Das Tiermehlverfütterungsverbot, das zunächst auf sechs Monate befristet ist, wird wahrscheinlich in ein dauerhaftes Verbot münden. Gestützt wird dies durch die aktuelle Meldung, in Brandenburg sei ein zweiter BSE-Fall aufgetreten. Das verschlimmert die gesamte Situation unheimlich.
Der Bundeskanzler und der Bundeslandwirtschaftsminister haben sich dahin gehend geäußert: Es ist nur schwer zu vermitteln, wenn die eine Hälfte eines Rindes für den menschlichen Verzehr geeignet ist, aber die andere Hälfte, zu Tiermehl verarbeitet, für Allesfresser nicht geeignet sein soll. Die Entscheidung ist gefallen; wir akzeptieren sie, um jedes Risiko auszu
Mit dieser Entscheidung sind jedoch weit reichende Folgen verbunden, die sowohl die Fleischwirtschaft betreffen als auch vor den Höfen nicht Halt machen. Die BSE-Krise droht zu einer Überlebenskrise zu werden, wenn nicht sofort unterstützende Maßnahmen greifen. Kurzarbeit und befürchtete Entlassungen müssen abgewendet werden.
Die unterschiedliche Behandlung der Krise in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist wettbewerbsverzerrend und unerträglich. Allein die Tatsache, dass BSE-Tests in Deutschland seit dem 6. Dezember durchgeführt werden müssen, aber in den anderen Mitgliedstaaten der EU erst ab dem 1. Januar 2001, sowie die unterschiedlichen Regelungen für Fischmehl machen dies deutlich.
Die Leidtragenden sind die landwirtschaftlichen Betriebe, die auf den Kosten sitzen bleiben. Möglicherweise entstehen Brüche in der Kette, bis hin zu den Verbrauchern, die später nur schwer wieder zu schließen sind.
In der Krise erst zeigt sich, wer auch mit außergewöhnlichen Situationen fertig wird und in der Lage ist, diese zu meistern.
Was wir in dieser Hinsicht in den letzten Wochen erlebt haben, ist jedoch alles andere als Krisenmanagement im Sinne einer geordneten Bewältigung der Lage, sondern vielmehr eine chaotische Veranstaltung mit sicherem Blick für verwirrende Aktionen, Herr Umweltminister!
Die Entnahme von Bodenproben auf dem betroffenen landwirtschaftlichen Betrieb in Anwesenheit des Umweltministers Müller vor laufenden Fernsehkameras hat nicht zur Erhellung des Sachverhalts beigetragen.
Weder ist es bisher möglich, eventuelle BSE-Erreger festzustellen, noch hat der Eigentümer der Fläche vorher von dieser geradezu hilflos erscheinenden Aktion Kenntnis gehabt. Ebenso wenig wurde vorher mit dem Landwirt über die Idee des Bundeslandwirtschaftsministers gesprochen, den Betrieb zu Versuchszwecken anzupachten. Schön, wenn man so etwas aus der Presse erfährt!
So richtig gehaltvoll wurde die Situation jedoch erst, nachdem ideologisch gefärbte Trittbrettfahrer erkannt haben, dass sie aus der Situation eventuell Kapital schlagen können. Dies reicht von der Empfehlung, nur noch Biorindfleisch zu verzehren, bis zu der Forderung der Landwirtschaftsministerin Höhn in NordrheinWestfalen, das Bundeslandwirtschaftsministerium aufzulösen.
Diese Situation darf nicht dazu missbraucht werden, die Biobetriebe gegen die konventionelle Landwirtschaft zu stellen. Die Annahme, ein Biobetrieb in Ostdeutschland mit 800 oder mehr Rindern sei klein, kuschelig und gemütlich, ein konventioneller Betrieb in Schleswig-Holstein mit 120 Rindern dagegen eine industrielle Massentierhaltung, entspricht nicht ganz den Tatsachen.
Widersprüche begleiten den Umgang mit der BSEKrise. Fischmehl darf aus Deutschland nicht nach Holland in den Schweinetrog, aber die mit Fischmehl gefütterten Tiere dürfen nach Deutschland verkauft werden. Zunächst wurde übergangsweise lebensmitteltaugliches Fett im Kälbermilchaustauschfutter erlaubt, dann wurde diese Verordnung vor dem Inkrafttreten wieder zurückgezogen.
Futtermittel, die tierische Fette enthalten, dürfen nicht verwendet werden, aber vielen Landwirten steht Ersatzfutter nicht zur Verfügung. Die Verwirrung um das Verschwinden des Kopfes der BSE-kranken Kuh ist auch nicht gerade ein Zeugnis für zielgerichtetes und überlegtes Handeln.
Nach dem Seuchenrecht hätte der Kopf zur Verfügung stehen müssen. Erst eine schwierige DNA-Analyse konnte die Verwirrung zumindest hier beenden.
Zweifellos, der Verbraucherschutz hat oberste Priorität. Es muss alles getan werden, um die größtmögliche Sicherheit zu gewährleisten.
Die Landwirtschaft ist zwingend auf das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher angewiesen. Deshalb trägt sie die notwendigen Maßnahmen auch mit. Unsere Landwirtschaft darf aber nicht allein gelassen werden. In dieser Situation ist keine kleingeistige Ausgrenzung, sondern Solidarität gefragt.
Solidarität gebührt aber auch den verarbeitenden Betrieben. Die Hilfen, die das Land zur Verfügung stellt, sind ein Anfang. Allerdings muss die Frage gestellt werden, wie das benötigte Geld zusammenkommt, wenn die Bundesregierung und die Europäische Union in dieser Frage mauern. Es liegen bereits entsprechende Erklärungen vor, die nichts Gutes erwarten lassen. Darüber hinaus ist genau zu beobachten, wie in anderen Ländern der Europäischen Union verfahren wird. Die bereits angekündigten umgerechnet rund 945 Millionen DM für französische Landwirte und Fleischverarbeiter sind ein Zeichen der Solidarität.
Die Beseitigung von Tiermehl und Tierfett ist nicht zum Nulltarif zu haben. Transport, Lagerung und Verbrennung müssen bezahlt werden. Die einfache Formel, „der Verbraucher bezahlt das“, entspricht nicht der Wirklichkeit, vor allem nicht vor dem Hintergrund der gesättigten Märkte. Wenn dort die Mehrkosten nicht durchsetzbar sind, werden unsere landwirtschaftlichen Betriebe dafür aufkommen müssen. Wenn dies hier geschehen sollte, aber in anderen Ländern der EU nicht, können wir uns von den internationalen, europäischen Märkten verabschieden.
Angesichts des Einbruchs des Rindfleischmarktes werden die Rinder länger auf den Höfen stehen und damit die zulässigen Besatzdichten überschreiten. Dieses Problem ist bisher nicht gelöst.
Hier im Lande bleibt noch einiges zu tun, um die Krise zu bewältigen. Die Entsorgung des Tiermehls ist vorläufig, aber noch nicht abschließend geklärt. Die mehrgleisige Kompetenzverteilung des Veterinärdienstes zeigt ihre Schwächen und bedarf einer Neuordnung im Lande.
Die unterschiedlichen Mitleistungen der einzelnen Bundesländer - in Nordrhein-Westfalen werden die Landwirte an den Beseitigungskosten nicht beteiligt führen selbstverständlich zu Wettbewerbsverzerrun
Die Fragen der finanziellen Hilfen sind nicht endgültig gelöst und angedachte Beteiligungen der EU und des Bundes noch offen. Es geht um viel Geld, das unsere Bauern nicht haben.
Aus übergeordneten Gründen würde ich es daher sehr begrüßen, wenn wir im Agrarausschuss den nochmaligen Versuch machen könnten, die vorliegenden Anträge zusammenzuführen. BSE ist kein Parteithema, sondern eine Bedrohung, die uns alle betrifft.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Landtag nimmt sich heute sehr viel Zeit, über ein Thema zu diskutieren, das die Menschen in diesem Lande bewegt. Die neuen Nachrichten - der Kollege Ehlers hat gerade darauf hingewiesen - sind dazu angetan, deutlich zu machen, dass uns dieses Thema auch in Zukunft beschäftigen wird. Für mich ist es wichtig, nicht leichtfertig mit Schuldzuweisungen umzugehen, aber auch Geschichtsklitterung zu vermeiden.
Wenn hier häufig ein bisschen der Eindruck erweckt wird, alles Übel komme aus Brüssel oder der EU Herr Hentschel hat dazu schon etwas gesagt -, möchte ich dem am Anfang deutlich widersprechen.
Denn die Strukturen im Landwirtschaftsbereich werden sehr viel stärker durch die Agrarministerräte und die nationalen Regierungen bestimmt als durch die Kommission oder das Europaparlament. Wer sich mit Landwirtschaftspolitik beschäftigt und sich einmal die Beschlüsse des Europäischen Parlaments gerade zu BSE anguckt - da hat ja gerade auch der Abgeordnete Böge eine sehr engagierte Rolle gespielt -, der muss deutlich sehen, dass das Europäische Parlament genau die Bedenken, die hier aus den nationalen Parlamenten kommen, sehr früh aufgegriffen und eine andere Landwirtschaftspolitik gefordert hat.