Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bericht zur Unterrichtsversorgung ist in den vergangenen Jahren hier im Parlament eher eine parlamentarische Pflichtübung gewesen. Wir haben im Bildungsausschuss ausführlich über diese Angelegenheit debattiert. Heute aber erreicht dieser Tagesordnungspunkt auf Ihren Wunsch hin eine neue Dimension. Es gibt - leider am Ende eines Tages - eine 60-minütige Debatte. Warum das so ist, ist klar. Seit vergangenem Sonnabend stehen die Mitglieder der Schattenmannschaft des Herrn Carstensen fest. Sie befinden sich seit vergangenem Sonnabend in der Pflichtkür.
Meine Damen und Herren, ich glaube, wer in der Pflichtkür ist, der hat auch den Bürgern in SchleswigHolstein zu sagen, was er in der Schulpolitik macht. Der Bürger kann verlangen, dass Sie etwas vorzeigen. Aber Ihr Programm ist ausgesprochen dünn: ein Herunterbeten bekannter Sprechformeln über gefühlte Notstände oder einzelne Briefe, ein Einschmeicheln gegenüber Fordernden. - Ich kann es eigentlich gar nicht mehr hören.
Kommen wir zum Bericht! Mit diesem Schuljahr haben wir an den allgemein bildenden Schulen in Schleswig-Holstein nun endlich den Gipfelpunkt des Schülerzuwachses erreicht. Als ausgesprochen positiv müssen wir die Entwicklung bei der Einschulung an den Grundschulen bezeichnen. Innerhalb der letzten zehn Jahre hat sich der Umfang der vorzeitigen Einschulungen von Kindern, die noch nicht sechs Jahre alt sind, verdreifacht.
Gleichzeitig ist der Anteil der verspäteten Einschulungen von 16 auf 6 % und die Zahl der Zurückstellungen von 15 auf 6 % zurückgegangen. Hier zeigt sich, dass sowohl die Schuleingangsuntersuchungen wie auch die Einführung der flexiblen Eingangsstufe Wirkung gezeigt haben. Schleswig-Holstein war bundesweit Spitzenreiter bei Zurückstellungen und verspätetem Schulbeginn; hier hat sich außerordentlich viel getan.
Meine Damen und Herren, es ist insgesamt gelungen, an den schleswig-holsteinischen Schulen trotz gestiegener Schülerzahlen in den weiterführenden Schulen die Unterrichtsversorgung auf einem konstant hohen Niveau zu halten. Auch durch die Bereitstellung von zusätzlichen Lehrerstellen konnten 915 Lehrerinnen und Lehrer neu eingestellt werden. Dadurch ist die Relation zwischen Lehrerstellen und Schülerinnen und Schülern geringfügig von 18,5 auf 18,6 angestiegen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir vergleichen uns seit der Veröffentlichung der PISA-Studie verstärkt mit der Unterrichtsversorgung in anderen Bundesländern. In fast allen Vergleichsparametern liegt das Bildungsangebot der unterschiedlichen Schularten unseres Bundeslandes über dem Bundesdurchschnitt.
Richten wir aus diesem Grund unser Augenmerk auf die Tabellen 5.1 des Berichtes, auf den Bundesvergleich bei den Klassenfrequenzen: Bei den Grundschulen liegt Schleswig-Holstein mit 21,4 Schülerinnen und Schülern pro Klasse in der Spitze. Kleinere Klassenfrequenzen finden wir nur im Saarland. In Hamburg, Bayern und Nordrhein-Westfalen sind die Klassen gut 10 % stärker als bei uns.
Das stellt sich bei den Hauptschulen ganz ähnlich dar. Hier haben wir im Lande einen Durchschnitt von 20,5 Schülerinnen und Schüler pro Klasse, so belegen wir damit einen guten Mittelplatz.
Nehmen wir die Realschule. Hier liegt SchleswigHolstein mit 23,6 Schülerinnen und Schülern pro Klasse auf Rang zwei hinter Mecklenburg-Vorpommern. An den Realschulen im Saarland, in Bayern, in Baden-Württemberg und in NordrheinWestfalen sind es bis zu fünf Schülerinnen und Schüler mehr in einer Realschulklasse.
Und an den Gymnasien weisen vor SchleswigHolstein nur wieder Sachsen-Anhalt und Sachsen 0,2 Schülerinnen und Schüler pro Klasse weniger auf. Über Bayern und Baden-Württemberg brauchen wir an dieser Stelle gar nicht zu sprechen.
Auch der Landesrechnungshof stellt in seinem Bericht vom 4. Juni 2004 fest, dass bei einem Vergleich der Relation Schüler je Klasse die schleswig-holsteinischen Schulen bis auf die Förder- und Grundschulen die niedrigsten Werte aufweisen.
nen die Schulen Schleswig-Holsteins nach eigener Abwägung entscheiden, ob sie bei Einhaltung der Mindestklassengröße von 15 Schülerinnen und Schülern große Klassen bilden, in denen entsprechend mehr Unterricht erteilt wird, oder ob kleinere Klassen gebildet werden, in denen entsprechend weniger Unterricht erteilt werden kann.
In Schleswig-Holstein ist ein Klassenteiler von 29 bestimmt. Das heißt, ab der 30. Schülerin oder dem 30. Schüler können zwei Klassen gebildet werden, ab 59 Schüler drei, ab 88 Schüler vier und ab 117 Schüler fünf Klassen.
Obwohl die „nicht konsequente Beachtung des Klassenteilers" erhebliche Auswirkungen auf die Unterrichtsversorgung der Klassen hat, entscheidet sich eine beachtliche Zahl von Schulen in SchleswigHolstein gegen dieses 29er-Prinzip. Und das, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind nicht die kleinen Schulen auf dem Lande, sondern vielfach die großen Schulen in den verdichteten Räumen, die - wie im vergangenen Schuljahr - bei der Aufnahme von 108 oder 102 Schülerinnen und Schülern nicht vier, sondern fünf Klassen bilden; das können Sie dem Landesrechnungshofbericht auf Seite 36 entnehmen.
Auch im Nachbarkreis gibt es eine Grundschule, wo mit 57 Kindern zu Beginn dieses Schuljahres nicht zwei, sondern drei Klassen gebildet worden sind. Was das für Folgen hat, ist eigentlich allen, die diese Entscheidung getroffen haben, bekannt. Wer statt vier fünf Klassen bildet, reduziert die Unterrichtsversorgung jeder der fünf Klassen um 25 % gegenüber der vierzügigen Jahrgangsbildung. Wer drei statt zwei Klassen bildet, mindert den möglichen Unterrichtsumfang noch stärker.
Die Handhabung dieses Verfahrens bei der Klassenteilung durch unsere Schulen - oder anders gesagt: die Freiräume oder Spielräume hierbei - sind entscheidend für den Grad der Unterrichtsversorgung der einzelnen Schule; auch das erwähnt der Landesrechnungshof in seinem Bericht auf Seite 37. Das ist allerdings ein Phänomen, das Sie als Opposition leider in allen Diskussionen ausblenden. Denn das ist ein wesentlicher Grund, warum sich Unterrichtsversorgung in Schleswig-Holstein anders darstellt als in manch anderen Bundesländern.
Kommen wir zum Aspekt der Unterrichtsversorgung in kleinen Schulen! Der Landesrechnungshof hat in seinem Bericht die Empfehlung ausgesprochen, im Zusammenhang mit der denkbaren Erhöhung der Unterrichtsversorgung über die Zusammenlegung von kleinen Grundschulen nachzudenken. Dieses, meine Damen und Herren, wird nach unseren Überprüfun
Bezogen auf den Kreis Plön - hier sind fünf Grundschulen in der Auflistung des Landesrechnungshofes - kann das sehr gut ermittelt werden. Legt man die zweiklassigen Grundschulen von Hüttenwohld und Schipphorst zusammen - sie liegen räumlich dicht beieinander -, werden aus zusammen 93 Schülerinnen und Schülern vier Klassen gebildet. Ergebnis: keine Einsparung.
Schickt man die 50 Kinder aus der Grundschule in Dersau zur Grundschule Am Vogelsang nach Ascheberg, müssen dort mit den 50 Dersauer Kindern zwei weitere Klassen eingerichtet werden. Ergebnis: keine Einsparung.
Schickt man die 55 Kinder aus der Grundschule Großharrie nach Neumünster-Einfeld, müssen auch dort zwei oder drei weitere Klassen eingerichtet werden.
Der Einsparungseffekt wird so gering sein, dass die Vorteile eines Schulangebotes im ländlichen Raum bei weitem überwiegen. Ich empfehle Ihnen, die Seite 3 der heutigen Ausgabe der Zeitung „Die Welt“ aufzuschlagen und die Äußerungen von Prof. Horst Weishaupt nachzulesen.
Meine Damen und Herren, die SPD SchleswigHolstein hat sich immer für den Erhalt kleiner Grundschulen im ländlichen Raum eingesetzt, solange dieses pädagogisch und organisatorisch vertretbar ist. Zu dieser Aussage stehen wir auch heute und für die Zukunft!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst eine Vorbemerkung. Unter den früheren Landtagsabgeordneten, die heute auf Einladung von Präsident Arens hier im Hause zu Gast waren, befand sich auch mein Parteifreund Neithart Neitzel. Bei unserem Gespräch heute Mittag haben wir uns daran erinnert, dass er es war, der für die FDPFraktion in der zweiten Hälfte der 70er-Jahre - nach unserer gemeinsamen Erinnerung 1977 - die alljährlichen Berichte zur Unterrichtssituation initiiert hat. Also haben wir inzwischen glatt die 25-Jahre-Feier dieses alljährlichen Beratungsrituals versäumt.
Meine Damen und Herren, jetzt in medias res zum aktuellen Bericht zur Unterrichtsversorgung im zurückliegenden Schuljahr. Auch im letzten Schuljahr ist die Zahl der Schüler außer bei den Grundschulen noch weiter gestiegen. Die Unterrichtsversorgung ist daher nach wie vor in manchen Bereichen unzulänglich.
Die Daten, die die Landesregierung zum letzten Schuljahr vorgelegt hat, zeigen dies deutlich, obwohl die Regierung naturgemäß und verständlicherweise bemüht ist, die Situation in den schönsten Farben zu schildern.
Ihr eigener Bericht, Frau Erdsiek-Rave, dokumentiert auf Seite 17 aber ein anderes Bild: Obwohl die Schulen in Schleswig-Holstein insgesamt mehr Lehrerstellen erhielten, gibt es zwei Schularten, in denen tatsächlich gegenüber dem Vorjahr weniger Unterrichtsstunden erteilt worden sind und das sind die Hauptschulen und die Förderschulen.
Fakt ist also: Rot-Grün setzt in Schleswig-Holstein die langjährige Politik der Benachteiligung gerade der lernschwächeren Schüler an Haupt- und Förderschulen weiter fort.
Dies, meine Damen und Herren, ist nichts anderes als eine Politik der Bildungsverweigerung zulasten jener Schüler, die eigentlich in besonderer Weise Förderung brauchen.
Diese Entwicklung schreitet voran, obwohl die Zahl der Hauptschüler im Berichtszeitraum um 1,1 % gestiegen ist; dies ist auf Seite 5 des Berichts nachzulesen.
Mehr Hauptschüler erhielten weniger Unterricht. Der Einbruch - das ist auf Seite 17 nachzulesen - fand insbesondere im Bereich der Förderstunden der Differenzierungsmaßnahmen statt, also da, wo es darauf ankommt, den Schülern im Unterrichtsangebot gezielt Hilfen zu geben.
Mehr Hauptschüler - das ist die Bilanz - erhielten weniger Unterricht. Das ist die Realität in einem Bundesland, in dem doch die Regierung und die Regierungsfraktionen von sich immer behaupten, sie setzten sich für die Schwächeren in dieser Gesellschaft in besonderer Weise ein und wollten deren Bildungschancen verbessern. Mehr als Lippenbekenntnisse sind dies wirklich nicht, wenn man die realen Fakten an den Schulen in diesem Land zur Kenntnis nimmt.
Nach einer kürzlich veröffentlichten Studie der Bertelsmann-Stiftung erreicht in Schleswig-Holstein jeder zehnte junge Mensch keinen Schulabschluss. Das ist ein deutlich höherer Anteil als im Durchschnitt der Bundesländer. Was tut die Landesregierung, um diesen Missstand zu beseitigen? - Nichts!
Erst vor wenigen Monaten hat die Bildungsministerin zur Abwehr einer Volksinitiative, die sich für verbindliche Stundentafeln eingesetzt hat, so etwas wie einen bildungspolitischen Offenbarungseid geleistet. Sie hat in einem Umdruck, der allen Mitgliedern des Parlaments vorliegt, mitgeteilt, dass den Hauptschulen in diesem Land für eine Unterrichtsversorgung, die sich am Durchschnitt des Bundesgebiets orientiert - das betrifft also die Stundenzahlen an Hauptschulen - 342 Lehrerstellen fehlen. Ein solches Fehl zur Sicherstellung eines Unterrichtsangebots, wie es nur dem Bundesdurchschnitt entsprechen würde, ist in keiner Schulart so groß wie gerade bei den Hauptschulen.
Deshalb betone ich noch einmal: Es wird in der Tat keine Schulart von dieser Landesregierung - und zwar seit Jahren - systematisch so schäbig behandelt wie gerade der Bereich der Hauptschulen.
Im letzten Schuljahr hat es zwar 72 zusätzliche Stellen für Grund- und Hauptschullehrer gegeben. Aber diese Stellen sind, wie wir alle wissen, weitgehend, vielleicht sogar vollständig, für den Aufbau der „Verlässlichen Grundschulen“ benötigt worden. Sie können gar nicht im Hauptschulbereich angekommen sein. Sonst müsste die Statistik dort ja mehr erteilte Unterrichtsstunden ausweisen.
Sie haben von rationeller Mittelverwendung gesprochen. Wir wissen, dass gerade die kleinen Grundschulstandorte zur Sicherung des Angebots „Verlässliche Grundschule“ Sonderzuteilungen erhalten mit dem Ergebnis - wie man das in Lübeck auf einer Veranstaltung des Verbandes Bildung und Erziehung an konkreten Beispielen mitgeteilt hat -, dass Grundschulen an Kleinststandorten mit Klassen von 15 Schülern praktisch die gleiche Personalzuweisung über einen Sonderzuteilungsmechanismus, über den die Schulräte entscheiden, bekommen, die auch andere Grundschulen bekommen, bei denen 28 Schüler in der Klasse sitzen. Sie schaffen also geradezu Anreize dazu, solche kleinen, für die Betroffenen, die Eltern und die Lehrkräfte sehr angenehmen Zustände an Kleinststandorten zu erhalten. Damit produzieren Sie genau das Gegenteil von dem, was Sie hier in den Raum gestellt haben. Denn Sie wollen ja möglichst
Im neuen Schuljahr sieht die Situation ähnlich aus. Der Bedarf für den Aufbau der „Verlässlichen Grundschule“ in kreisfreien Städten ist so groß, dass von den 50 Stellen, von denen Frau Erdsiek-Rave in ihrer Pressemitteilung vom 12. August gesprochen hat, kaum etwas an der Hauptschule ankommt. Ich glaube jedenfalls nicht, dass dort etwas ankommen wird. Es wäre schön, wenn Sie uns vielleicht die konkreten Zahlen zum Hauptschulbereich für dieses Schuljahr im Ausschuss nachlieferten.