problematik der Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen beziehungsweise der Kommunen untereinander jedoch nicht abschließend aufarbeiten. Außerdem wäre dabei - das wurde schon deutlich - je nach Größe des Ausschusses der SSW nicht beteiligt. Dies erachte ich für den Sonderausschuss als wenig zufrieden stellend. Herr Astrup, ein Sonderausschuss wird schon rein zeitlich die Vielfalt der anstehenden Fragen nicht in den Griff bekommen. Frau Heinold war so ehrlich zu sagen, dass es eigentlich nur um das weitere Abzocken bei den Kommunen für den Haushalt 2001 geht, wie es auch schon 1999 und 2000 stattfand. Ich liefere ihnen die Pressemeldungen nach.

(Holger Astrup [SPD]: Was?)

Wir fordern daher eine Enquetekommission, die aufzeigen soll, welche finanzielle Ausstattung die Kommunen haben müssen, um im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung ihre DaseinsvorsorgeAufgabe ordnungsgemäß erfüllen zu können. Sie soll aber auch Empfehlungen für eine daraus möglicherweise notwendig werdende Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen und der Kommunen untereinander erarbeiten.

Wir stimmen ihnen zu, dass ein solches Gremium arbeitsfähig sein sollte. Es sollte aber alle Fraktionen einbinden. Herr Astrup, mit Ihrem Vorschlag von 13 Mitgliedern können wir uns nicht einverstanden erklären, weil dann die Zahl der Ausschussmitglieder, die von uns benannt werden könnten, auf vier schrumpfen würde. Das ist uns einfach zu wenig, um auch externen Sachverstand hinreichend mit einbinden zu können.

Ich habe aber für Ihre Position Verständnis, in der Sie sagen, es müsse eine Mehrheitsmeinung möglich sein, es dürfe - auch theoretisch - nicht zu Patt-Situationen kommen. Das können wir beheben, indem wir 17 Mitglieder beschließen - acht Mitglieder von der SPD, sechs von der CDU und je ein weiteres Mitglied von den anderen Fraktionen des Hauses.

Ich denke, das ist ein Kompromiss, denn solch eine Kommission muss fachgerecht begleitet werden, muss externe Beraterinnen und Berater heranziehen und

Anhörungen durchführen können. Dazu bedarf es natürlich auch der entsprechenden Finanzausstattung, die wir mitbeschließen müssten.

Wir erwarten von der Kommission Aussagen und Empfehlungen zu vielfältigen Problemstellungen, die Sie unserem Antrag entnehmen können. Da geht es zum Beispiel um die Auswirkungen des derzeit gültigen Finanzausgleichsgesetzes auf die Angemessenheit der finanziellen Ausstattung der kommunalen Haushalte. Es geht um das zentralörtliche System, um Misch- und Mehrfachzuständigkeiten, um Umwandlungsmöglichkeiten von staatlichen Pflicht- und Weisungsaufgaben zu Selbstverwaltungsaufgaben und weitere Dinge mehr.

Herr Astrup, wenn Sie die Sorge haben, dass hinsichtlich der Vielfalt das Ergebnis zu spät kommt, dann ist diese Enquetekommission durchaus frei, Teile abzuspalten und vorzeitig zu liefern. Aber wir sollten nicht davon abgehen, die Gesamtproblematik zumindest aufzureißen, bevor man einzelne Dinge abspaltet.

(Beifall bei der CDU)

Das ist ein weiterer Grund, warum wir dem Sonderausschuss widersprechen.

Die Arbeit der Enquetekommission muss sich an dem vom Grundgesetz und von der Landesverfassung geforderten Grundsatz orientieren, wonach die Kommunen finanziell so ausgestattet sein müssen, dass sie im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung ihre Daseinsvorsorge-Aufgaben erfüllen können.

Herr Astrup, über diesen Weg bekommen Sie genau die Rückkopplung zwischen der Enquetekommission und dem von Ihnen beantragten Sonderausschuss. Denn wie kann ich über die Finanzen reden, wenn ich nicht sicher bin, dass ich die DaseinsvorsorgeAufgaben und die komplexen Aufgaben der Kommunen insgesamt erfasst habe? Auch deshalb verbietet sich nach unserer Meinung die Trennung. Dies geht also weit über die Möglichkeiten eines Sonderausschusses hinaus.

Wegen der Komplexität des Problems darf auch nicht darauf verzichtet werden, das in einem Sonderausschuss abzuarbeiten. Denn da soll ja nun - ich sage es einmal so - der geschickteste Griff des Landes in die Taschen der Kommunen kaschiert werden. Das werden wir jedenfalls nicht mitmachen.

(Beifall bei der CDU)

Jede Ebene muss ihre eigenen Probleme in Ordnung bringen. Lassen Sie uns deswegen schnell in die Beratungen eintreten. Das dient der Effizienz dieses

(Martin Kayenburg)

Parlaments, hilft dem Land und gibt den Kommunen Planungssicherheit.

Deshalb macht es auch überhaupt keinen Sinn, gebetsmühlenartig zu wiederholen, Herr Astrup, dass die finanzielle Lage der Kommunen in Schleswig-Holstein im Bundesvergleich besser sei als die des Landes. Da muss man doch einmal fragen, wie es zu der ProKopf-Verschuldung von 2.000 DM bei den Kommunen und 11.500 DM beim Land gekommen ist. Das hat natürlich verschiedene Gründe.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stoltenberg!)

Aber Ihre Diskussion, Herr Hentschel, erinnert mich schon sehr an die Neiddiskussion zwischen Nachbarn. Sie wollten uns ja gestern auch schon ein Haus verkaufen. Bei gleichen Einkommensverhältnissen und gleicher Familiengröße hat sich nämlich der eine ein Einfamilienhaus gebaut und der andere wohnt zur Miete. Das Geheimnis ist schnell gelüftet. Der eine hat gespart, der andere, das Land, hat alles verkonsumiert. Gerade dies ist auch die Begründung für die unterschiedliche Verschuldung von Land und Kommunen.

(Zuruf des Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD])

- Ich weiß natürlich, Herr Neugebauer, dass die Besonderheiten des kommunalen Haushaltsrechts eine Rolle spielen. Das wollen wir auch gar nicht wegdiskutieren. Die Situation der Kommunen ist natürlich, was das Haushaltsrecht und die Verschuldensgrenze angeht, eine andere. Der Schuldendienst ist anders gestaltet. Das alles ist unbestritten. Aber auch der Landesrechnungshof kommt doch zu dem Ergebnis, dass die kommunale Finanzsituation angespannt ist, Sie also nicht ohne weiteres zugreifen können und in überschaubarer Zeit auch keine durchgreifende Verbesserung zu erwarten ist. Diese Situation müssen Sie gerade auch in der Enquetekommission insgesamt berücksichtigen.

Die Kommunen haben jedenfalls in den letzten Jahren zur Konsolidierung ihrer Finanzsituation gespart und ihre Investitionen angemessen gestaltet, zum Teil sogar darüber hinaus, also übermäßig gekürzt. Schauen Sie sich einmal den Zustand mancher Schulen, Straßen, Grünanlagen oder anderer kommunaler Einrichtungen an. Der Sanierungsstau ist erheblich. Alle, die im kommunalen Bereich tätig sind, wissen das. Und bald ist auch dieser Sanierungsstau nicht mehr zu verantworten. Deswegen hat eine Vielzahl von Kommunen auch Mittel angesammelt, um bestimmte Projekte im Infrastrukturbereich in Angriff zu nehmen, die sonst die Finanzkraft übersteigen würden. Deren zweckbestimmte Rücklagen - das ist das Problem

nähren den Neid des Landes, aber auch den anderer Kommunen, und Neid, Herr Astrup, war immer schon ein schlechter Ratgeber. Deswegen lassen Sie uns gemeinsam mit den Kommunen, mit externen Fachleuten und den Vertretern des Parlaments eine Enquetekommission bilden, die uns zu einer möglichst einvernehmlichen Lösung der Gesamtprobleme und der Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen führt. Denn nur so wird es gelingen, den bei den kommunalen Gebietskörperschaften durchaus vorhandenen Goodwill so einzubinden, dass wir zum Herbst rechtzeitig vor den Beratungen über den Haushalt 2001 unter Einbindung aller Fraktionen dieses hohen Hauses ein angemessenes Ergebnis finden werden.

Deswegen: Wir sind für Abstimmung in der Sache; wir stimmen der getrennten Abstimmung zu, wollen aber Ihren Vorschlag mit 13 Mitgliedern in die Zahl 17 Mitglieder mit den eben genannten Voten geändert wissen. Insofern hoffe ich, dass wir ein bisschen schon den Konsens signalisieren, den wir für einen Erfolg der Enquetekommission insgesamt benötigen.

(Beifall bei der CDU sowie der Abgeordneten Christel Aschmoneit-Lücke [F.D.P.] und Dr. Christel Happach-Kasan [F.D.P.])

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hildebrand.

Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Nun macht sie also doch ernst! Was sich in der Koalitionsvereinbarung noch relativ harmlos anhörte, wird jetzt von der Koalition als Erstes angepackt: die Weiterentwicklung der Beziehungen zwischen dem Land und den Kommunen und hier insbesondere die Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen dem Land und den Kommunen. Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Tatasche ist: Der marode Landeshaushalt muss saniert werden. Es geht also um Kohle.

Hier habe ich nun schon selber erste Erfahrungen sammeln können.

(Zurufe von der SPD)

Ich hatte die Ehre oder das Vergnügen - je nachdem, wie man das sieht -, schon an zwei Finanzausschusssitzungen als Vertreter teilnehmen zu dürfen. Trotz meiner langjährigen kommunalpolitischen Erfahrungen konnte ich im Ausschuss noch einiges lernen. So zum Beispiel Folgendes: Im Jahre 1999 hatte der Finanzminister die Obergrenze der nach der Verfassung zulässigen Kredite noch nicht ausgeschöpft.

(Günther Hildebrand)

4,5 Millionen DM wurden nicht beansprucht. Jetzt wäre jeder Kommunalpolitiker erfreut, auf eine mögliche Verschuldung verzichten zu können. Nicht so der Finanzminister. Er nimmt diese 4,5 Millionen DM trotzdem als Kredit auf, um sie anschließend der Rücklage zuzuführen. So kann er diesen Betrag zusätzlich im Jahre 2000 oder 2001 aus der Rücklage entnehmen und ausgeben.

Das ist ungefähr so sinnvoll wie jetzt einen Kredit aufzunehmen, wenn man erst im nächsten Jahr ein neues Auto kaufen will.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Herr Innenminister, was würde eigentlich die Kommunalaufsicht sagen, wenn beispielsweise ein Kreis ein derartiges Haushaltsgebaren an den Tag legte? Ich glaube, dieser Haushalt wäre nicht genehmigungsfähig.

(Dr. Ekkehard Klug [F.D.P.]: So ist es!)

Ich wünschte mir, dass der Finanzminister diese Kreativität nicht beim Schuldenmachen, sondern beim Sparen zeigen würde.

(Beifall bei F.D.P. und CDU - Zurufe von der CDU: Bravo!)

Dann könnte er nämlich darauf verzichten, Gemeinden, Städten und Kreisen schamlos in die Tasche zu greifen.

(Beifall bei F.D.P. und CDU - Zuruf von der CDU: Jawohl! - Zuruf des Abgeordneten Pe- ter Jensen-Nissen [CDU])

Das ist Politik mit der Keule, nicht mit dem Florett. Aber so ist es: Die Kommunen können sich nicht wehren; denn den Letzten beißen die Hunde. Dabei bilden die Kommunen mit dem Land über die Verbundquote eine Schicksalsgemeinschaft. Beide profitieren von Mehreinnahmen, beide leiden aber auch im gleichen Verhältnis unter Mindereinnahmen.

(Dr. Ekkehard Klug [F.D.P.]: So ist es!)

Dieses Verhältnis wollen jetzt die Landesregierung und die sie tragende Koalition ein weiteres Mal verändern. Nicht allein, dass zum Beispiel lediglich für die Jahre 1999 und 2000 den Kommunen jedes Jahr 50 Millionen DM entwendet wurden beziehungsweise werden, nein, jetzt sollen Fakten auf Dauer geschaffen werden.

Eile ist geboten. Um den Haushalt 2001 noch zu retten, müssen bis zum Sommer Entscheidungen getroffen werden. Denn wie wird der Fraktionsvorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN am 11. April in den „Kieler Nachrichten“ zitiert? - Ich zitiere: