Protocol of the Session on September 22, 2004

Das ist nur die Überschrift. Sie verträgt sich zwar nicht mit den Inhalten der FDP, aber warum sollte man auch etwas wahrnehmen wollen, wenn man doch mit seinen eigenen Gedanken ganz andere Vorhaben irgendwie umsetzen will!

Um nur einen Bereich aus der in dem Zeitungsbericht verarbeiteten repräsentativen Umfrage der Berliner Management-Beratung Capgemini herauszugreifen:

„Bei den Investitionen belegt SchleswigHolstein unangefochten den Spitzenplatz. 47 % der Unternehmen wollen mehr investieren.“

Zur Schaffung von Arbeitsplätzen heißt es in dem Zeitungsartikel:

„Neue Jobs wollen die wenigstens deutschen Unternehmen schaffen. Nur 16 % der Betriebe gingen von wachsenden Mitarbeiterzahlen in den kommenden sechs Monaten aus. Anders in Schleswig-Holstein: Hier wollen immerhin 27 % der Firmen zusätzliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstellen.“

Ich glaube, Sie haben wirklich ein Wahrnehmungsproblem.

Es ist schon erstaunlich, mit welcher Kaltschnäuzigkeit die FDP-Fraktion hier einen Antrag einbringt, der mit der Formulierung beginnt:

„Der Schleswig-Holsteinische Landtag bedauert, dass die Landesregierung die wirtschaftliche Entwicklung des Landes Schleswig-Holstein beschönigt.“

Nein, hier herrscht ein Wahrnehmungsproblem vor. Diese Landesregierung - das ist die Wahrheit - arbeitet effektiv und zielgerichtet an der Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung unseres Bundeslandes. Diese Landesregierung unterstützt mit vielen Maßnahmen den Erhalt und die Schaffung von Arbeitsplätzen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Deshalb werden es auch immer weniger!)

Dass Schleswig-Holstein im Rahmen des Ausbildungspaktes ein so hervorragendes Ergebnis abgeliefert hat, ist natürlich das Verdienst vieler, aber es ist unter der Koordinierung der Landesregierung zustande gekommen. Dafür gilt es allen Beteiligten immer wieder zu danken und sie aufzufordern, an ihrem Vorhaben festzuhalten, jedem Jugendlichen in Schleswig-Holstein, der eine Ausbildung sucht, die Möglichkeit zur Ausbildung zu geben.

Vor diesem Hintergrund bleibt festzuhalten: Hier hat wieder ein kleines Kätzchen gebrüllt, aber erschrecken tut es nicht. Wegen seiner Substanzlosigkeit werden wir Ihren Antrag ablehnen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die Fraktion der CDU erteile ich Herrn Abgeordneten Torsten Geerdts.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Noch nie waren in den vergangenen 50 Jahren in Schleswig-Holstein so viele Menschen arbeitslos gemeldet wie im Jahr 2004. Rund 140.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zwischen Nord- und Ostsee sind ohne Beschäftigung. Hinzu kommt die höchste Sozialhilfequote aller westdeutschen Länder. Damit nicht genug, auch bei der Pleitewelle nimmt Schleswig-Holstein leider eine Spitzenposition ein. Wir müssen leider auch feststellen, dass wir in Schleswig-Holstein nicht nur eine hohe Arbeitslosenquote, sondern immer noch eine dramatisch rückläufige Beschäftigung haben - Herr Baasch, ich wünsche Ihnen, dass Sie solche Realitäten einfach zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Machen wir uns nichts vor: Wir werden mit der großen Arbeitsmarktreform Hartz IV nicht das Problem mangelnder Arbeitsangebote lösen. Aber gerade, weil wir uns gemeinsam für die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe stark gemacht haben, ist es richtig, im September 2004 noch einmal über den Arbeitsmarkt in Schleswig-Holstein zu diskutieren. Die Arbeitslosigkeit ist für die betroffenen Menschen ein schweres Schicksal. Darunter leiden nicht nur die Arbeitslosen, sondern auch die Angehörigen. Die Hauptleidtragenden sind übrigens die Kinder.

Wir müssen jetzt auf jeder Ebene darauf achten - das steht im FDP-Antrag; ich denke, diese Diskussion

(Torsten Geerdts)

muss fortgesetzt werden -, dass die Vermittlung der Bundesagentur für Arbeit nun wirklich effizient ausgerichtet wird. Es ist aber ebenso von großer Bedeutung, dass bei der Betreuung von Langzeitarbeitslosen die Beratung und damit der Abbau von zusätzlichen Defiziten, die Langzeitarbeitslose haben, nicht unter die Räder kommen. Daher müssen unsere Sozialämter starke Partner in den angekündigten Arbeitsgemeinschaften zur Umsetzung der Hartz-IVReform werden. Viele Langzeitarbeitslose brauchen zusätzlich zu einer schnellen, zielgerichteten Vermittlung beispielsweise beratende Hilfestellungen wie die Familienberatung, die Schuldner- oder Suchtberatung. Wenn wir diese Punkte aus den Augen verlieren und diese Beratung auf der Strecke bleibt, kann Hartz IV nicht funktionieren.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Forderung, die geringer werdenden Mittel des zweiten Arbeitsmarktes zielgerichteter einzusetzen, tragen wir hier heute vielleicht gemeinsam.

Das wichtigste Ziel unserer Arbeitsmarktpolitik muss es sein, Menschen für die Zukunft zu qualifizieren. Das ist aus unserer Sicht die zentrale Aufgabe. Sie ist allerdings auch am schwierigsten einzulösen und zu erfüllen. Ein Teil der Schulabgänger ist leider weder ausbildungsreif noch ausbildungsfähig. Diese unversorgten Schulabgänger sind in Gefahr, eine lebenslange Karriere innerhalb der sozialen Sicherungssysteme zu durchlaufen. Von daher ist es richtig, die Aktivitäten des zweiten Arbeitsmarktes darauf zu konzentrieren, Schulabgänger zusätzlich zu qualifizieren.

Einen weiteren Schwerpunkt des zweiten Arbeitsmarktes will die CDU-Fraktion in der Qualifizierung und der Integration von Menschen mit Behinderung in den ersten Arbeitsmarkt sichergestellt wissen.

Selbstverständlich unterstützen wir die Forderung in dem vorgelegten Antrag, die Anreize für Unternehmen zu steigern, mehr Menschen zu beschäftigen. Daher macht es Sinn und es ist richtig, bisherige Lohnersatzleistungen in Lohnergänzungsleistungen umzuwandeln.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Damit bauen wir eine ernst zu nehmende Brücke aus der Arbeitslosigkeit in den ersten Arbeitsmarkt. Ich bin fest davon überzeugt, dass es bei Anwendung eines solchen Instrumentes vielen Arbeitslosen gelingen wird, die Arbeitgeber von der Qualität ihrer Arbeitsleistung zu überzeugen.

Es ist aber auch richtig, endlich zur Kenntnis zu nehmen, dass viele gut gemeinte Arbeitnehmerschutzrechte dazu führen, dass der Weg vieler Beschäftigungsloser in Arbeit dauerhaft verstellt ist.

(Beifall der Abgeordneten Brita Schmitz- Hübsch [CDU] und Dr. Heiner Garg [FDP])

Ich nenne hier ausdrücklich den Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Den will niemand komplett über Bord schmeißen. Aber glauben wir ernsthaft, dass einem älteren Langzeitarbeitslosen geholfen wird, wenn ihm Beschäftigung verwehrt bleibt, weil sofort der komplette Kündigungsschutz greifen soll? Glauben wir das wirklich? Wir wissen, die Menschen stehen vor der Tür, weil es diese Schutzrechte gibt. Von daher muss man die Kraft haben, auch solche Schutzrechte zur Diskussion zu stellen und sie gegebenenfalls zu beseitigen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wir sind mitten in einer Reformdebatte. Das spüren wir. Sie muss konsequent weiterverfolgt werden. Dabei sollten wir uns auf einen Kernsatz konzentrieren, der für alle Reformen gelten muss, die wir jetzt noch in Angriff zu nehmen haben: Sozial ist, was Arbeit schafft. Dabei darf niemand wegtauchen - weder Regierung noch Opposition!

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt der Frau Abgeordneten Angelika Birk.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die FDP fordert ein anderes Finanzierungssystem der Sozialversicherung, das die Arbeitskosten entlasten soll. Nehmen wir einmal an, Herr Dr. Garg, die Liberalen könnten wir tatsächlich beim Wort nehmen, und unterstellen wir einmal nicht, dass sie das Risiko einseitig den Versicherten privat aufhalsen will, so landen wir bei einem steuerfinanzierten Sozialversicherungssystem, wie es Skandinavien praktiziert. Genau hierzu hat der Finanzminister Schleswig-Holstein schon vor den Sommerferien einen bundespolitischen Vorstoß unternommen. Wir haben das im Landtag lang und ausführlich diskutiert. Ihr Antrag bringt in dieser Frage also nichts Neues.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Aha!)

Dies war Teil eines Steuerkonzeptes für mehr Verteilungsgerechtigkeit. Bedauerlicherweise - kann ich

(Angelika Birk)

nur sagen - haben wir den Beitrag der FDP beim Vorstoß der Landesregierung vermisst. Im Gegenteil, Sie haben sich darüber lustig gemacht. Insofern leuchtet mir jetzt nicht ein, was dieser Nachklapp von Ihrer Seite soll. Aber wahrscheinlich ist es gar nicht so ernst gemeint. Wahrscheinlich geht es doch wieder nur um die Privatisierung von Risiken.

Die FDP vermisst das Engagement der Landesregierung für die besonders benachteiligten Arbeitssuchenden. Erinnert sei hier nur an die große Initiative des Wirtschaftsministers zur Rettung der Jugendaufbauwerke mit bundesweitem Erfolg und insbesondere Erfolg vor Ort. Ich bin mir gewiss, dass wir bei der Umsetzung von Hartz nicht die Ratschläge der FDP brauchen. Wir werden Fragen zu lösen haben und dürfen die Benachteiligten - die es immer bei einer großen Reform gibt - nicht aus den Augen verlieren. Wir werden im Detail noch eine ganze Menge Fragen lösen müssen, gerade was die besonders Benachteiligten angeht. In den vorherigen Redebeiträgen sind wir auch schon auf die Unwuchten, die wir vor Ort vorfinden, eingegangen. Wir brauchen hierzu nicht die Ratschläge der FDP und brauchen insbesondere nicht so allgemeine Anträge.

Herr Dr. Garg, eigentlich wissen Sie es selber sehr viel genauer. Wir kennen Ihre wissenschaftliche Qualifikation. Ich habe den Eindruck, dieser Antrag ist einfach aus irgendeinem anderen Landesparlament abgeschrieben worden. Er passt nämlich immer und entspricht im Grunde genommen dem: Kräht der Hahn auf dem Mist, verändert sich das Wetter oder bleibt, wie es ist. - Er ist einfach nicht beratungswürdig.

(Zuruf der Abgeordneten Jutta Schümann [SPD])

Deswegen kann ich Ihrer Argumentation, dass ausgerechnet das Arbeitsrecht für mangelnde Beschäftigung verantwortlich ist, nicht folgen.

(Werner Kalinka [CDU]: Nun ist es aber wirklich genug! So etwas Arrogantes!)

Hier lugt der Wolf aus dem Schafspelz hervor. Das wird hier ganz harmlos formuliert. Letztlich steht die gesamte Debatte um den Kündigungsschutz dahinter. Die haben wir hier wiederholt geführt. Die brauchen wir hier in dieser Allgemeinheit nicht wieder aufzuwärmen. Wer in Deutschland tatsächlich Arbeitsplätze schaffen will, hat aufgrund der vielen Flexibilisierungen des jetzigen Arbeitsrechtes die Möglichkeit dazu. Das wissen die Unternehmen, die Arbeitsplätze schaffen wollen, auch. Insofern bringt der Antrag auch hier nichts Neues.

Deswegen, Herr Präsident, will ich in diesem Fall überhaupt keine Ausschussüberweisung, sondern Abstimmung in der Sache beantragen. Wir werden den Antrag ablehnen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD - Dr. Heiner Garg [FDP]: Dass Grüne gegen Arbeitsplätze sind, wusste ich schon immer!)

Das Wort für den SSW im Landtag erteile ich dem Herrn Abgeordneten Lars Harms.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist löblich, dass die FDP der Meinung ist, dass neben Hartz IV auch noch andere Maßnahmen durchgeführt werden müssen, damit sich die Situation für Arbeitslose verbessert.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Sonst verbessert sich gar nichts!)

Trotzdem möchte ich darauf hinweisen, dass wir davon ausgehen müssen, dass sich die Arbeitsmarktsituation auch in den nächsten Jahren nur schwer verbessern lassen wird. Damit hat Hartz IV nicht nur, lieber Kollege Garg, was die Vermittlung von Arbeitslosen angeht, eine Arbeitsmarktkomponente, sondern auch eine soziale Komponente. Betrachtet man nur die ökonomischen Auswirkungen von Hartz IV, so kann man feststellen, dass hier massive negative Auswirkungen auf die Binnenkonjunktur zu erwarten sind. Man kürzt bei den Leuten, die im Regelfall einen großen Teil ihres Geldes verkonsumieren und damit die Binnenkonjunktur eher ankurbeln als andere. Eigentlich ist dies das Schlechteste, was man in der derzeitigen Situation machen kann.