Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich versuche, meine Rede ganz schnell zu halten, damit das auch alle mitbekommen. - Nein, ich fange gleich noch einmal von vorn an.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Zahl der Geburten ist in Deutschland schon seit vielen Jahren rückläufig. Wurden 1970 noch knapp eine Millionen Kinder geboren, liegt die Zahl für 2003 bei circa 700.000. Im internationalen Vergleich fällt schon auf, dass die Bundesrepublik auch im Verhältnis zu ihren nördlichen und westlichen europäischen Nachbarländern eine geringe Geburtenrate hat. Wir müssen uns als Gesellschaft weiterhin ernsthaft die Frage stellen, woran das liegt und was wir aus politischer Sicht dagegen machen können. Eines ist klar: Man kann die Menschen nicht dazu zwingen, Kinder zu bekommen, aber wir müssen seitens der Politik - das hat die Kollegin Schwarz eben schon gesagt - kinderfreundlichere Strukturen schaffen, die dazu führen, dass Kinder nicht als Belastung oder sogar Armutsfalle angesehen werden.
Zum einen geht es also darum, dass Familien mit Kindern finanziell weitaus besser als heute unterstützt werden müssen. Es ist ein Skandal, dass wir in Deutschland mehrere Millionen Kinder haben, von denen viele unterhalb der Armutsgrenze leben. Deshalb macht es aus Sicht des SSW überhaupt keinen Sinn, weiterhin die Ehe an sich steuerlich zu begünstigen. Nein, der Staat muss in Zukunft Familien oder Alleinstehende mit Kindern steuerlich besser stellen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Eltern nun verheiratet sind oder nicht. Deshalb unterstützen wir auch die Forderung von SPD und Grünen, das Ehegattensplitting abzuschaffen und dieses Geld direkt den Kindern zugute kommen lassen. Wir brauchen eine Grundsicherung für alle Kinder, die hier leben.
Zum anderen kommt der Vereinbarkeit von Familienleben und Beruf eine entscheidende Bedeutung zu. Wichtig ist dabei die Frage, wie unsere Familien
ihre Kinderwünsche umsetzen können, ohne gleich um ihren Job bangen zu müssen. In einem Gutachten der Firma Prognos AG für „Die Zeit“ schneidet Schleswig-Holstein gar nicht mal so schlecht ab. In den meisten Regionen Schleswig-Holsteins lässt es sich für Familienväter und berufstätige Mütter ganz gut leben.
Aus Sicht des SSW ist dabei die Kinderbetreuung für Null- bis Dreijährige weiterhin auch in SchleswigHolstein sehr schlecht gelöst. Es kann nicht angehen, dass insbesondere die Frauen im Jahr 2005 oft immer noch vor die Wahl Kinder oder Karriere gestellt werden. Wir müssen endlich anerkennen, dass in der heutigen modernen Gesellschaft die Frauen beides wollen: Kinder und Beruf. Deshalb muss es endlich mehr Kinderkrippen für Kinder unter drei Jahren geben. Denn wenn viele Frauen bis zum dritten Lebensjahr des Kindes zu Hause bleiben müssen, weil es keine Kinderbetreuung gibt, dann wird der Wiedereinstieg in den Beruf sehr schwer. Das zeigen unendlich viele negative Beispiele. Ich verweise insoweit auf die Armutsberichte, die insbesondere hinsichtlich der Rentenversicherung der Frauen - die Rente nämlich, die sie sich selbst erarbeiten - stark negativ beeinflusst werden. Das gilt natürlich auch für Männer, die wegen der Kinderbetreuung ihren Arbeitsplatz aufgeben müssen.
Unsere Nachbarländer sind hier viel weiter. So gibt es zum Beispiel in Schweden für je 100 Kinder unter drei Jahren 48 Kinderkrippenplätze, in Großbritannien 34 und in Frankreich 29 Plätze. Die Bundesrepublik liegt mit zehn Kinderkrippenplätzen pro 100 Kinder unter drei Jahren in Europa im hinteren Mittelfeld. Ohne die sehr gute Kinderkrippensituation in Ostdeutschland würden wir noch schlechter dastehen. Die Bundesregierung hat jetzt einen Gesetzentwurf eingebracht, der vorsieht, dass in den nächsten Jahren bis zu 230.000 neue Kindertagesstättenplätze geschaffen werden sollen. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Nur steht die Finanzierung durch angebliche Einsparungen von Hartz IV auf äußerst wackeligen Beinen. Hier muss nachgebessert werden, ansonsten bleibt die Initiative leider unseriös.
Herr Präsident, ich darf darauf hinweisen, dass wir unseren Antrag - ich dachte, darauf muss ich noch einmal hinweisen - und den gemeinsamen Antrag unterstützen. Wir werden uns aber auch weiterhin darum bemühen - Herr Kollege Garg, damit nehmen
wir Ihre Mahnung sehr ernst- , einen Rechtsanspruch auf Betreuung für die Null- bis Dreijährigen zu schaffen.
- Ja, das ist uns klar, dass das Geld kostet. Das habe ich auch nie bestritten. Ich finde es schade, dass es keinen gemeinsamen Antrag gegeben hat. Ich darf darauf hinweisen, dass wir dem CDU-Antrag nicht zustimmen können, weil er leider einen Vorschlag mit aufnimmt, den ich nicht so gut finde, das ist die Forderung nach der Schaffung weiterer Heimarbeitsplätze, die so genannte Telearbeit. Sie ist eine Ergänzung zur Erwerbsarbeit, aber ich halte es auch für Frauen und Männer, die zu Hause arbeiten, sehr wichtig, dass die ihre Firma besuchen, den Kontakt zu Kolleginnen und Kollegen pflegen und nicht allein zu Hause sitzen und sozusagen gar nicht mehr vor die Haustür kommen. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Ich empfinde diese Möglichkeit der Arbeit nicht als einen Arbeitsplatz, der der Vereinbarkeit von Familie und Beruf dient, denn er führt eher dazu, dass die Frauen und Männer, die so zu Hause arbeiten, vereinsamen.
Ich erteile Frau Ministerin Lütkes das Wort. - Die Frau Ministerpräsidentin ergreift das Wort, dann soll sie es auch haben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ganz herzlichen Dank. Dass ich das noch erleben durfte: Der frauenpolitische Sprecher der FDP müht sich in seinem Feld und es hat ihm sichtlich Freude gemacht.
Vielleicht entdecken die Männer langsam, dass das ein Thema ist, mit dem man sich durchaus Freundinnen und Freunde machen kann.
Wir haben uns durch den aktuellen Familienatlas des Bundesfamilienministeriums, der Zeitung „Die Zeit“ und Prognos in unserem Ansatz bestätigt gefühlt, Familienpolitik als Querschnittsaufgabe zu betrachten. Dabei wurde insbesondere die Vereinbarkeit von Familie und Beruf untersucht und wir haben sehr gute Noten bekommen.
Wir fördern Frauen auf dem Weg in die Erwerbstätigkeit. Die gemeinsam vom Land, von den Kommunen und der EU-finanzierten Beratungsstellen
„Frauen und Beruf“ bieten vor allem Frauen beim Wiedereinstieg in den Beruf umfassende Beratung und Unterstützung an. Wir unterstützen Frauen, die sich selbstständig machen wollen, durch Frauennetzwerke, Telecoatching, Servicebörsen und durch Beratungsstellen für Existenzgründerinnen an der Investitionsbank. Wir unterstützen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und haben den Ausbau der Infrastruktur für qualifizierte Kinderbetreuung in den letzten Jahren massiv vorangetrieben.
1988, als wir anfingen, nachhaltige Frauen- und Familienpolitik zu machen, standen gerade einmal 360.000 € für Investitionen in Kindertagesstätten zur Verfügung. Wir haben in der Zwischenzeit die Kommunen dabei unterstützt, ihren Verpflichtungen gegenüber den Kindern und Familien nachzukommen. In zehn Jahren haben wir den Ansatz für den Landeszuschuss zu den Personalkosten von 20 Millionen € - 1993 - auf mehr als 56 Millionen € im Jahr 2003 hochgeschraubt.
Für die Jahre 2004 und 2005 stellen wir den Kommunen jeweils 60 Millionen € als Vorwegabzug über den kommunalen Finanzausgleich zur Verfügung.
So haben wir es erreicht, dass so gut wie alle Kinder bei uns im Land ein Betreuungsangebot erhalten haben. Wir verdanken einige unserer Einfälle und Lichtblitze weiß Gott nicht nur unserem eigenen Nachdenken, sondern auch dem Frauenrat, den Landfrauen und all den Frauen, die sich vor Ort bemühen, das umzusetzen, was wir hier entscheiden, und die dabei auch neue Ideen entwickeln. Ihnen sei ganz herzlich für ihre Unterstützung gedankt.
Wir haben die verlässliche Grundschule weiter gestärkt. Ein Drittel aller Grundschulen im Land sind verlässlich. Bis 2007 sollen das alle Schulen im Land sein, alle Grundschulen. Die Nachfrage ist so groß, dass wir kaum noch nachkommen.
Bis 2010 sollen alle Eltern die Möglichkeit haben, ihr Kind betreuen zu lassen, sei es bei Tagesmüttern, in der Krippe, im Hort, im Kindergarten oder in der Schule. Ich weiß von meinen vielen Besuchen in den unterschiedlichen Regionen dieses Landes, dass in vielen Kommunen schon jetzt daran gearbeitet wird, die Kooperation von Schule, Jugendhilfe und Kindertagesstätten zu verbessern, und dass sehr viele Schulen, Lehrer, Schulleitungen, Angebote unterbreiten, die eigentlich gar nicht in ihrer Arbeitsplatzbeschreibung enthalten sind, einfach weil sie sich verantwort
lich fühlen, dass die Kinder gut betreut sind und dass die Kinder soziale Fähigkeiten lernen, mit denen sie sich in die Gesellschaft integrieren können.
Wir sind der Meinung, dass eine Region nur dann als familienfreundlich eingestuft werden kann, wenn Mütter und Väter neben Betreuungseinrichtungen auch Unternehmen mit familienfreundlichem Engagement vorfinden. Die Situation der Frau wird immer besser. Es gibt immer weniger Deutsche. Da nimmt man hin und wieder auch gern eine Frau. Das sollte uns trösten. Aber noch ist das heute nicht überall so.
Dennoch habe ich schon viele Betriebe gesehen und mit Geschäftsleitung und Betriebsräten darüber geredet. Ich weiß, dass diese Unternehmen das als einen positiven Standortfaktor betrachten, wenn sie sich an solchen Einrichtungen für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beteiligen können.
An der Westküste wird das Projekt „Chefsache Familie“, entwickelt im Haus der Familienministerin, von den Wirtschaftsförderern, den Gleichstellungsbüros, den Kreishandwerkerschaften und der IHK getragen. So etwas stellen wir uns auf allen Gebieten und überall vor.
Es ist über das Regionalprogramm gefördert worden. Im Familienatlas wird es jetzt bundesweit als Vorbild empfohlen.
Wir behaupten, Vereinbarkeit von Familie und Beruf - ich denke, es dauert gar nicht mehr so lange, dann werden das alle einsehen - ist ein Standortfaktor, der für unser Land spricht. Wir wollen dabei die Frauen unterstützen, ihre Lebensvorstellungen zu verwirklichen. Wenn tatsächlich einer so dämlich ist und in „Bild am Sonntag“ erklärt, dass in Deutschland die falschen Frauen die Kinder kriegten,
dann hat er das, was man vorn aufgebaut hat, mit dem Hintern dreimal wieder eingerissen. So viel Dummheit tut körperlich weh.
Wir wollen alle Mütter und Väter und Familien stärken, seien sie nun Hauptschulabgänger, Realschulabgänger, Professoren oder sonst etwas, weil wir den Kindern helfen wollen,
Herzlichen Dank. Das war es für diese Legislaturperiode. Ich verabschiede mich nicht. Keine Hoffnung, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ich will mich bei denen, die aufhören, ganz herzlich bedanken. Jetzt sind Sie mir noch lieber, als Sie mir manchmal parteipolitisch waren. Jetzt stören Sie mich nämlich nicht mehr.