Protocol of the Session on February 22, 2001

(Martin Kayenburg [CDU]: Das ist Quatsch! Das ist Unsinn!)

- Herr Kayenburg, hören Sie einmal zu! Dann lernen Sie etwas.

(Martin Kayenburg [CDU]: Motorola hat entlassen, Dräger hat entlassen!)

- Herr Kayenburg, das bedeutet nicht, dass Sie die alten Strukturen stärken und erhalten müssen, sondern das bedeutet, dass Sie bereit sein müssen, den Strukturwandel, den Wandel hin zu neuen Strukturen stärker voranzutreiben. Das ist der entscheidende Punkt.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Das machen Sie? - Martin Kayenburg [CDU]: Dazu for- dern wir Sie dauernd auf! - Wolfgang Kubik- ki [F.D.P.]: Das machen ausgerechnet die Grünen? Da bin ich ganz begeistert!)

Wenn man sich die Zahlen anguckt, stellt man fest, dass immer noch mehr als drei Viertel der staatlichen Fördermittel in traditionelle Bereich wie Landwirtschaft und Schiffbau fließen. Dies macht weniger als 5 % der Beschäftigten aus.

(Karl-Martin Hentschel)

Ich schließe daraus, dass wir uns noch zu sehr an das Bestehende klammern. Das hat einen gewichtigen Grund. Das Neue ist in den Institutionen nicht vertreten. Die Opposition fordert nie einen schnelleren Strukturwandel. Was Sie fordern, sind weitere Unterstützung für die Bauern, mehr Unterstützung für die Werften, mehr für das Speditionsgewerbe oder - wie letzte Woche - mehr für die Bauwirtschaft. Sie fordern, die traditionellen Strukturen mit staatlichen Subventionsmitteln weiter zu erhalten. Sie sind nicht bereit, einen neuen Weg zu gehen, neue Strukturen zu stärken, in neue Bereiche mehr zu investieren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Zuruf des Abgeordneten Wolf- gang Kubicki [F.D.P.])

Sie fordern immer noch Autobahnen statt Datenautobahnen. Sie verhindern den Einsatz neuer Technologien im Landtag,

(Martin Kayenburg [CDU]: Was?)

wie Herr Kubicki, der sich darüber beklagt hat, dass er seinen Laptop nicht ans Internet anschließen kann.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Sind Sie noch ganz dicht?)

Sie bekämpfen lieber die Ökosteuer

(Beifall bei der CDU)

und Sie kämpfen gegen Windmühlen. Don Quichotte lässt grüßen, Herr Kayenburg!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Um einen kreativen Modernisierer wie Wirtschaftsminister Rohwer zu kritisieren, sind Sie wahrlich die Falschen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD - Klaus Schlie [CDU]: Ich komme mir vor wie am Rosen- montag!)

Mein Resümee, Herr Kayenburg: Ihre Pflichtübung heute war nicht so toll. Sie sind wieder einmal bei der Grätsche rückwärts gestolpert. Sie haben noch etwas Zeit bis zur nächsten Kür. Ich wünsche Ihnen viel Glück bei der Mannschaftsaufstellung.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Bevor ich Herrn Harms das Wort erteile, möchte ich Einvernehmen mit dem Fraktionsvorsitzenden der F.D.P. herstellen, dass der Zwischenruf an Herrn

Hentschel nicht wiederholt wird. Das war ein Zwischenruf, der eine Frageform enthielt, wobei wir uns beide darüber einig sind, dass das nicht dem Stil des Hauses entspricht.

Jetzt hat Herr Abgeordneter Lars Harms für den SSW das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Natürlich müssen wir die Zahlen des Statistischen Landesamtes ernst nehmen. Wenn wir einen Rückgang des realen Bruttoinlandsproduktes von 2,1 auf 1,1 % haben, ist das ernst zu nehmen. Schon im letzten Jahr haben wir gesagt, dass 2,1 % Wachstum nicht beschäftigungswirksam sind. Folgerichtig sind 1,1 % Wachstum erst recht nicht beschäftigungswirksam. Das heißt, es ist deutlich zu sehen, dass die Eigendynamik der Wirtschaft in Schleswig-Holstein - aber nicht nur hier, sondern in der gesamten Bundesrepublik - immer noch nicht den entsprechenden Druck darauf ausüben kann, von allein Arbeitsplätze zu schaffen. Erst Wirtschaftsförderung oder eine von außen auf uns einwirkende Bewegung der Wirtschaft, was beispielsweise den Export angeht, machen dies möglich. Eine solche Bewegung zeigt: Aha, da geht es hin. Das ist aber abhängig von der Währung, vom Euro und ähnlichen Geschichten. Wenn der Euro wieder einmal steigt, haben wir immer noch massive Probleme. In dieser Beziehung gebe ich Ihnen von der Opposition Recht. Ich gehöre der Opposition ja selber auch an. Das merkt man vielleicht nicht immer.

(Heiterkeit bei CDU und F.D.P.)

Aber ich gebe Ihnen Recht, die Binnennachfrage werden wir nicht so schnell steigern können.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [F.D.P.])

- Gern geschehen! Man muss allerdings auch sagen, dass das an unserer Wirtschaftsstruktur liegt. Wir hinken allgemein nach. Das ist auch bekannt. Es soll auch etwas geändert werden. Diesbezüglich gibt sich die Landesregierung auch wirklich Mühe.

Herr Hentschel hat eben schon deutlich gemacht, dass wir in verschiedenen neuen Sektoren tätig sind. Das kann ich nur bestätigen. Allerdings muss ich sagen: Wenn wir E-Commerce fordern, wenn wir ECommerce wollen und unsere Güter an den Mann bringen wollen, dann brauchen wir dazu auch eine entsprechende Verkehrspolitik. Das beinhaltet auch Autobahnen.

(Beifall bei SSW, F.D.P. und vereinzelt bei der CDU)

(Lars Harms)

Meine Damen und Herren, da ich ab und zu auch etwas regierungsfreundlich bin,

(Klaus Schlie [CDU]: Das merkt man aber gar nicht!)

möchte ich von einem Forum der SPD-Fraktion berichten, damit auch der Rest der Welt dies erfährt. Dort war unter anderem die Wirtschaftsförderung im angelsächsischen Raum ein Thema. Dort wurde Folgendes ganz deutlich gemacht: Ihr könnt alles machen, ihr könnt die Straßen verbessern, ihr könnt die Infrastruktur verbessern, ihr könnt Telefonleitungen legen, ihr könnt die Leute richtig toll ausbilden - so lange ihr nicht das Geld auf den Tisch des Herrn legt, um ein Unternehmen zu locken, so lange kommen die Unternehmen nicht!

Das ist eine uralte Forderung des SSW: einzelbetriebliche Förderung! Dort müssen wir wieder ran. Wir müssen uns Gedanken machen, wie wir dieses Instrument nutzen können. Wir stehen in Konkurrenz mit anderen Bundesländern und mit anderen Staaten. Es geht nicht anders, als dass wir die Unternehmen auch zu uns locken, und das kostet Geld.

(Beifall beim SSW)

Ich möchte jetzt noch einmal auf die genannten Angaben des Statistischen Landesamtes eingehen. Ich nenne den Rückgang der Bauwirtschaft. Uns wurde in einer Anhörung der Bauwirtschaft gesagt: Liebe Leute von der öffentlichen Hand, redet euch doch nicht arm, gebt uns ein bisschen Geld! - Liebe Leute, wir sind arm, wir haben das Geld nicht, wir müssen den Haushalt beachten. Wir werden diese Entwicklung so nicht stoppen können. Davon bin ich überzeugt.

Energiewirtschaft! Klar, die Abschaltung von AKWs führt dazu, dass unser Wirtschaftswachstum geringer wird. Allerdings haben diese Abschaltungen ihren Grund und dieser Grund ist berechtigt. Es dient dem Schutz der Bevölkerung, wenn wir diese Werke ab und zu einmal nachprüfen.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der SPD)

Welchen Schluss ziehe ich aber daraus? - Wenn ich weiß, dass das immer so sein wird, muss ich im Energiebereich auch einmal neue Möglichkeiten schaffen und über neue Möglichkeiten nachdenken. Da denke ich wieder an die Debatte zur Windkraft, da denke ich an dezentrale Energieversorgung. Das sind die zukünftigen Wege, wie wir in bestimmten Bereichen wieder Wirtschaftswachstum bekommen können.

Auch die Ernährungswirtschaft wurde vom Statistischen Landesamt erwähnt. Da kann man wohl davon ausgehen, dass das noch schlimmer wird. Wir sollten

uns darauf einstellen, dass die Zahlen in diesem Bereich nicht besser werden.

Da mir die Zeit davonläuft, fasse ich mich kurz: Ich gebe Herrn Kayenburg Recht. Es ist eine Tatsache, dass wir viele Insolvenzen haben. Es ist aber auch eine Tatsache, dass man nicht überall gleichzeitig sein kann.

Es ist auch eine Tatsache, dass wir positive Ansätze in der Wirtschaftspolitik haben. Wir haben ein gutes Klima für Unternehmensansiedlungen. Wir haben Gründerzentren geschaffen, in denen sich etwas bewegt, in denen man auch sehen kann, wenn man herumkommt, dass sich da etwas bewegt. Und wir haben ein Programm „ziel“, das Wirtschaftsförderung jetzt aus einer Hand betreiben will. Das ist eine vernünftige Sache. Wir haben jetzt auch das Konzept der Bildung von regionalen Schwerpunkten, das die Wirtschaftsförderung aus dem Regionalprogramm in vernünftige Bahnen leiten soll. Ich denke, das sind die richtigen Ansätze. Das sind die Ansätze der Landesregierung, die gesagt hat: Die erste Priorität bei der Wirtschaftsförderung hat die Schaffung von Arbeitsplätzen. Damit sind wir vom SSW außerordentlich einverstanden.

Deshalb - so meine ich - sollten wir positiv in die Zukunft sehen und das Land nicht schlechtreden; denn das ist auf jeden Fall keine Wirtschaftsförderung.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort hat jetzt Herr Abgeordneter Uwe Eichelberg.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Jahre 2000 erlebte Europa eigentlich das Boomjahr, wenn man überhaupt vom Wirtschaftsaufschwung etwas deutlich hervorheben will. Deutschland hat das ziemlich am Ende miterlebt und Schleswig-Holstein ist mit Schlusslicht, zumindest was die alten Länder betrifft. Man hat davon nicht profitiert und nicht für die nächste Flaute vorsorgen können. Das ist eine dramatische Situation und die kann man nicht abtun, sondern die muss man in einer Aktuellen Stunde ansprechen. Wann denn sonst? Wir leben nämlich vom wirtschaftlichen Wachstum in diesem Lande und das wird auch laufend kundgetan!

Als besonders dramatisch ist es anzusehen, dass das verarbeitende Gewerbe nur um 0,7 % gegenüber 5,8 % im Durchschnitt aller anderen deutschen Bundesländer, also inklusive der Ostländer, gewachsen ist.