Protocol of the Session on November 15, 2000

Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:

Umweltbildung in Schleswig-Holstein

Große Anfrage der Fraktion der CDU Drucksache 15/288

Antwort der Landesregierung Drucksache 15/472

Wird das Wort zur Begründung der Anfrage gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Zur Beantwortung der Großen Anfrage erteile ich dem Minister für Umwelt, Natur und Forsten, Herrn Müller, das Wort.

Verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es freut mich, Ihnen heute die Antwort auf die Große Anfrage der CDU-Fraktion zur Umweltbildung in Schleswig-Holstein vorlegen zu können. Aus der Antwort wird ersichtlich, dass Umweltbildung in Schleswig-Holstein schon seit längerem einen hohen Stellenwert genießt, den wir zukünftig noch ausbauen wollen.

Vorweg gilt mein Dank den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meines Hauses, aber auch all den Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Häusern, die tatkräftig und damals unter großem Zeitdruck - wir waren ja bemüht, diesen Bericht bereits zur OktoberTagung des Landtages vorzulegen - diesen Bericht geschrieben haben.

Waldkindergärten, Naturerlebnisräume, Lernbauernhöfe, Wattwanderungen im Nationalpark, das Freiwillige Ökologische Jahr - Umweltbildung in SchleswigHolstein ist sehr facettenreich. Ziel der Landesregierung ist es, sie als roten - oder grünen - Faden in alle gesellschaftlichen Bereiche einzuweben, Möglichkeiten und Anregungen dafür gibt es viele. Staatliche Einrichtungen wie Schulen, die Umweltakademien und zahlreiche freie Träger nehmen sich engagiert dieser alltagsübergreifenden Querschnittsaufgabe an, ohne dabei moralinsauer aufzustoßen.

Bereits 1996 stellte die Landesregierung im Bericht zur Natur- und Umweltbildung in Schleswig-Holstein fest, dass Umweltbildung die Menschen dazu befähigen soll, die Konsequenzen ihres Handelns zu erkennen und sie dadurch in die Lage zu versetzen, verantwortlich mit den Ressourcen und den Auswirkungen ihres Handelns auf andere Menschen und Natur und Umwelt umzugehen.

Der Bericht bezieht sich auf die Agenda 21, in der es heißt:

„Bildung ist eine unerlässliche Voraussetzung für die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung und die Verbesserung der Fähigkeiten des Menschen, sich mit Umwelt- und Entwicklungsfragen auseinander zu setzen.“

An diesem Dienstag hat das Kabinett den Grundstein für die Strategie „Zukunftsfähiges SchleswigHolstein“ gelegt. Neben dem übergeordneten Leitbild der nachhaltigen Entwicklung, das nun mit Inhalt gefüllt werden muss, verfolgt die Landesregierung damit im Wesentlichen ihre drei umweltpolitischen Schwerpunkte: den parteiischen Naturschutz, die ökologische Innovation sowie Natur erleben und Umweltbildung.

(Minister Klaus Müller)

Wir befinden uns damit in einer sehr guten Gesellschaft. Ausgehend vom Leitbild der nachhaltigen Entwicklung stellt zum Beispiel der Wissenschaftliche Beirat „Globale Umweltveränderung“ in seinem 1995er Jahresgutachten fest, dass die Vermittlung von Umweltwissen lediglich als eine Voraussetzung des notwendigen Lernens hin zum umweltverträglichen Handeln zu betrachten ist. Weitere Kriterien für eine erfolgreiche Umweltbildung sind demnach das Lernen aus Erfahrung, handelndes Lernen, ganzheitliches und antizipatorisches Lernen, Partizipation und die Einbindung in den gesellschaftlich-politischen Konsens.

Der Sachverständigenrat für Umweltfragen griff in seinem Umweltgutachten 1996 diese Kriterien auf und ergänzte sie um die Forderung, die Nachhaltigkeitsproblematik mit ihren zum Teil unterschiedlichen Interessen in die Umweltbildung aufzunehmen. Diese Forderungen und Erkenntnisse sind bereits in unserem Bericht zur Natur- und Umweltbildung in SchleswigHolstein berücksichtigt und dienen der Landesregierung als Richtschnur für die Gestaltung der Umweltbildung - ganz im Sinne der Agenda 21.

(Unruhe)

Wie in der Antwort auf die Große Anfrage dargestellt, greifen die Ressorts innerhalb ihrer Zuständigkeiten für die Umweltbildung die Empfehlungen auf und setzen sie in ihren Förderprogrammen um - so das Umweltministerium, das Jugendministerium und das Wirtschaftsministerium im Rahmen der allgemeinen Weiterbildung und der Sicherung außerschulischer Lernorte für den Natur- und Umweltschutz und so natürlich das Bildungsministerium, das dafür sorgt, dass die Umweltbildung an die Schulen transportiert und in der Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte genügend berücksichtigt wird.

Die Angebote der Landesregierung werden durch eine Vielzahl von Maßnahmen freier oder öffentlicher zum Beispiel kommunaler - Träger ergänzt. Im Hinblick auf das ehrenamtliche Engagement und die nicht staatlich getragene Umweltbildung ist es für die Landesregierung wichtig, ausreichende Unterstützung zu geben, sie aber nicht zu reglementieren, denn die freien Träger sind gemäß Artikel 1 des Bildungsfreistellungs- und Qualifizierungsgesetzes in ihrer Angebotsgestaltung unabhängig.

Um neben den einzelnen Fördermaßnahmen jedoch unterstützend tätig werden zu können, bietet die Landesregierung Moderations- und Kooperationsmöglichkeiten sowie Strukturen zur Vernetzung der unterschiedlichen Umweltbildungsansätze an. Diese Unterstützung wird in erster Linie von der Akademie für Natur und Umwelt in Neumünster geleistet, deren Errichtung 1993 seitens der Landesregierung als

wichtigster Beitrag für eine funktionierende und ständig verbesserte Umweltbildung in Schleswig-Holstein gesehen wird.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Aufgaben der Umweltakademie bestehen primär darin, die Umweltbildungsaktivitäten, und zwar sowohl die der Landesregierung als auch die der freien und sonstigen öffentlichen Träger, im Lande zu vernetzen und zu koordinieren.

Aufgrund der positiven Erfahrungen mit dem bisherigen Projektverlauf wollen wir die Info-Service-Stelle Umweltbildung in der Umweltakademie möglichst über das bislang vorgesehene Projektende 2001 hinaus betreiben. Mit der Transferstelle Umweltkommunikation in der Akademie wollen wir den Arbeitsschwerpunkt Umweltkommunikation und Umweltpsychologie verstärken.

Das Land fördert zahlreiche weitere wichtige Einzelmaßnahmen. Wir unterstützen die uneigennützig im Natur- und Umweltbereich tätigen Vereine und Verbände durch institutionelle Förderung. Durch ihre überwiegend ehrenamtliche Arbeit sprechen diese Gruppen Menschen und Gruppen an, die der Staat zum Teil nur schwer erreichen könnte.

Mit dem 1999 eingeführten BingoLotto werden Naturund Umweltschutzprojekte freier Träger unterstützt sowie Projekte der entwicklungspolitischen Arbeit gefördert. Hier nur eine kleine Auswahl der in den letzten Jahren geförderten Institutionen und Gruppen: Dazu gehören der NationalparkService, ErlebnisWald Trappenkamp, Jugendwaldheime, die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, die Landesjägerschaft und nicht zu vergessen - das Multimar Wattforum in Tönning und die Einrichtung vieler Naturerlebnisräume.

Umweltbildung ist auch eine altersübergreifende Querschnittsaufgabe. Neben Angeboten für die ganze Familie gibt es auch altersspezifische Maßnahmen. Bereits im Vorschulalter wird das Verständnis für Natur und Umwelt durch die vielfältigen Naturspielräume von Kindergärten, insbesondere von Waldkindergärten, geschaffen und schon bei den Kleinsten die Bereitschaft geweckt, an der Erhaltung der Lebensgrundlagen von Pflanzen, Tieren und Menschen mitzuwirken.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Hurra!)

Aber auch im Bewusstsein einer immer größer werdenden Zahl von Jugendlichen hat die Sorge um die Qualität unserer Umwelt und um unser Überleben in ihr einen festen Platz. Deshalb engagieren sie sich auch außerschulisch für den Schutz von Natur und

(Minister Klaus Müller)

Umwelt sowie für den Erhalt und die Verbesserung der natürlichen Lebensgrundlagen. Die Natur- und Umweltbildung in der Jugendarbeit ist daher Teil unserer politischen Bildungsarbeit. Die Landesregierung unterstützt zahlreiche Maßnahmen umweltorientierter Jugendarbeit.

Um das ökologische Engagement junger Menschen auch in der Orientierungsphase zwischen Schulausbildung und Berufsbeginn umzusetzen und ihnen ein vertieftes Umweltbewusstsein vermitteln zu können, wird das Freiwillige Ökologische Jahr bereits im zehnten Jahr angeboten. Es hat für die Landesregierung einen ausgesprochen hohen Stellenwert und ist zu einer bedeutenden Bildungsmaßnahme im Umweltbereich in Schleswig-Holstein ausgebaut worden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Zurzeit sind 73 junge Menschen in verschiedenen Einsatzstellen tätig, wo ihnen die Möglichkeit gegeben wird, Persönlichkeit und Umweltbewusstsein zu entwickeln und sich ein Jahr lang aktiv im Umwelt- und Naturschutz zu engagieren. Für die Landesregierung hat eine Erhöhung der Zahl der Plätze auf 100 Stellen im Land sehr hohe Priorität.

Die Landesregierung versteht die Umweltbildung im Kontext der Agenda 21 und des Leitbildes der Nachhaltigkeit als einen unverzichtbaren Teil der Allgemeinbildung und der politischen Bildung, die darauf abzielt, zur Partizipation an gesellschaftlichen Prozessen und zur bewussten Gestaltung der eigenen Lebensverhältnisse zu befähigen.

Aufbauend auf den Bericht zur Natur- und Umweltbildung, der als Leitschnur dient, hat sich die Landesregierung im Koalitionsvertrag dazu bekannt, die Umweltbildung zu einer Bildung für Nachhaltigkeit weiterzuentwickeln. Wir sind auf einem guten Weg. Wir müssen die Umweltbildung in Schleswig-Holstein aber auch selbstkritisch immer wieder evaluieren. Wir brauchen klare Ziele, Inhalte und Methoden für diese Zukunftsinvestitionen. So ist es zu schaffen, Jung und Alt dafür zu begeistern, die Lebensqualitäten in unserem Land heute und morgen, und zwar mit Kopf, Herz und Hand, zu bewahren beziehungsweise weiter auszubauen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD - Klaus Schlie [CDU]: Was?)

Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat Frau Abgeordnete Todsen-Reese.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor elf Monaten, exakt am 15. Dezember 1999, haben wir uns in diesem Hause bereits mit dem Thema Umweltbildung auseinandergesetzt, damals ausgelöst durch die Diskussion über die Akademie für Natur und Umwelt.

Wenn ich mir heute den ehemaligen CDUErgänzungsantrag anschaue, dann stelle ich fest, dass er an Gültigkeit und Aktualität in keinem Punkt verloren hat. Schon vor elf Monaten haben wir ein Konzept „Umweltbildung in Schleswig-Holstein“ gefordert, um diese zentrale Aufgabe zu stärken und im Sinne der Agenda 21 weiterzuentwickeln. Am 15. Dezember 1999 wurde dieser zukunftweisende Antrag mit der rot-grünen Mehrheit abgelehnt. Angesichts Ihrer letzten Worte, Herr Minister, kann ich fast nur sagen: Wären Sie damals da gewesen, hätten Sie eigentlich nur für unseren Antrag stimmen können.

Elf Monate später erfahren wir durch die Beantwortung der Großen Anfrage nämlich, dass die Landesregierung nunmehr ein Konzept „Bildung zur Nachhaltigkeit“ innerhalb der laufenden Legislaturperiode erstellen wird. Wie schön, dass unsere Große Anfrage der Landesregierung endlich diese Aussage abgerungen hat. Ich freue mich ausdrücklich über dieses Versprechen. Noch mehr hätte ich mich natürlich gefreut, wenn Sie dieses schon vor elf Monaten gegeben und in der Zwischenzeit auch umgesetzt hätten. Elf Monate Schwangerschaft - ein bisschen über die Zeit, oder?

(Beifall bei der CDU)

Neben diesem wichtigen - wenn auch späten - Versprechen hat uns die Antwort auf die Große Anfrage eine Fülle von Informationen, Daten und Fakten geliefert. Für die ausführliche Beantwortung der Fragen möchte ich mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Ihres Ressorts, Herr Minister, aber auch aller anderen und der nachgeordneten Dienststellen bedanken.

Eine vollständige und abschließende Auswertung ist angesichts der Fülle des Stoffes heute sicherlich nicht möglich. Ich hoffe, dass wir im Ausschuss genügend Zeit haben werden, um das gesamte Material gemeinsam intensiv zu erörtern. Einige Punkte aber möchte ich heute schon herausgreifen.

Die Große Anfrage zeigt auf - Herr Minister, Sie haben es eben deutlich gemacht -, dass es inzwischen eine Fülle von Institutionen in Schleswig-Holstein gibt, die sich der Umweltbildung mit unterschiedlicher

(Herlich Marie Todsen-Reese)

Intensität verschrieben haben. Auffällig ist dabei das Übergewicht der freien Träger und des Ehrenamtes.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Frauke Tengler [CDU])

Es wird deutlich, dass eine Vielzahl von Behörden und Institutionen in diese Aufgabe eingebunden ist. Ich werde mir nähere Ausführungen dazu jetzt sparen, weil Sie das schon sehr deutlich aufgezeigt haben. Es gibt unzählige Kooperationspartner und die Liste der Mitglieder in der Arbeitsgemeinschaft Agenda 21 ist beeindruckend lang. Es gibt keine Hochschule im Land, an der nicht in irgendeiner Form ökologische und umweltbezogene Inhalte in den verschiedensten Studiengängen vermittelt werden.

Man könnte also den Schluss ziehen - Sie haben ihn verständlicherweise gezogen, Herr Minister -: Es ist viel los in der Umweltbildung in Schleswig-Holstein und damit ist alles in Ordnung. - Letzteres wäre meines Erachtens allerdings eine grobe Fehleinschätzung und ich glaube, das würde der Sache auch nicht dienen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)