Was ich weiß oder was ich glaube, ist überhaupt nicht wichtig. Wichtig ist, was die Verbraucher glauben. Und wichtig ist, das zu definieren, was wir ihnen zusichern können und was wir als Politiker machen können.
Wenn es uns nicht gelingt, das Verbrauchervertrauen zurückzubekommen, können wir uns alle anderen Anstrengungen ersparen, insbesondere auch den Versuch, den wir eben erst angefangen haben und um den wir Sie gebeten haben, Politiker, Erzeuger, Händler und Verbraucher an einen Tisch zu bekommen und
gemeinsam zu überlegen, wie man aus dem Schock der BSE-Krise einen Neuanfang formulieren könnte. Dieser müsste dann die Europapolitik, die Berliner Politik, aber auch unsere Politik - das gebe ich zu - mit zum Inhalt haben.
Das bedeutet: Wir brauchen deutliche Kurskorrekturen, wir brauchen gesunde, nachhaltige Alternativen in der konventionellen Landwirtschaft und natürlich brauchen wir eine Stärkung der zur Nachhaltigkeit verpflichteten Landwirtschaft. Im Mittelpunkt einer jeden Diskussion muss das Ziel stehen, das Vertrauen der Verbraucher zurückzugewinnen, und es muss klar gemacht werden, dass die Existenz der Betriebe gesichert bleibt und dass die Lebensmittel, die bei uns verbraucht und verzehrt werden, qualitativ einwandfrei und nicht krankheitserregend sind.
Eine Trennung in „hier Ökoware und dort mindere konventionelle Ware“ - wie Sie sie uns teilweise vorwerfen - hilft uns überhaupt nicht. Wir wollen, dass sich die Verbraucherinnen und Verbraucher auf die Bekömmlichkeit und auf die Qualität jedes Produktes verlassen können.
An die ökologische Landwirtschaft habe ich den Appell, aus ihrem Nischendasein herauszukommen und sich selbstbewusst dem Wettbewerb zu stellen. Es hat keinen Zweck, Angebote zu machen, die nicht zum Verbraucher kommen und bei denen man einen Zweitwagen braucht, um sich den ganzen Tag lang die Dinge zusammenkaufen zu können. Wer ökologisch wirtschaften will, der darf das und soll das auch. Aber das heißt, dass auch die anderen nachhaltig wirtschaften müssen. Es kann hier keine Trennung geben.
Diese Trennungslinie, die vorhin aufgezeigt worden ist, gibt es gar nicht; das ist meiner Meinung nach von Ihnen bewusst so hochgezogen worden. Wir wollen Transparenz und eine sichere Qualitätskontrolle. Und da haben Sie zum Teil Recht, wenn Sie sagen, wir hätten uns alle zusammen darauf verlassen, dass dieses Land keine BSE-Fälle habe. Und vielleicht sind wir auch ein bisschen zu lax an die Problematik herangegangen.
Aber nachdem ich die Erfahrung gemacht habe, was einem passiert, wenn man Kontrollen fordert oder sagt, es muss etwas verboten werden, muss ich Ihnen ehrlich sagen, es gehört auch Mut dazu, das ein zweites oder drittes Mal zu fordern. Ich wäre sehr froh, wenn wir
die jetzige Situation als eine notwendige Kurskorrektur begriffen, die wir gemeinsam anstreben müssen.
(Beifall der Abgeordneten Lothar Hay [SPD], Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wir haben unter der Federführung der Staatskanzlei in der vergangenen Woche zwei Arbeitsgruppen eingerichtet, die ihre Arbeit inzwischen aufgenommen haben. Sie werden bis Ende März Vorschläge formulieren, was das Land in seinem eigenen Bereich tun kann, um den Verbraucherschutz weiter zu stärken.
Ich bleibe dabei, dass im Verbraucherschutz und in den Verbraucherberatungsstellen nicht alles ideal ist. Das ist keine Frage der Vergangenheitsbewältigung, sondern es ist mehr eine Frage, was in Zukunft geschehen soll.
- Herr Kubicki, wer Geld haben will, muss auch ein ordentliches Konzept vorlegen. Das gilt auch für die Verbraucherzentralen.
Es kann doch nicht angehen, dass jetzt im Windschatten der BSE-Krise alle sagen: Bloß nicht bewegen; jetzt spielen wir den toten Mann. Das Geld wird dann schon kommen, weil es so oft und laut gefordert wird. Nein, wir brauchen auch in diesem Beratungsbereich eine bessere Kooperation. Dieses ganze Gewirr von einzelnen Stellen muss zusammengeführt werden. Es ist nicht richtig, dass ich dann, wenn ich anrufe, eine Antwort so nach dem Motto bekomme: Kollege kommt gleich. Ich bin dafür nicht zuständig.
- Natürlich kann ich mich durchfragen. Das ist ja auch nicht mein Problem, sondern es ist das Problem der Hausfrauen und der Verbraucher, die sich durch diesen Wirrwarr durchfinden müssen. Das muss geändert werden. Da darf auch keiner seine eigenen Kompetenzen gegen alle anderen verteidigen, sondern hier müssen die Kompetenzen der unterschiedlichen Stellen zusammengeführt und durch eine Anlaufstelle miteinander verknüpft werden. Dazu gehören die Gesundheitsämter auf Kreis- und Kommunalebene, dazu gehört die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsberatung auf Bundesebene und dazu gehören die Verbraucherzentralen auf Bundes- und Länderebene. Das muss zusammengeführt werden.
- Da können Sie noch so laut schreien, Frau TodsenReese, das ändert nichts an der Notwendigkeit, diese Zusammenführung hinzukriegen.
- Das ist nicht unglaublich; unglaublich ist, dass Sie das nicht begreifen. Das kann ich nicht verstehen.
Wir werden in Gesprächen mit den Verbraucherzentralen und mit den einzelnen Beratungsstellen darauf hinweisen und sie fragen, wie sie sich eine bessere Zusammenarbeit vorstellen. Wir werden mit den Verbraucherverbänden, der Lebensmittelindustrie und mit der Gesundheitswirtschaft am kommenden Freitag einen runden Tisch BSE durchführen. Wir glauben, dass mit Zögern, Zaudern und kleinlichem Streit niemandem geholfen ist. Wir werden noch vor der Sommerpause ein internationales BSE-Symposium organisieren, weil es tatsächlich keine Sache ist, die nur auf Schleswig-Holstein konzentriert ist. Es gibt überall die ersten Fälle. Wir sehen es ja nun auch in Dänemark und Österreich.
In der nächsten Konferenz Norddeutschland werde ich mit den Ministerpräsidenten aus Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Bremen zusammen eine Strategie für Norddeutschland erarbeiten und die Frage zu diskutieren versuchen, was wir vor Ort und gemeinsam in Absprache auch mit den Verbraucherzentralen machen können.
Während der Sonderministerpräsidentenkonferenz am 16. Februar wird sich alles um das Thema BSE drehen. Es scheint, dass die Ministerpräsidenten mehr Einsicht in die Notwendigkeit eines Neuanfangs haben als Sie auf der rechten Seite dieses hohen Hauses.
Das alles sind notwendige Sofortmaßnahmen. Die strukturellen Probleme, die dazu geführt haben, dass wir heute über BSE reden, wobei über andere Sachen
durchaus auch zu reden wäre, sind so offenkundig, dass wir lang- und mittelfristig neue Strategien erarbeiten müssen. Das ist insbesondere für SchleswigHolstein wichtig, weil rund 45 % der Verkaufserlöse der schleswig-holsteinischen Landwirtschaft auf Rindfleisch und Milch entfallen.
Zu dem, was vorhin zur Keulung gesagt wurde, Folgendes: In Bayern ist man ja den anderen Weg gegangen, mit dem Erfolg, dass die Bauern jetzt freiwillig ihre Herden zur Keulung bringen wollen, weil sie ihr Fleisch nicht loswerden. Es gibt in den Ställen eine Katastrophe, wenn nicht mehr geschlachtet werden kann. Meine Damen und Herren, Sie helfen den Landwirten nicht, wenn Sie ihnen vorgaukeln, es ginge weiter so und mit ein bisschen Kurskorrektur und ein bisschen Schönfärberei werde es schon etwas werden. Das wird nichts werden, weil sich die Verbraucher wehren werden.
Ich erinnere mich noch an die ätzenden Kommentare, als wir die Nachhaltigkeitsstrategie für SchleswigHolstein formuliert haben, die wir jetzt umsetzen wollen. Das sind die Punkte, bei denen Sie auch einmal in sich gehen und sich fragen müssten, ob Sie politisch gut beraten waren, jeden Vorschlag von RotGrün immer gleich in die Mottenkiste zu packen: Ihr wollt Betriebe umbringen, ihr wollt jemandem etwas tun und ihr wollt die Leute sich nicht frei entfalten lassen. Wir wollen niemanden umbringen. Wir wollen, dass die Menschen eine Chance auf dem Markt haben, aber wenn sich die Märkte ändern, nützt es nichts, mit alten Strategien in die neuen Märkte hineinzugehen.
Von uns selbst, von der Landesregierung erwarte ich, dass sich das, was wir in der Zwischenzeit an Erkenntnis haben, in der Förderpolitik des Programms „Zukunft auf dem Lande“ niederschlägt.
Hier müssen wir noch einmal nachgucken, ob wir ein Stückchen dessen, was wir bis jetzt gefördert haben, nicht zugunsten anderer Dinge aufgeben müssen. Die Programme zur Dorferneuerung und Dorfverschönerung können auf der einen Seite nicht verdoppelt werden, wenn man auf der anderen Seite nicht genügend Geld hat, den Landwirten direkt zu helfen.
Im Übrigen müssen wir aufhören, an den einzelnen Symptomen herumzudoktern; wir müssen uns vielmehr Gedanken darüber machen, dass in der Tat alles mit allem zusammenhängt. Wenn die Industrie, die die Futtermittel herstellt, gern stärker von uns kontrolliert werden möchte, dann werden wir das tun. Ich dachte bisher immer, sie hielten sich wie alle anderen Bürger auch an Recht und Gesetz gebunden und wollten ihre Arbeit nicht dadurch stören lassen, dass dauernd jemand daneben steht und kontrolliert.