Protocol of the Session on December 14, 2000

Erst 1994 wurde die Verfütterung von Tiermehl an Wiederkäuer verboten. Eine Ausfuhrsperre für britisches Rindfleisch wurde abgelehnt, obwohl 1993 in Großbritannien etwa 1.000 Rinder pro Woche erkrankten.

Auch die CDU-geführte Bundesregierung hat sich Verfehlungen vorwerfen zu lassen.

(Ministerin Ingrid Franzen: War die F.D.P. dabei?)

- Wir waren dabei, Frau Franzen! Völlig richtig! Dadurch wird das in keiner Weise besser, Frau Franzen! Das möchte ich auch hinzufügen. Ich will auch hinzufügen, dass dies von der F.D.P. im Bundestag nachhaltig gefordert worden ist und die CDU dies abgelehnt hat.

(Beifall bei der F.D.P. und des Abgeordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Im Übrigen ist hinzuzufügen, dass Kanzler Kohl die guten Beziehungen zu Großbritannien über die Sicherheit der Verbraucher gestellt hat.

Erst 1996 erlässt die EU ein vollständiges Exportverbot für Rinder, Rindfleisch und Tiermehl aus Großbritannien.

Bereits 1999 wird das Exportverbot für Rindfleisch teilweise wieder aufgehoben.

Erst seit Mitte Oktober 2000 - dies ist wirklich dramatisch - ist die Vernichtung des speziellen Risiko

(Dr. Christel Happach-Kasan)

materials (SRM) - Hirn, Schädel, Augen, Milz von Rindern - vorgeschrieben.

(Dr. Heiner Garg [F.D.P.]: Ein Skandal!)

- Dies ist, Herr Kollege Garg - ich stimme Ihnen ausdrücklich zu -, ein Skandal. Vollkommen richtig!

Bundeslandwirtschaftsminister Funke hat bis zum 24. November dieses Jahres behauptet, dass Deutschland BSE-frei sei. Ich bekenne freimütig, ich habe dem nicht widersprochen. Mir war allerdings auch nicht bekannt, dass britisches Tiermehl in einer Größenordnung von 1.200 t nach Deutschland eingeführt worden ist. Ich habe es nicht gewusst. Es ist niemals Thema gewesen.

Unabhängig - das ist dramatisch - von der unterschiedlichen Bewertung der Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von BSE bei deutschen Rindern hat niemand aus der Möglichkeit des Auftretens von BSE in Deutschland konsequent politische Folgerungen gezogen, weder die alte Regierung noch die neue Regierung.

Wichtigste Voraussetzung, um die Verbreitung einer weitgehend unbekannten Erkrankung zu verhindern, ist die Forschung ihrer Ausbreitungswege und die Entwicklung von Tests am lebenden Tier. In Deutschland ist darüber praktisch nicht geforscht worden. Seit 1993 wurde für die BSE-Forschung zusammen gerade einmal 15 Millionen DM ausgegeben. Das ist weniger, als die Folgekosten dieses einen BSE-Falls in Schleswig-Holstein betragen werden. Die alte Bundesregierung hat sich nicht mit Ruhm bekleckert, die rotgrüne im Übrigen auch nicht.

Das Land Schleswig-Holstein mit seinem vergleichsweise hohen Rinderbestand - 1,4 Millionen Rinder bei 2,8 Millionen Menschen - hat ebenfalls keinerlei Anstrengungen unternommen, an der Erforschung von BSE mitzuwirken, obwohl wir an der CAU eine herausragende Argrarwissenschaftliche Fakultät haben.

Statt der Einrichtung eines Lehrstuhls für Ökolandbau wäre ein gentechnisch orientierter Lehrstuhl sehr viel zukunftweisender gewesen.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Kollege Kubicki erinnert mich daran, dass dies unbedingt in dieser Debatte gesagt werden muss. Damit hat er Recht.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nichts gelernt! Nichts gelernt!)

Wir wissen alle, dass alle Erforschungen von BSE auf transgenen Mäusen beruhen und deshalb ist es der falsche Weg, Gentechnik zu verhindern, zu verbieten. Wir haben die Krankheit in Europa.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Herr Kollege Hentschel, Sie sollten endlich einmal etwas lernen, bevor Sie anderen vorwerfen, sie hätten nichts gelernt.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben nichts gelernt, Frau Happach-Kasan!)

- Nein, Herr Kollege Hentschel, Sie haben nichts gelernt und Sie haben auch keine Ahnung. Insofern müssen Sie etwas lernen.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Es ist eine Folge politischer Fehlentscheidungen, dass wir so wenig über diese Krankheit wissen. Die Erkrankung einer einzigen Kuh an BSE wird dieses Land und seine Betriebe viel Geld kosten. Es sind für die Zukunft sehr viel mehr Investitionen in die Erforschung dieser Krankheit erforderlich. Nur dann können wir die Erkrankung gezielt bekämpfen.

Gerade heute ist in den Zeitungen zu lesen, dass bei der EU fünf Testverfahren von Schnelltests getestet werden, validiert werden. Es ist kein einziges deutsches Verfahren dabei. Warum wohl? - Weil dies in Deutschland nicht erforscht werden soll. Das ist ein Fehler.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: So ist es! - Beifall des Abgeordneten Rainder Steenblock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es ist eine sehr teure Maßnahme - dies muss man sich bitte auch einmal auf der linken Seite überlegen -, alle Tiere eines Bestandes zu keulen, in dem ein Tier an BSE erkrankt ist. Es ist eine notwendige Maßnahme, aber sie ist auch sehr teuer.

Nach diesem Maßstab hätten in Großbritannien 1995 95 % der Rinder gekeult werden müssen. Dies muss Ihnen doch vor Augen führen, dass wir diese Krankheit erforschen müssen, ihre Wege erforschen müssen, um sie gezielt bekämpfen zu können. Wir können es uns gar nicht leisten, immer nur über das Keulen zu reagieren.

(Beifall bei der F.D.P. und des Abgeordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Vielen Dank für den Beifall, Herr Hentschel!

Die Mehrzahl der Menschen in diesem Land interessiert sich in erster Linie für die Sicherheit der Lebensmittel und erst in zweiter Linie für die Gesundheit der Rinder. Aus dieser Grundhaltung heraus ist in Großbritannien nahezu zehn Jahre lang nichts getan worden. Man ging einfach aus Bequemlichkeit davon aus,

(Dr. Christel Happach-Kasan)

dass Menschen ja nicht betroffen seien. Erst seit der Entdeckung der neuen Variante der CreutzfeldtJakob-Krankheit 1996, an der insbesondere junge Menschen erkranken, gilt es als wahrscheinlich, dass BSE auf den Menschen übertragbar ist. Auch wenn dies nicht zweifelsfrei bewiesen ist, kann niemand es verantworten, auf einen hieb- und stichfesten Beweis zu warten. Aber es bleibt auch bestehen, was die Landwirtschaft immer gesagt hat und immer auch betont hat: Voraussetzung für eine gesunde Ernährung sind gesunde Tiere.

(Beifall bei der F.D.P. und vereinzelt bei der CDU - Zuruf der Abgeordneten Irene Fröh- lich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Deswegen ist hier Tiergesundheit eine entscheidende Maßnahme, die gesunde Ernährung sicherzustellen.

Es gibt keinen BSE-Test an lebenden Tieren. An geschlachteten Tieren kann BSE mit dem Schnelltest nachgewiesen werden, sofern die Anzahl an durch die Krankheit veränderten Prionen im Gehirn des Tieres groß genug ist. Nach den Erfahrungen in Großbritannien erkranken Tiere erst im fortgeschrittenen Alter an BSE. Daher ist erst für Tiere ab einem Alter von 30 Monaten die Durchführung des Tests verbindlich vorgeschrieben. Dieser Test gibt keine absolute Sicherheit, dass das getestete Tier nicht von BSE befallen ist, aber er stellt mit großer Sicherheit fest - und das unabhängig vom Alter des Tieres -, ob die Menge der veränderten Prionen im Gehirn eines geschlachteten Tieres groß genug ist, dass der Test die Krankheit anzeigt, oder dass sie so gering ist, dass der Test ein negatives Ergebnis erbringt.

Die Menge der krankhaft veränderten Prionen bestimmt die Infektiosität des Risikomaterials. Damit gibt ein negatives Ergebnis beim Schnelltest dem Verbraucher zumindest eine relative Sicherheit, dass der Verzehr des Fleisches unbedenklich ist. Aus diesem Grund ist das Gerichtsurteil, das es Edeka verbietet, seine Fleischwaren von getesteten Rindern auch entsprechend auszuzeichnen, nicht nachvollziehbar. Es richtet sich gegen die Sicherheit.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Friedrich-Carl Wodarz [SPD])

Wir können nicht erwarten, dass die jüngeren Rinder in der Regel werden Rinder im Alter von 15 bis 22 Monaten geschlachtet - freiwillig von den Betrieben getestet werden, wenn sie dafür 120 DM bezahlen und die Tatsache des negativen Testergebnisses verschweigen sollen. Es muss eine Möglichkeit geben, dass Schlachtereien ihre Kundinnen und Kunden dar

über informieren, dass sie nur BSE-getestetes Fleisch verkaufen.

(Beifall bei F.D.P. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten Bernd Schröder [SPD] und Brita Schmitz-Hübsch [CDU])

Gestern ist in der Presse darüber berichtet worden, dass niedersächsische Betriebe ihre Schlachttiere nach Niedersachsen fahren, um den hier bereits vorgeschriebenen Schnelltest zu umgehen.

(Friedrich-Carl Wodarz [SPD]: In die Nie- derlande!)

- Entschuldigung, danke, in die Niederlande.

Die „LN“ geißeln dies als miese Profitgier und fordern auf, nur Fleisch von BSE-getesteten Rinder zu kaufen. Aber woher sollen denn die Verbraucher wissen, ob die Schlachttiere getestet wurden, wenn die Schlachtereien dies nicht angeben dürfen?

In Schleswig-Holstein wurden 1995 69 % der Rinder im Land geschlachtet. In den letzten zehn Jahren haben die großen EG-Schlachthöfe in Kaltenkirchen, Fahrdorf, Flensburg, Schleswig und Rendsburg dichtgemacht, in diesem Jahr die Großschlachterei in Kiel. Damit dürfte die Schlachtkapazität in SchleswigHolstein nicht mehr ausreichen, um alle Tiere hier zu schlachten. Ob also tatsächlich auch Tiere aus Schleswig-Holstein außerhalb des Landes geschlachtet werden, um den Test zu umgehen, ist nachzuprüfen. Es kann nicht einfach behauptet werden.

Bundestag und Bundesrat haben beschlossen, dass vom 2. Dezember 2000 an Tiermehl nicht mehr verfüttert werden darf; in der EU ist dies vom 1. Januar 2001 an für ein halbes Jahr untersagt. Damit wird Tiermehl zu Abfall. Im Mittel sind 1998/99 in Schleswig-Holstein in den beiden Tierkörperbeseitigungsanlagen 73.000 t Schlachtabfälle und 23.000 t Tierkörper verarbeitet worden, 52.000 t Materialien wurden zugekauft. Daraus wurden im Drucksterilisationsverfahren 58.000 t Tiermehl, Tierfett, Knochenfett, Fleischknochenmehl produziert.