Protocol of the Session on January 25, 2001

Nach Artikel 104 a Abs. 1 des Grundgesetzes tragen Bund und Länder gesondert die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben. Das heißt, die Länder und damit auch die Gemeinden haben die von der Bundesgesetzgebung vorgegebenen Aufgaben grundsätzlich als eigene Angelegenheiten zu vollziehen und dafür sowohl die Zweck- als auch die Verwaltungsausgaben zu tragen.

Die allgemeine Regelung in Artikel 28 des Grundgesetzes, die den Gemeinden den Anspruch auf eine angemessene Finanzausstattung gewährt, wird dagegen vielfach als nicht ausreichend zur Absicherung der kommunalen Finanzinteressen angesehen. Es wird daher immer wieder diskutiert, das Prinzip der Vollzugskonnexität durch die so genannte Gesetzeskonnexität abzulösen. Danach hat die Ebene, die die Regelung trifft, auch die Kosten zu tragen.

Dieser auf den ersten Blick bestechende Gedanke wirft jedoch bei näherer Betrachtung erhebliche Fragen auf. Bei einer generellen Regelung im Sinne einer Gesetzeskonnexität - und darüber diskutieren wir hier ja würden riesige Finanzströme auf den Bund übergehen und dessen Dominanz im föderalen Kräftespiel noch

weiter erhöhen. Die volle Kostentragung des Bundes für den Vollzug des Bundesrechts durch die Länder würde zu einer Ausweitung der Bundesauftragsverwaltung führen. Damit wären die Länder weisungsgebunden und könnten durch den Bund bis ins Detail gesteuert werden. Ein weiterer Grundpfeiler des Föderalismus, nämlich die Vollzugskompetenz der Länder, würde weitgehend geopfert.

Das wirksamste Mittel, das Problem zu lösen, liegt nach meiner Auffassung in einer Stärkung der Gesetzgebungskompetenz der Länder.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das würde auch den Gemeinden zugute kommen, die im Falle der Übertragung der Aufgaben auf die Kommunen voll von dem vorbildlichen Konnexitätsprinzip der Landesverfassung profitieren würden.

Das Anliegen des Antrages ist im Prinzip gerechtfertigt, sollte allerdings in einen größeren Zusammenhang gestellt werden. Eine separate Bundesratsinitiative zur Änderung des Grundgesetzes ist zurzeit - Herr Schlie, das sage ich ausdrücklich erneut - wahrscheinlich wenig aussichtsreich. Der Bund und die Länder - Sie alle wissen das, meine Damen und Herren - sind gegenwärtig erheblich damit beschäftigt, die Neuordnung des Länderfinanzausgleichs entsprechend den inhaltlichen und zeitlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu verabschieden. Eine parallel laufende Diskussion über die Veränderung anderer Grundlagen der Finanzverfassung ist im Moment wenig aussichtsreich. Ich halte es aber für zweckmäßig, den Antrag, den Sie an den zuständigen Landtagsausschuss überweisen werden, auch in die am 13. Februar 2001 beginnenden Beratungen beim Landtagspräsidenten einfließen zu lassen.

(Beifall der Abgeordneten Klaus-Peter Puls [SPD] und Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

In der interfraktionellen Arbeitsgemeinschaft, die über die Weiterentwicklung und Stärkung des Föderalismus berät, sollen auch Vorschläge der Landtagsdirektoren der Länder zur Änderung von Artikel 104 a des Grundgesetzes erörtert werden. Das ist mein ergänzender Vorschlag.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Den Vorschlag, den Sie zuletzt bezüg

(Präsident Heinz-Werner Arens)

lich der Föderalismusdebatte, Beteiligung des Parlamentes gemacht haben, stößt auf fruchtbaren Boden.

Es ist beantragt worden, den Antrag federführend an den Innen- und Rechtsausschuss und mitberatend an den Finanzausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 18 auf:

Entwurf eines Gesetzes zur Erhöhung des Trinkgeldfreibetrages (Bundesratsdrucksache 770/00 vom 24.11.2000)

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/655

Änderungsantrag der Fraktion der F.D.P. Drucksache 15/671

Änderungsantrag des SSW Drucksache 15/686

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Ich eröffne die Aussprache und erteile Herrn Abgeordneten Arp das Wort.

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Mit unserem Antrag greifen wir ein Thema auf, das in den vergangenen Jahren wiederholt Gegenstand parlamentarischer Debatten im Bundestag und Bundesrat war und dabei immer wieder die Gemüter erregte, nämlich die Besteuerung von Trinkgeldern. In Deutschland, einem Land, das ohnehin nicht gerade für vorbildlichen Service bekannt ist, wird man auch für Freundlichkeit noch bestraft. Für alle im Dienstleistungssektor Tätigen, wie Kellnerinnen, Kellner, Pagen, Kofferträger, Taxifahrer, Krankenschwestern, Friseure - ich könnte noch viele mehr aufzählen -, gilt eine Steuerpflicht auf Trinkgelder.

Jeder, der die Situation im Pflegebereich und Gaststättengewerbe kennt, weiß, wie schwierig es ist, hoch motivierte, besonders freundliche und dienstleistungsbereite Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden, die bereit sind, besonders abends, an Wochenenden und auch an Feiertagen zu arbeiten. Das gilt für alle Branchen. Eine wichtige Voraussetzung für die Motivation und die Freundlichkeit des Personals sind die vom Gast freiwillig gewährten Trinkgelder als Anerkennung für besonders qualifizierten Service und als Ausdruck der Zufriedenheit mit der in Anspruch genommenen Dienstleistung.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Guten Service und Freundlichkeit belohnt der Patient oder der Gast hin und wieder mit einem kleinen Betrag, dem so genannten Trinkgeld. Wir wissen, dass Arbeit in Deutschland sowieso zu teuer ist und zu hoch besteuert wird. Für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, gerade im Dienstleistungssektor, ist es günstiger, im Ausland zu arbeiten, weil die Steuerlast dort geringer ist. Die Bereitschaft für qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus diesen Sektoren, zu unseren EU-Nachbarn zu gehen, nimmt zu. Eine Steuerpflicht auf Trinkgeld ist somit in jeder Hinsicht kontraproduktiv.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Beim Trinkgeld gilt besonders das Leistungsprinzip - das weiß doch jeder von sich selbst - und dieses dürfen wir nicht durch unnötige Steuern bestrafen.

Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Trinkgeld erhalten, sind ohnehin sozialversicherungspflichtig, also sie zahlen schon einmal Abgaben und Steuern auf ihre Löhne, für ihre Arbeit. Sie werden somit für die gleiche Tätigkeit ein zweites Mal durch Abgaben herangezogen. Es ist unüblich, dass man für die gleiche Tätigkeit zweimal Steuern und Abgaben zahlt.

(Zuruf der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Einige Finanzämter, besonders an der Ostseeküste, fordern von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Gastronomie sogar eine tägliche Aufzeichnungspflicht - ein unverhältnismäßig großer Aufwand an Bürokratie für Mitarbeiter und Finanzämter; sie sind beide betroffen.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Derzeit gibt es lediglich einen Freibetrag von 2.400 DM auf Trinkgelder. Man muss sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen: Das sind 200 DM im Monat oder 10 DM am Tag. Für nur 10 DM am Tag zahlt man schon Steuern! Die letzte Anpassung des Freibetrages von 1.000 auf 2.400 DM fand vor zehn Jahren statt. Allein deshalb ist jetzt eine Anpassung erforderlich.

(Dr. Heiner Garg [F.D.P.]: Abschaffen! - Un- ruhe)

- Da kommen wir ja hin, den Weg gehen wir gemeinsam; wir müssen nur den ersten Schritt vor dem zweiten gehen, Herr Kollege Garg.

Obwohl in anderen Dienstleistungsberufen typischerweise ebenfalls ein freiwilliges Trinkgeld gezahlt wird, werden Trinkgelder in erster Linie nur im gastronomischen Bereich besteuert. Das halten wir für ungerecht. Die Benachteiligung in diesem Bereich im Vergleich

(Hans-Jörn Arp)

zu anderen Branchen, die mit der leichteren Möglichkeit, die Höhe des Trinkgeldes in Abhängigkeit vom Umsatz zu schätzen, zusammenhängt, würde durch eine Anhebung des Freibetrages abgebaut. Auch würden guter Service und Freundlichkeit wieder stärker belohnt.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Aufgrund einer Bundesratsinitiative der Bayern, die ja bekanntlicherweise Tourismusland Nummer eins sind,

(Zuruf des Abgeordneten Rolf Fischer [SPD])

vom 1. Dezember 2000, den Freibetrag von 2.400 auf 4.200 DM anzuheben, soll sich der Finanzausschuss des Bundesrates im Februar beschäftigen. Wir sollten die Landsregierung auffordern, die Initiative von Bayern im Bundesrat uneingeschränkt zu unterstützen.

(Beifall bei der CDU)

Eine generelle Abschaffung der Trinkgeldbesteuerung sollte jedoch unser Endziel sein, Herr Kollege Garg, da sind wir uns einig.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Man muss bei diesem Vorgang allerdings taktisch vorgehen, sonst erreichen wir unser Ziel nicht. Wir müssen sie alle mitnehmen, sogar die Sozialdemokraten, sonst kriegen wir keine Mehrheiten.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Wir sollten für unsere Touristen und Patienten, auch diejenigen, die zukünftig unsere Wellness-Einrichtungen besuchen, hoch motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abgeordneter, die Dramaturgie sieht jetzt das Schlusswort vor.

(Heiterkeit)

Ich bin beim Schlusswort. - Dafür müssen wir die Rahmenbedingungen in Schleswig-Holstein schaffen, um auch hier eine Vorbildfunktion auszuüben.