Protocol of the Session on June 18, 2004

Diese Form von Kulturverständnis gilt es zu bewahren und zu mehren und auch an die jüngere Generation weiterzugeben. Für eine solche kulturelle Leidenschaft müsste auch ein Science Center einstehen.

(Lebhafter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und vereinzelt bei der CDU)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Endlich liegt er vor, der Bericht zur Kulturwirtschaft, könnte man fast geneigt sein zu sagen. Doch zum Glück hat sich das Warten gelohnt. Dafür danke ich im Namen des SSW dem federführenden Kulturministerium und all denen, die gedacht, formuliert und geschrieben haben. Sie haben aus unserer Sicht wirklich gute Arbeit geleistet.

(Beifall bei der Abgeordneten Silke Hinrich- sen [SSW] und Rolf Fischer [SPD])

Auch möchte ich mich bei der Kollegin Schwarz dafür bedanken, dass sie den vorliegenden Bericht initiiert hat.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Denn trotz der viel besungenen Kulturhoheit der Länder gehören Kulturdebatten - Caroline, wir wissen es beide - nicht gerade zu den Bestsellern in diesem hohen Hause. Das ist nicht nur „Sünde“ für uns, wie wir in Flensburg sagen,

(Beifall der Abgeordneten Ingrid Franzen [SPD])

sondern es wird auch in viel zu vielen Zusammenhängen ausgeklammert. Dadurch wird auch ausgeklammert, dass sich der Kultursektor zu einer echten Querschnittsaufgabe entwickelt hat.

Mit diesem ersten schleswig-holsteinischen Kulturwirtschaftsbericht reihen wir uns in eine Reihe von Bundesländern ein, die immer länger wird. In Nordrhein-Westfalen werden bekanntlich seit über zehn Jahren in regelmäßigen Abständen Kulturwirtschaftsberichte erstellt. Mittlerweile gibt es ähnliche Berichte unter anderem in Hessen, Baden-Württemberg, Berlin und Sachsen-Anhalt. Dort, habe ich gelesen, hat man sich vor ein paar Jahren seinen ersten Kulturwirtschaftsbericht sogar mit EU-Fördermitteln finanzieren lassen. Das wäre vielleicht auch eine Idee.

Dass die Erstellung dieser Bestandsaufnahme nicht gerade leicht war, können wir in dem Bericht nachlesen. Problematisch ist es zum Beispiel, dass es keine Statistik in Schleswig-Holstein gibt, die sich direkt mit der Kulturwirtschaft beschäftigt. Ein weiteres Problem ist die fehlende eindeutige Definition des Begriffs „Kulturwirtschaft“. Um hiermit weiterzukommen, gibt es seit Anfang des Jahres eine län

(Anke Spoorendonk)

derübergreifende Arbeitsgruppe, die sich auf eine inhaltliche Abgrenzung dieses Bereiches verständigen soll. Angestrebt wird außerdem der Aufbau einer kostengünstigen Datenbanklösung, um die Vergleichbarkeit der Daten zu erreichen. Das begrüßen wir ausdrücklich, da es unserer Meinung nach auch in Schleswig-Holstein von Interesse ist, künftig Informationen über die Kulturwirtschaft in unserem Lande präziser und schneller abfragen zu können.

Zu Recht wird in den Vorbemerkungen des Berichts auf die Komplexität des Themas aufmerksam gemacht. Dazu gehören auch die Ausführungen über die Verzahnung der öffentlich finanzierten kulturellen Grundversorgung mit der privat finanzierten Kulturwirtschaft. Soll heißen, dass die Nachfrage nach Kultur eine kulturelle Sozialisation voraussetzt, die, gesellschaftspolitisch betrachtet, ganz andere Ziele verfolgt, als den Kulturkonsum zu fördern. Ich denke, entscheidend ist dabei eher, dass Kultur identitätsstiftend wirkt. Dennoch muss Kulturpolitik zur Kenntnis nehmen, dass Kulturproduktion mehr und mehr von den Marktprinzipien der Kulturwirtschaft gesteuert wird, dass privatwirtschaftlich organisierte Formen der Kulturarbeit ständig an Gewicht gewinnen, dass sich die Kulturlandschaft gerade im Spannungsfeld von „öffentlich“ und „privat“ dynamisch verändert. Dafür ist ja dieser erste Kulturwirtschaftsbericht ein Beleg.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es würde jetzt zu weit führen, auf viele Einzelheiten des Berichts einzugehen. Ein paar Bemerkungen hierzu möchte ich dennoch machen.

Der Musikmarkt scheint bundesweit ein Wachstumsmarkt zu sein. So steigen nicht nur die Besucherzahlen von Live-Musikveranstaltungen, auch der Umsatz von Tonträgern steigt. Deutschland ist damit der viertgrößte Markt weltweit und der zweitgrößte Markt in Europa. Der schleswig-holsteinische Musikmarkt liegt, an der Wirtschaftskraft gemessen, im Ländervergleich an achter Stelle, wobei wir wieder vor der Frage stehen, ob unser Glas nun halb voll oder halb leer ist. Dass es schwierig sein könnte, die Musikwirtschaft zu stärken, geht auch aus dem Bericht hervor. Das hängt vielleicht auch damit zusammen, dass die Anzahl der Selbstständigen von 1995 bis 2002 um 50 % gestiegen ist, dass sich die durchschnittlichen Jahreseinkommen in dieser Zeit jedoch nicht geändert haben. Diese Beobachtung hat der Kollege Klug ja ebenfalls gemacht.

Wenige Chancen räumt der Bericht dem schleswigholsteinischen Kunstmarkt ein. Konkret heißt es auf Seite 25, dass unser Land ein schwieriger Kunstmarkt sei. Für mich stellt sich die Frage, ob wir politisch

dazu beitragen können, die Rahmenbedingungen so zu ändern, dass dieser Markt weniger schwierig wird. Ich weiß nicht, ob dies möglich sein wird, aber ich denke, eine Diskussion darüber im Ausschuss ist schon angebracht.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In den Abschnitten über Kulturverwaltung und Kulturmanagement wird hervorgehoben, dass auch die kulturellen Verbände der Minderheiten eine Rolle spielen. Das kann ich natürlich ohne weiteres bestätigen, denn einerseits definieren sich die nationalen Minderheiten in erster Linie über ihre Sprach- und Kulturarbeit, andererseits entsteht dadurch auch ein kultureller Markt, der wiederum zu einem vielfältigen Veranstaltungs- und Kulturmanagement führt. Das Gleiche gilt für den Bereich der Soziokultur, in dem das „Aktivitetshuset“ in Flensburg schon längst einen etablierten Platz einnimmt.

Der Bericht belegt, dass auch die Rolle der Museen und Sammlungen in der Kulturwirtschaft in den letzen Jahren stetig zugenommen hat. So stieg die Anzahl der Museen von 1995 bis 2003 von 173 auf 258 an. Das ist ein Anstieg von knapp 50 %, wobei die Museen trotz oder gerade wegen knapper öffentlicher Kassen in der Beschaffung von Geldern immer erfindungsreicher geworden sind.

Ich kann nur empfehlen, sich einmal mit der Leitung des Archäologischen Landesmuseums zusammenzusetzen und sich genau dies erklären zu lassen. Es ist schon beachtlich, was man dort erreicht hat. Wenn davon gesprochen wird, dass man jetzt die Wikingersiedlung aufbauen will: Lieber Kollege Hentschel, das läuft bereits. Hier ist ganz viel im Gange.

Das wirtschaftliche Bewusstsein der Betreiber und auch ihr Talent im Einwerben von Drittmitteln hat somit eine Aufwertung erfahren. Daher stimmen wir mit dem Bericht überein, wenn dort steht, dass gerade die touristische Relevanz der Museen und vor allem auch die der kleinen Häuser künftig mehr Beachtung finden muss. Konkret heißt das für den SSW, dass wir uns zusammen mit anderen darum bemühen, das Museum am Dannewerk zu stärken. Denn das Dannewerk hat nicht nur in der deutsch-dänischen Geschichte eine ganz wichtige Rolle gespielt, sondern es stellt auch das größte Kulturdenkmal Nordeuropas aus der Wikingerzeit dar. Hier gibt es noch etwas zu tun.

(Beifall bei SSW und CDU)

Insgesamt sollte der Abschnitt über die Bedeutung des Kulturtourismus für Schleswig-Holstein in der

(Anke Spoorendonk)

Ausschussberatung eine zentrale Rolle spielen. Dabei sollten uns folgende Aussagen zu denken geben: Von den circa 2,6 Millionen Urlaubsreisen nach Schleswig-Holstein fallen nur etwa 1,7 % in diese Kategorie, das heißt in die Kategorie der Kulturreisen. Es gilt dieses zurzeit noch geringe touristische Potenzial durch eine verstärkte Öffnung kultureller Einrichtungen und Veranstaltungen für die touristische Vermarktung deutlich zu stärken. Dass dieses durchaus möglich ist, zeigt aus Sicht des SSW die Entwicklung des Schleswig-Holstein Musik Festivals. Auch das, was die Kollegin Birk vorhin über die Phänomenta gesagt hat, können wir voll unterstreichen. Auch das ist Kulturwirtschaft und nicht allein Ausstellung und Bildung.

(Beifall der Abgeordneten ten Frauke Tengler [CDU])

Ein anderes Zitat, das mir gut gefiel, will ich auch noch bringen, weil auch das zeigt, wohin die Reise gehen sollte: Qualifizierte große und kleine Museen in den Urlaubsregionen sind Sympathieträger; sie vermitteln den Gästen die Identität und Alleinstellung unseres Landes. Museen tragen so zur tieferen Kenntnis der Urlaubslandschaft bei und begünstigen Wiederholungsbesuche in Schleswig-Holstein. Mit anderen Worten: Es gilt das kulturwirtschaftliche Bewusstsein in unserem Land zu schärfen und zu fördern; denn Schleswig-Holsteins Stärke ist eine vielfältige Kulturlandschaft.

Wie ich eingangs hervorhob, begrüßen wir den Bericht nicht zuletzt auch deswegen, weil er offen darlegt - es ist wirklich ein redlicher Bericht -, wie schwierig es im Grunde ist, einen soliden Kulturwirtschaftsbericht zu schreiben. Dennoch gibt es eine ganze Reihe von Anregungen, die - ich sagte es bereits - im Ausschuss debattiert werden sollten. Dazu gehört auch die große Problemstellung der Förderung. Im Bericht wird gesagt, dass wir keine gesonderten Förderinstrumente für die Kulturwirtschaft brauchen. Dennoch müssen wir uns damit kritisch auseinander setzen. Wir können vielleicht auch überlegen, ob wir nicht einen Förderwettbewerb für Unternehmensgründungen im Bereich der Kulturwirtschaft initiieren wollen. Wir müssen auf jeden Fall sehen, ob die Fördermöglichkeiten transparent genug für diejenigen sind, die im Bereich Kulturwirtschaft tätig werden wollen.

Also: Es gibt noch viel zu tun. Die Konklusion sollte frei nach Karl Valentin lauten: Kultur ist schön, macht aber viel Arbeit. Ich könnte hinzufügen: Sie schafft aber auch viel Arbeit.

(Beifall bei SSW und CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Beratung. Es ist beantragt worden, den Bericht der Landesregierung dem Bildungsausschuss und dem Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Ich schlage vor: zur abschließenden Beratung. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dies ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 28 auf:

Energiebericht 2004

Bericht der Landesregierung Drucksache 15/3493

Ich erteile der Ministerpräsidentin, Frau Heide Simonis, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung hat sich im Jahr 1995 verpflichtet, dem Landtag jeweils in der Legislaturperiode einen Energiebericht vorzulegen. Heute liegt Ihnen also der dritte Energiebericht vor. Ich nehme das Ergebnis vorweg. Er führt die energiepolitische Erfolgsgeschichte des Landes fort.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Mit der Regierungsübernahme 1988 hatten wir uns zwei wichtige Ziele gesetzt: erstens den Ausstieg aus der Kernenergie - dies verfolgt die Landesregierung sehr konsequent und im Einverständnis mit der Mehrheit der Bevölkerung -

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

und zweitens den Aufbau einer rationellen Energieverwendung. Der Ausstieg aus der Kernenergie ist in nachvollziehbaren Schritten auf den Weg gebracht. Mit der Novelle zum Atomgesetz vom April 2002 sind nach langwierigen Diskussionen zwischen allen Beteiligten Restlaufzeiten gesetzlich normiert. Hier erwarten wir, dass die Kernkraftwerke Brunsbüttel, Krümmel und Brokdorf in den Jahren 2009, 2016 und 2018 vom Netz gehen. Die Landesregierung hält am geordneten Ausstieg aus der Atomenergie fest.

Zugleich haben wir seit 1988 konsequent eine rationelle Energieversorgung aufgebaut. Diese haben wir auf drei Säulen gestellt: Energieeinsparung, Erhöhung der Effizienz bei der Energieumwandlung und Schwerpunkt der erneuerbaren Energien, insbesondere Wind. Oder bildlich gesprochen: Nicht verbrauchte Kilowattstunden sind die besten. Wenn Energieres

(Ministerpräsidentin Heide Simonis)

sourcen verbraucht werden, dann muss dieser Vorgang so effizient wie möglich gestaltet werden. Unser Energiemix in Schleswig-Holstein weist bereits heute 3 Milliarden kWh Strom aus Wind aus, was beachtlichen 25 % entspricht.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Bezogen auf die Einwohnerzahl sind wir das Windland Nummer 1. Mit dieser Landesregierung werden wir das auch bleiben. Dies alles unterstützen wir noch durch Fördermaßnahmen wie beispielsweise mit dem Zukunftsinvestitionsprogramm auch für Energieinvestitionen, weil das gut für unser Land ist.

Nun wäre es angesichts der Erfolge unserer Energiepolitik zwar durchaus wünschenswert und sinnvoll, diese Politik auch von der Oppositionsseite zu unterstützen, aber solche realen Überlegungen sind bei Ihnen nur schwer unterzubringen. Denn wenn der Feldzug der Opposition gegen die erneuerbaren Energieträger mit den teuren Preisen begründet wird, müssten wir in Schleswig-Holstein als dem Windenergieland Nummer 1 auch höhere Strompreise haben. Das haben wir aber nicht. Ganz im Gegenteil: Im Jahre 2003 hatte Schleswig-Holstein bundesweit den günstigsten Strompreis für Tarifkunden. Im Jahre 2004 sind wir hinter Niedersachsen - auch ein Land mit viel Windenergie - knapp an die zweite Stelle gerückt, mit einer Differenz von 0,2 c/kWh, während unser Strompreis 15,43 c/kWh betrug.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Was aber vermitteln uns die Oppositionsparteien in Berlin? Die CDU/CSU sucht, insbesondere der bayerische Ministerpräsident von der CSU, ihr Heil wiederum in der Kernenergie. Im „Stern“ vom Mai war eine Forsa-Umfrage veröffentlicht, wonach sich 47 % der Befragten „für einen allmählichen Verzicht auf die Kernenergie“ - das ist das, was wir gerade machen -, 18 % sogar für „einen Ausstieg so schnell wie möglich“ ausgesprochen haben. Das sind zwei Drittel unserer Bevölkerung. Angesichts dieser Stimmungslage in der Republik verfolge ich mit einigem Interesse, wie der bayerische Ministerpräsident seinen Wunsch - einige CDU-Leute folgen ihm gern - durchsetzen will. Es wäre übrigens interessant zu erfahren, welches der fordernden Länder sein Land für eine Deponie des strahlenden Abfalls zur Verfügung stellt.