Frau Ministerpräsidentin - ach, sie ist gar nicht mehr hier -, Sie haben die so genannte „Rauskaufaktion“ der EU erwähnt. Mir fällt da auch nicht mehr ein als „Wahnsinn“. Denn dieses Geld fehlt uns für die Ursachenforschung.
Der Verbraucherschutz muss in den Vordergrund gestellt werden und dazu bedarf es einer lückenlosen Verbraucherinformation. Ich halte den Weg, den die Handelskette Edeka gegangen ist, für einen ersten Schritt und für den ersten richtigen Schritt.
Natürlich kann zurzeit niemand eine hundertprozentige BSE-Freiheit garantieren. Herr Kayenburg, da stimme ich mit Ihnen voll überein. Dennoch sind vertrauensbildende Maßnahmen möglich: umfassende Produktinformation, lückenlose Zurückverfolgbarkeit, was aber - das wird oftmals übersehen, Edeka praktiziert das - eine Einzelzerlegung jedes Rindes voraussetzt. Wenn aber - das wiederhole ich - genmanipuliertes Futter drin ist, muss es auch draufstehen.
Wir sind uns in den Vorgesprächen mit der Opposition weitgehend einig gewesen und ich möchte lieber diese Einigkeit hervorheben - trotz dessen, was Herr Kayenburg vorhin abgeliefert hat. Gerade weil die SPDFraktion der Ansicht ist, dass wir in der Land- und Ernährungswirtschaft dringend zu einer Wende kommen müssen, bedarf es in dieser Frage eines breiten Konsenses. Wir werden uns in Zukunft mehr als bisher bei der Projektförderung daran orientieren müssen, ob diese den Ansprüchen einer umwelt- und tiergerechten Landwirtschaft gerecht wird.
Bauernverbandspräsident Sonnleitner hat meines Erachtens bislang keine Visionen aufzeigen können, um einen Ausweg aus der Krise zu finden. Bei ihm vernehme ich in jedem zweiten Satz Begriffe wie „Entschädigung“, „Ausgleichszahlungen“ und - was ja so bequem ist -: „Die EU hat Schuld.“ Das ist orientierungsloses „Weiter so!“.
Wir wollen den betroffenen Landwirten und anderen durch die BSE-Krise in Bedrängnis geratenen Betrieben helfen. Das ist hier von der Ministerpräsidentin und der Landwirtschaftministerin Frau Franzen gesagt worden, das brauche ich nicht zu wiederholen.
Europa und die Bundesregierung haben auch ihre Bereitschaft dazu erklärt. Hier unterscheiden wir uns wahrscheinlich in unseren Anträgen von der CDU. Eine Dauersubventionierung lehnen wir ab.
Wir sollten zusätzliche Gelder in die bereits geforderte Forschung und in Maßnahmen stecken, die zu einer verbraucherfreundlichen, gesunden und umweltverträglichen Land- und Ernährungswirtschaft führen.
Wir fordern eine grundlegende Neuorientierung der EU-Agrarwirtschaft. Heute fördert Brüssel nach wie vor mit 50 % des Haushalts nicht die Qualität, sondern die Quantität von Agrarerzeugnissen.
Die Milliardengelder, die als „Marktordnungsausgaben“ der Überschussverwaltung und -beseitigung dienen, sollten lieber in eine Landwirtschaftsreform fließen, die Nachhaltigkeit, Umweltverträglichkeit und artgerechte Tierproduktion als Zielvorstellung hat.
Auch wenn „Ökologisierung der Landwirtschaft“ ein Reizwort ist, benutze ich es, ohne gleich nur an ÖkoBetriebe zu denken. Eine Ökologisierung der Landwirtschaft führt nicht zu Hungerkatastrophen, eher das Gegenteil wird der Fall sein und der ländliche Raum hätte seine Zukunft nicht nur in Call-Centern und Chipfabriken.
(Vereinzelter Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Irene Fröhlich [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Weniger Fleisch es- sen!)
Agrobusiness - das war immer das Schlagwort - in der jetzigen Form darf nicht die Vision der Zukunft sein.
schlecht und Ökolandbau nicht per se gut. Es wäre richtig, wenn auch die entsprechenden Verbände und Beteiligten in einen Dialog eintreten würden. Die SPD-Fraktion ist gern bereit, Gesprächspartner oder Moderator zu sein. Wir fordern auch von der Landwirtschaftskammer, diesen Dialog fachlich und etwas weniger voreingenommen zu begleiten und zu unterstützen.
Ich komme zum Schluss. Es gibt keinen Grund, in der derzeitigen Situation in Hysterie zu verfallen. Augenmaß ist angesagt. „Augen zu!“ allerdings wurde zu lange praktiziert.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich, dass Frau Schröder dieser Debatte heute zuhört, und hoffe, dass sie ihre Unterstützung für das Gütezeichen der Landwirtschaftskammer, die sie bis jetzt gezeigt hat, noch einmal in die SPD-Fraktion hineinträgt und dafür wirbt, dass wir dieses Gütezeichen für Schleswig-Holstein erhalten.
Sie hat dies in ihren bisherigen Beiträgen in diesem Haus immer überzeugend getan. Ich wünsche mir, dass sie eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger in der SPD-Fraktion findet.
Der erste BSE-Fall bei einer in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Kuh hat alle in diesem Land - Politiker, Landwirte, Verbraucher - unvorbereitet getroffen. Er hat die unvorbereitet getroffen, die sich dies nicht vorstellen konnten, und er hat die unvorbereitet getroffen, die sagen, sie hätten es immer gewusst, dass Deutschland nicht BSE-frei ist. Es war ein Schock.
Wir haben bisher in Schleswig-Holstein über BSE und seine Folgen mehr oder weniger theoretisch diskutieren können. Das ist jetzt vorbei.
Die von der Landesregierung getroffenen Sofortmaßnahmen waren umfassend, die sofortige Information der Öffentlichkeit diente der Transparenz. Dies will ich ausdrücklich anerkennen. Keine denkbare Maßnahme hätte den Zusammenbruch des Rindfleischmarktes verhinderten können. Allerdings - das muss einschränkend gesagt werden -, das zeitweilige Verschwinden des Kopfes der getesteten Kuh zeigt, dass die Organisation des Testens verbessert werden muss. Es darf nicht noch einmal vorkommen, dass man nach einem Kuhkopf suchen muss, wenn er getestet wurde.
Eine Erklärung für die Erkrankung der Kuh an BSE auf dem Bauernhof in Hörsten ist bis jetzt nicht erkennbar. Es wurde kein infiziertes Tiermehl verfüttert - die nach jetziger Kenntnis wahrscheinlichste Ursache für das Auftreten von BSE. Das Muttertier war BSEfrei, eine mögliche maternale Transmission über den Mutterkuchen hat nicht stattgefunden.
Es gibt unzählige Hypothesen für die Entstehung von BSE. Nachzuprüfen bleibt, ob es eine plötzlich aufgetretenen genetische Veränderung im Erbgut der Kuh gab, BSE also spontan auftrat, und ob durch das Kälberaustauschfutter eine Prioneninfektion erfolgt sein kann. Das ist auch im Interesse des Landwirts zu überprüfen.
Für den betroffenen Landwirt ist das Auftreten von BSE auf seinem Hof ein schwerer Schlag. Er wird eine über die Entschädigung aus dem Tierseuchenfonds hinausreichende Unterstützung brauchen, um einen neuen Betrieb auf die Beine zu stellen. Es ist ihm kein schuldhaftes Verhalten nachzuweisen. Im Gegenteil, es ist ein vorbildlich geführter Betrieb. Vor diesem Hintergrund - auch, damit die Landwirtschaft das Vertrauen in das Verhalten von Politik behält - braucht dieser Landwirt eine höhere Förderung, als sie durch den Tierseuchenfonds möglich ist.
Ich will noch einmal die Verfehlungen aufführen, die der EU seit dem Auftreten von BSE unterlaufen sind, bewusst unterlaufen sind und wider besseres Wissen geschehen sind.
Ende 1984 wurde BSE das erste Mal von einem Tierarzt in England beobachtet. Die Kuh starb 1985. Die Politik in Großbritannien reagierte auf die eindringlichen Warnungen aus der Wissenschaft mit einem Forschungsverbot für britische Wissenschaftler. Stephen Dealler hat dies in einem größeren Beitrag in der „FAZ“ eindrucksvoll beschrieben. Das muss uns eine Warnung sein. Der Politik der EU ist es nicht gelungen, die Ausbreitung der Krankheit zu verhindern.
Man muss hinzufügen: Sie hat es anfangs noch nicht einmal gewollt. Dies ist ein eindeutiges Versagen der EU.
Die Reihe der Verfehlungen der Politik der EU ist lang. Diese Verfehlungen sind Ursache dafür, dass BSE auch außerhalb von Großbritannien auftritt, dass Menschen durch den Verzehr von Rindfleisch potenziell gefährdet sind.
Es wurde nicht verhindert, dass nach dem Ausbruch der Seuche in Großbritannien das nach dem unsicheren britischen Verfahren hergestellte Tiermehl aus Großbritannien exportiert wurde. 1.200 t gelangten nach Deutschland, 60.000 t nach Frankreich.
Es wurde nicht verhindert, dass nach Ausbruch der Seuche in Großbritannien Rinder exportiert wurden. Bis zum Exportverbot für britische Rinder waren bereits 14.000 Rinder nach Deutschland exportiert worden.
Erst 1990 wurde BSE in der EU meldepflichtig - zu einem Zeitpunkt, als in Großbritannien 300 Rinder pro Woche erkrankten.