Dann wieder eine ganz interessante Zahl: In diesem Zeitraum 1994 bis 1997 wurden 27 der 29 bis zum 13. Februar dieses Jahres in Deutschland bestätigten BSE-Kühe geboren. Die EU hatte diese Verfahren bis 1997 zugelassen.
Ein Verfütterungsverbot für Tiermehl an Wiederkäuer bestand bei uns schon seit 1994. Ich spekuliere hier nicht, ob beim In-Verkehr-Bringen von Tiermehl in Rinderfutter kriminelle Energie oder Schlamperei vorherrschend war. Es wurden Tausende von Tonnen gerade aus Großbritannien exportiert. Viele von Ihnen haben vielleicht den „Spiegel“ gelesen, in dem die verschlungenen Pfade des Transportes von englischem Tiermehl recherchiert wurden. Der Bericht liest sich wie ein Krimi. Man bekommt sogar eine Gänsehaut.
(Martin Kayenburg [CDU]: Was Sie da un- terstellen, finde ich ziemlich frech! - Dr. Ek- kehard Klug [F.D.P.]: Es geht um Ihre engli- schen Freunde!)
- Sie können das nachlesen. Ich zitiere nur. Herr Kayenburg, sagen Sie es, wenn Sie es besser wissen; bisher haben Sie diese Kompetenz noch nicht bewiesen.
So verkauften zum Beispiel die Italiener Anfang der 90er-Jahre rund 750 t Tiermehl nach Deutschland. Bis 1997 war die Zahl auf 5.500 t angestiegen. Ich zitiere wieder: „Da kam billiges Kraftfutter aus Italien“, so ein bayrischer Futtermittelhersteller. Woher das Tiermehl wirklich stammte, wusste niemand.
Tatsache ist aber, dass sich nach dem Verfütterungsverbot von Tiermehl in Großbritannien der Export auf den Kontinent verdreifachte. Wir wissen auch, dass die offiziellen Statistiken eher untertreiben.
Erleichtert wurden diese Geschäfte auch durch eine wohl verbreitete Meinung unter Fachleuten, auch Wissenschaftlern, Funktionären und Landwirten, die das Verfütterungsverbot eigentlich für unsinnig ansahen. Diese Stimmen sind leiser geworden. Man hört nicht mehr auf sie. Frau Happach-Kasan, wenn Sie auch noch so ein Plädoyer halten: Wir werden bei dieser Frage nicht auf Sie hören.
(Beifall der Abgeordneten Konrad Nabel [SPD], Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Lars Harms [SSW])
Wir werden uns Gedanken darüber machen müssen, wie wir Tiermehl ersetzen können. Wir werden uns Gedanken darüber machen müssen, wie wir - die Grünlandprämie ist zum Beispiel einer der Bausteine einen kurzfristigen Nachfrageüberhang nach Ersatzstoffen für die Deckung zusätzlichen Eiweißbedarfes zu einer vernünftigen Angebotsstruktur auf diesen Markt bekommen.
(Beifall der Abgeordneten Konrad Nabel [SPD], Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Lars Harms [SSW])
In diesem Zusammenhang ist mir völlig unverständlich - Herr Kayenburg, Sie werden gleich wieder intervenieren -, warum es bis zum heutigen Tag keine Klage gegen Futtermittelhersteller gibt,
Wenn ich Zeitungsberichten trauen kann, wären zumindest in Bayern verdächtigte Hersteller zu ermitteln. - Herr Kubicki - ich brauche Sie wohl nicht zu belehren -, sowohl das BGB als auch das Produkthaftungsgesetz gäben hier Möglichkeiten für eine Schadensersatzklage.
Jeder kleine Einzelhändler kann zu Schadensersatz herangezogen werden, wenn eine Ware eine zugesagte Eigenschaft nicht hat und dadurch dem Käufer ein Schaden entstanden ist. Warum geht das eigentlich hier nicht bei uns in Deutschland?
In Amerika gibt es den Ralph Nader. Das ist ein Einzelkämpfer. In Deutschland gibt es mächtige Verbände, die sich auf die Fahnen geschrieben haben, die Interessen der Landwirte zu vertreten.
Warum helfen diese Verbände ihren Landwirten nicht? Warum klagen sie nicht gegen unseriöse Futtermittelhersteller? - Ein Schelm, der Böses dabei denkt!
Auf dem Automobilmarkt herrscht ein mörderischer Wettbewerb und kein Mensch würde Verständnis dafür aufbringen, wenn deshalb ein Auto nicht verkehrssicher wäre. Ein Auto bekommt eine Zulassung, wenn es einen gewissen Standard einhält. Was hier selbstverständlich ist, muss doch auch auf Futter- und Lebensmittel anwendbar sein.
Ich fordere einen Grundstandard für Lebens- und Futtermittel. Für Vielfalt und Abwechslung bleibt noch genügend Spielraum zur individuellen Bedürfnisbefriedigung. Das wäre kein Problem.
So wie wir beim Auto private Kontrolleure haben, die die Einhaltung gesetzlicher Standards überprüfen, so müssen wir zu einer Qualitätskontrolle bei Futterund Lebensmitteln kommen, die die Verantwortung der Hersteller deutlich macht, und zwar - das betone ich ohne dass sich der Staat aus der Verantwortung stehlen darf.
Die Ministerpräsidentin hat die „Qualitätstore“ beschrieben. Das halte ich für den richtigen Weg. Der Staat hat in diesem Prozess aber nur die Rolle des „Oberaufpassers“. Die Verantwortung für das gute Produkt liegt bei der Wirtschaft.
Frau Happach-Kasan, ich wollte eigentlich nicht auf die Gentechnologie eingehen. Aber nach Ihrem Plädoyer muss ich das tun. Ich möchte aus „AGRARfinanz“ zitieren, einer Zeitschrift, der Sie wohl nicht unterstellen werden, dass sie ideologieverdächtig ist:
(Dr. Heiner Garg [F.D.P.]: Das hat sie doch gar nicht gesagt! - Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Sie bauen einen Popanz auf!)
„Sichere Landwirtschaft, BSE-freies Fleisch sollen so gewährleistet werden. Sind die Risiken der Gentechnik wirklich schon eindeutig erforscht? ‘Normale’ chemisch-synthetisch hergestellte Zutaten wie Atrazin, DDT, Lindan oder Avoparcin waren ja auch als ‘unbedenklich’ zugelassen und wurden nach Jahren als dann doch schädlich verboten. Muss das mit der Gentechnik wiederholt werden?“
(Beifall der Abgeordneten Wolfgang Baasch [SPD], Konrad Nabel [SPD], Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], Irene Fröh- lich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Lars Harms [SSW])
Die Landesregierung hat als erstes Bundesland eine Reihe ehrlicher Berichte abgegeben, nichts geschönt und nichts verschwiegen. Es sind organisatorische Verbesserungen angekündigt worden. Wenn wir aber ehrlich sein wollen - das müssen wir -, wissen wir: Der Staat allein kann es nicht richten. Wir brauchen einen Diskurs über eine Neuorientierung der Landwirtschaft, der auf einer breiten Ebene bereits begonnen hat und weitergeführt wird.
Wenn allerdings Herr Kayenburg für die CDU erklärt: „Wir brauchen keinen ökologisch-ideologischen Umbau der Landwirtschaft, unsere Landwirte können auf Basis der derzeitigen Bewirtschaftung weiterarbeiten“, so kann ich nur sagen: Herr Kayenburg, mit uns nicht!