Protocol of the Session on October 18, 2000

Ich erteile jetzt Herrn Abgeordneten Dr. Höppner das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, es ist an dieser Stelle nicht geboten, erneut über die grundsätzliche Bedeutung des Umgangs mit den neuen Medien als neue Kulturtechnik zu sprechen. Dies steht heute fast gleichrangig neben Lesen und Schreiben. Ich denke, über einen solchen Diskussionsstand sind wir schon lange hinaus. Nicht nur die tägliche Praxis in unseren Schulen zeigt, dass der Umgang mit Computern im Schulalltag, in der Schule selbst oder bei den Schülerinnen und Schülern zu Hause fast eine Selbstverständlichkeit geworden ist. Das bedeutet natürlich auch, dass der Einsatz der neuen Medien und der Umgang mit ihnen in allen Unterrichtsfächern selbstverständlich werden muss und sich zukünftig nicht nur auf ein spezielles Fach Datenverarbeitung oder Informationstechnologie beschränken darf.

Das Problem bei der Bewältigung dieser Fragestellung besteht darin, die Ausstattung der Schulen in den einzelnen Klassenräumen mit Computern sicherzustellen und ihnen ebenso den Zugang ins Internet zu verschaffen. Es ist sicherlich auch unsere Aufgabe und die Aufgabe der Schulträger sicherzustellen, dass nicht einzelne Schulen oder gar ganze Regionen oder Schularten auf diesem Weg zurückbleiben.

(Jürgen Weber [SPD]: Sehr richtig!)

Die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der CDU nach den Auswirkungen von Multimedia in unseren Schulen hat deutlich gemacht, dass wir diese Aufgabe auch nur gesamtgesellschaftlich lösen können.

Ich will an dieser Stelle nicht das wiederholen, was die Landesregierung an gemeinsamen Projekten des Landes, des Bundes, der Schulträger und der privaten Förderer in ihrem Bericht aufgelistet hat. Es ist aber doch hervorzuheben, dass nach dem gegenwärtigen Stand die Versorgung der weiterführenden Schulen im Land mit Internet-Zugängen nahezu vollständig erfolgt ist. Es gibt dennoch kleine Defizite bei den kombinierten Grund- und Hauptschulen und bei den Realschulen. Dass die Grund- und Sonderschulen demgegenüber noch einen geringen Ausstattungsgrad

(Dr. Henning Höppner)

aufweisen, liegt zwar vordergründig nahe, kann und soll aber in Zukunft nicht so bleiben; denn auch Schülerinnen und Schüler mit Lernbehinderung oder sehr junge Schülerinnen und Schüler werden immer früher und intensiver an diese neue Kulturtechnik herangeführt werden müssen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Niveau der Anwendung wird auch weiterhin zwischen Altersgruppen und Schularten unterschiedlich sein, jedoch nicht die grundsätzliche Nutzung der neuen Medien zur Beschaffung von Information und zur schnellen Kommunikation.

Nicht erst die weiterführende Schule wird künftig den Einstieg in die Arbeit mit dem Computer markieren. Unsere Selbstverpflichtung gilt nach wie vor: Bis Ende 2001 müssen und werden alle unsere Schulen ans Netz gebracht werden.

Die zweite Problemstellung ist die Ausstattung von Computerfachräumen in den Schulen. Ein Computerfachraum wird ein Fachraum sein, der wie ein naturwissenschaftlicher Übungsraum zur Norm wird. In den beruflichen Schulen unseres Landes kennen wir seit vielen Jahren Fachräume. Ich erinnere hier an die Themen CNC-Technik, Fachstufenlabore, Lernbüros, Schulleiter- und Schulverwaltungsnetze; sie alle sind mit Hilfe des Landes eingerichtet worden. So werden Computerfachräume im Rahmen des Schulbauprogramms zum Regelfall und werden auch über die Mittel des zentralen Schulbaufonds gefördert werden.

Die Einrichtung - ich denke, das muss auch nach wie vor so bleiben - und Ausstattung dieser Fachräume wird wie in der Vergangenheit insbesondere eine Aufgabe der Schulträger sein und bleiben müssen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Neben der Neubeschaffung stehen die Schulträger natürlich auch vor finanziellen Belastungen durch Wartungsarbeiten und durch den regelmäßigen Austausch veralteter Geräte. Im Vergleich zu anderen Fachräumen in den Schulen sind - das sage ich hier ganz ehrlich - Computerfachräume allerdings relativ kostengünstig einzurichten, und zwar insbesondere dann, wenn ich hier etwa den Vergleich zu den Fachräumen in beruflichen Schulen anstelle. Eine komplette Einheit aus Rechner, Monitor, Drucker und Scanner kostet heute weniger als früher eine elektrische Kugelkopfschreibmaschine.

Die Folgekosten - sie mögen noch bei 30 bis 40 % der Neuausstattung liegen - sinken inzwischen auch ganz ähnlich wie die Preise für Hard- und Software.

Die qualifizierte Betreuung der Systeme - das wissen Sie aus dem Bericht - wird heute in vielfältiger Weise vorgenommen, meist noch durch Lehrkräfte. Wir erwarten aber zumindest an den großen Schulen, dass das Projekt Schulassistenz oder Schulassistenz Technik die Lehrerinnen und Lehrer in dieser Hinsicht entlasten wird.

(Beifall bei der SPD und Beifall der Abge- ordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage benennt klar die steigenden Anforderungen an die Aus-, Fort- und Weiterbildung der Lehrerinnen und Lehrer.

Mit der neuen Landesverordnung über die erste Staatsprüfung vom Oktober 1999 sind der Umgang mit den neuen Medien und die Vermittlung von Medienkompetenz verpflichtendes Element des Lehramtsstudiums geworden. Das IPTS macht umfangreiche Angebote; bisher sind hieran ein Drittel aller Lehrkräfte beteiligt gewesen und bis zum Jahre 2003 wird es ein weiteres Sechstel der Lehrkräfte sein.

Wir werden auch künftig an vielen Schulen unseres Landes eine Situation haben, dass Schülerinnen und Schüler - gerade die der älteren Jahrgänge - den Lehrerinnen und Lehrern an praktischem Wissen noch viel voraus haben; denn eine Vielzahl unserer Kinder wächst auch heute - ich nenne es einmal so - über den Gameboy, über die Playstation, über die PokémonMonster, über die Tomb Raider und über die Vielzahl der Computerspiele wie selbstverständlich in dieses neue Medium hinein.

Das muss eigentlich gar nichts Schlechtes sein, weil ich finde, dass gerade dadurch das Selbstbewusstsein vieler Schülerinnen und Schüler gestärkt wird. Aber mittelfristig - da gebe ich Ihnen Recht - müssen wir natürlich den Gleichstand der Qualifikation zwischen Pädagogen und Schülerinnen und Schülern haben.

Dass eine zukünftige Lehrergeneration anders davor stehen wird, ist selbstverständlich. Das können wir auch an unseren Hochschulen feststellen. Herr Dr. Klug, wer als Dozent heute eine Hausarbeit eines Studierenden entgegennimmt, der wird feststellen, dass sie fast alle am Computer erstellt sind. Schreibmaschinenausfertigungen werden Sie heute vergeblich an den Universitäten suchen.

Zahlreiche Projekte an den Schulen sind entwickelt worden. Die in der Antwort der Landesregierung auf

(Dr. Henning Höppner)

geführte Liste belegt nicht nur die thematische Bandbreite, sondern sie macht auch deutlich, dass ausnahmslos jede Schulart die neuen Technologien für ihre spezifischen Bedürfnisse nutzen kann. Von Bedeutung sind hierbei auch geschlechtsspezifische Angebote, da es ein unterschiedliches Herangehen von Jungen und Mädchen an diese Themen gibt. Die Kieler Realschulen tragen diesem Rechnung, hier wird auch intensive Internetarbeit für Mädchen angeboten.

Ich denke, dass der Bericht deutlich macht, dass Schleswig-Holsteins Schulen auf dem Weg in die Multimediazukunft ein großes Stück nach vorn gekommen sind.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Bevor ich weiter das Wort erteile, möchte ich Besucher begrüßen. Ich begrüße auf der Tribüne Schülerinnen und Schüler der Ernst-Barlach-Realschule aus Wedel und der Berufsschule am Ravensberg aus Kiel sowie Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Brücke aus Husum. Herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich erteile jetzt Herrn Abgeordneten Dr. Klug das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Multimedia-PC und Internet verändern die Welt - und im Besonderen verändern sie die Welt des Lehrens und Lernens in einer Weise, wie es dies zuletzt vor mehr als 500 Jahren die Erfindung des Buchdrucks getan hat. Dieser Vergleich beschreibt auch die Herausforderung, vor der die Bildungseinrichtungen heute stehen.

Den Skeptikern, die - selten in offenem Widerspruch, aber umso häufiger mit hinhaltendem Widerstand - das Thema „Schulen ans Netz“ als eine Modewelle abtun und diese etwa mit der Sprachlabor-Euphorie der späten Sechzigerjahre vergleichen - Ihre Redenschreiber haben offenbar zur Vorbereitung die gleichen Artikel gelesen wie ich -, sei ausdrücklich widersprochen: Eine solche Abwehrhaltung wäre so töricht, wie es im Zeitalter Gutenbergs die Ablehnung von Büchern als Instrumente der Wissensvermittlung und des Lernens gewesen wäre.

Andererseits verdeutlicht aber dieser Vergleich mit der Erfindung des Buchdrucks auch die Grenzen, die dem Einsatz neuer Medien und moderner Informations

und Kommunikationstechnologien gesetzt sind. So wie es damals zweifellos nicht damit getan war, in Klassenräumen Bücher aufzustellen, so bekommt man heute selbstverständlich noch lange keine gute Schule, wenn man dort PCs aufstellt und Internetanschlüsse installiert. Mit anderen Worten: Das neue zusätzliche Instrumentarium für Lehren und Lernen darf nicht mit Bildung gleichgesetzt werden.

(Beifall bei F.D.P. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie vereinzelt bei der SPD)

Speziell die elektronischen Medien verleiten zu einer solch kurzschlüssigen Betrachtungsweise, wie ich sie eben kritisiert habe. In einem 50-Sekunden-Fernsehbeitrag vermag ein Computerraum, in dem Schüler vor Monitoren sitzen und eifrig auf der Tastatur klimpern, eine scheinbar intakte moderne Schule zu suggerieren. Ob die neuen Medien und Kommunikationstechnologien aber auch tatsächlich sinnvoll im Unterricht eingesetzt werden, verraten solche Bilder nicht.

(Beifall bei F.D.P. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wo hier die Probleme liegen, zeigt unter anderem die kritische Situationsbeschreibung, die zwei Flensburger Realschüler auf der Internet-Messe ProNetS lieferten und die das „Flensburger Tageblatt“ am 23. Juni dieses Jahres wiedergab. Die beiden Schüler sagten: Ihre Schule verfüge über eine PC-Ausstattung mit zwölf Schülerarbeitsplätzen, einem Lehrerarbeitsplatz und zwei Servern, aber nur 40 der insgesamt 240 Schüler arbeiteten in dieser Schule mit der rund 60.000 DM teuren Anlage. Fünf Sechstel der Schüler haben nichts davon, weil es - und das wird in dem Artikel weiter ausgeführt - an dieser Schule, wie in vielen anderen Schulen auch, nicht genügend Lehrerinnen und Lehrer gibt, die mit der neuen Technik arbeiten können und/oder wollen.

Dieses Beispiel zeigt: Allen Erfolgsmeldungen zum Trotz ist Schleswig-Holstein bei der systematischen Einbeziehung der modernen Informationsund Kommunikationstechnologien in Lehr- und Lernprozesse nach wie vor ein Entwicklungsland. Dieser Zustand wird auch dann nicht überwunden sein, wenn wir - wie von der Landesregierung versprochen - vielleicht tatsächlich bis Ende des Jahres 2001 das Ziel erreicht haben werden, alle Schulen ans Netz zu bringen. Das genannte Beispiel aus Flensburg zeigt: In weitem Umfang wird die installierte Technik kaum genutzt. In vielen Schulen stehen - wenn überhaupt nur „So-da-PCs“.

Der eigentliche Engpass in diesem Bereich liegt in der unzureichenden Aus- und Fortbildung der Lehrerinnen

(Dr. Ekkehard Klug)

und Lehrer, in der unzulänglichen Entwicklung methodischer und didaktischer Hilfen zum Einsatz der neuen Technik für Unterrichtszwecke. Um die sinnvolle Anwendung der neuen Medien und der modernen Kommunikationstechnologien in möglichst vielen Fächern zu erreichen, bedarf es hier noch größerer Anstrengungen. Deshalb wird die F.D.P.-Fraktion auch im Zuge der Haushaltsberatungen - in denen wir jetzt ja sozusagen mittendrin sind - beantragen, den Etat des IPTS für Lehrerfortbildungsmaßnahmen auf 1 Million DM zu erhöhen und damit die Mittel für Lehrerfortbildungsmaßnahmen gegenüber dem jetzigen Stand fast zu verdoppeln.

(Beifall bei der F.D.P.)

Dies wird durch ein Paket von Umschichtungsanträgen aus anderen Haushaltsbereichen abgedeckt. Wir meinen, dass es hier in der Tat der Anstrengung unseres Landes bedarf und dass man - so lobenswert auch der Einsatz von Sponsoren aus der Wirtschaft ist - hier auch die Ressourcen, die das Land zur Verfügung stellt, deutlich erhöhen muss.

Das zweite Handlungsfeld neben der Fortbildung ist die Ausbildung des Lehrernachwuchses. Über 5.000 neue Lehrerinnen und Lehrer werden in den nächsten fünf Jahren vom Land eingestellt. Das ist etwa ein Fünftel der gesamten Lehrerschaft, das personell erneuert wird. Es wäre eine Riesendummheit, wenn man die Chance verstreichen ließe, diesen neuen Lehrern gleich von Anfang an methodische und didaktische Kenntnisse über den Einsatz der modernen Informations- und Kommunikationstechniken zu vermitteln, und zwar in ausreichendem Umfang. Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung hat vor wenigen Wochen gezeigt, dass sich fast 90 % der angehenden Lehrer nicht ausreichend auf die Unterrichtspraxis in den neuen Medien vorbereitet fühlen. Ich denke, dass eine einzige Pflichtlehrveranstaltung mit zwei Semesterwochenstunden, wie sie jüngst in Schleswig-Holstein verbindlich vorgeschrieben wurde, daran auch nichts Wesentliches ändern kann. Hier ist also noch viel zu tun. Eine entsprechende Ausrichtung der Lehrerausbildung muss in wesentlich größerem Umfang stattfinden, als das bisher der Fall ist.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch an die SPD-Fraktion, besonders an den nicht anwesenden Kollegen Lothar Hay, appellieren, doch seine ablehnende Haltung zum IT-Kompetenzzentrum für den Hochschulstandort Flensburg zu überdenken. Wie Sie wissen, hat die rot-grüne Koalition vor wenigen Jahren beschlossen, die Ausbildung der Grund- und Hauptschullehrer in Flensburg zu konzentrieren. Sie haben damit den Lehrernachwuchs in SchleswigHolstein erheblich verknappt. Das wird uns in den

nächsten Jahren aufgrund des wachsenden Lehrermangels noch zu schaffen machen. Jetzt, meine Damen und Herren von der SPD und von den Grünen, sorgen Sie bitte wenigstens dafür, dass die Nachwuchslehrer, die in Flensburg studieren, auch eine zeitgemäße Ausbildung bekommen. Ich meine, dass dazu auch ein ITKompetenzzentrum am Hochschulstandort Flensburg eine wesentliche Voraussetzung ist.

(Beifall bei F.D.P. und SSW)

Am Standort Kiel - wo es ja auch Lehramtsstudiengänge gibt - wird diese Voraussetzung durch einen Ausbau des bereits existierenden interdisziplinären Multimedia-Zentrums der Christian-AlbrechtsUniversität zu Kiel zu schaffen sein. Ich setze des Weiteren auf die im Entwicklungsplan der Kieler Universität beschriebene Zielrichtung, an der Universität ein Zentrum für Lehrerbildung und didaktische Forschung einzurichten. Es kommt selbstverständlich auch darauf an, die didaktische und pädagogische Forschung auch in Bezug auf den Einsatz der neuen Medien zu Unterrichtszwecken zu intensivieren und die Ergebnisse einer wissenschaftlichen Forschung dann für die Lehrerbildung weiter nutzbar zu machen. Vielleicht kann ja für die Kieler Lehramtsstudiengänge der Multimedia-Campus - wenn er denn eines Tages reale Gestalt annimmt - auch etwas leisten.

Auch in den Schulen - das ist vorhin schon angesprochen worden - müssen die Voraussetzungen für die Arbeit mit den neuen Medien verbessert werden. Ich meine, dass Lehrer, die hier an den Schulen Koordinierungsaufgaben leisten, heute dafür zu wenig Entlastungsstunden bekommen.