Protocol of the Session on December 16, 2004

Wer in der nächsten Legislaturperiode bei der Bearbeitung von seniorenpolitischen Themen statistische Einzelheiten braucht, wird hierauf sehr gut zurückgreifen können.

Doch nun zu den Einzelheiten. Ich kann selbstverständlich selektiv nur wenige Punkte aufnehmen, obwohl ich gern zu allen Punkten etwas sagen würde.

Bei den Bevölkerungsdaten und Nationalitäten wird die Türkei erstaunlicherweise als ein südeuropäisches Land bezeichnet. Wenigstens die an den Iran und den Irak angrenzenden türkischen Landesteile gehören nicht zu Südeuropa, sondern entweder zum Nahen Osten oder zum Vorderen Orient. Es drängt sich der Verdacht auf, dass Rot-Grün hier eine politische Manipulation vornimmt,

(Konrad Nabel [SPD]: Aha!)

und zwar ganz im Sinne ihres Wunsches nach Aufnahme der Türkei in die EU.

(Beifall bei der CDU - Rolf Fischer [SPD]: Wir haben uns auch um die türkischen Seni- oren zu kümmern! - Konrad Nabel [SPD]: Wer hat Ihnen das denn so aufgeschrieben?)

- Niemand hat mir etwas falsch aufgeschrieben. Das habe ich selbst verfasst.

(Beifall bei CDU und FDP)

Es ging mir auch nicht gut und deswegen bin ich vielleicht ein wenig zu ruppig geworden. Ich habe allerdings schon einiges herausgestrichen, um die Contenance zu wahren.

(Zurufe von der SPD: Oh, oh!)

(Helga Kleiner)

Zum Bereich private Alterssicherung und Vermögensstruktur älterer Menschen in SchleswigHolstein konnte die Landesregierung keine Daten ermitteln. Das ist hochbedauerlich. Denn die regelmäßigen Einkünfte der Seniorinnen und Senioren werden durch das Alterseinkünftegesetz weiter sinken. Daher wäre es für alle Entscheidungen, bei denen es um weitere wirtschaftliche Belastungen der älteren Menschen geht, von großer Bedeutung, ob und inwieweit die Senioren auf Altersvorsorge und Vermögen zurückgreifen können.

Zum Konsumverhalten sind die Angaben unzureichend belegt und stammen mehr oder minder nur aus einer allgemein gefühlsmäßigen Bewertung. Sie sagen insbesondere nichts darüber aus, zu welchen Änderungen im Konsumverhalten die vom Bundesgesetzgeber vorgenommenen Mehrbelastungen bisher geführt haben und noch führen werden.

Aus meinen vielen Gesprächen mit Rentnern und Pensionären weiß ich, dass sich die älteren Menschen schon jetzt in vielfacher Hinsicht einschränken müssen. Dass man die Senioren ruhig noch weiter als bisher belasten könne, ist ein Märchen, das auch durch Wiederholung nicht wahrer wird. Es wäre sachangemessener gewesen, die Ergebnisse der nächsten Einkommens- und Verbraucherstichprobe abzuwarten.

Das vom Land geförderte Projekt „MarktTreff“ findet unsere Unterstützung. Wir erblicken in ihm insbesondere auch die Chance für ältere Menschen, in ihrem bisherigen Wohnumfeld bleiben zu können. Mittelfristig muss auch für dieses Projekt eine Flächendeckung angestrebt werden.

Zum Wohnen im Alter stimme ich der Landesregierung ausdrücklich zu, dass das entschuldete private Wohneigentum als wichtigste finanzielle Alterssicherung anzusehen ist. Der Staat sollte sich davor hüten, in irgendeiner Weise zur Sanierung seiner Finanzen hierauf Zugriff zu nehmen. Besorgt darf man aber immer sein.

Die Landesförderung für das Wohnen im Alter sollte beibehalten und - wenn irgend möglich - ausgebaut werden. Sie ist ein wichtiges Instrument, um den weiteren Zuzug in stationäre Pflegeheime abzubremsen. Einschlägige Fördermaßnahmen entfalten gerade in diesem Bereich eine nachhaltige Wirkung.

Eine besondere Bedeutung haben die Konzepte für alternative Wohnformen. Sie haben ebenfalls eine Entlastungsfunktion im Hinblick auf die Zuzüge in die stationären Pflegeeinrichtungen. Darüber hinaus bilden sie eine wichtige Brücke zur Ablösung des Anstaltscharakters unserer Pflegeheime. Die verstärk

te Förderung von alternativen Wohnformen halte ich jedenfalls mittelfristig für dringend geboten.

(Vereinzelter Beifall)

Zur durchschnittlichen Aufenthaltsdauer in stationären Pflegeeinrichtungen! Nach Auskunft des MDK ist die durchschnittliche Verweildauer im Heim in den vergangenen Jahren gesunken und wird für Schleswig-Holstein auf unter drei Jahre geschätzt. Hier wäre es für künftige Planungen sehr hilfreich gewesen, genauere Zahlen zu erheben. Zu Recht hat die Landesregierung darauf hingewiesen, dass es je nach Region erhebliche Unterschiede gibt. Ich empfehle der Landesregierung, hierzu eine konkrete Nacherhebung vorzunehmen.

Zur medizinischen und pflegerischen Versorgung! Zur medizinischen Versorgung älterer Menschen haben wir keine ergänzenden Bemerkungen zu machen. Auch wir sehen die ärztliche Versorgung der Senioren als ausreichend an. Die von der Landesregierung besonders hervorgehobene Notwendigkeit, die weitere Entwicklung sorgfältig zu beobachten, sollte zumindest im Hinblick auf die Einrichtung von geriatrischen Abteilungen in der Weise systematisiert werden, dass ein auftretender Fehlbedarf schnell erkannt wird.

Zu dieser Forderung sehen wir uns auch deswegen veranlasst, weil die Verlagerung aus dem Krankenhausbereich in den ambulanten Versorgungsbereich ein nach wie vor offenes Problem darstellt.

Beim Übergang von der Krankenhausbehandlung in eine stationäre Pflegeeinrichtung sollten die behandelnden Haus- und Fachärzte in ein geordnetes und verbindliches Verfahren eingebunden werden. Wir empfehlen der Landesregierung dringend, hierfür einen systematischen und fortgesetzten Dialog zwischen den Krankenkassen und der Ärzteschaft anzuregen oder - besser noch - zu installieren.

Zur Altersdiskriminierung! Sie wird aus hier im Einzelnen nicht weiter darzulegenden Gründen zunehmen. Das Altenparlament allein ist nach unserer Auffassung kein ausreichender Seismograph. Nach unserer Meinung sollte ein Meldetelefon für Altersdiskriminierung eingerichtet werden.

Die Uhr steht leider schon wieder auf null. Ich lasse deswegen die ambulante Pflege, die stationären Hospize und die palliative Versorgung aus. Allerdings muss ich einen Satz zu der Anzahl der Plätze sagen, die Sie prognostizieren oder meinen für stationäre Hospize haben zu müssen. Sie sagen, 49 Plätze seien genug. Die neuesten Schätzungen der Fachwelt gehen aber davon aus, dass für 1 Million Einwohner jeweils

(Helga Kleiner)

50 stationäre Pflegeplätze notwendig sind. Damit wären wir für Schleswig-Holstein bei 125 Plätzen.

(Glocke des Präsidenten)

Frau Abgeordnete, wir wundern uns beide gemeinsam, wie schnell zehn Minuten vergehen. Aber Ihre Redezeit ist um. Kommen Sie bitte zum Schluss.

Das muss ich einsehen.

(Heiterkeit)

Ich werde mich jetzt auch ganz artig fügen, obgleich ich noch einen so schönen Schluss hatte, Herr Hay.

(Heiterkeit und starker Beifall)

Ich bin mir sicher, der schöne Schlusssatz wird uns noch zur Kenntnis gelangen.

Meine Damen und Herren, wir fahren jetzt fort. Ich erteile der Frau Abgeordneten Kolb das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Älter werden in Schleswig-Holstein - das möchte ich und das ist auch ein Prozess, an dem ich zurzeit aktiv teilnehme.

(Heiterkeit und Beifall)

Aber ich möchte nicht nur in Schleswig-Holstein älter werden, ich möchte auch gern alt sein in SchleswigHolstein. Wenn das, was der Kollege Beran beschrieben hat, die Zukunft des Altseins in SchleswigHolstein sein soll, dann muss ich mich ganz flott nach einem neuen Ziel umsehen.

Meine Damen und Herren, die Antwort auf die Große Anfrage zum Thema „Älter werden in SchleswigHolstein“ enthält eine umfangreiche Datensammlung zur demographischen Entwicklung in SchleswigHolstein. Sie gibt uns damit weitere Informationen über die Altersstruktur, über Lebensumstände, Lebensumfeld und auch Lebensbedingungen. Auch ich bedanke mich für die Erstellung dieses Zahlenwerkes.

Was bedeutet es aber für die Menschen heute, wenn wir vom demographischen Wandel reden? Sind dies nur abstrakte Zahlen? Hat dies mit den Menschen, die bereits heute Senioren sind, und mit uns, die wir in naher Zukunft Senioren sein werden, etwa nichts zu tun?

Die Wucht, mit dem die Alterung der Bevölkerung des Landes jeden Einzelnen in den nächsten 20 bis 40 Jahren treffen wird, deutet sich heute schon an. Sie droht nicht nur, wie man in jeder Zeitung lesen kann, die Sozialsysteme grundlegend zu verändern; sie wird eine grundlegende und unaufhaltsame Revolution in unserer Gesellschaft einleiten, in der alle gewohnten familiären und sozialen Beziehungen auf dem Spiel stehen. Diese Herausforderung müssen wir nicht etwa als Bedrohung sehen, sondern wir sollten sie als Chance sehen.

Die bisher abstrakten Zahlen machen eines deutlich: Wir stehen vor der Aufgabe, neue Modelle zur Integration einer immer größer werdenden Bevölkerungsgruppe in allen Bereichen zu entwickeln. Genau hier befindet sich die Entwicklung aber noch in den Kinderschuhen. Denn mit dem Alter ändern sich auch die Bedürfnisse und Ansprüche an die Gesellschaft. Diesen Ansprüchen sind wir bisher noch nicht gerecht geworden, wir kennen sie teilweise noch nicht einmal. Denn alle Parameter über Alter und Jugend stammen immer noch aus einer Zeit, in der Alte die Ausnahme waren.

Das Land wird alt und die Kultur, die wir geschaffen haben, nimmt den Alternden häufig bedauerlicherweise alles: das Selbstbewusstsein, den Arbeitsplatz, in manchen Fällen sogar die Biographie. - Das ist die Ausgangslage.

Meine Damen und Herren, wir wollen uns von der sich aufbauenden Drohkulisse wie Bevölkerungsrückgang, Arbeitskräftemangel, Kollaps der Sicherungssysteme, Verteilungskampf Jung gegen Alt nicht beeindrucken lassen. Wir dürfen aber auch nicht abwarten, bis uns die Ereignisse überholt haben. Welche Vorstellungen haben wir von der Weiterentwicklung der Gesellschaft und wie wollen wir Politikfelder gewichten, um dieser Drohkulisse begegnen zu können?

Die Antworten der Landesregierung sind vergleichsweise ernüchternd. Deutlich wird aus der Antwort auf die Große Anfrage eines: Wir wissen jetzt dank einer umfangreichen Studie genauer als vorher, wie es um uns steht.

Das Erstellen einer Studie ist eine Seite der Medaille, Schlussfolgerungen daraus zu ziehen und in konkretes politisches Handeln umzusetzen, ist die andere. Gerade hier stehen wir noch am Anfang.

Auf der Basis der jetzt erhobenen Zahlen einen Dialog mit den Bürgern zu starten, ist sinnvoll, ist wichtig. Nur sind wir auch damit in Schleswig-Holstein etwas spät dran. Spätestens seit der Einführung der Pflegeversicherung bestehen erste gesicherte statisti

(Veronika Kolb)

sche Hochrechnungen, die uns das Ausmaß der Alterung unserer Gesellschaft vor Augen führen. Seitdem ist in Schleswig-Holstein zu wenig geschehen, meine Damen und Herren. Vielmehr wird bis heute immer wieder abgewartet, bis wir unter Handlungszwang stehen. Das ist meines Erachtens jetzt der Fall.

In diesem Zusammenhang ist es kein gutes Signal, wenn die Ministerpräsidentin für eine Denkpause bei weiteren Reformschritten für die sozialen Sicherungssysteme plädiert, wie sie es im ZDF in „Berlin direkt“ am 12. Dezember dieses Jahres getan hat. Denn wir haben weder „noch ein kleines bisschen Zeit“ noch können wir den demographischen Wandel weiter „sorgfältig beobachten“, um erst dann Vorschläge zu machen. Die Vorschläge hierzu müssen jetzt auf den Tisch. Alles andere spricht für kein entwickeltes Problembewusstsein. Denn eine demographieorientierte Politik ist vor allem auch Standortpolitik und damit ist es nicht sonderlich gut bestellt.