Protocol of the Session on September 22, 2004

Schleswig-Holsteinischer Landtag (15. WP) - 124. Sitzung - Mittwoch, 22. September 2004 9571

(Lothar Hay)

mal einen Blick darauf wirft, was im Lande Schleswig-Holstein für Bildung ausgegeben wird, damit man erkennen kann, dass wir die Konsequenzen gezogen haben.

Im Jahre 2001 wurden 1,68 Milliarden € für Bildung ausgegeben. Das waren fast 22 % des Landeshaushalts. Im nächsten Jahr, 2005, werden wir fast 1,84 Milliarden € ausgeben. Das sind 23,16 % des gesamten Haushalts, ist also eine deutliche Steigerung.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist der richtige Weg. - Aber man muss auch wissen - das steht auch in der OECD-Studie -: Strukturveränderungen brauchen Zeit, bis sie positive Ergebnisse bringen.

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal einige Punkte nennen, wie wir auf PISA reagiert haben. Wir fördern aktiv die Einführung der offenen Ganztagsschule und sind der Bundesregierung für dieses Programm ausgesprochen dankbar. Wir stellen fest: Es gibt einen Run im Land. Immer mehr Schulen wollen in dieses Programm aufgenommen werden und wollen eine offene Ganztagsschule werden.

Was macht die größte Oppositionspartei? - Da gibt es einen von Eltern, Lehrern und Schülern des Gymnasiums Ratzeburg unterstützten Antrag. Und wie reagiert die Kreistagsmehrheit der örtlichen CDU in Ratzeburg unter Federführung von Klaus Schlie? - Da wird dieses berechtigte Anliegen der Eltern mit einem Federstrich weggewischt. Das ist die Antwort der größten Oppositionspartei auf die Konsequenzen aus PISA.

(Zurufe und Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Unglaublich!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir bekämpfen den Unterrichtsausfall durch das sehr erfolgreiche Programm „Jede Stunde zählt“. Dieses Programm wird auch auf die anderen Schularten ausgeweitet werden. Wir haben im Hamburger Randbereich und in den kreisfreien Städten die Verlässliche Grundschule schrittweise eingeführt. Wir haben aus den Schwierigkeiten gelernt und werden die Verlässliche Grundschule bis zum Jahre 2008 flächendeckend in Schleswig-Holstein haben.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Den Hochschulen haben wir durch die Zielvereinbarungen und durch eine Stärkung der Autonomie Planungssicherheit gegeben und unser Ziel besteht darin,

mittelfristig einen längeren Unterricht aller Schülerinnen und Schüler zu gewährleisten. Wir wollen eine Schule für alle einführen. Das ist unser bildungspolitisches Ziel.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Damit ziehen wir eine wichtige Konsequenz aus PISA; das ist auch in den skandinavischen Ländern schon in den 50er- und 60er-Jahren umgesetzt worden und deshalb konnten sie auch die guten Ergebnisse vorweisen. Aber, Frau Spoorendonk, Sie müssten uns einmal erklären, warum Sie einen dänischen Sonderweg zu den vorhandenen Sonderwegen in Deutschland mit der sechsjährigen gemeinsamen Grundschule gehen wollen. Ich vermag das nicht nachzuvollziehen. Vielleicht ist das ein Vorschlag, der eher von den Färöern kommt.

(Heiterkeit)

Entscheidend ist aus meiner Sicht: Bei einem verlängerten gemeinsamen Unterricht im vertrauten Umfeld kann man besser lernen und damit bessere Leistungen erbringen. Schülerinnen aus sozial schwachen Elternhäusern haben bessere Chancen. Neigungen und Begabungen können viel besser gefördert werden. Oder - um es auf den Punkt zu bringen -: Wir wollen durch eine längere gemeinsame Schulzeit für alle das Fördern und das Fordern mehr in den Vordergrund stellen. Denn wir wissen: Das bisherige dreigliedrige Schulsystem führt zu einer sozialen Auslese und das ist der falsche Weg, weil dadurch auch die Zukunftsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland - also unserer Gesellschaft - entscheidend gefährdet ist.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen uns noch einmal kurz damit beschäftigen, was die größte Opposition verspricht, was sie tatsächlich hält und was auch im Widerspruch zu ihrem eigenen Programm steht.

Blicken wir einfach nach Hamburg, was dort die CDU macht! Jede fünfte Schule soll geschlossen werden. Die Vorschule soll gebührenpflichtig werden. Tausende benötigte Lehrerstellen werden plötzlich nicht mehr geschaffen. Berufsschulen sollen privatisiert werden. - Da stellt man sich die Frage: Steht bei der CDU-Bildungspolitik eigentlich noch das Kind im Vordergrund oder was ist der entscheidende Punkt?

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

(Lothar Hay)

Wir denken über das Jahr 2010 hinaus. Wir haben noch längerfristige Absichten, die Politik im Lande zu gestalten. Was die Zeit nach 2010 anbetrifft - dann gehen die Schülerzahlen zurück -, so darf ich unsere Ministerpräsidentin zitieren:

„Ich bin dafür, dass wir die quasi durch den demographischen Wandel frei werdenden Stellen erhalten und sie dazu nutzen, die Qualität von Bildungs- und Betreuungsangeboten weiter zu verbessern.“

(Glocke des Präsidenten)

„Ich kann mir keine sinnvollere Ausgabe vorstellen, als jungen Menschen eine vernünftige Bildung mitzugeben.“

Das ist unsere Politik. Bei unserer Bildungspolitik steht der junge Mensch, das Kind, im Vordergrund und das wird so auch bleiben.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich erteile Herrn Abgeordneten de Jager das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dass sich der SSW seit geraumer Zeit - seit Jahren eigentlich schon - Träumereien einer Einheitsschule hingibt, ist nicht neu. Neu ist, dass sich auf einmal unsere Bildungsministerin mit der Überschrift „Der deutsche Weg ist ein Irrweg“ in der „Welt“ zitieren lässt. Wortwörtlich sagt die Bildungsministerin zum Thema Einheitsschule in der „Welt“:

„Der deutsche Weg ist ein Sonderweg.“

- Damit meint sie die gegliederten Schulen.

„Untersuchungen haben bewiesen,“

- das ist unzutreffend -

„dass es ein Irrweg ist.“

Solche Sätze sagt die Ministerin, die selber - und die rot-grüne Regierung seit 17 Jahren - für dieses Schulwesen in Schleswig-Holstein verantwortlich ist.

(Beifall bei der CDU)

Was Sie damit, Frau Erdsiek-Rave, allen an Schule Beteiligten - Eltern, Schülerinnen und Schüler, Lehrer - signalisieren, ist: Das Projekt Schule in Schleswig-Holstein war leider nur ein großer Irrtum. Dumm gelaufen! - Meine Damen und Herren, solche Signale

darf die verantwortliche Bildungsministerin nicht geben.

(Beifall bei der CDU)

Man fragt sich, warum diese Sätze jetzt kommen. Drei Jahre lang nach PISA haben diese Ministerin und die Landesregierung gesagt: Wir wollen keine Schulstrukturdebatte. - Aber jetzt, wenige Monate vor dem Wahlkampf, führen Sie diese Schuldebatte, und zwar sehr offensiv. Ich sage Ihnen: Die Antwort auf die Frage, warum Sie das tun, ist ganz einfach: Sie wollen von der katastrophalen Schlussbilanz dieser Landesregierung in der Schulpolitik ablenken.

(Beifall bei CDU und FDP)

Sie wollen darüber hinwegtäuschen, dass keine wesentliche Bildungsreform, kein wesentlicher Reformschritt zur Weiterentwicklung des gegliederten Schulwesens, der in anderen Bundesländern umgesetzt worden ist, hier in Schleswig-Holstein angepackt worden ist. Das ist die Wahrheit und davon wollen Sie ablenken, indem Sie jetzt sagen: Schuld ist nicht mehr unsere schlechte Schulpolitik, sondern schuld ist unser schlechtes Schulwesen. - Das ist ein billiger Wahlkampftrick und damit kommen Sie nicht durch, Frau Erdsiek-Rave!

(Beifall bei CDU und FDP)

Das gegliederte Schulwesen, Frau Erdsiek-Rave, kann mehr, als es in Schleswig-Holstein darf. Nur: Wenn man jahrelang die Infusionen verweigert, dann darf man am Ende nicht feststellen, dass dem Patienten nicht geholfen werden darf. Wenn Sie das getan hätten, was in anderen Bundesländern in den vergangenen Jahren seit PISA an Schulerneuerung umgesetzt worden ist, dann würden wir heute anders dastehen.

(Zuruf von der SPD: Hessen!)

Wir können doch die großen Reformen nennen: Was ist mit Englisch in der Grundschule? - Die „Landeszeitung“ vom 4. September dieses Jahres schreibt: Es gibt nur drei Länder, in denen Englisch in der Grundschule noch nicht umgesetzt ist. - Das sind wir, das ist Rheinland-Pfalz und das ist Brandenburg. Das ist neuerdings die Liga, in der wir spielen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Nun steht es in Ihrem Wahlprogramm. Aber Regierungen sind dazu da, um zu regieren und nicht um Wahlprogramme zu schreiben. Sie hätten jahrelang die Möglichkeit gehabt, Englisch in der Grundschule als ordentliches Unterrichtsfach umzusetzen.

(Jost de Jager)

Das Gleiche gilt für das Abitur nach zwölf Jahren. Wir sind zusammen mit Brandenburg das einzige Land, in dem das Abitur nach zwölf Jahren nicht umgesetzt worden ist. Dies ist ein weiteres Zeichen dafür, dass Ihre Schulpolitik, Frau Erdsiek-Rave, von Halbherzigkeiten, von nicht zu Ende gebrachten Projekten gekennzeichnet ist, die dazu führen, dass Schleswig-Holstein im Ländervergleich da steht, wo wir stehen.