Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beginne mit einer sehr ernsten und mich immer noch sehr treffenden Mitteilung. Wir haben den vierten BSEVerdachtsfall in Schleswig-Holstein. Es ist ein zweimal mit dem Schnelltest positiv getestetes Tier wir sind inzwischen ja schon Insider der Testeritis -, der Tierkörperbeseitigungsanstalt Einfeld. Das heißt, es ist ein gefallenes Tier. Es ist ein Tier aus dem Jahrgang 1996. Die Jahrgänge 1995 und 1996 - das wissen wir inzwischen alle - sind diejenigen, auf die sich das Geschehen konzentriert. Es ist insofern ein gefallenes Tier, als es sich von einer Zwillingsgeburt im Oktober nicht wieder erholt hat und deshalb eingeschläfert worden ist. Wir erwarten das Ergebnis aus Tübingen am Wochenende. Es handelt sich um einen Bestand aus Dithmarschen, der nach HIT-Informationen - Sie kennen dieses Computersystem - 351 Rinder umfasst. Das Tier stammt aus diesem Bestand.
Der BSE-Alarmplan der Landesregierung läuft, das heißt der Landwirt ist informiert. Sonst hätte ich Ihnen das nicht öffentlich mitteilen dürfen. Wir werden mit ihm sprechen. Ich denke, es ist eine Nachricht, die dem Landtag genau zur richtigen Stunde übermittelt wird.
Ich erkläre an die Opposition gerichtet: Herr Ehlers das sage ich auch an den Ausschussvorsitzenden Hopp; man kann sich als Ministerin in kritischen Zeiten keinen besseren wünschen -, man muss trotzdem aufpassen, worüber man hier diskutiert. Sie haben von
uns einen Bericht über die Kontrollen angefordert. Wenn Sie schon alles wissen, dann sagen Sie mir, dass Sie ihn nicht haben wollen.
Wir haben in unserem Haus eine Menge zu tun. Das kann ich Ihnen schwören. Ich brauche keinen Bericht anzufertigen, wenn ich in Bezug auf drei oder vier Haushaltstitel schon vorher in der Luft zerrissen werde. Herr Jensen-Nissen, warum ist man in diesen Dingen so kleinkariert? Warum warten Sie nicht auf die Debatte im Februar? Wir schreiben den Bericht ja. Wir werden ihn selbstkritisch verfassen.
Nun ein Wort zur Selbstgerechtigkeit der Opposition und vieler Verbände, die sich an nichts mehr erinnern. Wir haben Schwachstellenanalysen gemacht und werden die Ergebnisse vorlegen. Von Hans Wiesen über Klaus Buß bis Ingrid Franzen hat es sehr früh Tiermehlverfütterverbote gegeben, und zwar auch in Bezug auf den restlichen Bestand. Wir haben von Ihnen dafür keinen Beifall bekommen. Hans Wiesen ist in der Luft zerrissen worden von allen, die daran Geld verdient haben.
Das werde ich öffentlich wiederholen, auch wenn es anderen nicht gefällt. Wir machen, wie gesagt, eine Schwachstellenanalyse. Ich bitte Sie: Setzen Sie sich einmal mit Ihren früheren Kollegen zusammen! Gukken Sie einmal in Ihre Archive, was Sie getan haben! Das, was hier läuft, ist wirklich etwas zu billig.
Wir führen die Kontrollen im Rahmen unserer Zuständigkeiten durch. Das werden wir darlegen. Aber lassen Sie mich sagen, warum ich mich in der Öffentlichkeit ein bisschen unwohl fühle - aber die juristische Situation ist nun einmal so -: Wenn ich kontrolliere und etwas finde, darf ich es den Bauern dann sagen? Nein, ich darf es nicht. Dann stehe ich mit einem Bein im Gefängnis. Ich könnte ja dem Futtermittelhersteller schaden. Wo leben wir denn? Wir kontrollieren mit öffentlichen Mitteln -
- Der Jurist Kubicki ist natürlich sehr einverstanden. Den Hersteller würden Sie glatt vertreten, Herr Kubicki. Das macht ja auch nichts. Ich frage nur: Warum kontrollieren wir alles öffentlich, wenn wir niemanden informieren dürfen?
Die Frage ist doch: Wie soll ich die Landwirte schützen? Dass der Name eines Menschen, der unter Ver
dacht geraten ist, noch nicht angeklagt und auch nicht verurteilt wurde, öffentlich bekannt wird, ist bei Privatpersonen völlig normal. Sie sind von der „Bild“Zeitung bis zur Lokalzeitung abgebildet, wenn sie Glück haben, mit verkürztem Namen. Ich muss aufpassen, was ich tue und was ich sage. Wir haben im Kabinett durchaus kontrovers darüber diskutiert; das will ich ehrlich zugeben. Aber ich habe wenig Lust, mich so zu verhalten, und ich werde notfalls die Bundesregierung und auch die EU auffordern, hier ein bisschen Klarheit zu schaffen. Wir reden immer davon, dass der Verbraucherschutz an erster Stelle stehen müsse. Aber wenn es um Interessen geht, landen wir gleich bei der Justiz. Aber das hilft uns nicht, meine Damen und Herren.
Ich will beispielhaft etwas zum Handel sagen; denn ich kann nicht alle Bereiche aufzählen. Ich möchte ferner etwas zum Verbraucherschutz und zur Art der Produktion sagen. Ich habe keine Lust, mich auf Prozentsätze einzulassen, von wem auch immer sie vorgeschlagen werden - selbst von Frau Künast -, wie viel Ökolandbau wann zu erfolgen hat. In einer regionalen Zeitung findet sich eine sehr schöne Schlagzeile: „Müller bestellt Ökolandbau“. Mit Verlaub, lieber Herr Kollege: Land haben wir nicht. - Das heißt: Wir müssen überzeugen. Soll ich erst die Landwirte überzeugen, damit sie produzieren, oder soll ich erst die Verbraucher überzeugen, damit sie nachfragen? Wenn wir in der falschen Reihenfolge vorgehen, werden wir in zehn Jahren „Ökoberge“ haben. Das heißt: Es wird zwar etwas besser produziert, aber es ist auch nicht in Ordnung. Ich will über die Nachfrage, über den Bedarf aufklären. Dorthin müssen wir kommen.
Die Ökoprodukte müssen in die Läden. Dagegen erhebt sich Widerstand nicht nur im Handel, sondern auch im Ökobereich, weil man nicht in gleicher Qualität und Quantität liefern kann. Beides wird heutzutage vom Verbraucher verlangt. Machen wir uns auf die Socken, um das hinzubekommen!
Nun zum Thema „Qualitätssiegel“: Frau Künast hat ein einheitliches Ökosiegel gefordert. Dabei wünsche ich ihr viel Erfolg. Es gibt übrigens schon ein solches. Vielleicht nimmt sie auch das oder sie guckt nach Dänemark.
- Dieses und jenes an speziellen Siegeln kann vielleicht darunter stehen. Aber kein Verbraucher kann begreifen, was da läuft. Das ist im Handel nicht vermarktbar.
Lassen Sie mich kritisch sagen: Wenn es für die übrige Landwirtschaft nur ein Siegel geben soll - Frau Künast war neu im Amt, als sie das in Berlin gesagt hat -, das für Mindeststandards gilt, dann sage ich: Das kann es nicht sein.
Das wäre in der Werbung überhaupt nicht zulässig. Der Mindeststandard muss erfüllt werden. Wir kontrollieren ihn ja. Deshalb sage ich zu unserem Gütesiegel - immer mit Bezug auf meinen Haushalt -: Wir haben auf dem Schleswig-Holstein-Abend in Berlin von Staatssekretär Wille große Komplimente gehört. Eine Wurst verarbeitende Firma und der Handel haben sich ähnlich geäußert. Ich denke schon, dass sich das „Gütesiegel“ noch einmal konstituierend zusammensetzen muss. Es sollte vielleicht ein bisschen weniger es muss alles aus Schleswig-Holstein sein - und ein bisschen mehr Qualität sein. Ich glaube, wir haben Veranlassung, noch einmal gründlich zu prüfen, ehe wir dieses schöne Gütesiegel in Gänze aufgeben. Ich weiß, dass der Agrarausschuss das neu bedenken wird.
Die Zeit läuft mir weg, aber lassen Sie mich etwas zur Tierschutzdebatte sagen. Erstens. Ich bin selber Mitglied des Tierschutzverbandes. Das würde ich am liebsten einmal inserieren, weil ich immer neue Briefe bekomme.
Wer zweitens glaubt, dass ich an der Keulung von Herden festzuhalten versuche - ich kann das nur gemeinsam mit den Landwirten tun; ich habe keine Rechtsgrundlage; das weiß ich sehr wohl; das sagen wir den Landwirten auch -, weil ich vom Tierschutz her nicht genug auf dem Quivive sei, irrt sich gewaltig. Aber wer glaubt, dass wir in dieser Zeit bei den ersten Demonstrationen gleich wieder umfallen, irrt sich ebenso.
Wir wissen nichts über BSE. Deshalb ist die Frage, ob wir schon wieder an einem Punkt angekommen sind, bei dem wir wieder aufhören können nachzudenken. Ich bedanke mich sehr, Herr Minister Steenblock, dass Sie das so mitgetragen haben.
Ich möchte zum Schluss noch zwei Punkte ansprechen, zunächst die wissenschaftliche Beratung. Die Herren und Damen Professoren haben einem irgendwann einmal irgendetwas geschrieben; man hat vielleicht darauf geantwortet oder auch nicht. Man bekommt wirklich Schweißausbrüche bei jedem Brief, den man erhält. Ich will es einmal positiv wenden, auch auf
grund einer Bereisung mit meinem Kollegen Hay in Flensburg und aufgrund von Kontakten zur Fachhochschule in Rendsburg. Ich prüfe die Einrichtung eines „Wissenschaftlichen Beirates“ beim MLR - dafür werbe ich -, der sich zweimal im Jahr treffen sollte, zum einen zum Thema BSE, aber auch zu anderen Themen. Natürlich darf mir keine wissenschaftliche Erkenntnis durch die Lappen gehen. Man muss zwischen wissenschaftlicher Meinung - das ist das, was in den Briefen steht - und wissenschaftlicher Erkenntnis unterscheiden. Diesen Unterschied kennen die Damen und Herren Professoren auch.
Abschließend nenne ich zwei Leitsätze, die für mich wichtig sind: Ich werde Reformen in allen Bereichen gründlich anpacken. Ich denke, das ist deutlich geworden. Aber ich werde es in meinem Stil tun - das heißt mit den Beteiligten in Schleswig-Holstein und nicht vom grünen Tisch aus; das meine ich sogar wörtlich.
Ich werde selbstverständlich der Einladung des Bauernverbandes zur Demonstration am Samstag in Rendsburg folgen und dort reden, aber vor allen Dingen zuhören. Ich hoffe, viele von Ihnen dort wiederzusehen.
Ich will eine geschäftsleitende Bemerkung machen. Die Regierung hat ihre Redezeit fast vollständig verbraucht. Ich glaube nicht, dass Herr Umweltminister in 59 sec klarkommen wird. Ich denke, man sollte deshalb klugerweise zunächst die angemeldeten Debattenbeiträge nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung aufrufen und dann noch einmal die Regierung zu Wort kommen lassen. Diese kann natürlich jederzeit das Wort ergreifen, mit den Folgen, die damit wiederum verbunden sind.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin dem Minister a. D. Steenblock außerordentlich dankbar, dass er in der Debatte auf den Europaaspekt
hingewiesen hat, der wichtiger ist, als wir uns das momentan zu Gemüte führen. Es kann keine Insellösung für Schleswig-Holstein geben, es kann auch innerhalb der Europäischen Gemeinschaft keine Insellösung für Deutschland geben. Darauf hinzuweisen halte ich für besonders wichtig. Das entspannt möglicherweise einige der emotionalen Debattenbeiträge, die hier geliefert worden sind.
Herr Kollege Steenblock, Herr Kollege Harms, zum anderen habe ich meine Zweifel daran, dass die Art und Weise der Produktion etwas mit dem In-VerkehrBringen zu tun haben kann. Ich möchte das innerhalb meines Dreiminutenbeitrages an einem kleinen Beispiel verdeutlichen. Niemand von uns käme auf die Idee zu sagen, nur weil ein Auto ökologisch produziert worden sei, dürfe man auf den TÜV verzichten. Das Spannende ist nämlich, wie es mit der Überwachung und Kontrolle bisher gewesen ist. Ich bin bei der ganzen Debatte völlig verwirrt als Verbraucher, meine Frau übrigens auch, weil jetzt Kontrolle und Überwachung gefordert werden, von denen wir davon ausgegangen sind, dass sie bereits bestehen. Die Lebensmittelüberwachung hat ja den Sinn, dass das InVerkehr-Bringen von Lebensmitteln, die nicht an die Verbraucher gelangen sollten, unterbunden werden kann.