Protocol of the Session on January 25, 2001

Bericht der Landesregierung an den Landtag gemäß § 126 HSG n. F. - Universitätsklinika

Bericht der Landesregierung Drucksache 15/555

Ich erteile das Wort der Ministerin für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur, Frau Erdsiek-Rave.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus einer schlichten Einbringung des Berichtes der Landesregierung in den Landtag gemäß § 126 Hochschulgesetz Universitätsklinika - wird nun eine Debatte über die Zukunft der beiden Universitätsklinika in SchleswigHolstein. Dennoch gehört natürlich zu einer Debatte über die Zukunft auch eine Einschätzung des Status quo und ein Bericht über das, was sich in den letzten Jahren, insbesondere im Jahr 1999, entwickelt hat.

Lassen Sie mich zusammenfassend bemerken, dass die Universitätsklinika in Kiel und in Lübeck nach der Verselbstständigung auf einem soliden Wirtschaftskurs sind. Die Ihnen vorliegenden Jahresabschlüsse 1999 zeigen eine ausgeglichene Bilanz. Damit kann man wohl das vorläufige Fazit ziehen, dass das Konzept

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

der rechtlichen und organisatorischen Verselbstständigung der Universitätsklinika damit seine Bewährungsprobe bestanden hat.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [F.D.P.])

Die Klinika haben den notwendigen Freiraum für ihre unternehmerischen und betriebswirtschaftlichen Entscheidungen genutzt. Mit den eingeleiteten Strukturmaßnahmen an den jeweiligen Standorten wird dieser Prozess nachhaltig unterstützt und die Sicherheit und Attraktivität der Arbeitsplätze werden gestärkt. Der geschaffene Freiraum versetzt die Vorstände in die Lage, in eigener Verantwortung die Ausgaben der Klinika zu steuern. Heute erzielen die Klinika Einnahmen - nicht wie früher nach dem Selbstkostenprinzip - durch erbrachte Leistungen. In diesem neuen Denken und Handeln verstehen sich beide Einrichtungen verstärkt als Wirtschaftsbetriebe, die es bereits im Wirtschaftsjahr 1999 geschafft haben, Aufwand und Einnahmen in einem ausgewogenen Verhältnis zu halten.

Wir unterstützen diesen Weg, mit dem die hohe Qualität der Krankenversorgung und der Forschung uneingeschränkt aufrechterhalten wird und wettbewerbsfähig bleibt. Unterstützend hierzu hat die Landesregierung in Abstimmung mit den Vorständen ein Entwicklungs- und Strukturkonzept verabschiedet, das strukturelle Veränderungen ebenso wie Schwerpunktbildungen und Modernisierungsinvestitionen berücksichtigt. Weitere Maßnahmen der Arbeitsteilung, Schwerpunktbildung und Kooperation werden von beiden Klinika bis Mai 2001 ausgelotet und spezifiziert. Die Aufsichtsräte beider Klinika haben ihre Vorstände beauftragt, bis Mai 2001 für ihr jeweiliges Klinikum ein Entwicklungskonzept zu erarbeiten, das sowohl die finanziellen Rahmenbedingungen beachtet als auch Kooperationsmöglichkeiten, Arbeitsteilungen und Synergieeffekte über den Rahmen des eigenen Klinikums hinaus berücksichtigt.

In der Krankenhausplanung sind die bereits getroffenen strukturbildenden Entscheidungen berücksichtigt. So sind zum Beispiel die Projekte „Kompetenzzentrum für traumatologische und orthopädische Chirurgie am Universitätsklinikum Kiel“ und der Neubau der Orthopädie in Lübeck immerhin ein 70Millionen-Projekt - mit der Krankenhausplanung abgestimmt.

Und ich finde es besonders erfreulich, dass den Empfehlungen des Wissenschaftsrates vom Januar 1999 Rechnung getragen wurde, der eine Bündelung, Schwerpunktsetzung und Arbeitsteilung von Fachgebieten beider Universitätskliniken empfohlen hat. Dieser Weg zur Effizienzsteigerung ist unumkehrbar. Er

wird durch flexible Finanzierungsformen ergänzt - ich betone, die weiter ergänzt werden müssen -, die von der Landesregierung den Klinika eingeräumt werden.

In einem ersten Modernisierungsschub werden acht Einzelmaßnahmen im Kieler Klinikum angeschoben, mit denen die Wahlleistungsstationen hochmodern ausgestattet werden, um den Ansprüchen von Patienten und Krankenkassen gerecht zu werden. Damit wird außerhalb der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau ein Volumen von rund 11,8 Millionen DM bewegt. Diese insgesamt positive Bilanz wird durch die hervorragenden Leistungen der beiden Medizinischen Fakultäten in der Lehre ergänzt. Wir haben hervorragende Studienbedingungen und verfügen über eine ausgewiesene wissenschaftliche Exzellenz, abzulesen unter anderem aus den bundesweiten Prüfungsstatistiken.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir haben also allen Grund, die bisher erbrachten Leistungen auf der Habenseite zu verbuchen.

Nun könnte man nach all dem den Schluss ziehen: Alles ist auf gutem Wege, warum also neu strukturieren? - Wir hielten es im Hinblick auf die Entwicklung der nächsten Jahre für fahrlässig, sich jetzt entspannt zurückzulehnen und den Dingen ihren Lauf zu lassen. Denn wenn wir die begonnene Strukturreform nicht konsequent fortführen, drohen die beiden Universitätsklinika in eine schwierige Finanzlage zu geraten. Das, was in der öffentlichen Diskussion mit dem Begriff des Strukturwandels im Gesundheitswesen eher verharmlosend und neutral beschrieben wird und durch den Begriff des zunehmenden Kostendrucks im Gesundheitswesen ergänzt wird, heißt im Klartext:

Erstens. Die Personal- und Sachkosten der Klinika steigen. Behandlungsverfahren werden optimiert, besser und damit auch kostenintensiver.

Zweitens. Die Einnahmen dagegen stagnieren. Die Kassenbudgets sind gedeckelt, die Entwicklung der Einnahmen bleibt hinter der Entwicklung der Kosten zurück.

Drittens. Im Jahr 2003 wird die Abrechnung mit den Kassen auf die Fallpauschalen nach den so genannten DRGs - Diagnoses Related Groups - umgestellt. Diese Fallpauschalen spiegeln die Kosten der nicht universitären Krankenhäuser wider. Es ist deshalb zu erwarten und zu befürchten, dass die Umstellung auf die Fallpauschalen für die Universitätsklinika zu Einnahmeeinbußen führen wird.

Viertens. Schließlich wird der Landeszuschuss weiter sinken. Er ist von 1996 bis 2001 bereits um rund 11 %

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

gesunken, das heißt in Kiel um 16,5 Millionen DM und in Lübeck um 15,5 Millionen DM. Die mittelfristige Finanzplanung sieht für beide Klinika eine weitere Senkung von insgesamt 2 Millionen DM vor.

Ich will hier gern noch einmal die Zahl ins Gedächtnis rufen, die uns dabei Sorgen macht. Schleswig-Holstein lenkt 39,3 %, also fast 40 %, seiner Hochschulmittel in den Bereich der Medizin. Das waren im vorigen Jahr 285 Millionen DM. Wir können diesen Prozentsatz auf Dauer nicht halten. Wir müssen vielmehr den nicht medizinischen Anteil der Hochschulen am Hochschuletat stärken. Wir müssen den Anteil an den Hochschulen, der nicht der Medizinerausbildung dient, im Gesamtetat der Hochschulen verstärken.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Bereiche brauchen die Unterstützung und Hilfe des Landes. Denn diese Bereiche verfügen nur über wenig eigene Einnahmen und sie können insbesondere die Tarifsteigerungen - das wissen wir leidvoll aus den letzten Diskussionen über die Zielvereinbarungen noch schlechter auffangen als die Klinika das tun konnten.

Die Landesregierung ist der Auffassung, dass eine zukunftsorientierte, vorausschauende Planung es verlangt, jetzt die Strukturreform von 1999 fortzusetzen, um die Leistungskraft und die Wettbewerbsfähigkeit der Hochschulmedizin in Kiel und in Lübeck mit einer weit gehenden Bündelung der Kräfte langfristig zu sichern und zu verbessern.

Dies werden wir, wie von der Ministerpräsidentin in ihrer Pressekonferenz am 12. Januar angekündigt, durch die Zusammenführung beider Universitätsklinika in einer neu zu bildenden Anstalt Universitätsklinikum Schleswig-Holstein erreichen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Unterstützung der Abgeordneten können wir dabei gewiss gebrauchen. Dazu bedarf es nämlich einer Änderung des Hochschulgesetzes, deren Ziel wir jetzt definiert haben.

Wir werden die Einzelheiten in einem intensiven Diskussionsprozess in den nächsten Wochen und Monaten mit allen Beteiligten erörtern. So viel aber steht fest: Das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein wird einen gemeinsamen Vorstand haben. Seine Aufgabe wird es sein, die Verwaltung der beiden Standorte zusammenzuführen und Synergieeffekte zu erzielen. Mit diesem Begriff - das ist mir sehr bewusst wird viel Schindluder getrieben, aber in dieser Frage ist er wirklich angebracht.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es muss zum Beispiel ein gemeinsames Beschaffungswesen geben und anderes mehr. Ich will für Lübeck nur auf das Stichwort klinisches Rechenzentrum hinweisen.

Es ist nicht unser Ziel, die Verwaltung an beiden Standorten komplett aufzulösen. Das wäre weder sinnvoll noch sachgerecht. Es soll bei den Universitätsklinika auch keine betriebsbedingten Kündigungen geben. Ich verweise auch hier, was die Ministerpräsidentin bereits getan hat, auf die bundesweit beispielhafte Modernisierungsvereinbarung, die 1998 mit den Organisationen der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes geschlossen wurde. Daran soll auch dieser Prozess für die Klinika anknüpfen. Das will ich den Beschäftigten in den beiden Kliniken heute hier ausdrücklich sagen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die beiden Universitäten und Medizinischen Fakultäten sollen sich zukünftig des einen Klinikums Schleswig-Holstein für Forschung und Lehre bedienen. Wir sind uns sicher, dass dieser Prozess, der bundesweit bisher einmalig ist, mit großem Interesse beobachtet und - so hoffen wir sehr - vom Wissenschaftsrat auch positiv begleitet werden wird. Dabei wird erforderlich sein, dass sich die beiden Fakultäten künftig noch enger untereinander abstimmen und mehr kooperieren, als dies bis jetzt der Fall ist.

Wir sind uns sehr bewusst, dass dies ein schwieriger Prozess ist. Es gibt aber keinen Zweifel daran, dass die Landesregierung in der schwierigen Situation, die auf die Klinika zukommen wird, die Aufgabe hat, Ziele vorzugeben. Ich lege aber großen Wert darauf, dass der Weg dorthin in enger Abstimmung mit den Beteiligten festgelegt wird. Dazu werden wir in den nächsten Wochen intensive Gespräche führen und im März ein Eckpunktepapier vorlegen. Sie, meine Damen und Herren Abgeordneten, haben einen Anspruch darauf, dass Ihnen aufgrund dieses Prozesses dann ein sorgfältig abgestimmter Gesetzentwurf zugeleitet wird. Dies wird, von heute an gerechnet, in ziemlich genau einem Jahr der Fall sein.

Schwerpunktsetzung, Profilschärfung und Kooperation, effiziente administrative Strukturen - das ist die Zukunft für ein starkes, wettbewerbsfähiges Universitätsklinikum Schleswig-Holstein.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke der Frau Ministerin für ihren Bericht.

Bevor ich die Aussprache eröffne, begrüße ich Gäste. In der Loge haben Platz genommen die Herren Rektoren Professores Arnold von der Medizinischen Universität zu Lübeck und Demuth von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel sowie weitere Mitglieder des Vorstandes und Rektorates des Universitätsklinikums Lübeck. Seien Sie herzlich begrüßt!

(Beifall)

Auf der Tribüne haben ebenfalls Platz genommen Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Schwarzenbeck mit ihren Lehrkräften. Seien auch Sie herzlich begrüßt!

(Beifall)

Meine Damen und Herren, ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst Herrn Abgeordneten de Jager das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin, zumindest in einem Punkt haben Sie Recht: Der gesetzlich vorgeschriebene Routinebericht der Landesregierung zu den Hochschulklinika wäre wahrscheinlich einigermaßen unbemerkt in der vergangenen Tagung des Landtages debattiert worden, wenn er nicht vertagt worden wäre. Doch jetzt, da wir die Ankündigung der Ministerpräsidentin und Ihre Ankündigung kennen, die Universitätsklinika Kiel und Lübeck unter einem Dach zusammenzufassen, ist der Aussprachebedarf doch erheblich gestiegen.

Dabei kann man sich zunächst die Frage stellen, was genau Sie und die Ministerpräsidentin in der Pressekonferenz am 12. Januar wirklich angekündigt haben. Eigentlich nichts Genaues! Sie haben lediglich angekündigt, dass die Landesregierung die Absicht hat, irgendwann einmal, nämlich in einem Jahr, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der bis 2003 verabschiedet sein soll und einen gemeinsamen Vorstand für die Universitätsklinika in Kiel und Lübeck vorsieht, auch wenn noch niemand weiß, wo.

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, Frau Ministerin, dass Sie in Erwiderung auf ein Pressegespräch unseres Fraktionsvorsitzenden Martin Kayenburg vom Jahresbeginn auch irgendetwas vorlegen wollten, was mit einem gemeinsamen Dach für die Hochschulen zu tun hat.

(Beifall bei der CDU - Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Unglaublich! - Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie hat es clever genutzt, weil Sie jetzt nichts da- gegen sagen können!)

Sie sind in der Landesregierung. Herr Hentschel, Sie sind Vorsitzender einer Regierungsfraktion. Die Politik ist gefragt, wenn es konkret wird. Ihre Ankündigung wirft aber sehr viel mehr Fragen auf, als sie beantwortet. Sie schafft - das ist ein durchgängiger Zug der Regierungspolitik, die auch Sie mit unterstützen, Frau Birk - mehr Verunsicherung als Planungssicherheit für die Hochschulen und für die Standorte hier im Land.