Protocol of the Session on October 18, 2000

(Beifall bei der F.D.P. und vereinzelt bei der CDU sowie der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich will ausdrücklich anerkennen, dass die Grünen in dieser Frage eine deutlich differenziertere Haltung eingenommen haben. Liebe Frau Kollegin Fröhlich, wir sind uns völlig darin einig, dass es darum gehen muss, Menschen das Handwerk zu legen, die Hunde zur Aggressionszucht und -dressur missbrauchen. Das erreichen wir nur, wenn Zucht und Dressur zu gesteigerter Aggressivität künftig als Straftat verfolgt und geahndet werden. Die bestehenden Gesetzeslücken im Hinblick auf Zucht, Haltung, Import und Handel mit Hunden schließen wir nicht durch die Diskriminierung willkürlich ausgewählter Hunderassen oder gar durch deren Ausrottung, sondern nur durch den Erlass eines längst überfällig gewordenen Heimtierzuchtgesetzes. Und, Frau Fröhlich - ich glaube, auch hier sind wir einer Meinung -, das Gleiche gilt für die von uns geforderte obligatorische Haftpflichtversicherung für Hundehalter.

(Beifall bei der F.D.P. sowie der Abgeordne- ten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Rainder Steenblock [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

(Dr. Heiner Garg)

Ich denke, dass wir solche Detailfragen sicher auch im Ausschuss klären können. Ebenso können wir auch die Frage Plakette oder Chip zur Tierkennzeichnung dort klären. Dazu möchte ich nur eines anmerken. Man muss wissen, dass jede Plakette natürlich beliebig manipulierbar ist. Einzig die obligatorische elektronische Kennzeichnung mittels Transponder nach ISOStandard, die ausschließlich durch den Veterinär erfolgen darf, garantiert die nicht manipulierbare, eindeutige Identifikation des Tieres und - im Zusammenhang mit einer behördlichen Anmeldung des Tieres - die eindeutige und nicht manipulierbare Zuordnung zum Halter.

Liebe Frau Kollegin Fröhlich, ich kann überhaupt nicht verstehen, dass Sie heute möglicherweise nicht dafür sorgen wollen, dass die rechtlich zumindest zweifelhafte Verordnung auch nur einen Tag länger in Kraft bleiben soll. Mich würde in diesem Zusammenhang sehr die Haltung der Frau Justizministerin im Hinblick auf die Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit der Mittel interessieren. Es ist doch bezeichnend, dass sich weder die Justizministerin noch der für Tierschutz zuständige grüne Umweltminister jemals mit einem Wort zu dieser Verordnung geäußert haben. Frau Kollegin Fröhlich, ich appelliere an Sie und an Ihre Fraktionskollegen noch einmal eindringlich und bitte Sie sehr herzlich: Überdenken Sie noch einmal Ihre Haltung im Hinblick auf Punkt 1 unseres Antrags. Wenn Sie tatsächlich der Meinung sind, dass diese Verordnung nichts taugt, dass sie keineswegs den Schutz der Menschen erhöht, dann sorgen Sie konsequenterweise auch dafür, dass sie außer Kraft gesetzt wird!

(Beifall bei der F.D.P.)

Nach den Erfahrungen dieses Sommers und dem Klima, das sich zwischen Hundehaltern und Nichthundehaltern entwickelt hat, ohne dass das grundlegende Problem krimineller Halter auch nur ansatzweise angegangen wurde, fehlt mir - ich will es einmal ganz vorsichtig ausdrücken - jedes Verständnis für jedes noch so engagierte Sowohl-als-auch in dieser Frage.

(Beifall bei der F.D.P. sowie der Abgeordne- ten Heinz Maurus [CDU] und Klaus Schlie [CDU])

Herr Dr. Garg, ich darf eine Zwischenfrage stellen. Sie hatten Ausschussüberweisung beantragt?

(Dr. Heiner Garg [F.D.P.]: Ja!)

Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete KlausPeter Puls das Wort.

Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Auch wenn blau-grüne Kollegen in den letzten Tagen gemeinsam den Innenminister verbellen: Die SPDLandtagsfraktion bleibt bei ihrer Auffassung, dass es bei einer Gefahrhundeverordnung nicht in erster Linie um den Schutz der Hundewürde geht, sondern um den Schutz menschlichen Lebens und menschlicher Gesundheit.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Dr. Garg, dass kriminelle Hundehalter strafrechtlich zu belangen sind, ist eine Selbstverständlichkeit, die mit der Hundeverordnung überhaupt nichts zu tun hat. Wer Fotos oder Filmaufnahmen von verstümmelten Gesichtern und zerfleischten Kindern gesehen hat, kann doch nicht allen Ernstes Schutzverordnungen wieder außer Kraft setzen wollen, nur weil es in Fragen der Anwendung und des Vollzugs noch Verbesserungsmöglichkeiten gibt oder weil wissenschaftlicher Streit über die Einordnung der einen oder anderen Hunderasse noch nicht entschieden ist.

(Beifall bei der SPD - Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Das ist keine Schutzverordnung!)

Herr Kubicki, betroffene, geschädigte und bedrohte Familien, Kinder und Erwachsene sind nicht an hundegenetischen Expertisen und verwaltungsbürokratischen Finessen interessiert, sondern daran, dass sie vor konkreten Angriffen gefährlicher Tiere wirksam geschützt werden.

(Beifall bei der SPD - Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Was ist das für eine Argumentati- on!)

Das geschieht - wenn auch verbesserungsbedürftig durch die neue Gefahrhundeverordnung des Innenministers. Wo Verbesserungen möglich sind, mag das im Fachausschuss besprochen und angeregt werden. Dem F.D.P.-Ansinnen, die neue Verordnung unverzüglich aufzuheben und die alte zahnlose Hundeverordnung von 1993 für Schleswig-Holstein wieder in Kraft zu setzen, werden wir als SPD-Landstagsfraktion nicht unsere Zustimmung geben.

(Beifall bei SPD und SSW)

Wir werden auch verhindern - und im Interesse der Menschen in Schleswig-Holstein verhindern müssen -, dass in dieser Frage der grüne Schwanz mit dem roten Hund wedelt.

(Beifall bei der SPD - Lars Harms [SSW]: Wehret den Anfängen! - Zuruf von der F.D.P.)

(Klaus-Peter Puls)

Was die weiteren Punkte des F.D.P.-Antrags angeht, so sollten wir uns darüber ebenfalls näher im Fachausschuss unterhalten. Herr Kollege Dr. Garg, über Heimtierschutzgesetz und Haftpflichtversicherung diese Probleme haben Sie angesprochen - können wir uns gern miteinander unterhalten. Auch die Frage der Widerlegbarkeit der Gefährlichkeit einer als gefährlich eingestuften oder vermuteten Rasse können wir gern miteinander besprechen und über mögliche Änderungen nachdenken.

Auf jeden Fall sollten wir die weiteren Planungen des Innenministers und die Entwicklung auf Bundesebene mit in die Diskussion einbeziehen. Wir sind der Auffassung, dass eine bundeseinheitliche Regelung 16 landeseigenen Regelungen vorzuziehen ist. Insbesondere im Hinblick auf Melde- und Erlaubnispflichten für das Halten gefährlicher Hunde, insbesondere hinsichtlich der Frage eines Hundeführerscheins - also des Nachweises einer Eignungsprüfung für das Halten gefährlicher Hunde -, besonders aber hinsichtlich der Frage eines Zucht-, Handels- und Importverbots wäre es sicherlich am besten, wenn wir in angemessener Zeit eine bundeseinheitliche Regelung bekommen könnten.

Wenn es aber nicht möglich sein sollte, in absehbarer Zeit eine solche Regelung zu erreichen, sind wir es unserer Auffassung nach den Menschen in SchleswigHolstein schuldig, durch Landesgesetz zu regeln, was durch Landesgesetz regelbar ist. Dazu hat der Innenminister ebenfalls Vorschläge angekündigt, die wir im Ausschuss besprechen sollten.

Das Fazit ist: Nicht jeder Hund ist so zart fühlend wie „Wuschel von Erfde“, den ich persönlich kenne und dem ich nichts Böses zutraue. Lassen Sie uns im Ausschuss gemeinsam dafür sorgen, dass sich die Menschen in Schleswig-Holstein vor gefährlichen Hunden sicher fühlen können.

(Beifall bei SPD und SSW)

Für die CDU-Fraktion hat Klaus Schlie das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage mich wirklich, ob die Debatte, die im Moment zu diesem Thema geführt wird, nach all diesen Vorfällen dem Gefühl der Menschen entgegenkommt. Ich habe da meine erheblichen Zweifel. Aufgrund der geschehenen Unfälle, die in ihrer Tragik und Brutalität unsere schlimmsten Vorstellungen übertrafen, war die Politik gezwungen zu handeln. Das steht fest.

(Beifall bei CDU und SPD)

Dass es hier in unterschiedlichen Bereichen sehr starke - vielleicht auch überzogene - Reaktionen gegeben hat, steht jedenfalls parteiunabhängig fest. Es geht kein Weg daran vorbei, dass die Politik unter Handlungszwang stand.

Der Innenminister weiß es auch aus der Diskussion im Innen- und Rechtsausschuss, dass ich diese Hundeverordnung nach wie vor in großen Teilbereichen für nicht praktikabel, nicht anwendbar und auch - im Kern der Kritik der F.D.P. - in der vorliegenden Form für überflüssig halte. Darüber sollten wir im Ausschuss vernünftig und sachlich miteinander reden. Wir sollten aber nicht so tun, als wüssten wir in diesem Hause eine Regelung, die bundesweit ziehen würde, um das Problem zu lösen. Eines ist klar: Es reicht offensichtlich nicht aus, nur Rassen zu definieren und das Thema damit für erledigt zu erklären. Das Wesensmerkmal der Aggressivität ist eben nicht auf Rassen zu beschränken. Das Wesensmerkmal der Aggressivität ist nicht nur durch den Züchter, sondern auch durch den Halter verursacht. Daher wird es notwendig sein, auch andere Verfahrensregelungen zu finden.

Das Heimtierzuchtgesetz ist ein Ansatz, um darüber vernünftig zu reden. Es wird aber auch andere Bereiche geben müssen. Daher halte ich es wirklich für notwendig, in der Sache erneut im Innen- und Rechtsausschuss zu diskutieren. Herr Innenminister, wir glauben wirklich, dass wir - auch in der Frage der Praxisbewährung dieser neuen Regelung - darüber reden müssen, ob die neue Verordnung tatsächlich anwendbar ist, ob sie zu wesentlichen Erfolgen geführt hat. Ich bezweifle das, würde aber meinen, dass es sinnvoll und notwendig ist, darüber sachlich zu beraten, bevor wir irgendwelche Schnellschüsse abgeben.

Herr Kollege Puls, abgesehen von den emotionalen Aspekten, die Sie hier vorgebracht haben, habe ich vernommen, dass auch Sie der Meinung sind, dass wir darüber reden müssen. Daher ist es wichtig und sinnvoll, dass die F.D.P. hierzu einen Anstoß gegeben hat. Ich glaube aber nicht, dass wir es uns so einfach machen sollten zu sagen: Das war alles von vornherein falsch. Diejenigen, die in der Verantwortung stehen, sind an allererster Stelle gezwungen, schnell zu handeln. Da gibt es auch Beispiele aus anderen Bundesländern. Wir müssen das anerkennen, auch wenn dabei sicherlich Fehler gemacht werden.

(Beifall bei der CDU)

Das ist gar keine Frage. Ich wünschte mir in der demokratischen Streitkultur unseres Hauses, dass wir gemeinsam versuchen - fernab irgendwelcher großen Aufgeregtheiten -, an solch einem Punkt, bei dem es wirklich darauf ankommt, Menschen zu schützen, Kinder zu schützen und Betroffene zu schützen, in

(Klaus Schlie)

einer sachlichen Diskussion darüber zu reden, wie wir etwas verändern oder verbessern können, ohne Barriere aufzubauen, indem wir den Klageweg beschreiten. Vielleicht ist es ja gar nicht so ganz sinnvoll, Herr Kollege Puls, an dieser Stelle eine Koalitionskrise herbeizureden. Die Farbe des Schwanzes, die der Hund hat, ist mir letztlich egal, Hauptsache, er beißt nicht. Das ist das Entscheidende.

(Beifall im ganzen Haus)

Da sieht man, was ein Ausspruch anrichten kann, Herr Kollege Puls. Das Wort für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Abgeordnete Fröhlich.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Garg, dass wir uns einig waren, wusste ich ja schon. Aber dass ich jemals eine Rede des Kollegen Schlie beklatschen würde, wusste ich nicht. Das war schon toll.

(Heiterkeit)

Trotzdem möchte ich darauf hinweisen: Verordnungen sind Sache des Ministers, das hat Herr Schlie richtig herausgearbeitet, und nicht die des Parlamentes. Daher ist es eine Ausnahme, dass wir hier eine Verordnung diskutieren. Da wir aber in eine Gesetzgebungsdebatte hineinlaufen, ist mir diese Debatte heute wichtig genug.

(Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau übernimmt den Vorsitz)

Deswegen war es wichtig und richtig, an dieser Stelle unseren Protest noch einmal sehr deutlich zu machen. Herr Puls hat entsprechend deutlich ausgedrückt, dass die Kollegen von der SPD diesen Konflikt verstanden haben. Das ist ja zumindest etwas. So weit zur Einigkeit mit der Opposition, die ja nicht selbstverständlich ist.

Die Gefahrhundeverordnung vom Juni diesen Jahres ist rechtlich und fachlich aus unserer Sicht fragwürdig. Sie ist in der Praxis nicht durchsetzbar und hat zu Verunsicherung von Hundehalterinnen und Hundehaltern und anderen Bürgerinnen und Bürgern geführt. Übrigens unterscheidet sie das in keiner Weise von der aus dem Jahr 1993. Deswegen kann ich Ihrem Antrag an dieser Stelle nicht zustimmen, denn auch sie war praktisch nicht durchsetzbar. Wer soll denn schon wissen, was ein Hund nach § 4 Abs. 1 der Gefahrhundeverordnung ist? Das weiß eben keiner und das kann auch keiner sehen. Der Hund sagt es einem nicht und der Hundehalter weiß es wahrscheinlich auch nicht.

Deswegen ist dies alles ziemlicher Unsinn. Deswegen muss man weiter darüber nachdenken. Deswegen nützt es auch nichts, die alte Verordnung, die genauso untauglich wie die jetzige Verordnung ist, wieder in Kraft zu setzen.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Allerdings machen Sie es sich ein bisschen einfach, Herr Garg, wenn Sie ausschließlich den Innenminister dafür verantwortlich machen, dass Hundehalter nicht mehr so wohl gelitten sind oder gar - wie Sie sich neulich ausdrückten - Übergriffen ausgesetzt seien.

Wir dürfen hier nichts verharmlosen. Es gibt gefährliche Hunde auf unseren Straßen und es gibt - das füge ich hinzu - leider verantwortungslose Menschen auf unseren Straßen, die mit diesen Hunden spazieren gehen oder anderes mit ihnen anstellen.