Protocol of the Session on November 11, 2004

Es ist nicht einzusehen, warum die Landesverfassung bisher die deutschen Sinti und Roma nicht gleichberechtigt unter Schutz und Förderung stellt. Im Übrigen würde das den Festlegungen des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten entsprechen. Artikel 5 Abs. 1 beinhaltet die Aufnahme zusätzlicher Merkmale wie soziale Stellung und sexuelle Identität. Es wäre eine gebotene Erweiterung des landesrechtlichen Regelungsgehalts über Artikel 3 Abs. 3 des Grundgesetzes hinaus. Weiterhin ist es aus der besonderen Verantwortung des Landes für Menschen mit Behinderungen sowie für pflegebedürftige Menschen folgerichtig, dass sich das Land auch in der Verfassung - wie in Artikel 5 a Abs. 2 und 3 vorgesehen - für den Schutz und die Förderung dieses Personenkreises einsetzt.

(Beifall des Abgeordneten Wolfgang Baasch [SPD])

Die Einfügung des Schutzes und der Förderung von Kindern und Jugendlichen durch einen neuen Artikel 6 a ist ebenfalls zu befürworten. Dieses Staatsziel stellt eine sinnvolle Ergänzung zu Artikel 6 des Grundgesetzes dar, der das Elternrecht in den Vordergrund stellt.

Schließlich soll durch den Gesetzentwurf auch in Schleswig-Holstein ein eigenes Landesverfassungsgericht errichtet werden. Die Landesregierung setzt sich seit vielen Jahren aus guten Gründen, die Ihnen aus unserer Stellungnahme zum Sonderausschuss Verfassungsreform, Landtagsumdruck 14/913, bekannt sind, für ein eigenes Landesverfassungsgericht ein. Die Formulierungen des Gesetzentwurfs entsprechen weitestgehend unseren damaligen Vorschlägen.

Ich hoffe, dass die erforderliche Mehrheit dieses Hauses für die vorgeschlagene Änderung trotz der bisherigen Debattenbeiträge zustande kommen wird. Wie

(Minister Klaus Buß)

immer biete ich meine Unterstützung für die Ausschussberatungen an.

(Beifall bei SPD und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf federführend an den Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Wir haben einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 53 auf:

Entwicklung offener Ganztagsschulen in Schleswig-Holstein

Bericht der Landesregierung Drucksache 15/3758

Ich erteile der Frau Ministerin für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur das Wort.

Herzlichen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Programm für offene Ganztagsschulen in Schleswig-Holstein ist eine Erfolgsgeschichte.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man kann sehr deutlich sagen: Sie ist es nicht nur, aber auch Dank eines wirklich großen Bundesprogramms.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Was ist keine Er- folgsgeschichte?)

- Lieber Wolfgang, hör dir das an, dem müsstest du eigentlich zustimmen. Dein Kollege Klug hat sich sicher an der einen oder anderen Stelle auch davon überzeugt. Man kann sich diese Erfolgsgeschichte von Ahrensburg bis Flensburg anschauen. Ich sage ganz deutlich: Dazu tragen die Schulträger ebenso wie die einzelnen Schulen landauf, landab mit großem Engagement bei. Das haben wir im August bei der ersten Messe für offene Ganztagsschulen gesehen.

(Glocke des Präsidenten)

Frau Ministerin. - Ich bitte das Haus um etwas mehr Aufmerksamkeit!

Ich mache die Erfahrung, dass die Öffentlichkeit diese Öffnung der Schulen für ein vielfältiges Angebot von der Hausaufgabenbetreuung über die Entwicklung und Förderung von spezifischen Kompetenzen bis hin zur gezielten Berufsorientierung begrüßt. Die Kinder und Jugendlichen profitieren davon. Die Eltern und auch die Schulen tun es ohnehin. Viele Schulen haben das Programm dazu genutzt, Kooperationen mit anderen Schulen vor Ort und auch mit außerschulischen Partnern einzugehen. An der Ganztagsschule Hohenlockstedt zum Beispiel beteiligen sich eine Grundschule, ein Förderzentrum und eine Realschule mit Hauptschulteil. Von den insgesamt 900 Schülern hat sich jeder dritte Schüler für ein Ganztagsangebot angemeldet.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ähnliches gilt für das Schulzentrum Büchen. An der Hauptschule Boostedt ist jedes zweite Kind dabei. Dort liegt der Schwerpunkt auf den sozialen Kompetenzen und bei der Drogenprävention. Gestern habe ich einen Brief von der Gemeinde Schönberg bekommen. Ich will Ihnen kurz vortragen, was dort geplant ist: Die Schönberger Ganztagsschule verbindet auf der Grundlage eines gemeinsamen pädagogischen Konzepts drei verschiedene Schularten und die offene Jugendarbeit. Realschule, Grund- und Hauptschule, Förderschule und Jugendzentrum wachsen so zu einer neuen pädagogischen Einheit zusammen. Das, was da geplant wird, ist vorbildlich.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich könnte noch eine ganze Reihe von anderen Beispielen anführen. Sie belegen, dass sich an den Schulen etwas tut. Durch das Programm und die Anreize, die dadurch gegeben werden, ist eine enorme Dynamik entstanden. Es ist enorm viel Kreativität und Phantasie freigesetzt worden. Schule wird an vielen Stellen ganz neu gedacht und erhält neue Profile. Sie öffnet sich und wird zum Lern- und Lebensort einer Gemeinde.

Folgendes steht hinter den Zahlen, Fakten und Tabellen: Wir haben 134 Anträge auf Anerkennung als offene Ganztagsschule genehmigt. Viele davon haben Mittel aus dem Bundesprogramm erhalten. In 2003 konnten 29 Investitionsvorhaben in Höhe von 8,9 Millionen € gefördert werden. Im Jahr 2004 konnten 74 Vorhaben mit einem Umfang von insgesamt 34,4 Millionen € gefördert werden. Und jetzt kommt es; einige von Ihnen wissen das schon: Für 2005 lie

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

gen fast 150 Anträge mit einem Fördervolumen von etwa 104 Millionen € vor.

(Günter Neugebauer [SPD]: Eine Erfolgssto- ry!)

Dem steht eine für 2005 vorgesehene Fördersumme des Bundes von allerdings nur 34 Millionen € gegenüber. Also, wenig Geld zu verteilen ist schwierig, viel aber manchmal auch. Wir werden gute Lösungen finden müssen, um möglichst viel Bedarf zu decken.

Wir haben mit dem Schulbaubeirat des Landes folgendes Verfahren abgesprochen: Zunächst sollen die Maßnahmen finanziert werden, die im vergangenen und im laufenden Jahr begonnen worden sind. Wir bitten die Kreise um ihre Prioritätenlisten. Wir werden die regionale Ausgewogenheit und die Qualität der vorgesehenen Angebote berücksichtigen müssen. Wir werden das Antragsvolumen in Beziehung zu den Ganztagsschulplätzen setzen, die geschaffen werden, und wir müssen immer fragen, wo mit den verfügbaren Mitteln möglichst viel erreicht wird.

(Dr. Henning Höppner [SPD]: Sehr gut!)

Dabei werden wir auch in Zukunft vor allem die Grund- und Hauptschulen fördern - nicht nur, ich sage vor allem -, aber nicht ausschließlich, und schließlich werden wir prüfen, ob größere Vorhaben über mehrere Haushaltsjahre verteilt werden können, wenn sie ohnehin nicht innerhalb eines Jahres verwirklicht werden können.

Dabei wird auch Kompromissbereitschaft und Kreativität vonseiten der Schulträger gefordert sein. Aber alle Beteiligten sind dazu entschlossen, die Schulen, die Partner der Schulen und ganz besonders auch die Schulträger. Dafür möchte ich ihnen meinen Dank und meine Anerkennung aussprechen.

Eine Bemerkung noch zur CDU und dem, was Sie propagieren. Sie schlagen vor, nur noch gebundene Ganztagsschulen einzurichten.

(Zuruf des Abgeordneten Jost de Jager [CDU])

- Wie bitte?

(Jost de Jager [CDU]: Wir propagieren nichts!)

- Na gut, Sie schreiben etwas in ein Wahlprogramm, das kann ich auch so sagen. Also, Sie schlagen vor, nur noch gebundene Ganztagsschulen einzurichten. Ist Ihnen eigentlich klar, wie viel Aktivität und Kreativität vor Ort Sie damit ersticken würden,

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, SSW und des Abgeordneten Dr. Ekke- hard Klug [FDP])

abgesehen davon, dass Sie die bereits eingerichteten Ganztagsschulen, die offenen Ganztagsschulen, nicht mehr weiterführen könnten? Woher sollte das Geld kommen, wenn Sie die Kommunen komplett aus der Finanzierung heraushalten wollen, was im Übrigen bei den gebundenen Ganztagsschulen auch bisher nicht der Fall ist? Ist Ihnen überhaupt klar, dass sich bundesweit das Modell der offenen Ganztagsschulen absolut durchgesetzt hat? Die Vorstellungen, die Sie haben, gehen an der Realität, an den Wünschen der Schulträger und an den Wünschen der Eltern - das muss man ganz klar sagen - komplett vorbei.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN. SSW und des Abgeordneten Dr. Ekke- hard Klug [FDP])

Wir wollen ein lebendiges Angebot, wir wollen ein landesweites Angebot an Ganztagsschulen und auf diesem Weg ziehen wir heute eine erste wirklich positive Bilanz.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich danke der Frau Ministerin für den Bericht und eröffne jetzt die Aussprache. Ich erteile Herrn Abgeordneten de Jager das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gehört zu den ganz wesentlichen Aufgaben der Politik insgesamt, aber ganz besonders zu denen der Landespolitik, weil die Landespolitik in weiten Teilen zusammen mit den Kommunen für zusätzliche Angebote verantwortlich ist. Die Größenordnung dieser Aufgabe ergibt sich aus gesellschaftlichen Entwicklungen, sie ergibt sich allerdings auch aus demographischen Entwicklungen. Es ist so, dass 40 % der Akademikerinnen meines Jahrganges - in Klammern: 1965; Sie werden alle sagen, dass ich dafür sehr jung aussehe - kinderlos sind.

(Ministerin Dr. Brigitte Trauernicht-Jordan: Auch Akademiker!)

- Ja, aber die kriegen ja keine Kinder. Wenn 40 % der Akademikerinnen kinderlos sind und es wahrscheinlich bleiben werden, haben wir ein gewaltiges gesellschaftliches Problem. Insofern müssen wir viel dafür tun, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu

(Jost de Jager)

unterstützen und zu fördern, denn am Geld allein liegt es bei den Akademikerinnen nicht. Wir sind deshalb von den Zielvorstellungen her, die wir haben, gar nicht so weit auseinander.

Ganztagsangebote, offene Ganztagsschulen, können ein Beitrag zur Betreuung sein, sie sind aber nicht die alleinige Antwort. Denn für die CDU geht es nicht nur um die Frage der Betreuung, sondern es geht auch um die Frage, wenn wir zusätzliches öffentliches Geld in die Hand nehmen, ob wir es dann allein für Betreuung ausgeben oder nicht auch für mehr Bildung.