Protocol of the Session on January 26, 2001

Das Wort für die F.D.P.-Fraktion erteile ich jetzt Herrn Abgeordneten Günther Hildebrand.

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Wir haben dieses Thema am 8. Juni letzten Jahres bereits ausführlich diskutiert. Ich denke, die grundsätzlichen Positionen sind damals schon deutlich geworden. Der Bericht der Landesregierung liegt jetzt vor.

Videoüberwachung soll eine Maßnahme sein, die den Menschen mehr Sicherheit bietet. Dass die Menschen einen Anspruch darauf haben, dass wir ihre Sicherheit und auch ihr Gefühl, sicher zu sein, ernst nehmen, ist unbestritten. Nichtsdestoweniger ist es auch wichtig, wachsam zu sein und darauf zu achten, dass das Persönlichkeitsrecht Einzelner nicht eingeschränkt wird.

(Beifall bei F.D.P. und CDU sowie der Ab- geordneten Silke Hinrichsen [SSW])

Allein das Aufstellen von Kameras ist noch keine Überwachung und das Beobachten öffentlicher Plätze mithilfe von Kameras stellt noch keinen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Bürgerinnen und Bürger dar.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ab in den Container!)

Schließlich wird ja auch niemand etwas dagegen haben, dass beispielsweise ein Polizist auf einem Marktplatz Menschen beobachtet, um im Fall der Fälle einzugreifen und die entsprechenden Maßnahmen einzuleiten. Eine Aufzeichnung muss aber einen konkreten Verdacht voraussetzen. Sonst haben wir die Grenze des Zulässigen überschritten.

Es ist im Übrigen auch nichts dagegen einzuwenden, auf Plätzen mit Schildern auf die Videoüberwachung hinzuweisen. Es wäre interessant zu erfahren, ob die Freude über die zusätzliche Sicherheit oder die Empörung über „Big Brother“ überwiegt.

Auch wenn nach dem Bericht der Landesregierung auf der Grundlage des Landesverwaltungsgesetzes und des Landesdatenschutzgesetzes nunmehr die Möglichkeit

(Günther Hildebrand)

der Videoüberwachung besteht und wenn der Bericht den verfassungsmäßigen Rahmen dafür angibt, so muss doch bei jeder einzelnen Überwachungsmaßnahme, auch bei jedem Aufstellen von Kameras, geprüft werden, ob diese Maßnahme verhältnismäßig ist.

Ist es überhaupt notwendig, einen bestimmten Platz zu überwachen, weil dort beispielsweise eine höhere Kriminalitätsrate herrscht? Wer legt überhaupt fest, wie hoch diese Kriminalitätsrate sein muss und in welchem Moment Kameras aufgestellt werden sollen? Wird Kriminalität nicht verhindert, sondern vielleicht nur verdrängt?

Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an den „kriminologischen Erfolg“ des so genannten großen Lauschangriffs. Im Jahr 1999 sind bundesweit acht Lauschangriffe durchgeführt worden. Zwei davon waren erfolgreich. - Mehr ist dazu im Grunde nicht zu sagen.

(Martin Kayenburg [CDU]: Das sind 25 %!)

- Ich hebe eigentlich mehr auf die acht Lauschangriffe ab, Herr Kayenburg!

Auch muss gefragt werden: Gibt es unter Umständen andere effektivere und unbedenklichere Mittel der Kriminalitätsbekämpfung in einem solchen Schwerpunkt? - All diese Fragen gilt es zu beantworten.

Wir begrüßen es, dass die Landesregierung bei der Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes darauf achtet, dass die Maßstäbe für eine Videoüberwachung seitens des Gesetzgebers nicht zu locker gefasst werden, sondern im Einklang mit den Forderungen des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz stehen. Aber es ist letztlich immer eine Frage der Durchführung einer Einzelmaßnahme, dass die Grenze zwischen Störern, Verdächtigen und Unbescholtenen nicht verwischt wird.

(Beifall bei F.D.P. und SSW)

Es muss auch darauf geachtet werden, dass die technischen Voraussetzungen so gestaltet sind, dass ein einfacher Zugriff Dritter auf das Bildmaterial nicht erfolgen kann. Somit ist also ein hoher Aufwand zu betreiben, um einen Missbrauch zu vermeiden.

Auch die Kostenfrage ist zu berücksichtigen. Schließlich muss für die Auswertung der Bilder ständig ein Beamter zugegen sein, um im konkreten Fall überhaupt erst die notwendigen Aufnahmen in Gang zu setzen. Ist es da nicht sinnvoller, mehr in die Personalausstattung der Polizei anstatt in Überwachungsmaßnahmen zu investieren?

(Beifall bei der F.D.P.)

Unser Fazit lautet: Wir nehmen den Bericht der Landesregierung zur Kenntnis. Die Videoüberwachung wird letztlich die Probleme der Kriminalitätsbekämpfung nicht lösen, kann in Teilen ein Beitrag dazu sein, muss aber sehr restriktiv und im Rahmen der Gesetze eingesetzt werden.

(Beifall bei SPD und SSW)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt Frau Abgeordneter Angelika Birk das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich übernehme den Part von Irene Fröhlich, die erkrankt ist. Zunächst möchte ich daran erinnern, dass auch wir dazu gehörten, als es darum ging, dass der Landtag die Landesregierung auffordert, einen Bericht über die Überwachungspraxis in Schleswig-Holstein vorzulegen. Ich danke Herrn Innenminister Buß sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministeriums für diesen Bericht, auch wenn ich anmerken muss, dass mir die Ausführungen zu den polizeilichen Überwachungsmaßnahmen etwas zu knapp ausgefallen sind. Eine weiter gehende Beschäftigung mit dem Thema der Videoüberwachung in SchleswigHolstein setzt nämlich voraus, dass die Gegebenheiten vor, während und nach der Maßnahme dargelegt werden.

Sie, Herr Buß, weisen auf neue Geräte hin, die Datenschutz durch Technik ermöglichen. Die technische Weiterentwicklung ermöglicht es allerdings auch, Gesichter und bestimmte Bewegungsabläufe zu identifizieren und damit ein ziemlich genaues Bild davon zu liefern, wer sich wann wo mit wem aufgehalten hat. Ein Bundesdatenschutzgesetz, das diese Dinge mit berücksichtigt, ist gerade für die Überwachung von nicht öffentlichen Stellen von großer Bedeutung. Ich danke der Regierung für ihren Einsatz für ein Bundesdatenschutzgesetz, das den Vorschlägen der Datenschutzbeauftragten entspricht.

Dieses Thema wird uns also noch häufiger beschäftigen. Heute, ein gutes halbes Jahr nach der letzten Debatte, steht für mich nach wir vor fest: Videoüberwachung im öffentlichen Raum erfasst vor allem rechtstreue Bürgerinnen und Bürger. Sie birgt das Risiko eines sozialen Konformitätsdrucks, der weit über die Erwirkung rechtstreuen Verhaltens hinausreicht und Unbefangenheit und Freiheit zerstört. Den Kollegen der CDU sei gesagt: Das beginnt nicht erst bei einer flächendeckenden Überwachung, sondern gilt für jede derartige Maßnahme.

(Angelika Birk)

Videoüberwachung ist dort am ehesten gerechtfertigt, wo sich die Überwachung auf sehr eng begrenzte Bereiche beschränkt und wo nicht zu befürchten ist, dass Kriminalität in andere nicht überwachte Bereiche verdrängt wird. Das ist bei den im Bericht zitierten und uns allen bekannten Beispielen von Museen, Tankstellen, Bankautomaten der Fall. Denn selbstverständlich kann ein bestimmtes Ausstellungsstück nur im Museum und nicht zwei Straßen weiter gestohlen werden. Auf öffentlichen Plätzen, auf denen eine bestimmte Szene beobachtet werden soll, macht dauerhafte Videoüberwachung jedoch keinen Sinn. Denn im Gegensatz zu den genannten Ausstellungsstücken haben Menschen in der Regel zwei Beine.

Ich darf Ihnen aus meiner Hamburger Abgeordnetenerfahrung sagen, dass die Verdrängung von bestimmten schwierigen Auseinandersetzungen rund um den Hamburger Bahnhof und ähnliche Orte bundesweit für Aufregung gesorgt hat. Sie war offensichtlich erfolgreich, aber erfolgreich war damit nicht automatisch die Bekämpfung der Verbrechen, die dort beobachtet wurden.

(Martin Kayenburg [CDU]: Das ist ein Wi- derspruch! Das müssen Sie erläutern!)

In der Juni-Tagung des letzten Jahres hat die CDUFraktion ihren Antrag auf Ausweitung der Videoüberwachung mit den Beispielen der Treffpunkte der Drogenszene und der Ausgangspunkte der Begleit- und Beschaffungskriminalität begründet. Glauben Sie denn, dass Abhängige wegen einer Videokamera auf Drogenkonsum verzichten oder dass Taschendiebstahl oder Autoaufbrüche nicht mehr begangen werden, nur weil ein Platz überwacht wird, die angrenzenden Straßen jedoch nicht?

Ich möchte an dieser Stelle auch sagen: Was allerdings in Hamburg und auch anderswo Sinn gemacht hat, ist das Einrichten von Gesundheitsräumen für Drogenabhängige, ist eine Suchtprophylaxe nach modernem Zuschnitt, die nachweislich Autoaufbrüche und ähnliche Folgekriminalität eingedämmt hat.

(Martin Kayenburg [CDU]: Das ist typisch Frau Birk! Unglaublich!)

Zu den angeblichen Erfolgsmeldungen anderer Städte, die weiterhin auf law and order setzen: Wenn man nicht solche Maßnahmen ergreift, wie ich sie genannt habe, verlagert sich die Szene leider nur.

Ich hätte also gern gewusst, Herr Buß, welche anderen präventiven Maßnahmen diese Videoüberwachung, die wir an einigen wenigen Orten hatten, begleitet haben, beispielsweise im Bereich der Drogenhilfe.

Der Bericht des Innenministers erwähnt auch das Beispiel der baulichen Umgestaltung. Es ist ja ebenfalls erwiesen, dass dort, wo besonders lieblose Räume entstehen und keine geringfügige natürliche soziale Kontrolle durch anwesende Menschen gegeben ist, die Kriminalität leider nicht auf sich warten lässt. Mich würde auch interessieren, welche Erkenntnisse die Polizei über den Verbleib der Leute hat, die bisher an den wenigen Stellen überwacht wurden.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Die sitzen jetzt alle ein!)

Ich möchte also die Gelegenheit nutzen und die Regierung bitten, diese Fragen bei zukünftigen kriminologischen Sicherheitsberichten zu klären. Das könnte uns dann tatsächlich Erkenntnisse bringen, die uns die Videoüberwachung realistischer einschätzen lassen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Für den SSW erteile ich jetzt Frau Abgeordneter Silke Hinrichsen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der SSW kommt bei der Abwägung der Vor- und Nachteile der Videoüberwachung immer noch zu dem Schluss, dass die elektronisch-optische Überwachung öffentlicher Räume kein geeignetes Mittel ist, um Kriminalität vorzubeugen.

(Beifall bei SSW und F.D.P.)

Trotz gegenteiliger Behauptungen gibt es immer noch keine soliden Belege dafür, dass die Videoüberwachung Kriminalität verhindern kann.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Im Gegenteil! Videokriminalität wird dadurch erst möglich! - Heiterkeit)

- Sie dürfen sich gern zu mir stellen und soufflieren.

(Heiterkeit)

Die bisherigen Erfahrungen aus dem In- und Ausland können nicht zuverlässig eine längerfristige Wirkung der Überwachung bestätigen. Videoüberwachung verhindert keine Kriminalität. Es wäre auch naiv anzunehmen, eine solche Maßnahme nähme in größerem Umfang den Anreiz und die Gelegenheit zu Straftaten.

(Beifall bei der F.D.P.)

Videoüberwachung vermag insbesondere auch nicht das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen

(Silke Hinrichsen)