(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN sowie der Abgeordneten Herlich Marie Todsen-Reese [CDU] und Dr. Heiner Garg [FDP])
Auch wenn es für die Zukunft wenig hilft, so muss es doch erlaubt sein, in einer solchen Debatte, wie wir sie heute führen, den früheren Vorständen von HDW noch einmal ins Stammbuch zu schreiben, dass sie es waren, die diese Werft, was den Überwasserschiffbau angeht, in die heutige Situation gebracht haben. Es wurden wiederholt Fehlentscheidungen getroffen. Ich denke nur an die sechs mit Verzögerung gelieferten Fähren. Wenn man all dies zusammen beziffert, dann mussten Verluste von zirka einer halben Milliarde Euro gebucht werden. Hinzu kommt das, was Wolfgang Kubicki genannt hat, nämlich die Entnahme durch Babcock. Das ist Geld, das man heute dringend brauchen könnte, um die Werft weiter zu modernisieren, um sie zukunftsfähig zu machen und um neue Aufträge im Ausland akquirieren zu können.
Ich fasse zusammen: Wir erwarten, dass mit dem geplanten Werftenverbund eine Struktur entwickelt wird, die wirklich zur Sicherung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Werften beitragen kann. Wir müssen aus strategischen und aus wirtschaftlichen Gründen ein Interesse daran haben, dass auch in Zukunft in Deutschland Handelsschiffbau stattfindet und nicht nur der reine militärische Schiffbau.
Wir bekennen uns ohne Wenn und Aber zu dem Ziel, bei HDW über den U-Boot-Bau hinaus den Überwasserschiffbau dauerhaft zu sichern. Das Headoffice gehört nach Kiel, denn HDW ist die einzige der drei beteiligten Werften, die über Headoffice-Erfahrungen verfügt. Wir stehen - wie der gesamte Landtag es sicherlich ausdrücken wird - als Sozialdemokraten an der Seite der Beschäftigten. Die zukünftige Konzernspitze muss begreifen, dass das Ziel eines norddeutschen Werftenverbundes nicht die mittelfristige Abwicklung der Werften in Emden, Hamburg und Kiel sein darf. Das Ziel muss sein, alle drei Standorte mit einer Perspektive für die Zukunft zu versehen.
Ich freue mich besonders darüber, dass der Landtag gemeinsam mit den Beschäftigen morgen und auch in den folgenden Tagen und Wochen dauerhaft für einen Standort Kiel streiten wird. Das ist der richtige Weg, um dies deutlich zu machen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, es zeichnet sich heute eine große Übereinstimmung ab, und das ist gut so. HDW muss sein Überwasserstandbein behalten können. Die Kollegen Hay und Kubicki haben es angesprochen. Ich sage in die laufende Diskussion hinein: Ich glaube, wir müssen gemeinsam dafür Sorge tragen, dass HDW nach einer Werftenfusion nicht schlechter dasteht als ohne Werftenfusion. Das ist auch Aufgabe der Landesregierung. Mittlerweile sehe ich diese Gefahr.
Dabei will ich nicht verhehlen, dass ich die Bewegung bei ThyssenKrupp sehe, denn sie sagen, es kann eine Überwasserschiffbaukapazität geben, aber in einer eigenständigen Gesellschaft. Über diese Frage der eigenständigen Gesellschaft kann man reden, wenn die Konzernleitung entsprechende Garantien für diese neue Gesellschaftsform abgibt und nicht den Verdacht nährt, dass es hier um Auslagerungen in Form von Neustrukturierung geht, mit der der Weg für eine drohende Insolvenz geebnet werden soll, und zwar nach dem Motto: erst ausgliedern, dann platt machen und dann abziehen. Das war es dann. Das darf uns nicht passieren!
Ich würde unterstreichen, was der Kollege Hay gesagt hat. HDW ist auch im Bereich der U-Boote Weltmarktführer. Dies stellt auch Forderungen an die Rüstungspolitik in Deutschland. Wir müssen endlich zu einer Europäisierung bei Rüstungspolitik und Rüstungsexporten kommen. Es kann nicht angehen, dass wir hier in Europa unterschiedliche Standards zulasten der Arbeitsplätze in Kiel, in SchleswigHolstein und hier in der Region haben.
HDW ist auch Weltmarktführer im Bereich des Megayachtbaus und hat eine weltweite Reputation. Ich muss Ihnen ehrlich sagen, dass mir fast jedes Verständnis dafür fehlt, wenn ich höre, dass der Mega
yachtbau eventuell in Hamburg betrieben werden soll. Hamburg hat, wenn meine Informationen zutreffen, seine letzte Megayacht vor 13, 14 Jahren abgeliefert.
HDW hat Referenzprodukte - ich nenne die „Octopussy“ - mit einer enormen Wertschöpfung und einem enormen Know-how gebaut. Das Know-how in diesem Bereich muss in Kiel erhalten bleiben.
Die Fakten sprechen also für HDW, für Kiel. HDW ist die modernste aller Werften in Europa und es sind vom Management sowie auch von der Arbeitnehmerschaft enorme Anstrengungen unternommen worden, dies auch auf Dauer zu gewährleisten. Ich teile die Auffassung: HDW ist viel zu modern, viel zu gut, als dass es zu einer reinen „verlängerten Werkbank“ werden dürfte.
Hinzu käme noch - deswegen wende ich mich noch einmal an die Landesregierung -: Wenn man für Handelsschiffbau ist - da muss man sich dann entscheiden -, muss auch die Werftenhilfe durch das Land Schleswig-Holstein ausgeschöpft werden, sonst entstünden weitere Wettbewerbsverzerrungen auch zulasten einer neuen Struktur in einem Werftenverbund.
Da wir gerade die Landesregierung ansprechen, erlauben Sie mir noch den Hinweis: Kollege Hay hat darauf hingewiesen, dass es in der Tat unternehmerische Fehlentscheidungen gegeben hat, Stichwort „Fähren“. Dass man in einem Vertrag vergisst festzulegen, die Firma in Anspruch nehmen zu können, die schadhafte Getriebe entwickelt und einbaut, ist in der Tat neu. Das hat - dies ist unstreitig - HDW Geld gekostet. Jedoch, Herr Kollege Hay, erinnern wir uns auch noch daran, dass wir bezüglich der Frage der Privatisierung immer dafür waren, den Landesanteil an HDW zu privatisieren. Jedoch waren wir als Opposition nie dafür, die Werkswohnungen für null an die Preussag AG zu geben.
- Herr Kollege, das Agreement zwischen Gentlemen und Gentleladys ist nicht eingehalten worden. Das wissen Sie so gut wie ich. 1.000 Wohnungen sind an den Unternehmer Frank für über 100 Millionen DM verkauft worden. Sie wissen, über welche Werte wir da reden.
Dass wir bei Babcock ein Cash-Clearing zulasten von HDW in einer Größenordnung von einer halben Milliarde gehabt haben, wissen Sie auch. Daraus ergibt sich natürlich folgende Fragestellung.
- Herr Kollege, was ich zu sagen versuche, ist, dass man versuchen sollte, auf die Leute, die dahinter stehen, die das als Privatunternehmer gemacht haben, entsprechenden Einfluss zu nehmen. Ich erinnere daran, dass es damals, als die Westdeutsche Landesbank hier den Anteil der Landesbank SchleswigHolstein übernommen hat, in Kiel beziehungsweise in Schleswig-Holstein eine Abgabegarantie von industriellen Arbeitsplätzen gegeben hat. Ich meine, dass wir gemeinsam auch noch einmal an diese Verantwortung erinnern sollten.
Wir sind gut beraten, wenn wir heute einstimmig eine Resolution verabschieden, weil es darum geht, geschlossen ein Signal zu senden. Wir werden ebenfalls - ich sage das, weil dies hier angesprochen worden ist - an der Demonstration teilnehmen. Die CDU hat darüber hinaus eine Unterschriftenaktion gestartet, um deutlich zu machen, dass die Menschen in der Region hinter ihrer Werft stehen.
Wir teilen die Auffassung, dass der Sitz des Headoffice eine der ganz zentralen Fragestellungen ist, in welche Richtung sich die Werftenstruktur langfristig entwickeln wird. Ich glaube, dass wir gut beraten sind, wenn wir klar machen: Die modernste Werft Europas, die es heute gibt, ist HDW. Ihr Sitz ist Kiel. Ihre Bedeutung für die Region, für das Land und für die Wertschöpfung auch im mittelständischen Bereich ist enorm groß, sodass wir alle Kraft daran setzen müssen, sie für die Menschen in Schleswig-Holstein zu erhalten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Schlechte Meldungen aus der Metallindustrie sind wir leider schon gewohnt: Heidelberg Druck und die Verlagerung der Großmotorenmontage von Caterpillar nach Rostock sind Beispiele dafür.
Aktuell geht es wieder einmal um unsere Großwerft HDW. Die Bildung eines deutschen Werftenverbundes aus den Großwerften HDW und Thyssen in Hamburg und Emden ist deshalb grundsätzlich zu
begrüßen. Es war jedoch nicht gut, dass HDW bei einem amerikanischen Investmentunternehmen untergekommen ist, das im Wesentlichen nur daran interessiert war, Dividende zu erzielen, aber nicht zu investieren.
Bei diesem Werftenverbund läuft HDW Gefahr, im Konzerngeflecht untergebuttert zu werden. Das Hauptinteresse, das Thyssen an HDW hat, ist der UBoot-Bau. Das muss man wissen. Es geht um den UBoot-Bau; denn das ist ein Milliardengeschäft für die kommenden Jahre. Bis 2012 sind die Geschäfte praktisch sicher. Damit wird unheimlich viel Geld verdient.
Andererseits ist HDW eine Werft, die in den 90erJahren durch Investitionen zur modernsten Werft Europas aufgerüstet worden ist, um Containerschiffe in Serie zu produzieren. HDW ist in der Lage, Großserien zu produzieren. Diese Fähigkeit ist jedoch niemals zum Tragen gekommen, weil die Unternehmensleitung immer das Hauptinteresse auf den UBoot-Bau legte und damit das große Geschäft gemacht hat.
Das ist das Problem, vor dem wir stehen, vor dem jede Entscheidung für die Zukunft von HDW stehen wird: Ob es gelingt, ein Management, einen Träger der Werft zu bekommen, der tatsächlich Interesse daran hat, das große Potenzial der Werftanlagen, die auf dem anderen Ufer stehen, endlich zur Geltung zu bringen. Denn für das, was bei Lindenau, was in Flensburg unter wesentlich kleineren Verhältnissen geschieht, nämlich Serienbau zu realisieren, ist HDW konstruiert. Dafür sind die Hallen, sind die gesamten Anlagen dort konstruiert. Zwölf bis 14 Containerschiffe können dort im Jahr gebaut werden. Diese Anlage ist niemals genutzt worden. Das ist das große Manko. Stattdessen hat man versucht, mit Yachten und anderen Dingen zu kommen. Es lag nicht daran, dass man keine Aufträge hätte bekommen können, sondern daran, dass bei HDW der Schwerpunkt immer auf den U-Boot-Bau gelegt und die Investitionen dort getätigt worden sind. Das heißt, wir brauchen eine grundsätzlich neue unternehmerische Entscheidung bei HDW. Dafür müssen wir uns einsetzen.
Ich möchte auch auf die Frage der Schiffbaustrategie eingehen. 92 % aller Tonnenkilometer im internationalen Transportwesen werden per Schiff zurückgelegt. Das Schiff ist mit großem Abstand das am häufigsten genutzte Transportmittel der Welt. Es ist zugleich das umweltfreundlichste Transportmittel. Schiffe sind heutzutage Hightech-Produkte. Der
Schiffbau ist deshalb auch eine große Chance für ein Industrieland. Was im Flugzeugbau in Europa geschafft worden ist, nämlich eine gemeinsame internationale Strategie der europäischen Länder zu entwickeln, um Flugzeuge zu bauen - weil für einen Industriestandort wie Europa der Flugzeugbau natürlich wichtig ist -, ist beim Schiffbau bisher nicht erfolgt. In Europa gibt es eine Vielzahl von Werften, die sich sämtlich in der Krise befinden, während in Ostasien große Kapazitäten aufgebaut werden.
Richtig ist, die Investitionen dort zu konzentrieren, wo die Überlebensfähigkeit gewährleistet ist, und die Werften in einen Zustand zu versetzen, dass diejenigen Werften, die dann übrig bleiben - es werden nicht alle sein; das wissen wir -, auch in der Lage sind, im internationalen Konkurrenzkampf auf dem Weltmarkt Großserien zu fertigen. Dahin müssen wir kommen. Dafür bietet die HDW in Deutschland die besten Voraussetzungen. Deswegen müssen wir dafür kämpfen, dass diese Chance bei HDW genutzt wird und nicht wieder versucht wird, durch ein Gemischgeflecht - dorthin und hierhin wird etwas geschoben und so weiter - Notlösungen zu konstruieren. Dazu wurde mir gesagt, dass der U-Boot-Bau allein, nämlich ohne den Stahlbau in anderen Sektoren, gar nicht lebensfähig ist, auch nicht, wenn dabei sehr viel Geld verdient wird.
Ich glaube deshalb, dass es Sinn macht, sich dafür einzusetzen - wie es von meinem Vorrednern gesagt worden ist -, und dass es kein Kampf um etwas ist, was nicht zu retten ist, sondern - im Gegenteil - es ist ein Kampf für eine Werft, für einen Industriestandort, der große Chancen hat, wenn die vorhandenen Kapazitäten richtig genutzt werden.
Ich glaube, dass es in den Gesprächen, in die die Bundesregierung, die Landesregierung, die Stadt Kiel, der Betriebsrat und die IG Metall involviert sind, darauf ankommt, denen, die für eine nationale Werftstrategie und für ein Überleben von HDW als Universalwerft eintreten, den Rücken zu stärken. Deshalb sollten alle Fraktionen dieses Landtages alles dafür tun, damit diese Verhandlungen zum Erfolg führen.