Protocol of the Session on December 17, 2004

- Lieber Herr Kollege Kubicki, wir waren uns darüber einig, dass der Verkauf 1995 problematisch war und dass wir darüber ein Wertgutachten haben wollten. Ich meine aber, sich jetzt hier hinzustellen und zu sagen, jetzt habe man 700 Millionen € verschenkt, ist eine Diskussion, die mich sehr an einen Spruch von mir erinnert: Hätte meine Oma Räder, dann wäre sie

(Anke Spoorendonk)

heute ein Omnibus. Das gilt also nicht. Zur heutigen Fusion gibt es zurzeit keine Alternative.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abgeordneten Kubicki das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es begeisternd, mit welcher Nonchalance Abgeordnete des Schleswig-Holsteinischen Landtags über die Fakten hinweggehen

(Beifall bei FDP und CDU)

und in relativ kurzer Zeit über nicht erhebliche Werte zulasten der Steuerzahler dieses Landes verfügen.

Ich bin gern bereit und fordere dazu auf, mit dem Wirtschaftsminister dieses Landes - Frau Kähler kann sich mit hinsetzen, Frau Heinold vielleicht auch - öffentlich vor Wirtschaftsprüfern, Steuerberatern und Anwälten, die sich mit Unternehmensanteilsverkäufen beschäftigen, über die Frage zu diskutieren, ob die Zahlen, die wir vorgelegt haben, falsch sind oder nicht. Ich fordere Sie dazu auf, das zu tun, wenn Sie Mut haben. Dann können Sie erklären, warum wir unseriös sind oder auch nicht.

(Beifall bei FDP und CDU)

Aber ich bin sicher, diesen Mut werden Sie nicht haben, weil Sie die Öffentlichkeit scheuen. Sie können diese pauschalen Erklärungen, das sei unseriös, nicht belegen.

Anke Spoorendonk, wir hatten im Jahre 1994 ein Bewertungsgutachten für den damaligen Wert der Provinzial. Dieses Bewertungsgutachten, in Auftrag gegeben von der Landesregierung, geprüft vom Rechnungshof, schloss ab mit einem Unternehmenswert von 1.140 Millionen DM. Das war der Wert des Unternehmens, wenn man es als Aktiengesellschaft an den Markt gebracht hätte. Das ist völlig unstreitig. Davon ist fast die Hälfte abgezogen worden, weil es keine Aktiengesellschaft war, sondern eine öffentlich-rechtliche Einrichtung und deshalb nicht frei handelbar. Wir kamen dann auf einen Ertragswert nach Abzügen von 560 Millionen DM. Erlöst haben wir 245 Millionen DM, aus welchem Grund auch immer. Das heißt, bereits damals wurde von dem Wert des Unternehmens, eines öffentlichen Unternehmens, ein weiterer Abschlag zugunsten des

Sparkassen- und Giroverbandes in Höhe von 277 Millionen DM gemacht. Ich sage auch warum: Weil Fortentwicklung erklärt worden ist, weil man das Kapital nicht insgesamt herausziehen wollte und so weiter; tausend Sachen mehr.

Wenn man von dem Unternehmenswert von 1994 ausgeht, dann hat das Land damals einen Wert der Provinzial - jetzt muss man unterscheiden zwischen cash und bar und dem Wert; das sind zwei verschiedene Kategorien, Frau Heinold - von 857 Millionen DM nicht erzielt in der weiteren Fortentwicklung der Provinzial. Wir haben damals darauf bestanden, dass dann wenigstens eine Übererlösklausel in den Vertrag aufgenommen werden muss - übrigens sehr schlecht -, dass für den Fall einer Umwandlung in eine Aktiengesellschaft und damit Hebens des Vermögenswertes auch in der Bilanz, Herr Minister, das Land Schleswig-Holstein angemessen beteiligt werden muss; nicht in der Höhe möglicherweise, aber jedenfalls angemessen.

Wenn wir von dem Verfahren ausgehen, das Professor Lutter jetzt vorgeschlagen hat, der Gutachter der Landesregierung, weil wir Wertbestimmungen im Laufe der Zeit immer schwieriger fassen können, nämlich dass das, was damals weniger erlöst worden ist, aufgezinst werden muss, um den Wert heute zu bestimmen - 1995 bis heute -, dann kommen wir - die Rechnung ist ganz einfach - auf einen Wert von 749,5 Millionen €.

Jetzt kann man sich fragen: Wollen wir es zulassen, dass durch eine weitere Umwandlung die Rechtsposition des Landes, an diesem Wert zu partizipieren, faktisch auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben wird? Der Sparkassen- und Giroverband wäre doch mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn er irgendwann einmal cash machte. Der dürfte das doch gar nicht. Man müsste die Leute wegjagen, wenn sie cash machen und mit dazu beitragen, dass Vermögenswerte, die sie bilanzieren können, zu ihren eigenen Lasten in die Kasse des Landes Schleswig-Holstein fließen.

(Glocke der Präsidentin)

- Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. - Noch einmal: Faktisch schreiben wir jetzt fest, dass das, was 1994/1995 verschenkt worden ist, endgültig verschenkt wird und wir jede Einflussmöglichkeit verlieren, noch einen angemessenen Anteil daran zu erzielen. Das werfen wir diesen Leuten vor.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich erteile Herrn Minister Professor Bernd Rohwer das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kubicki, ich bin bereit, mit Ihnen jede öffentliche Diskussion zu führen, wenn sie auf der Grundlage richtiger Zahlen geführt wird.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Sehr gut, organi- siere ich!)

Jetzt will ich Ihnen mal die richtigen Zahlen vortragen, weil Sie eben fast nur falsche Zahlen genannt haben, übrigens leider auch die Zahlen, die Sie eigentlich kennen müssten, nämlich das PDO-Gutachten. Im PDO-Gutachten wird von einem Bruttowert von 1,14 Millionen DM ausgegangen. Das ist die einzige richtige Zahl, die ich eben gehört habe.

(Zuruf: Milliarden!)

- 1,14 Milliarden DM. - Von diesen 1,14 Milliarden DM sind aus zwei Gründen Abschläge vorgenommen worden. Erstens gab es damals eine klare rechtliche Position, dass die Versicherten einen Anspruch gehabt hätten, wenn vor Veräußerung eine Umwandlung in eine Aktiengesellschaft erfolgt wäre. Das wissen Sie auch; das haben wir doch damals diskutiert. Das ist Punkt 1, also eine rechtliche Problematik.

Es gab ferner eine faktische Problematik, weil von diesen 1,14 Milliarden DM aus bestimmten Gründen Abschläge vorgenommen worden sind - das haben wir hin- und herdiskutiert -, unter anderem deswegen, weil eine Ertragswertbereinigung vorgenommen wurde. - Vielleicht hören Sie an dieser Stelle mal zu, Herr Kubicki, weil Sie das Gutachten wahrscheinlich auch nicht kennen. Der Gutachter hat nämlich Folgendes gesagt: Vom Ausgangswert sind im vorliegenden Fall die Bestandteile zu kürzen, die auf nicht entnahmefähigen Ertragsüberschüssen beruhen, da dem SGV aus der Übernahme der Trägerschaft und den damit verbundenen Rechten unmittelbar nur angemessene Ausschüttungen im Sinne des KollhosserGutachtens zufließen können. - Ich hoffe, das Kollhosser-Gutachten liegt Ihnen vor. - Zu kürzen sind demgemäß die auf der Basis von fiktiven entnahmefähigen Überschüssen ermittelten Ertragswerte der Provinzial Brandkasse und der Provinzial Leben, soweit diese Überschüsse eine angemessene Gewinnausschüttung überschreiten.

Genau dies hat der Gutachter gemacht. Er hat einen Abzug vorgenommen, nämlich 1,14 Milliarden weniger 725 Millionen, und ist auf 415 Millionen DM gekommen. Das war der erste Schritt.

Dann kam der zweite Schritt und ich bin froh, dass dieser zweite Schritt gemacht worden ist, meine Damen und Herren. Sonst wüsste ich nämlich nicht, wo die Provinzial heute wäre. Ob sie überhaupt noch in Kiel wäre, weiß ich wirklich nicht.

(Beifall bei der SPD)

Eine reine Privatisierungsstrategie hätte in diesem Fall dazu geführt, dass die Arbeitsplätze längst nicht mehr in Kiel, sondern vielleicht wirklich in Münster oder in Hannover wären. Dann ist ein Abzug vorgenommen worden, und zwar dafür, dass wir die Rechtsform und die mangelnde Fungibilität berücksichtigt haben. Das waren 232 Millionen, zusammen mit den entsprechenden Risiken aus der Ausfallbürgschaft. Dann kam der Gutachter seinerzeit auf einen Vorschlag zwischen 55 Millionen als Preisuntergrenze und 183 Millionen DM. Erzielt haben wir 245 Millionen DM, also wesentlich mehr.

Es kommt noch hinzu, dass der Sparkassen- und Giroverband 100 Millionen DM zusätzlich eingelegt hat; auch das ein Beitrag zur Sicherung der Substanz und der Arbeitsplätze der Provinzial. Das müssen wir hineinrechnen.

Jetzt erzählen Sie mir mal, wie Sie, wenn Sie darunter einen Strich machen, auf 700 Millionen € kommen. Das erinnert mich an Ihre 18 %, die Sie erzielen wollen, und dann erzielen Sie 3 %. Der Faktor 1:6 ist ja bei der FDP ein sehr beliebter Umrechnungsfaktor.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einem Kurzbeitrag nach § 58 Abs. 2 der Geschäftsordnung hat zunächst Frau Abgeordnete Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich meine, es ist richtig, wenn man noch einmal festzuhalten versucht, worum es geht. Ich werde jetzt nicht die Zahlen des Kollegen Kubicki diskutieren. Das ist nicht mein Punkt. Da werde ich ganz sicher nicht mithalten können, weil ich die Zahlen so nicht kontrollieren kann; das ist ja das Problem. Aber ich meine, es ist wichtig, Folgendes zu sagen.

(Anke Spoorendonk)

Erste Bemerkung: Es gab eine Entscheidung, die 1995 dazu geführt hat, dass die ProvinzialVersicherung veräußert wurde. Die damalige Entscheidung war eine Entscheidung, die auch damit zu tun hatte, ob man eine völlige Privatisierung der Provinzial wollte. Wenn ich daran denke, wie die Diskussion um die öffentliche Daseinsvorsorge gelaufen ist, und wenn ich daran denke, dass wir vom SSW auf jeden Fall Privatisierungen immer sehr skeptisch gegenübergestanden sind und es weiterhin tun, dann kann ich den politischen Beschluss nachvollziehen. Ich finde, man muss den auch in diesem Kontext betrachten.

Zweite Bemerkung: 2001 wurde der Vertrag aus dem Jahre 1995 wieder im Landtag diskutiert, weil die Provinzial zur Aktiengesellschaft umgewandelt werden sollte. Da wurde dann bemerkt, dass der Vertrag doch zu vage war und dass wir das Problem des Übererlöses hatten. Das war Verdienst der Kollegin Schmitz-Hübsch, die uns alle darauf aufmerksam gemacht hat. Wir haben einen interfraktionellen Antrag zur Erstattung eines Wertgutachtens formuliert. Der SSW hat dieses Wertgutachten immer mit gefordert. Die Landesregierung hat gesagt: Wir wollen ein Rechtsgutachten, wir wollen wissen, was der Übererlös ist. Dieses Rechtsgutachten ist ja dann in diese Entscheidung mit eingeflossen.

Jetzt kommt die dritte Bemerkung; da bin ich doch bei den Zahlen. Ich sagte vorhin, wir führten eine Diskussion nach dem Motto, wenn meine Oma Räder hätte, dann wäre sie ein Omnibus. Wir machen Vergangenheitsbewältigung und stellen etwas in den Raum, was überhaupt nichts mit dem zu tun hat, was damals entschieden wurde.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt kommt mein letzter Punkt. Heute gibt es keine Alternative zu dieser Fusion. Es gibt keine Alternative dazu und der Vertrag, wie er heute dasteht, ist solide durchgearbeitet. Das werden Ihnen alle bestätigen.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Wolfgang Kubicki [FDP]: Völliger Quatsch!)

Ich möchte zunächst auf der Tribüne neue Gäste begrüßen, und zwar die Besuchergruppe des Gymnasiums Wentorf und der Verbrauchergemeinschaft Lübeck. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 58 Abs. 2 der Geschäftsordnung erteile ich der Frau Abgeordneten Schmitz-Hübsch.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Kähler, Abbau von Arbeitsplätzen! Auch ich kann Unterlagen lesen - man muss nicht gleich mit dem Totschlagargument kommen: „Sie haben sich wohl nicht richtig erkundigt!“ - und habe Gespräche geführt. Faktum ist, dass erst jetzt mit der Fusion die Arbeitsplätze, die ohnehin abgebaut werden sollten, abgebaut werden. Vielleicht fällt das dadurch etwas milder aus, das mag ja sein, aber es verschwinden hier 190 Arbeitsplätze. Außerdem weiß man nicht, wie lange der Rest hier bestehen bleibt. Wer weiß denn, wann die nächsten Fusionen oder Beteiligungen fällig werden? Ich prophezeie diesem Vertrag sowieso nur eine Lebensdauer von höchstens fünf Jahren. Auf jeden Fall gibt es in der Belegschaft eine große Unruhe bezüglich der Sicherheit der Arbeitsplätze in Kiel.

(Zuruf des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

Zum Gutachten! Herr Minister, es war richtig nett, was Sie eben gesagt haben. Das damalige Gutachten hat Ihr Vorgänger, Herr Steinbrück, den Fraktionen zukommen lassen und ich bin richtig glücklich, dass mich mein Aufbewahrungstrieb dazu gebracht hat, das Ding aufzubewahren, sodass ich noch einmal in Ruhe hineingucken konnte. Der Ertragswert ist tatsächlich 1,1 Milliarden DM gewesen und dann sind Abzüge gemacht worden. Die hat der Gutachter aber nicht aus freien Stücken gemacht, sondern im Gutachten steht der wunderbare Satz drin: „Auf Vorschlag des Landes ist von einer sofortigen angemessenen Gewinnausschüttung an den jeweiligen Träger mit Rückzuweisungsgarantie für Altversicherte im Auflösungsfall auszugehen.“

Das hat zu den Positionen geführt, die in Abzug gebracht worden sind. Dies war Vorgabe für den Gutachter und nicht Ergebnis des Gutachtens. Wir sollten hier keine Geschichtsklitterung betreiben.

(Beifall bei CDU und FDP - Zuruf des Ab- geordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Jetzt zur Übererlösklausel, im richtigen Leben auch „Nachbesserungsklausel“ genannt! Frau Heinold, Sie haben gesagt, in der neuen Fassung stehe drin, wann der Übererlös fällig werde. Nein, das steht eben nicht darin, es steht nur darin, unter welchen Umständen eventuell einmal ein Übererlös fällig sein könnte,