Die Stilllegung der Atomkraftwerke birgt aber auch Chancen für das Land Schleswig-Holstein; Kollege Hentschel hat das eben deutlich gemacht. Durch eine dezentralere Energieversorgung kommen wir zu einem Mehr an Arbeitsplätzen bei Produzenten und Zulieferbetrieben in der Fläche.
Der Bericht liest sich wie eine Abrechnung mit einer der fatalsten politischen Fehlentscheidungen der vergangenen Jahrzehnte, die von Regierungen der verschiedensten Couleur getragen wurden.
Diese Abrechnung zeigt aber auch, dass man in Deutschland zumindest in Teilen der politischen Landschaft, was Atomkraft angeht, lernfähig war und ist. Fakt ist, dass die überwiegende Mehrheit der in Deutschland Lebenden die Gefahren erkannt und die entsprechenden Schlüsse gezogen hat. Wir müssen so schnell wie möglich raus aus der Atomkraft.
Es ist logisch und sinnvoll, dass der sich in Umsetzung befindliche Ausstieg seinen Eingang in das Atomgesetz finden soll. Bei einer Vereinbarung, die über Jahrzehnte gelten soll, ist es nur vernünftig, dass das, was nun Konsens ist, in einen rechtlichen Rahmen gegossen wird. So entsteht für alle Rechtssicherheit und für die Bevölkerung wird deutlich, dass man es mit dem Atomausstieg ernst meint.
Für die Zukunft ergeben sich folgende Chancen daraus: Durch die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien verbessert sich die Ökobilanz nachhaltig. Durch dezentrale Energieversorgungssysteme werden neue Arbeitsplätze in den Regionen geschaffen. Durch die Entwicklung neuer Energieträger kann SchleswigHolstein eine technologische und wirtschaftliche Marktführerschaft im Bereich regenerativer Energieversorger erlangen.
Durch den Ausstieg - und das ist das Wichtigste erhöht sich die Sicherheit der hier lebenden Bevölkerung. Der Atomausstieg Deutschlands motiviert andere Länder, den gleichen Weg zu gehen, und stößt auf europäischer Ebene eine nachhaltige Diskussion über den Atomausstieg an.
Im Ausstieg aus der Atomkraft liegen viele Chancen und viel Arbeit für Schleswig-Holstein. Die Landesregierung ist nun gefordert, wie in der Vergangenheit in der Etablierung von neuen Energieformen die Vorreiterrolle einzunehmen und so dem Land neue Chancen zu eröffnen. Der Bericht ist wirklich so klar und deutlich verfasst, dass ich mir wünschen würde - entgegen den Vorrednern von CDU und F.D.P. -, dass er einem breiten Leserkreis zugeleitet wird.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister, wir sprechen über die Auswirkungen des Ausstiegs aus der Kernenergie. Sie haben ziemlich detailliert auf die Probleme bei der Entsorgung hingewiesen. Ich hätte von Ihnen erwartet, dass Sie auch zum Ausgleich der Energiebilanz und zu der internationalen Verpflichtung der Bundesrepublik im Rahmen der Reduzierung der Emissionen etwas Konkreteres gesagt hätten. Sie wissen - diese Zahl ist vor einigen Wochen schon häufig genannt worden -, dass die Kernenergie mit knapp 13 % zu der gesamten Energiebilanz der Bundesrepublik beiträgt. Das sind etwa 63 Millionen t Steinkohleeinheiten. Bis zum Jahre 2020 rechnet man mit einer Reduzierung um etwa 30 Millionen t Steinkohleeinheiten aufgrund des Abschaltens von Kernkraftwerken. Wie soll diese Menge ausgeglichen werden?
Wenn Kraft-Wärme-Kopplung zitiert wird, bedeutet das wieder eine Verstärkung der Emissionen. Wie soll das Problem Kyoto gelöst werden? Denn die Bundesregierung - die alte und auch Ihre Regierung - hat sich ja verpflichtet, bis zum Jahre 2005, bezogen auf 1990 eine 25-prozentige Reduzierung zu garantieren.
Hier wird immer so gern der Begriff der regenerativen Energien zitiert, sowohl von Herrn Harms als auch von Frau Kockmann-Schadendorf. Auch hier noch einmal zur Erinnerung: Der Anteil regenerativer Energien beträgt heute 2,3 %. Es wird geschätzt, dass dieser Anteil im Jahr 2020 auf etwa 6 bis 6,5 % steigen wird. Wir haben heute in Deutschland etwa 8.000 Windkraftanlagen. Versuchen Sie einmal, aus diesen 8.000 16.000 zu machen! Wohin sollen die? Das ist ein Riesenproblem und da sagen Sie immer: Das ist eine lockere, leichte Sache. - So leicht ist das nicht!
Der VDI schätzt in diesem Jahr in einem Magazin, dass Deutschland für eine völlige Umwälzung der Energiebeschaffung auf regenerative Energien für die nächsten 30 Jahre 70 Milliarden DM ausgeben muss. Die genannte Zahl ist vielleicht etwas zu hoch, vielleicht etwas zu niedrig, aber das ist die Zahl, die vom VDI als angemessen angesehen wird, um über Solarund Wasserstoffenergie den Ausfall der Kernenergie auszugleichen.
Wir haben das beste Beispiel in Schweden. Schweden hat 1980 über einen Volksentscheid entschieden, dass die elf Kernkraftwerke stillgelegt werden. Bisher ist im letzten Jahr ein Kraftwerk stillgelegt worden. Warum? - Weil die Schweden davon ausgingen, dass sie zehn Jahre später, also 1990, etwa die Hälfte der damaligen Stromdeckung durch die Kernkraftwerke ausgleichen würden. Sie haben es aber nicht geschafft. In Schweden werden heute noch 50 % des gesamten Strombedarfs durch Kernenergie gedeckt.
Herr Energieminister, ich hätte erwartet, dass Sie sowohl etwas stärker auf unsere internationalen Verpflichtungen eingegangen wären wie auch auf das Problem des Ausgleichs der Energiebilanz.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Ritzek, ich möchte Ihre Frage beantworten, wieso man durch das Abschalten von Atomkraftwerken den Ausstoß von CO2 reduziert. Das ist relativ einfach. Wenn Sie mit Atomkraftwerken Strom produzieren, dann muss die Wärme für die gleichen Haushalte mit Öl oder Gas produziert werden oder mit Strom, dann brauchen Sie noch mehr Öl oder Gas. Wenn Sie aber die Wärme und den Strom direkt mit Kraft-Wärme-Kopplung produzieren, dann brauchen Sie keine zusätzlichen Kraftwerke mehr.
(Martin Kayenburg [CDU]: Das ist doch kompletter Unsinn! Das ist physikalischer Nonsens! - Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Falsch! - Weitere Zurufe)
Das Ergebnis ist, dass Sie in der Summe - das ist die Aussage des Berichtes und die Aussage aller Fachleute - weniger Energie verbrauchen, wenn Sie die Atomkraftwerke ausschalten. Das ist ein Aspekt, auf den die Anti-AKW-Bewegung schon seit vielen Jahren hinweist,
(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Martin Kayenburg [CDU]: Völliger Unsinn! Das ist ja nicht zu ertragen!)
Zum Zweiten - zu Ihrer Frage -: Kann man umsteigen auf regenerative Energien? - Da ich das hier nicht im Detail alles erläutern will, empfehle ich Ihnen das Buch von einem Professor der Universität Flensburg, das dieses Jahr herausgekommen ist,
eine wissenschaftliche Arbeit mit dem Titel: „Die Umstellung europäischer Energiewirtschaft auf regenerative Energien im kommenden Jahrhundert“. Dort ist alles detailliert dargestellt. Ich glaube, es ist einfacher, Sie lesen das Buch durch, als wenn ich das hier alles vortrage, denn das würde etwas länger dauern.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte zur Beantwortung der aufgeworfenen Frage zum CO2-Ausstoß auf einen entsprechenden Energiebericht und auf den Bericht der Enquetekommission dieses Landtages in der vorletzten Wahlperiode
verweisen. Dort ist untersucht worden, wie es im Jahr 2010, wenn alle drei Kernkraftwerke abgeschaltet würden, mit der CO2-Belastung aussähe. Unter dem Vorsitz von Herrn Haller hat diese Enquetekommission festgestellt, dass man konventionelle Kraftwerke mit einer Leistung von 700 MW neu bauen müsste. Aber unter Berücksichtigung der Zielsetzung der Landesregierung, 30 % mit Kraft-Wärme-Kopplung und 25 % des hier verbrauchten Stroms aus Wind zu produzieren, ist gesagt worden, dass dabei in einer Bandbreite zwischen 11 % und 13 % weniger CO2 produziert würde. Dabei ist der Verkehr nicht berücksichtigt.
(Martin Kayenburg [CDU]: Weil Sie bei der Kraft-Wärme-Kopplung den falschen Wert angesetzt haben! Seien Sie doch ehrlich!)
- Sie wissen doch ganz genau, unser eigentliches CO2Problem ist der Verkehr. Da haben wir doch die Zuwachsraten.
Ich möchte nur das eine sagen: Wir haben damals unterstellt, im Jahre 2010 25 % unseres Strombedarfs mit Windenergie zu decken. Wenn wir 2010 vielleicht einen Offshore-Windpark in der Nordsee installiert haben werden,
dann können wir 50 % unseres Strombedarfs allein durch Windenergie decken. Das CO2-Argument, das Sie immer strapazieren, zählt nicht, es ist widerlegbar.
(Beifall bei der SPD - Martin Kayenburg [CDU]: Dann schmeißen Sie doch einfach ein paar Unternehmen raus, dann können Sie 100 % decken! Das ist doch unglaublich!)
Es ist keine Ausschussüberweisung beantragt worden, sodass ich davon ausgehe, dass mit der Berichterstattung heute der Tagesordnungspunkt erledigt ist. - Ich sehe keinen Widerspruch.
Auf der Tribüne begrüße ich die Besuchergruppen des SPD-Amtsverbandes Silberstedt und Offiziere des Marineausbildungsbataillons der 2. Kompanie Glückstadt.