Protocol of the Session on March 21, 2001

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jürgen Weber hat vorhin, Bezug nehmend auf meine Rede, gesagt, er teile nicht meine „Kritik an Flensburg“. Daher möchte ich zur Klarstellung ausdrücklich noch etwas zu diesem Punkt sagen: Ich kritisiere die Universität Flensburg überhaupt nicht. Sie hat in den letzten drei Jahren eine beachtenswerte Leistung erbracht:

(Beifall bei der F.D.P.)

durch Steigerung der Studierendenzahlen von 1.900 auf jetzt über 2.600 in den letzten drei bis vier Jahren. Das ist doch immerhin eine Leistung, auch wenn die Zuwächse - bis auf das letzte Semester - zu einem guten Teil in Studiengängen außerhalb des Lehrerbildungsbereichs stattgefunden haben. Auch das wissen die Kundigen. Aber immerhin, die Entwicklung ist sehr positiv. Wir brauchen die Ausbildungsleistung der Universität Flensburg, um den Lehrerbedarf der nächsten zehn Jahre zu decken. Meine These ist: Dies allein reicht nicht aus. Deshalb müssen wir endlich einmal mit diesem blödsinnigen Ausspielen von Kiel gegen Flensburg aufhören. Das ist unsinnig, Frau Schmitz-Hübsch.

(Beifall bei der F.D.P.)

Lassen Sie mich Ihnen noch einmal Folgendes vor Augen führen. Vor dem Konzentrationsbeschluss hatten die EWF in Kiel und die Universität Flensburg zusammengenommen 5.300 Studierende, nämlich 1.900 in Flensburg und 3.400 in Kiel.

Das geschieht in einer Zeit, in der der Bedarf an Lehrkräften in diesen Fächern so enorm steigt. Das ist eine irrsinnige Situation.

Ich sage Ihnen: Der Konzentrationsbeschluss von 1997/98 ist zu einem Zeitpunkt getroffen worden, der ungünstiger nicht hätte sein können. Man hätte ihn vielleicht zehn oder 15 Jahre später treffen können und dies auch aus Hochschulstrukturentwicklungsgründen. Aber zu dem Zeitpunkt, zu dem er unter der Verantwortung von Frau Böhrk - das muss man ja auch sagen - getroffen worden ist, war es das Blödsinnigste, was man überhaupt tun konnte.

(Beifall bei der F.D.P.)

Sie werden es noch nicht im nächsten Jahr merken, wohl aber in den Jahren 2004 und 2005, wenn es nämlich aus Kiel keine Absolventen mehr geben wird.

Letzter Punkt! Anke Spoorendonk, im letzten Semester gab in den Lehramtsstudiengängen in Flensburg Zuwächse von 24 %. Bei der letzten Landtagswahl hat der SSW in Schleswig-Holstein seine Mandatszahl um

(Dr. Ekkehard Klug)

50 % gesteigert. Trotzdem ist das Land SchleswigHolstein und ist auch dieser Landtag nicht von einer politischen Massenbewegung des Südschleswigschen Wählerverbandes überrollt worden. Dieser Vergleich macht vielleicht deutlich, liebe Anke, wie du prozentuale Steigerungsraten auch in dem anderen Fall richtigerweise einordnen solltest.

(Beifall bei der F.D.P.)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann kommen wir zur Abstimmung.

Beantragt ist die Ausschussüberweisung beider Anträge. Wer der Überweisung des Antrages der Fraktion der F.D.P., Drucksache 15/796, und des Änderungsantrages der Fraktion der CDU, Drucksache 15/825, an den zuständigen Bildungsausschuss zustimmen will, den bitte ich um ein deutliches Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist das einstimmig beschlossen und der Tagesordnungspunkt 11 ist erledigt.

Wir kommen zu Punkt 21 der Tagesordnung:

Kürzer und besser: Weiterentwicklung des Gymnasiums

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/813

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Jost de Jager das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN tun sich schwer mit der Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur. Eigentlich wollen sie es gar nicht, das Abitur in zwölf Jahren. Widerwillig und nur zögernd hat die Bildungsministerin einen eigentlich völlig unnötigen Modellversuch zur Schulzeitverkürzung auf den Weg gebracht. Dass Sie nicht mit voller Überzeugung dahinterstehen, zeigt sich unter anderem daran, dass den Schulen, den Eltern, den Schülern und dem Parlament bislang zu diesem Modellversuch weniger vorliegt als ein paar bedruckte DIN A 4-Seiten. Auch der Verordnungsentwurf, den ich letztens gesehen habe, ist a) dünn und dürftig und b) nimmt er nicht die Anregungen auf, die im Verfahren gegeben wurden.

Mit dieser Halbherzigkeit, diesem Mangel an politischer Überzeugung hinter dem Modellversuch droht dieser nun auch zu scheitern. Nachdem sich - peinlich genug - zunächst nicht genügend Schulen fanden, die

an diesem Modellversuch teilnehmen wollten, fehlt es nun an Anmeldungen von Schülerinnen und Schülern. Notgedrungen musste die Ministerin die Meldefrist bis Mitte dieser Woche verlängern.

Diese Zurückhaltung von Schulen und Schülern spricht aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, nach unserer Überzeugung keineswegs gegen die Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur, sondern sie spricht gegen die Art und Weise, wie dieser Modellversuch umgesetzt werden soll. Von vornherein gab es weder eine konzeptionelle Klarheit der Landesregierung von dem, was sie wollte, noch eine professionelle Vorbereitung des Modellversuchs. Das Ergebnis waren Unsicherheit und Verwirrung bei Eltern, Schülern und Schulen. Viele Eltern - das wissen wir aus erster Hand - haben ihre Kinder auch deshalb nicht angemeldet, weil sie vermuten, dass die Schulzeitverkürzung in SchleswigHolstein am Ende doch keine Perspektive haben wird. Viele Schulen haben sich an dem Modellversuch nicht beteiligt, weil sie Angst hatten, dass die Schüler und Schülerinnen an Schulen abwandern, an denen noch das Abitur in 13 Jahren angeboten wird.

All dies hätte man vermeiden können, wenn man sich in Schleswig-Holstein von vornherein für die generelle Einführung der Schulzeitverkürzung entschieden hätte.

(Beifall bei der CDU)

Dann hätte es keinen Wettlauf der Schulen um die Schüler gegeben. Man hätte sich dann aber die Mühe machen müssen, das Gymnasium insgesamt den Bedingungen der Schulzeitverkürzung anzupassen. Das beginnt mit der Überarbeitung der Lehrpläne. Diese ist nämlich keine Folge der Schulzeitverkürzung, sondern deren Voraussetzung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Schulzeitverkürzung muss man richtig angehen, man muss sie grundsätzlich angehen. Hier hat die Landesregierung, haben die Mehrheitsfraktionen eine Chance verpasst. Aus diesem Grund nehmen wir den Fehlstart bei der Schulzeitverkürzung zum Anlass, eine Grundsatzdebatte zur Weiterentwicklung des Gymnasiums auch inhaltlich herbeizuführen. Es ist unsere feste Überzeugung, dass man es nicht allein bei einer Verkürzung der Schulzeit auf organisatorischem Wege belassen kann, sondern dass man die Gelegenheit nutzen muss, weitere zwingend notwendige, inhaltliche Weiterentwicklungen am Gymnasium anzupacken und vorzunehmen. Man kann Schularten nicht im Zwölf-MonatsRhythmus verändern und deshalb sollten wir diese Gelegenheit nicht verstreichen lassen, wenn wir nicht wollen, dass sich der qualitative Abstand zu anderen Bundesländern noch vergrößert.

(Jost de Jager)

Der Ausgangspunkt unserer Überlegungen ist dabei in erster Linie ein inhaltlicher. Es ist die Frage, ob vor allem die durch die Reformen der 70er-Jahre geprägte reformierte Oberstufe noch den Anforderungen einer neuen Zeit genügt. Diese neue Zeit ist durch sehr rasche Verfallszeiten spezialisierten Wissens geprägt.

Sie ist geprägt durch die Erkenntnis, dass wir in internationalen Leistungsvergleichen, vor allem in mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern bestenfalls noch für Mittelplätze gut sind. Aus diesem Grund ziehen wir als CDU-Fraktion die Schlussfolgerung, dass wir wieder stärker zu einer breiten Grundlagenbildung auch an den Gymnasien kommen müssen. Deshalb wollen wir einen breiten Pflichtfächerkanon bis zum Abitur. Wir wollen auch ein weiteres Abiturprüfungsfach.

Was wir uns davon vor allem versprechen, ist eine Stärkung der Fremdsprachen und - fast noch wichtiger - der Naturwissenschaften, denn wir können es uns als Industrienation auf Dauer nicht erlauben, dass wir an den Universitäten massenweise Studienplätze in technischen und naturwissenschaftlichen Studiengängen zur Verfügung stellen, für die sich keine Bewerber finden. Insofern ist es notwendig, die Naturwissenschaften zu stärken.

Dies ist nicht allein, wie uns sehr oft vorgeworfen wird, ein ökonomischer Reflex, sondern es ist auch die Erkenntnis, dass Naturwissenschaften, dass Technik sehr viel stärker Teil der Grundlagenbildung sind, als es bis dato der Fall gewesen ist. Deshalb muss dies in den Lehrplänen stärker verankert werden.

Ein letzter Punkt, den wir aufgenommen haben, ist der Übergang vom Gymnasium an die Hochschule. Wir konnten neuesten Statistiken entnehmen, dass die Zahl der Abiturienten, die an einer Hochschule später tatsächlich ein Studium aufnehmen, drastisch gefallen ist. Wir glauben, dass es zum Profil des Gymnasiums nicht nur gehört, Schüler zu befähigen, später ein Studium aufzunehmen, sondern wir glauben, dass es auch zu dem Profil gehört, sie wirklich dort hinzuführen. Deshalb schlagen wir vor, dass es eine Studienberatung, eine Orientierung an den Schulen durch die Hochschulen geben soll, um Möglichkeiten aufzuzeigen, welche Studiengänge man einschlagen kann und welche Arbeitsmarktperspektiven sich daraus ergeben. Wir glauben, dass man den Übergang dadurch sehr viel geschmeidiger gestalten könnte. Das wäre dringend erforderlich.

Wir wissen, dass wir mit dem Antrag, der eher weit ausladend ist, noch keine endgültigen Veränderungen hinbekommen können. Was wir uns vorstellen, ist, dass wir eine Debatte, eine sehr breit angelegte Diskussion darüber beginnen können, wohin wir mit dem

Gymnasium wollen, ähnlich wie wir das bei der Hauptschule getan haben. Da haben wir gute Erfahrungen gemacht. Wir freuen uns, dass wir vielleicht in einem mittelfristigen Prozess zu einvernehmlichen Lösungen kommen können.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Henning Höppner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Schleswig-Holsteinische Landtag hat sich im Frühjahr des letzten Jahres mit der Frage der Einführung des Abiturs nach 12 Schuljahren beschäftigt und den Beschluss gefasst, dem Vorschlag der Ministerin für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur zu folgen, dies an ausgewählten Gymnasien des Landes zu erproben.

Anders als viele junge Menschen, Schülervertretungen oder auch die jungen Menschen in den Parteiorganisationen, die gern bei 13 Schuljahren bleiben würden, sind sich die Bildungspolitiker in der Bundesrepublik in großer Anzahl darüber einig, dass die Schul- und Studienzeiten in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern zu lang sind und die akademisch ausgebildeten jungen Menschen früher in das Berufsleben starten müssen.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: So ist es!)

So weit, so gut. So weit - denke ich - auch unsere Übereinstimmungen.

Kollege de Jager, wenn ich allerdings Ihren Antrag lese und ihn bewerte, stelle ich fest, dass ich heute froh darüber bin, dass wir erst einmal in eine Erprobungsphase gehen und uns an dieses Thema heranarbeiten und nicht den von Ihnen beschriebenen Weg einschlagen. Ich muss in Ihrem Antrag nämlich ganz wesentliche Widersprüche feststellen,

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Unglaublich!)

vor allem bei der Bestimmung der pädagogischen Inhalte einer notwendigen zukunftweisenden Gestaltung des Gymnasiums. Das ist doch ein Griff in das Archiv der Schulgeschichte.

Wenn Sie die jetzige Form der gymnasialen Oberstufe als nicht bewährt darstellen und den Schulen empfehlen, ein naturwissenschaftliches oder fremdsprachliches Profil aufzubauen, kann ich nur feststellen: Das haben wir schon in den 50er- und den 60erJahren mit den drei fachlich ausgerichteten Schwer

(Dr. Henning Höppner)

punkten der in Klassenverbänden organisierten mathematisch-naturwissenschaftlichen, neusprachlichen und altsprachlichen Zweige gehabt. Ich weiß nicht, wer Sie hiervon überzeugen konnte. Es muss aber ein Kollege sein, der geglaubt hat: Früher war alles besser.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Anke Spoorendonk [SSW])

Sie treffen in Ihrem Antrag Kernaussagen zum Begriff Bildung, dazu, dass Bildung „zugleich die Bereitschaft lebenslanger Auseinandersetzung mit der Frage nach dem Sinn des Lebens“ - wie es dort heißt - „sowie die Auseinandersetzung mit Beruf, Lebenskreis und Welt“ ist. Was ich vermisse, ist die Darstellung des Erlangens anderer Fähigkeiten bei hochrangig ausgebildeten jungen Menschen, etwa die Förderung von Kreativität, das Erlangen von sozialer Kompetenz und von Teamfähigkeit - was die Wirtschaft fordert -, die Erziehung zur Verantwortung für unsere Gesellschaft und zur Verantwortung für die Erhaltung der Lebensgrundlagen von Menschen, Tieren und Pflanzen und die Erziehung zur Bereitschaft, ein großes kulturelles Erbe in die Zukunft zu tragen. Wir erreichen diese Ziele nicht zwangsläufig, indem wir den Fächerkanon des Gymnasiums erweitern und ein weiteres Abiturprüfungsfach einrichten.

Sie fordern Grundlagenbildung und wollen das durch zusätzliche Prüfungsfächer erreichen, zum Beispiel durch eine weitere Naturwissenschaft. Es wird die jungen Menschen aber nicht studierfähiger machen, wenn sie noch mehr Wissensstoff vermittelt bekommen.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Das wäre schon mal ganz gut!)